Der engere Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Dienstgebäude des kaiserlichen Patentamtes in Berlin

Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. 1. Preis. Fassade in der Gitschiner Strasse

Im Mai dieses Jahres ist durch den kaiserlichen Staatssekretär des Inneren an die Hrn. Cremer & Wolffenstein, Schwechten, Kayser & von Groszheim, Solf & Wichards und Reinhardt & Süssenguth, sämmtlich in Berlin bezw. Charlottenburg, die Einladung .zur Theilnahme an einem engeren Wettbewerb zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Dienstgebäude des kaiserlichen Patentamtes ergangen, welcher in den letzten Augusttagen in dem bereits mitgetheilten Sinne entschieden wurde.

Die durchaus unzulänglichen Raumverhältnisse des jetzigen Dienstgebäudes in der Luisenstrasse haben schon seit Jahren die Nothwendigkeit der Errichtung eines neuen Gebäudes dargethan. Als Bauplatz für dasselbe ist ein Theil des Kasernengeländes an der Gitschiner-Strasse in Aussicht genommen, welches, nach rückwärts an bebautes Privatgelände anstossend, östlich von der Alexandrinenstrasse, westlich durch die neu angelegte verlängerte Alte Jakobstrasse begrenzt wird und die Gestalt eines unregelmässigen Vierecks hat.

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Das sorgfältig bearbeitete, aufgrund eines Vorentwurfes aufgestellte Bauprogramm wurde, um den Theilnehmern des Wettbewerbes ein möglichst anschauliches Bild des ungewöhnlich verwickelten Betriebes im Patentamte zu geben, durch mehrfache Berathungen mit den Wettbewerbern ergänzt bezw. abgeändert und es wurde diesen auch die Möglichkeit gewährt, den Geschäftsbetrieb im alten Hause unter sachkundiger Führung kennen zu lernen. Dieser Geschäftsverkehr zerfällt nach einer den Wettbewerbern übergebenen Darstellung in 3 Gruppen und zwar in die Gruppen für Patentwesen, Gebrauchsmusterwesen und Waarenzeichenwesen. Die Leitung liegt einem Präsidenten und 4 Direktoren (3 juristische und 1 technischer) ob; ihnen sind beigegegen 1 technisches Mitglied zur Ueberwachung des Untersuchungs-Materiales, mehrere juristische Hilfsarbeiter und 1 Vorsteher für das Verwaltungsbüreau. Aus den interessanten Einzelheiten des Geschäftsverkehres sei Folgendes angeführt:

Die den drei Gruppen gemeinsamen Dienststellen (Kasse, Annahmestelle usw.) sind der Gruppe für Patentwesen angegliedert.

Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. 1. Preis. Fassade in der Gitschiner Strasse
Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. 1. Preis. Fassade in der Gitschiner Strasse

Die durch den Anmelder persönlich oder durch die Post zur Einreichung gelangenden Patent-, Gebrauchsmuster- und Waarenzeichen-Anmeldungen werden von der Anmeldestelle in Empfang genommen. Von dieser gelangen sie zur Kasse, bei der auch die Einzahlung der jährlichen Gebühren sowie alle übrigen Ein- und Auszahlungen, ausschliesslich der aus dem Verkauf von Patentschriften herrührenden, erfolgen. Der Kasse ist die Kontrolle für Einzahlung der Patent-Jahresgebühren angegliedert.

Demnächst gehen die Anmeldungen zur Dienststelle für die Auszeichnung der Patent- und Gebrauchsmuster-Anmeldungen bezw. zum Vorsteher des technischen Bureaus der Abtheilung für Waarenzeichen und von hier, nach erfolgter Auszeichnung, zum zutreffenden Index (Patent-‚Gebrauchsmuster- und Waarenzeichen-Index). Nach erfolgter Indizirung gelangen sie nach den einzelnen Anmelde-Abtheilungen, der Anmeldestelle für Gebrauchsmuster und der Abtheilung für Waarenzeichen zur bureaumässigen Bearbeitung und Vorprüfung.

