Der Fensterschmuck des Stadtrathssaales im neuen Rathhause zu Freiburg im Breisgau

Rathhaus zu Freiburg im Breisgau

Entworfen und ausgeführt von Prof. Fritz Geiges in Freiburg i. Br.

Jedem Theilnehmer der letzten Wander-Versammlung deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine zu Freiburg i. Brg. dürfte das neue Rathhaus in bester Erinnerung sein. Dasselbe bildete ehemals die sogen. alte Universität, welche durch Um- und Ausgestaltung ihrem neuen Zwecke dienlich gemacht wurde. Der Bau ist mit Ausnahme des Rathssaales und der für das Stadtoberhaupt bestimmten Diensträume vollendet und der Benutzung übergeben.

Schon bei der gedachten Versammlung wurde der künstlerischen Durchführung des Baues seitens der Fachgenossen uneingeschränktes Lob gezollt. Thatsächlich ist er auch, namentlich was seine innere Ausstattung anbetrifft, bis aufs Kleinste mit Gediegenheit und stilistisch streng ausgebildet. Ausserordentlich reizvoll und malerisch belebt sind die Hoftheile. Das Neue ist mit dem Alten in so vortrefflicher und würdiger Weise vereinigt, dass der Bau wie aus einem Gusse hervorgegangen erscheint. Es ist beabsichtigt, dem Werke nach seiner vollständigen Fertigstellung eine ausführliche Besprechung zu widmen. Für heute wollen wir uns nur mit den für den Rathssaal bestimmten Glasgemälden beschäftigen. Dieselben wanderten nach ihrer Fertigstellung zunächst nach der Pariser Weltausstellung, wo sie mit dazu berufen sind, von der Blüthe dieses Kunstzweiges in Deutschland Zeugniss abzulegen.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Zwischen den beiden alten, theilweise veränderten Giebelbauten der Vorderfront des neuen Rathhauses befindet sich, etwas zurückliegend, über einem Hallenraum, der neue Rathssaal, in der Höhe durch zwei Geschosse reichend. Auf ihn ist der Schwerpunkt der künstlerischen Ausstattung gelegt. Er bildet ein Rechteck von 14 m Länge, 10 m Breite bei einer lichten Höhe von 7 m. Die Decke zeigt eine hübsche, flach gewölbte Holzkonstruktion, während die Wände mit reichen Täfelungen verkleidet werden. Ueber den letzteren sind historische Gemälde vorgesehen. Der Saal öffnet sich in 3 hohen Fenstern nach dem Freien, welche durch steinernes Pfostenwerk der Höhe und Breite nach jeweils in drei Theile zerlegt sind. Für diese Fenster hat die Stadtverwaltung bei Prof. Fritz Geiges, dem weit über die Grenzen seines engeren Heimathlandes bekannten Künstler, Glasgemälde anfertigen lassen. Hatten schon die früheren Leistungen des Künstlers auf diesem Gebiete die Empfindung geweckt, dass dieser Kunstzweig einen gewaltigen Aufschwung genommen und in schönster Blüthe sich befindet, so konnte dies bei der Betrachtung seiner neuesten Werke nur bestätigt werden.

Rathhaus zu Freiburg im Breisgau
Rathhaus zu Freiburg im Breisgau

Die Glasgemälde führen uns einen Kreis hervorragender Ereignisse und Personen aus der Geschichte der Stadt Freiburg i. Brg. vor. Es musste für den Künstler eine überaus dankbare Aufgabe gewesen sein und seiner Schaffensfreudigkeit wesentlichen Vorschub geleistet haben, die ruhmreiche Vergangenheit seiner Vaterstadt in bildlicher Weise zu verherrlichen, zumal ihm das hochinteressante Stoffgebiet hinsichtlich der künstlerischen Auffassung weiten Spielraum gewährte. Es war bei der gegebenen Fensterbildung eine schwierige Aufgabe, die Kompositionen in den Rahmen gut einzuordnen. Glücklicher aber, wie sie erfolgt ist, kann die Lösung wohl kaum gedacht werden.

Die Anordnung ist derart, dass die drei obersten Felder jeweils zu einem Gruppenbilde vereinigt sind, während die mittleren Felder historische Personen mit einem Wappen zeigen und die untersten Felder die Zunftwappen enthalten, Wir geben in No. 56 Abbildungen aus den beiden erstgenannten Felderreihen.

