Haus Imelmann im Grunewald bei Berlin

Architekt: Ludwig Otte in Gross-Lichterfelde. Hàus Imelmann ist die reichste Anlage einer Gruppe eigenartiger Einfamilienhäuser, welche der Architekt Ludwig Otte in Gross-Lichterfelde hier und in der Villenkolonie Grunewald im Laufe der letzten Jahre errichtete.

Was diese Gruppe von Wohnhäusern, die sich in ihrer architektonischen Durchbildung von anderen Einfamilien-Häusern geschlossen absondert und welche in gleicher Weise Lösungen enthält, die einerseits als das geringste Maass dessen bezeichnet werden können, was an Räumen für eine vollzählige Familie der gebildeten Kreise nothwendig ist, während der andere Endpunkt dieser Reihe durch Wohnhausbauten bezeichnet wird, welche, wie das inrede stehende Haus Imelmann, in einer grossräumigen Anlage weiten gesellschaftlichen Ansprüchen zugenügen versuchen, – was diese Gruppe von Wohnhäusern besonders charakterisirt, das ist ihre es künstlerische Zwischenstellung zwischen Stadt- und Landhaus.

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Es ist für sie ein maassvoller Barockstil gewählt, welcher an die kleinen Schlossbauten des vorigen Jahrhunderts, an die ländlichen Herrenhäuser erinnert, welche, in anmuthiger landschaftlicher Umgebung traulich und wohnlich gelegen, da, wo sie noch bestehen, sympathische Empfindungen wecken. Von der Erinnerung an diese Bauten ist etwas auf die inrede stehenden Nachbildungen übergegangen und verleiht auch diesen jenen Ausdruck beschaulicher, wohnlicher Ruhe, welche unzweifelhaft einem historischen Stil mit seinen geschlossenen Formen mehr beiwohnt, wie dem aufgelösten Landhausstil. Dieses Gefühl grösserer Dauer, zumtheil durch die Ueberlieferung hervorgerufen, der in gutem Sinne städtische, repräsentative und doch sich in die landschaftliche Umgebung gut einfügende Charakter der Bauten sind mit ein Grund des Erfolges gewesen, welchen der Architekt mit ihnen bei seinen Bauherren erzielte.

Grundriss

Nach dem Bekenntniss des Künstlers ist es ihm bei dem Entwurf dieser Bauten nicht auf historische Echtheit angekommen; darauf können und wollen die Bauten keinen Anspruch erheben. weil sie sich nicht an ein bestimmtes Vorbild halten, sondern aus Erinnerungen aller Art, welche je nach Bedarf verwendet und zu selbständigen Gestaltungen benutzt wurden, aufgebaut sind. Der Künstler beansprucht deshalb auch für sie die Würdigung als moderner Bauwerke.

„Anwendbar auf Bauten der verschiedensten Grösse und der mannichfachsten Gestaltungs-Bedingungen, auf symmetrische sowohl wie auf malerisch gruppirte, gestattet diese Architektur in ihrer Ungebundenheit, architektonische wie dekorative Mittel nur dort zu verwenden, wo dem Architekten solches angebracht erscheint und behütet vor der Gefahr, schematisch zu verfahren, wie dies bei den Villenbauten früherer Jahrzehnte häufig der Fall war.“

Diese architektonische Ungebundenheit kam dem Architekten, welcher die meisten Bauten dieser Gruppe in General-Unternehmung übernommen hatte, trefflich zu statten. Da die für die einzelnen Bauten zur Verfügung gestellten Mittel stets äusserst geringe waren, so galt es, mehr durch knappe Grundrisslösungen, durch sparsamen Schmuck und durch Gruppirung der Massen eine Wirkung zu erstreben, als durch Anwendung architektonischer Formen. Die gewählte Stilweise hat sich hierbei durchaus bewährt; sie ist für weitere Kreise ohne Schwierigkeit verständlich und lässt zur vollen Geltung kommen, was etwa an äusserem und innerem Schmuck bei den Bauten nach sorgfältiger Erwägung aufgewendet werden konnte. Dieser Schmuck besteht in nur seltenen Fällen in ornamentaler Zier, sondern am häufigsten im Gegensatz einer feinen Farbenwirkung der zweifarbigen Flächen der geputzten Fassaden, des rothen Ziegeldaches und der grünen Umgebung der gärtnerischen Anlagen. Unsere Abbildung des Aeusseren des Hauses Imelmann lässt erkennen, wie wirkungsvoll die Farbe die sehr sparsame architektonische Gliederung unterstützt.