Entwurf von Cremer & Wolffenstein. 2. Preis. Fassade in der Gitschiner Strasse
Entwurf von Cremer & Wolffenstein. 2. Preis. Fassade in der Gitschiner Strasse

Bei den Patentanmeldungen erfolgt die Vorprüfung in erster Linie durch technische Hilfsarbeiter und in weiterer Folge durch technische Mitglieder (Vorprüfer), unter Benutzung des den einzelnen technischen Hilfsarbeitern und Mitgliedern auf ihren Zimmern zur Verfügung stehenden Prüfungsmateriales (Bücher, deutsche und ausländische Patentschriften), sowie der in der Bücherei befindlichen Bücherbestände. Das Vorprüfungs Verfahren kann mündliche Verhandlungen zwischen dem Anmelder bezw. dessen Vertreter (Patentanwalt) und dem Vorprüfer unter Hinzuziehung des technischen Hilfsarbeiters nothwendig machen. Diese Verhandlungen finden entweder auf den Zimmern der Vorprüfer, in den Sälen für mündliche Verhandlungen vor der Anmelde-Abtheilung oder, falls eine Vorführung des Anmeldungs-Gegenstandes vereinbart ist, in den Räumen für Versuchszwecke statt. Zum leichteren Erkennen des Gegenstandes der Anmeldung werden von den Anmeldern nach eigenem Ermessen oder auch auf ergangene Verfügung Modelle eingereicht, deren Aufbewahrung jahrgangsweise in der Modellverwaltung erfolgt. Nach erledigtem Verfahren hat der Präsident des Patentamtes über die Verwendung oder Vernichtung der Modelle Bestimmung zu treffen. Besonders schwere und umfangreiche Modelle sollen in einem im Sockelgeschoss liegenden Raum gelagert werden, in dem sie auch besichtigt werden können. Jeder Farbstoffe betreffenden Anmeldung ist eine Substanzprobe in luftdichtschliessender Glasflasche beizufügen, die im Patentamt dauernd verbleibt und in Schränken in dunklen, kühlen Räumen (Sockelgeschoss) aufbewahrt wird. Ferner werden die von den chemischen Instituten und Anmeldern eingehenden Ausfärbungen (Stoffproben auf Papptafeln) in Zimmern in der Nähe der Zimmer der Vorprüfer für die Farbklassen aufbewahrt.

Entwurf von Brth. Schwechten in Berlin
Entwurf von Brth. Schwechten in Berlin

Nach beendigter Vorprüfung wird die Anmeldung an den Berichterstatter zwecks Vortrages in der nächsten Abtheilungssitzung weitergegeben. An der Ablungssitzung nehmen die sämmtlichen Mitglieder der Abtheilung theil. Die Leitung der Sitzung liegt dem Abtheilungs-Vorsitzenden ob. Die Sitzungen finden für jede Anmelde-Abtheilung wöchentlich mindestens einmal in einem der Sitzungssäle statt, falls erforderlich unter Heranziehung der eingesandten Modelle und der aus der Bücherei herbeizuschaffenden Druckschriften. Nachdem die Anmelde-Abtheilung Bekanntmachung der Anmeldung beschlossen hat, geschieht die Auslegung der der Anmeldung zugrunde liegenden Schriftstücke in der Auslegehalle. Dem Publikum, dem die Auslegung durch den Reichsanzeiger bekannt gemacht ist, steht die Einsichtnahme der Schriftstücke und auf besonderes Erfordern die Besichtigung der etwa vorhandenen Modelle zu. In der Auslegehalle können seitens des Publikums auch die zu seiner Unterweisung erforderlichen Druckschriften eingesehen werden. Soweit diese Druckschriften in der Auslegehalle selbst nicht aufbewahrt werden, müssen sie aus der Bücherei herbeigeholt werden. Bücherei und Auslegehalle müssen aus diesem Grunde dicht bei einander liegen und es muss für dieselben ein Fahrstuhl zur Beförderung der Bücher usw. zur Verfügung stehen.

Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. 1. Preis. Querschnitt in der Hauptaxe
Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. 1. Preis. Querschnitt in der Hauptaxe
Entwurf von Cremer & Wolffenstein. 2. Preis. Diagonalschnitt in der Hauptaxe. 1:500
Entwurf von Cremer & Wolffenstein. 2. Preis. Diagonalschnitt in der Hauptaxe. 1:500
Entwurf von Brth. Schwechten in Berlin. Querschnitt in der Hauptaxe. 1:500
Entwurf von Brth. Schwechten in Berlin. Querschnitt in der Hauptaxe. 1:500

