Landhausbauten in Gross-Lichterfelde bei Berlin

Arch.: Reg.-Bmstr. Ludw. Otte in Gr.-Lichterfelde. Nachstehend veröffentlichen wir eine kleine Gruppe Landhausbauten, welche durch den Architekten Reg.-Bmstr. L. Otte in Gross-Lichterfelde in dieser vor Berlin gelegenen Villenstadt zur Ausführung gelangten und welche das Bestreben bekunden, auch das Landhaus von bescheidenen und bescheidensten Verhältnissen in allen seinen Theilen in künstlerischer Weise mit Betonung eines ausgesprochenen Individualismus durchzubilden.

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Da steht zunächst in der Chausseestrasse, im Mittelgrunde eines stattlichen Grundstückes mit schöner Anpflanzung, das anmuthige Landhaus Löwenthal, welches in seiner schlichten und anspruchslosen aber frischen Erscheinung wie ein idyllisches Barockschlösschen alter Zeit, wie ein den verschwiegenen Zusammenkünften hoher Liebesleute dienendes buen retiro anmuthet. Dieser Eindruck aber hält nicht lange an; die Stille der Zurückgezogenheit durchbricht bald eine vierköpfige frische Kinderschaar, für die im Verein mit den beiden Eltern das wohnliche Heim geplant wurde. Kein Luxus, kein unnöthiger Aufwand, lediglich die bequeme Erfüllung der unumgänglichen Bedürfnisse für eine Familie, welche in dem harmonischen Zusammenleben in sich einen höheren Lebensgenuss findet, als in den Aeusserlichkeiten eines unruhigen gesellschaftlichen Treibens. Es sind daher nur die Bedingungen der Wohnlichkeit, die der Familienverkehr vorschreibt, welche die Anlage des Hauses bestimmten.

Landhaus Löwenthal in Gross-Lichterfelde bei Berlin – Strassenansicht
Landhaus Löwenthal in Gross-Lichterfelde bei Berlin – Gartenansicht
Landhaus Löwenthal in Gross-Lichterfelde bei Berlin – Grundrisse

Dasselbe enthält nach den beistehenden Grundrissen im hohen Kellergeschoss die Küchen- und Vorrathsräume, die Waschküche, ein Kinderspiel- und ein Mädchenzimmer. Das Kinderspielzimmer steht unmittelbar mit dem Garten in Verbindung. Im Erdgeschoss folgen, um einen Flur gruppirt, die Wohnräume, bestehend aus Salon, Herrenzimmer und Speisezimmer mit geschlossener Halle, im Obergeschoss die Schlafzimmer der Eltern und Kinder mit Nebenräumen und im Dachgeschoss weitere Nebenräume. Die Art des Aufbaues und die Ausstattung des Aeusseren ergiebt sich aus unseren Abbildungen. Der Künstler wählte die schlichten Putzformen des maassvoller Barockstils; der durch den Anstrich hervorgerufene Eindruck ist hell, freundlich und heiter. Das Haus will Kunde geben von Lebensglück und Lebenslust. Die Ausstattung des Inneren hält sich in den gleichen Grenzen behaglicher Wohnlichkeit, Hierzu trägt die knappe und praktische Fassung des Grundrisses in jeder Beziehung bei. Die Errichtung des Hauses war dem Künstler imganzen um die verhältnissmässig bescheidene Summe von 31000 M. ohne Nebenanlagen übertragen. Er hat damit erreicht, was unter der Berücksichtigung der Dauerhaftigkeit an gewinnendem Eindruck zu erreichen war. Aufgaben wie die vorliegende gehören zu den dankbareren unseres Gebietes, sie enthalten daher trotz ihrer Schlichtheit ein interessantes Stück Persönlichkeit.

Landhaus Böttger in Gross-Lichterfelde bei Berlin
Landhaus Böttger in Gross-Lichterfelde bei Berlin – Grundrisse

Nicht unerheblich reicher in Anlage und Aufbau wie das Landhaus Löwenthal ist das Landhaus Böttger, welches für seine Erstellung ohne die Nebenanlagen eine Summe von etwa 53 500 M. beanspruchte. Die Familie besteht aus den Eheleuten und aus einem Kinde; ein flüchtiger Blick nur auf den Grundriss lässt erkennen, dass das Haus auf gesellschaftlichen Verkehr angelegt ist. Für die Gesammtanordnung des Grundrisses war maassgebend, dass die Strassenfront nach einer ungünstigen Himmelsrichtung, und zwar nach Westen, liegt; deshalb öffnet sich das Haus in seinen Wohnräumen mehr nach der Gartenseite, während nach der Strassenseite sämmtliche Nebenräume einschliesslich der Treppe liegen. Die Grundrissgestaltung ist übersichtlich und klar, sämmtliche Räume sind um die Diele gruppirt. Da der Besitzer des Hauses ein grosser Vogel- und Blumenfreund ist, so ist neben seinem Zimmer ein Wintergarten derart angelegt worden, dass er zugleich mit dem Salon und mit der Gartenhalle in Verbindung steht und freundliche Durchblicke eröffnet. Durch den Wintergarten ist zugleich eine Verbindung des Herrenzimmers mit Salon und Gartenhalle hergestellt. Das Haus hat Zentralheizung. Im Aufbau wahrt es den herrschaftlichen Charakter, ohne dadurch in einen Gegensatz mit der landschaftlichen Umgebung zu gerathen. Der Gesammteindruck der in maassvollen Architekturformen gehaltenen Aussenseiten, die ein nur bescheidenes Ornament schmückt, ist licht und freundlich. Die Ausstattung des Innern ist eine dem Aeusseren entsprechende herrschaftliche, jedoch ohne besonderen Aufwand.