Dabei ist noch eines zu betonen. Bei aller Beschränkung der Mittel und bei aller Einfachheit der architektonischen Durchbildung hat es der Architekt doch als eine beim Villenbau unerlässliche Forderung betrachtet alle Seiten des Hauses architektonisch auszubilden und keine zu vernachlässigen. Diese durch die das Haus umgebenden Gartenanlagen bedingte Forderung klingt eigentlich selbstverständlich, nichts destoweniger ist gegen sie vielfach gefehlt. –

Haus Imelmann, Grunewald bei Berlin – Blick von der Diele in das Vestibül und den Speisesaal

Was nun das hier dargestellte Haus Imelmann in der Königs-Allee im Grunewald insbesondere anbelangt, so wird dasselbe durch ein kinderloses Ehepaar bewohnt, welches das durch diesen Umstand fehlende Leben im Hause durch grosse Geselligkeit und durch häufige Gesellschaften von lebhaftem und zwanglosem Charakter zu ersetzen trachtet. Das kommt in der Anlage des Grundrisses sprechend zum Ausdruck. Die grosse und einfache, aber sorgfältig durchdachte Gliederung desselben legt besonderen Werth auf die weiträumige Gestaltung von Vestibül und Diele und auf eine gute Verbindung der diese Vorräume umgebenden Wohn- bezw. Gesellschaftsräume. Beachtung verdient insbesondere die aus Salon, Diele und Speise an sich entwickelnde Längsaxe, welche eine stattliche Flucht von 22 m Länge ergiebt. In der Mitte der durch Oberlicht erhellten und von einer Gallerie umzogenen Diele steht der Flügel und bezeichnet so den gesellschaftlichen Mittelpunkt des Hauses. Drei Meter breite Schiebethüren trennen Salon, Diele und Speisezimmer von einander, wenn dieses als nöthig erachtet wird. Gegen Treppe und Vestibül ist die Diele nicht abgeschlossen, sodass auch hier eine wirkungsvolle Queraxe entsteht.

Auf besonderen Wunsch der Hausherrin ist die Küche mit ihren Nebenräumen in das Gesellschaftsgeschoss gelegt und hat hier eine in der That sehr bequeme Lage erhalten. In der Lage der Räume zu einander ist jeder Raumverlust vermieden, Die Anlage des Obergeschosses ergab sich ungezwungen aus der Anlage des Erdgeschosses; alles ist sehr zweckmässig vertheilt und mit besonderem Eingang versehen, die Nebenräume liegen da, wo sie gebraucht werden.

Die künstlerische Behandlung des Innern ist aus der mitgetheilten Innenansicht der Diele mit Blick gegen das Vestibül und in den Speisesaal zu erkennen. Vor allem berührt angenehm die grosse Lichtfülle, welche alle Räume durchfluthet und die schlichte und solide Ausstattung derselben, welche den werthvollen Hausrath zu voller Geltung kommen lässt. Von den Räumen des oberen Geschosses hat lediglich das Badezimmer eine über das Nothwendige hinausgehende Ausstattung erfahren.

Die Gestaltung des Aeusseren war bis zu einem gewissen Grade abhängig von dem von der Strasse nach rückwärts abfallenden Gelände, bezw. von der Höhenlage des Hauses zur Strasse. Trotzdem nun aber das Grundstück von der Strasse bis zum Hause um etwa 2 m fällt, schien es dem Architekten, um nicht den Charakter der traulichen Wohnlichkeit zu zerstören, nicht gerathen, die Neigung des Geländes durch eine gesteigerte Höhenentwicklung des Hauses zu ersetzen. Das Haus hat vielmehr ohne alle thurmartigen Ausbauten lediglich die der inneren Raumentwicklung entsprechende Höhe erhalten und dürfte in dieser Gestalt bei fortschreitendem Verwachsen mit dem Garten in der That später den Eindruck eines malerisch gelegenen ländlichen Herrenhauses machen.

Haus Imelmann, Grunewald bei Berlin – Ansicht von der Strasse

Der Organismus des Innern ist im Aeusseren folgerichtig zur Geltung gebracht. Das ganze Aeussere ist verputzt und durch gezogene Gliederungen geschmückt. Die farbige Behandlung ist weiss für die Lisenen, Ornamente, Gesimse und Fenstersprossen, rosa für die Flächen, roth für das Ziegeldach.

Die gesammten Baukosten haben einschliesslich der sehr kostspieligen Anfahrt, der Terrassenanlagen der Rückseite, der Einfriedigung und des Architekten-Honorares nur 165 000 M. betragen. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 16.04.1898 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „H.“.