Nach Ablauf der zweimonatlichen Auslegefrist wird die Anmeldung nochmals der Anmelde-Abtheilungdurch den Berichterstatter nach zuvoriger geschäftsmässiger Behandlung der etwa eingegangenen Einsprüche zur Entscheidung vorgelegt. Falls erforderlich, werden zur Anhörung der Anmelder und die Einsprechenden geladen. Wird seitens der Abtheilung auf Ertheilung eines Patentes erkannt, so erfolgt die Eintragung dieses in die Patentrolle. Die Patentrolle liegt für das Publikum in einem dem Haupteingange nahe liegenden Zimmer zur Einsichtnahme aus. Die Eintragung des Patentes in die Rolle wird im Reichsanzeiger bekannt gemacht und für den Anmelder eine Urkunde ausgefertigt, sobald die bei der Reichsdruckerei in Druck gegebene Patentschrift zur Ausgabe gelangt ist.

Nach Eingang der von der Reichsdruckerei gedruckten Patentschriften (Auflage 150-200 Stück) werden die zur Vervollständigung des Prüfungsmateriales der Mitglieder und technischen Hilfsarbeiter, der Büchereibestände und der in der Auslegehalle und den Sitzungssälen aufzubewahrenden Sammlungen erforderlichen Stücke entnommen und der Rest der Patentschriften-Vertriebsstelle zum Verkauf an das Publikum oder zum Versandt an die auswärtigen Auslegestellen für Patentschriften überwiesen. Die Vertheilung der Patentschriften an die voraufgeführten Dienststellen, sowie die der eingehenden ausländischen Patentschriften erfolgt durch die Druckschriften-Verwaltung. Die Patentchriften-Vertriebsstelle verwaltet die ihr überwiesenen Bestände an Patentschriften. Der Absatz an das Publikum findet im Einzelverkauf statt, der Verkehr des Publikums mit dieser Dienststelle ist daher ein sehr reger, weshalb auch diese Dienststelle in der Nähe des Haupteinganges unterzubringen ist. Die Patentschriften lagern in verschliessbaren Schränken ihrer Nummer nach.

Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. 1. Preis. I. Obergeschoss
Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. 1. Preis. I. Obergeschoss
Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. 1. Preis. Erdgeschoss
Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. 1. Preis. Erdgeschoss
Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. 1. Preis. II. Obergeschoss
Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. 1. Preis. II. Obergeschoss

Bei den Gebrauchsmuster-Anmeldungen erfolgt nach der büreaumässigen Bearbeitung die weitere Prüfung, soweit eine solche gesetzmässig überhaupt zulässig ist, durch technische Hilfsarbeiter und demnächst die Eintragung in die Rolle für Gebrauchsmuster, die in der Auslegehalle für das Publikum zur Einsicht ausliegt. Dem Publikum steht auch jederzeit die Einsichtnahme der Akten sowie die Besichtigung der zu jedem Gebrauchsmuster gehörigen Modellstücke frei. Zu diesem Zweck werden die Akten, nach der Nummer geordnet, an einer leicht zugänglichen Stelle nahe der Auslegehalle, die Modelle auf dem Dachgeschoss jahrgangsweise aufbewahrt. Die Beförderung der Modelle von und nach der Auslegehalle muss möglichst schnell, also mittels Fahrstuhles erfolgen können.

Die Prüfungen der Waarenzeichen-Anmeldungen erfolgt in erster Linie durch Büreaubeamte unter Benutzung des jedem Beamten zur Verfügung stehenden Kartenmateriales. Demnächst gelangen die Waarenzeichen-Anmeldungen zur Zeichenkartenstelle zur Beifügung der genügenden Anzahl Nachbildungen der von den Büreaubeamten als ähnlich angeführten, bereits eingetragenen Waarenzeichen und demnächstigen Weitergabe an das zuständige Mitglied. Die Sitzungen der Abtheilung für Waarenzeichen finden in gleicher Weise wie bei den Anmelde-Abtheilungen statt. Die Eintragung der Waarenzeichen erfolgt in die Rolle für Waarenzeichen, die gleichfalls dem Publikum in der Auslegehalle zugängig ist. Etwa eingegangene Modelle werden auf dem Dachgeschoss aufbewahrt. Die abgeschlossenen Akten werden der Aktenzentralstelle zur Verwaltung überwiesen. Die zur Ausfertigung der Urkunde über die Eintragung des Waarenzeichens, sowie für die Veröffentlichung im Reichsanzeiger erforderlichen Druckstöcke werden bis zur Ausfertigung der Urkunde seitens des Amtes und darnach seitens des Herausgebers des Waarenzeichen-Blattes (ausserhalb des Patentamtes) aufbewahrt. Die Anfertigung der erforderlichen Abdrücke des Waarenzeichens mittels der Druckstöcke geschieht in der eigenen Druckerei.