Die Fenster sind der besseren Belichtung des Saales wegen vorwiegend in Grisaille ausgeführt. Nur die mittleren Halbfiguren und die Wappen leuchten theilweise in herrlicher Farbenpracht. Trotzdem der Künstler auf eine ausgiebigere Verwendung des Kolorits hat verzichten müssen, erreichte er doch eine feierliche Stimmung.

(Schluss folgt)

Der Fensterschmuck des Stadtraths -Saales im neuen Rathhause zu Freiburg im Breisgau.

Der Fensterschmuck des Stadtrathssaales im neuen Rathhause zu Freiburg im Breisgau
Der Fensterschmuck des Stadtrathssaales im neuen Rathhause zu Freiburg im Breisgau

Am ersten Fenster links tritt uns in den obersten Feldern eine lebendig und charakteristisch entworfene Darstellung entgegen. Sie zeigt jene Periode des Münsterthurm-Baues, in welcher er seiner Vollendung entgegengeführt wird. Hoch oben bei der Kreuzblume, auf einem Gerüste, sind Steinmetze damit beschäftigt, der Thurmpyramide ihren bekrönenden Abschluss zu geben. Zu diesem Zweck ist eben eine Madonnastatue heraufgezogen worden (der Künstler dachte sich die Bekrönung des Münsterthurmes gleich jener, wie sie ursprünglich am Ulmer Münster geplant war). Auf dem Gerüste gewahren wir noch die trefflichen und würdigen Gestalten des Meisters und des Bildhauers, welche die Arbeiten anzuordnen und zu überwachen scheinen. Die in grossem Maasstabe gezeichnete Kreuzblume ist getreu dem Originale nachgebildet.

Die Einzelfiguren der mittleren Felder stellen den „Meister des Thurmbaues unserer lieben Frau“ und Alberagnus, den berühmten Dominikanermönch, der auch mit dem Münsterbau in Beziehung gebracht wird, dar. Zwischen diesen Figuren erscheint das farbenprächtige Wappen der Grafen von Freiburg. Darüber befindet sich ein Fries mit der Inschrift in goldgelben Buchstaben: „Die Bürger vollenden um die Wende des 13. Jahrhunderts ihre unter Graf Konrad begonnene gothische Pfarrkirche zu unserer lieben Frau, ein unübertrefflich Denkmal deutscher Kunst und deutschen Bürgersinns“.

Das Fenster zur rechten Seite hat in seinen oberen drei Feldern die Zerstörung des Burgsitzes der Grafen am unteren Schlossberg durch die gegen sie aufgebrachten Bürger zum Gegenstand der Darstellung; eine interessante, figurenreiche Gruppe mit vorzüglich gezeichneter Architektur. Darunter sehen wir den Barfüsser-Mönch Berthold Schwarz, den Erfinder des Schiesspulvers, wie er im Begriffe steht, die Mischung des Pulvers im Mörser zu bereiten. Ferner den Metzger Hauri, der den Bischof Konrad von Strassburg, welcher dem Grafen im Kampfe gegen die Bürger zu Hilfe eilte, bei Lehen (29. Juli 1299) getödtet und dadurch die Bürger zu neuem Muth angespornt hat. Der Künstler hat es trefflich verstanden, von dem waghalsigen, hinterlistigen Bürger eine charakteristische Gestalt zu schaffen. Es ist eine derbe, entschiedene Natur energischer Geberde. Hauri hat die Streitaxt und den Schild in Händen, welch’ letzteren er schirmend über die Brust hält. Das dazwischen befindliche Feld führt uns das Wappen des Hauses Oesterreich vor, unter dessen Herrschaft die Stadt während langer Zeit (1368-1805) gestanden hat. Die Inschrift an diesem Fenster lautet: „Die Bürger zerstören im Mai 1366 die Burg der Grafen ob der Stadt, die sich nach hartem Kampfe von ihrer Herrschaft löst und darauf unter den Schutz des Hauses Oesterreich begiebt“.

