Der Besuch des Kaisers Franz Joseph in Berlin

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An Nachmittag des 12. August 1889 ist Kaiser Franz Joseph in die deutsche Reichshauptstadt eingezogen, freudig begrüßt nicht nur von unserem Kaiserhause, sondern von der gesammten Bevölkerung, die in diesem Besuche eine neue Bürgschaft des Freundschafts- und Friedensbündnisses sieht, das Deutschland nun schon seit zehn Jahren mit Oesterreich-Ungarn verknüpft.

Punkt 5 Uhr erfolgte die Ankunft des den Kaiser von Oesterreich führenden Zuges auf der Station „Thiergarten“, wo Kaiser Wilhelm II., umgeben von den Prinzen Heinrich, Albrecht und den übrigen Prinzen des königlichen Hauses seinen kaiserlichen Gast und den ihn begleitenden Erzherzog Franz Ferdinand von Oesterreich-Este empfing und auf das Herzlichste begrüßte. Dann erfolgte die Einfahrt in die Stadt mittelst kaiserlicher Galawagen. Vorauf ritt eine Eskadron Gardes du Corps, ihnen folgten in einem vierspännigen mit Rappen bespannten und von Spitzenreitern und Stallmeistern geleiteten Wagen die beiden Monarchen, dahinter eine Eskadron Gardekürassiere. Dann kam ein gleichfalls vierspänniger Hofwagen mit dem österreichischen Thronfolger und dem Prinzen Heinrich, und hierauf die Equipagen mit den übrigen Prinzen und dem hohen Gefolge der Herrscher.

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Fürst Bismarck saß mit dem Grafen Kalnoky zusammen; auf dem Rücksitz hatte Graf Herbert Bismarck Platz genommen, während die Grafen Moltke und Waldersee gemeinsam in einer Hofequipage folgten. Auf dem ganzen Wege bildeten Mannschaften aller Regimenter der Garnison von Berlin und Potsdam Spalier. Dichte Menschenmassen, nach vielen Tausenden zählend, standen dahinter. Die Musikcorps spielten die österreichische Volkshymne, und den ganzen Zug der Majestäten begleitete lauter Jubel. In dem Augenblick, als die beiden Kaiser durch das Brandenburger Thor in die Hauptstadt einfuhren (siehe unser Bild), gab die im Lustgarten aufgestellte Leibbatterie des 1. Garde Feldartillerieregiments 101 Salutschüsse ab.

Der Besuch des Kaisers Franz Joseph in Berlin. Ankunft am Brandenburger Thor. Originalzeichnung von F. Hofang
Der Besuch des Kaisers Franz Joseph in Berlin. Ankunft am Brandenburger Thor. Originalzeichnung von F. Hofang

Im königlichen Schlosse erwarteten die Kaiserin und die königlichen Prinzessinnen den hohen Gast; um 7 Uhr fand Familientafel im Schlosse statt, und um 8 ½ Uhr begann der grosse Zapfenstreich als erste festliche Veranstaltung zu Ehren des Kaisers Franz Joseph. Am 13. August war die Parade des gesammten Gardecorps, die glänzend verlief; dann fuhren die Kaiser nach Charlottenburg, wo Kaiser Franz Joseph einen Lorbeerkranz auf dem Sarge Wilhelm’s I. niederlegte, und Abends um 7 Uhr fand das Festmahl im königlichen Schlosse statt, wobei die mit Begeisterung aufgenommenen Trinksprüche der beiden Monarchen ausgebracht wurden. Am 14. August war Vormittags Gefechtsexerzieren des Gardecorps bei Spandau, Nachmittags fuhren beide Kaiser nach Potsdam, wo die Friedenskirche besucht wurde, und Kaiser Franz Joseph einen prachtvollen Kranz am Sarge Kaiser Friedrich’s niederlegte, und hierauf fand ein Festmahl bei der Kaiserin Augusta in Babelsberg statt. Am 15. August war Parade des Kaiser Franz-Garde-Grenadierregiments, an die sich ein Besuch der Ausstellung für Unfallverhütung schloß; Abends um 9 Uhr erfolgte dann die Abreise des Kaisers Franz Joseph vom Anhaltischen Bahnhof aus mittelst Sonderzuges.

Dieser Artikel erschien zuerst in Heft 4/1890 des Das Buch für Alle.