Entwurf von Cremer & Wolffenstein. 2. Preis. Erdgeschoss
Entwurf von Cremer & Wolffenstein. 2. Preis. Erdgeschoss
Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. Halber Längsschnitt des Mittelbaues an der Gitschiner Strasse. 1:500
Entwurf von Solf & Wichards in Berlin. Halber Längsschnitt des Mittelbaues an der Gitschiner Strasse. 1:500
Entwurf von Brth. Schwechten in Berlin. Hohes Erdgeschoss
Entwurf von Brth. Schwechten in Berlin. Hohes Erdgeschoss

Diesem Betriebe nun steht das Präsidialbüreau vor, welchem die Schreibmaterialien-Verwaltung, die Hausverwaltung, die Druckerei, das Lager für Geschäftsbücher, Hauptzeichnungen und Akten angegliedert sind.

Die Bücher der Bücherei sollen seitens der Beamten möglichst in dieser eingesehen werden. Zur Lesung der ungebundenen Zeitschriften ist ein besonderer Lesesaal für technische Beamte eingerichtet.

Das Lesen der Kanzleiarbeiten besorgen paarweise in kleinen Räumen untergebrachte Leser. Die Ausgänge werden an einer Stelle gesammelt und abgesandt. Zur Beförderung der Akten, Bücher, Modelle usw. sind auf jedem Stockwerke Kanzleidiener in kleinen Räumen untergebracht; die Verbindung mit den Dienstzimmern ist durch eine elektrische Klingelanlage hergestellt. Die Beförderung der Akten usw. erfolgt durch Korridorwagen und Fahrstühle.

Aufgrund des so skizzirten Betriebes wurde das Raumprogramm in der folgenden Weise festgestellt.

Aufgrund des in No. 72 skizzirten weitverzweigten Geschäftsbetriebes in dem umfangreichen Gebäude wurde nun ein Raumprogramm aufgestellt, welches in grossen Zügen 10 Raumgruppen vorsah und zwar

a) Räume für allgemeine Zwecke und für das Patentwesen;
b) Räume für die Anmeldestelle für Gebrauchsmuster;
c) Räume für die Abtheilung für Waarenzeichen;
d) Räume für die Kanzlei;
e) Räume für 100 Kanzleidiener;
f) Räume für 50 Scheuerfrauen;
g) Räume, deren Unterbringung im Dachgeschoss erfolgen muss;
h) Dienstwohnungen;
i) Räume für ein besonderes Gebäude und
k) Räume zur Erweiterung in allen Abtheilungen.

Die wichtigste dieser Raumgruppen ist die Gruppe a); in ihr waren u. a. verlangt und zwar im Sockelgeschoss Räume für die Aufstellung der Patent- und Druckschriften, der Modelle, für die Druckerei usw. In ihr befinden sich auch die dem Verkehr mit dem Publikum dienenden, im Erdgeschoss und in nächster Nähe des Haupteinganges geforderten Räume, wie Kassensaal, Patentvertriebsstelle, Auslegehalle und Lesesaal usw. In dieser Gruppe befinden sich aber auch die zahlreichen, auf verschiedene Stockwerke vertheilbaren Diensträume, in welchen sich die eigentliche Thätigkeit des Patentamtes vollzieht, wie die Dienst- und Konferenzzimmer für den Präsidenten, die Direktoren, die Kanzleibeamten, die Redaktion der Patentschriften, die Räume für die Bücherei einschl. Zeitschriften-Lesesaal für die technischen Beamten und Büchermagazin; der Plenarsitzungssaal, sowie 4 weitere Sitzungssäle usw. Ein anschauliches Bild des grossen Umfanges dieser Dienststelle gewährt in dieser Gruppe die Forderung von 12 Zimmern für Abtheilungs-Vorsitzende, 80 Zimmern für technische Mitglieder, von Räumen für 126 technische Hilfsarbeiter und von 92 Räumen für Bureaubeamte; hierzu treten 19 Räume für die Beschwerde- und Nichtigkeits-Abtheilungen. Der Umfang des Betriebes kann auch an den Aufenthaltsräumen für 100 Kanzleidiener, die sich auf die Geschosse mit Ausnahme des Sockelgeschosses vertheilen, ermessen werden. Diese Diener vermitteln das Arbeitsmaterial unter den Bureaus und Zentralstellen und müssen an den Treppen und Fahrstühlen und möglichst nahe an den Wartezimmern ihren Aufenthalt nehmen. Im Dachgeschoss waren in der Raumgruppe g) unterzubringen. Räume für die Aufbewahrung der Modelle, eine Glashalle für Lichtpausen und photographische Aufnahmen, Aufbewahrungsräume für Geräthe, Wirthschafts- und Wäschetrockenböden usw. Dienstwohnungen waren vorzusehen für den Präsidenten, für einen Bureauvorsteher, für Hauswart, Pförtner, Maschinisten, sowie für einige Unterbeamte und Hausarbeiter. In einem besonderen Gebäude waren unterzubringen die Maschinen- und Kessel-Anlage für die Heizung, Lüftung und elektrische Beleuchtung, Vorrathsräume für Holz und Kohlen, sowie Aufbewahrungsräume für feuergefährliche Materialien, Modelle und Proben.

