Der Benz’sche Patent-Motorwagen

Der Benz'sche Patent-Motorwagen. Originalzeichnung von J. G. Fuellhaas

Seit der Erfindung der Dampfmaschine strebt der menschliche Geist unablässig darnach, die bisher von Menschen oder Thieren geleistete mechanische Arbeit soviel als möglich durch geeignete Maschinen verrichten zu lassen.

Auf den meisten Gebieten ist dies in früher ungeahnter Weise gelungen, dagegen widerstrebte das Problem, unsere gewöhnlichen Personenfuhrwerke mit einem geeigneten Motor auszurüsten, der an Stelle der kostspieligen Zugkraft der Pferde treten könne, hartnäckig seiner befriedigenden Lösung. Jetzt es nun, als sei diese erreicht oder doch nahezu erreicht durch den Benz’schen Patent-Motorwagen, welcher von der Firma Benz & Comp. in Mannheim hergestellt wird. Das Gefährt sieht einem gewöhnlichen Kutschwagen sehr ähnlich, an dem zuerst nur auffällt, daß er anstatt vier Rädern deren drei und unter dem Rücksitze zwischen beiden Hinterrädern einen besonders geräumigen Wagenkasten hat. Letzterer enthält den Motor, der durch Vergasung von Petroleum-Benzin betrieben wird und das erforderliche Gas während der Fahrt selbstthätig erzeugt.

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Entsprechend der Fahrgeschwindigkeit bald schneller, bald langsamer, wird das Petroleum-Benzin aus einem unterhalb des Sitzes augebrachten Kupferbehälter, dessen Füllung für eine Fahrt von 120 Kilometer ausreicht, tropfenweise in den Gaserzeuger eingeführt und dort durch den elektrischen Funken zur Explosion gebracht. Eine ununterbrochene Reihe solcher kleinen, gänzlich gefahrlosen Gasexplosionen ist es, welche dem Gefährt die bewegende Kraft verleiht.

Der Benz'sche Patent-Motorwagen. Originalzeichnung von J. G. Fuellhaas
Der Benz’sche Patent-Motorwagen. Originalzeichnung von J. G. Fuellhaas

Durch einen an der Außenseite links angebrachten Hebel kann der Motor leicht ein- oder ausgerückt, und dadurch der Wagen in Bewegung gesetzt oder angehalten werden. Eine Art Steuerrad mitten im Wagen gestattet das Lenken, das wie beim Dreirade durch Wendung des Vorderrades bewirkt wird. Der Benz’sche Motorwagen bewegt sich, wie durch Versuche in verschiedenen Städten erprobt worden ist, leicht und sicher selbst auf den verkehrsreichsten Straßen, weicht entgegenkommenden Fuhrwerken oder Fußgängern genau aus, beschreibt enge Bogen ohne Schwierigkeit, überwindet Steigungen bis zu 6 Prozent und vermag auf freier Straße 16 Kilometer in der Stunde zurückzulegen.

Der Verbrauch an Petroleum-Benzin für eine Stunde Fahrt beträgt nur 1 Liter im Werthe von etwa 30 Pfennig, so daß sich also die Betriebskosten viel billiger stellen, als bei Benutzung von Pferden. Der Benz’sche Patent-Motorwagen nimmt unter den ähnlichen bis vorhandenen Erzeugnissen dieser Art ohne Zweifel eine hervorragende Stelle ein und hat denn auch auf der Kraft- und Maschinenausstellung zu München im Jahre 1888 die Anerkennung aller Fachleute gefunden.

Dieser Artikel erschien zuerst in Heft 10/1890 des Das Buch für Alle.