Landhaus Boek in Gross-Lichterfelde bei Berlin
Landhaus Boek in Gross-Lichterfelde bei Berlin – Grundrisse

Erheblich bescheidenere Ansprüche sind in dem Landhause Boek befriedigt. Die für dasselbe zur Verfügung gestellte Summe betrug nur 22 000 M., wofür allerdings ein Haus für eine Familie mit nur einem Kinde zu schaffen war. Auch hier war die Himmelsrichtung für die Anlage insofern bestimmend, als, da die Strassenfront nach Norden liegt, die Wohnräume möglichst nicht nach der Strasse zu zu legen waren. Sie liegen wieder nach dem Garten, nur der Salon hat einen erkerartigen Ausbau gegen die Strasse erhalten. Da die Hausfrau in der Küche mit thätig ist, so war auf eine gute Verbindung der Küche mit dem Wohnzimmer besonders Bedacht zu nehmen. Sie wurde an die westliche Seite verlegt und mit ihr Speisekammer, Mädchengelass und Kloset in eine Gruppe vereinigt, die sich sowohl im Grundriss wie auch im Aufbau scharf von der übrigen Raumgruppe absondert; diese wirthschaftliche Raumgruppe ist als Anbau behandelt. Das Aeussere ist in dem gleichen gefärbten Putzbau unter möglichster Vermeidung ornamentaler Zuthaten gehalten, wie die vorbesprochenen Bauten. Auch hier ist der Eindruck ein lichter und freundlicher. Die innere Ausstattung ist schlicht, doch gut bürgerlich; es sind Stabfussböden gelegt, Stuck aber ist nicht verwendet; farbige Kachelöfen und Eisenöfen erwärmen die Räume.

Es ist nun nicht zu leugnen, dass die Beschränkung der Bausumme in der Durcharbeitung des Aeusseren dieses Hauses und mehr noch in dem nunmehr kurz zu besprechenden Landhause Kremski zu erkennen ist. Für das letztere kommt bei einer Besprechung an dieser Stelle eigentlich nur der Grundriss inbetracht, welcher wohl als eine der knappsten Lösungen für ein Wohnhaue bezeichnet werden kann, das einer vollzähligen Familie der gebildeten Stände als Aufenthalt dient.

Landhaus Kremski in Gross-Lichterfelde bei Berlin
Landhaus Kremski in Gross-Lichterfelde bei Berlin – Grundrisse

Zwei Zimmer und Küche im Erdgeschoss, drei Zimmer und Mädchenkammer darüber – das steht schon hart auf der Grenze zwischen der Villa der gebildeten Stände und der Arbeitervilla. Denn kaum merklich ist der Unterschied, der zwischen der Arbeiterwohnung besteht, die aus den philantropischen Bestrebungen der jüngsten Vergangenheit entsteht, und diesem auf die bescheidensten Bedürfnisse beschränkten Landhause. Das Wort „klein aber mein“ hat durch seinen vielfachen Missbrauch einen etwas trivialen Beigeschmack bekommen. Wer aber auf sein Grundmotiv zurück geht, erkennt in ihm eine der stolzesten Wahrheiten germanischer unabhängiger Gesinnung. Diese über alles; sie im Auge, kann man die Selbstgenügsamkeit des gebildeten Mannes wohl verstehen, welche diesen bescheidenen Grundriss veranlasst hat. Der Aufbau klingt etwas an die Häuser der Alpenländer an, ohne die Absicht zu bekunden, stilecht sein zu wollen. Diese Absicht ist auch bei den im Putzbau des Barockstiles durchgeführten Häusern herrschaftlicheren Charakters keineswegs vorhanden; der Architekt begnügte sich vielmehr damit, für die von ihm gewählte Ausführungsweise die nach seiner Ansicht geeignetsten Formen zu wählen. Diese setzen sich aus Reminiszenzen aller Art je nach Bedarf zusammen und bieten den Vortheil, dass sie auf Bauten der verschiedensten Grösse und der mannichfaltigsten Gestaltungs-Bedingungen, auf symmetrische und unsymmetrische, malerisch gruppirte Anlagen anwendbar sind. Ihre freie Ungebundenheit bewahrt vor schematischer Anwendung, die Vielseitigkeit der dekorativen Mittel vor Eintönigkeit. Dieser bewusste realistische Eklektizismus hat zweifellos einen modernen Zug.

Dieser Artikel erschien zuerst am 14.12.1898 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „H.“.