Unter Berücksichtigung einer späteren Erweiterung hatte der Entwurf Rücksicht auf die zweckmässigste Bebauung und Ausnutzung des Grundstückes zunehmen. Der Verkehr des Publikums und der Beamten geht durch den Haupteingang, in seiner Nähe liegen Räume für Fahrräder. Durchfahrten im Sockelgeschoss dienen dem Akten- und Wirthschaftsverkehr; elektrische Aufzüge befördern Akten und Personen in die Höhe und Tiefe. Die Wahl der Architektur war freigestellt, jedoch sollte dieselbe einem würdigen Nützlichkeitsbau entsprechen und bei sparsamer Verwendung von Sandstein als Putz- oder Verblendungsbau entworfen werden.

Es ist nun interessant zu beobachten, wie sich die Theilnehmer des Wettbewerbes aufgrund des vorstehend skizzirten Programmes mit der zunächst liegenden Hauptbedingung, der Wahl des Haupt-Einganges, abgefunden haben. Bemerkenswerth ist in dieser Beziehung, dass das Programm ursprünglich forderte, den Haupteingang des Gebäudes thunlichst auf die Ecke der Gitschiner und der verlängerten Alten Jakob-Strasse zu legen und mit diesem Wunsche dem natürlichen Gefühle Rechnung trug. In Berathungen mit den Theilnehmern des Wettbewerbes aber rief gerade diese Bestimmung eingehende Erörterungen hervor; die Architekten befürchteten, bei einer Ecklösung erheblichen Schwierigkeiten für eine den praktischen Bedürfnissen genügende Lösung des Grundrisses zu begegnen und befürworteten als zweckmässiger eine Verlegung des Haupteinganges nach der Mitte des Gebäudes in der Gitschiner Strasse. Gegenüber dem Für und Wider einigte man sich schliesslich, die Programm-Bestimmung dahin zu ändern, dass den Wettbewerbern die Wahl des Haupteinganges freigestellt bleibe.

Lageplan
Lageplan

Wer nun die Gesammtlage des Grundstückes, wie sie aus unserem Lageplan hervorgeht, unbefangen betrachtete und namentlich die örtlichen Verhältnisse der Umgebung in Rechnung zog, der musste, insbesondere, wenn er den Forderungen des Verkehres Folge geben wollte, zu dem Entschluss kommen, den Haupteingang auf die Ecke der verlängerten Alten Jakob-Strasse und der Gitschiner Strasse zu verlegen. Es war hier die Möglichkeit gegeben, durch Abrundung der Spitze ohne nennenswerthe Beeinträchtigung der Bebaubarkeit des Grundstückes vor dem Gebäude einen für den Verkehr angenehmen Vorplatz zu erzielen, welcher in der Mitte der Gitschinertrasse bei der Enge dieser Strasse und infolge der erdgleichen Strassenbahn, sowie der elektrischen Hochbahn nicht in dem erwünschten Maasse erreicht werden kann. Es sprachen ferner gewichtige künstlerische Gründe für die Wahl des Haupteinganges an dieser Stelle, da durch die freie Lage der Grundstückspitze auch vom Kanal her die Möglichkeit einer Auszeichnung des Gebäudes an dieser Stelle gegeben war. Diesen Gründen standen aber als schwerwiegendere die bereits in den Vorberathungen erhobenen Befürchtungen gegenüber, dass bei einer Wahl des Haupteinganges von der Spitze her Schwierigkeiten für eine zweckmässige Lösung der Haupträume entstehen konnten, und obgleich, wie erwähnt, die Wahl des Haupteinganges freigestellt war, haben doch nur Cremer & Wolffenstein ihn an die Ecke des Grundstückes, alle anderen aber ihn in die Mitte der Gitschiner Strasse verlegt. Dass aber die günstige Lage der Ecke in künstlerischer Beziehung ihren Einfluss geltend machte, beweist u. a. auch der schöne Entwurf von Schwechten, in welchem die Ecklösung als eine hervorragende Auszeichnung dieses Bautheiles gestaltet wurde. In diesem den preisgekrönten Entwürfen am nächsten stehenden Entwurf offenbart sich am deutlichsten der Kampf zwischen Eck- und zwischen Mittellösung. Imganzen befanden sich die Wettbewerber in einem merkwürdigen Dilemma. Gaben sie einer Ecklösung den Vorzug, so konnte es ihnen gelingen, die Raumvertheilung in bester Weise der Grundstücksform anzupassen und die grösste Raumausnutzung zu erzielen, wie es in dem sorgfältigem Entwurf von Cremer & Wolffenstein thatsächlich in hervorragender Weise geschehen ist. Allerdings stand dann diesen Vorzügen der Nachtheil gegenüber, dass die schlichte Einfachheit in Lage und Gestaltung der Haupträume von Entwürfen übertroffen werden konnte, welche die Mittellösung gesucht hatten. Die Behörde wie das Preisgericht scheinen hierauf den grösseren Werth gelegt zu haben; daraus entspringt der Erfolg des Entwurfes von Solf &Wichards, welcher sich nicht nur in der ungemein einfachen und grossräumigen Anlage der Haupträume im Grundriss, sondern namentlich auch in der Gestaltung dieser Räume in den Schnitten ausspricht. Freilich hat die strenge und folgerichtige Durchführung der senkrechten Axenbeziehungen zu gekünstelten Lösungen in den übrigen Theilen des Grundrisses geführt. Liesse sich die Lösung von Solf & Wichards für die Haupträume mit der Lösung von Cremer & Wolffenstein für die Grundriss-Gesammtanlage vereinigen, was Schwechten versucht hat, dann wäre wohl ein idealer Zustand erreicht. Wir bezweifeln aber, ob dies in vollkommener Weise möglich sein wird.

Der künstlerische Aufbau war bei den grossen inbetracht kommenden Maassen nicht geringen Schwierigkeiten unterworfen. Solf & Wichards wählten für ihn Motive deutscher Kleinarchitektur, Cremer & Wolffenstein und Kayser & von Groszheim gaben ihm die Gestalt gross angelegter Barockpaläste, Schwechten verlieh ihm eine wuchtige, schöne romanische. Architektur mit bedeutsam entwickelter Thurmlösung für die abgerundete Ecke, Reinhardt & Süssenguth wählten sehr eigenartige Motive der Barockkunst von hoher Schönheit in den Einzellösungen.

Imganzen ist das praktische Ergebniss des Wettbewerbes ein durchaus zufriedenstellendes und als solches von der ausschreibenden Behörde durch ihre ferneren Entschliessungen auch anerkannt. Denn über den weiteren Verlauf der Angelegenheit ist im Gegensatz zu dem Verlauf anderer bedeutender Wettbewerbe hier einstweilen Erfreuliches zu berichten. Es hat, wie wir hören, die Reichsbehörden nicht gezögert, die an erster Stelle ausgezeichneten Architekten Solf & Wichards mit der Aufstellung des endgültigen Entwurfes zu betrauen, welcher zusammen mit den Kostenanschlägen spätestens im Januar des nächsten Jahres dem Deutschen Reichstage zur Beschlussfassung über die für den Neubau nöthigen Mittel vorgelegt werden soll. Indem wir der Hoffnung Ausdruck geben, dass auch die weitere Bearbeitung des Bauwerkes bei den genannten Architekten bleibt, geben wir von diesen Entschliessungen der Allgemeinheit mit der Genugthuung Kenntniss, die durch die zahlreichen Enttäuschungen bei anderen Wettbewerben hervorgerufen wurde und in den Kreisen der Fachgenossen allgemein getheilt werden dürfte.

Dieser Artikel erschien zuerst am 07. & 14.09.1901 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „- H. -“.