Endlich noch das mittlere Fenster, Seine Motive gewährten dem Künstler grössere Freiheit in der Farbe weshalb es in dekorativer Hinsicht den reichsten Eindruck hervorruft. Das oberste Bild veranschaulicht den feierlichen Akt, wie Konrad von Zähringen der Stadt ihre Verfassung verleiht. Der Gründer der Stadt sitzt in Rüstung auf einem Throne und ist von seinen Bürgern umgeben. Ein Lektor verkündet den Verfassungsbrief. Die mittlere Abtheilung füllt die Gestalt des Herzogs Berthold III, von Zähringen, sowie die des Kaisers Friedrichs I. Barbarossa, als des populärsten Fürsten jener Epoche. Die Kostümirung dieser Figur ist ungemein reich und in der Farbenstimmung eine meisterhafte Leistung.

Der Fensterschmuck des Stadtrathssaales im neuen Rathhause zu Freiburg im Breisgau
Der Fensterschmuck des Stadtrathssaales im neuen Rathhause zu Freiburg im Breisgau

Das im Mittelfeld befindliche Wappen ist das der Herzöge von Zähringen, von welchem Föhrenzweige ausgehen und die Hintergründe der beiden vorgenannten Figuren eigenartig beleben. Die Inschrift heisst: „Konrad von Zähringen verleiht der von seinem Bruder Berthold III. gegründeten Stadt Freiburg eine freie Verfassung nach dem Vorbilde derjenigen von Köln“.

Die untersten Felder sind, wie schon erwähnt, mit den 12 sorgfältig gezeichneten und in der Farbe prächtig wirkenden Zunftwappen und Fruchtgebinden geschmückt. Nur das mittlere Fenster zeigt unten das Stadtwappen mit rothem Kreuze auf weissem Felde.

Die sinnreich und glücklich aufgefassten Kompositionen sind von echt mittelalterlichem Geiste durchweht und dabei von ausgesprochener Individualität. Die Glasgemälde sind bis ins Kleinste liebevoll durchgeführt. Inbezug auf die Wahl des Maasstabes und das Raumgefühl sind die verschiedenen Darstellungen glücklich gelungen, Wir zweifeln nicht daran, dass diese schönen Fenster aus dem geistigen Wettkampfe aller Nationen der Erde siegreich hervorgehen und die wohlverdiente Anerkennung finden werden.

Zur Orientirung für die Besucher der Weltausstellung sei bemerkt, dass die Glasgemälde im Erdgeschoss der deutschen Abtheilung des kunstgewerblichen Ausstellungsgebäudes (Esplanade des Invalides) neben der königl. Porzellan-Manufaktur glücklich untergebracht sind. Es wurde die ganze Fensterpartie der Rathhausfassade zu diesem Zweck nachgebildet. Hr. Stdtbmstr. Thoma von Freiburg hat das Einsetzen an Ort und Stelle persönlich geleitet.

Die Ehre und der Erfolg werden aber nicht nur dem Künstler, sondern auch dem Auftraggeber, der Stadt Freiburg, zugute kommen. Reichster Dank gebührt der Stadtverwaltung, welche die Veranlassung dazu gegeben hat, dass die einheimische, die deutsche Kunst in Paris in so hervorragender Weise vertreten ist. Sie hat dadurch derselben eine wesentliche Förderung erwiesen. Die Städte von der Grösse und Bedeutung wie Freiburg haben nicht nur auf wirthschaftlichem Gebiete, sondern auch in ästhetischen Dingen eine gewisse Verpflichtung zu erfüllen. Dass die Freiburger Stadtverwaltung in zweckdienlicher Weise diesem Gesichtspunkte gebührende Rücksicht zu tragen versteht, hat sie schon mehr als einmal bewiesen. Sie verstand es immer, neben dem Nothwendigen und Nützichen auch stets die Pflege des Schönen nicht zu vergessen.

Vorzüglich müssen diese anerkennenswerthen und verdienstvollen Bestrebungen dem Oberhaupte der Stadt verdankt werden Hr. Ob.-Bürgermstr. Dr. Otto Winterer, der so reges Interesse an allem künstlerischen Schaffen nimmt, der das Reale mit dem Idealen stets in so glücklicher Weise zu verschmelzen und mit grossem Verständniss der Kunst auch jeweils ihr entsprechende Aufgaben zu stellen weiss, hat schon mehrfach gezeigt, dass er in künstlerischen Angelegenheiten auf richtigen Bahnen sich bewegt. Man kann nur wünschen, dass er dabei stets die erforderliche Unterstützung finde.

Einer besonderen Erwähnung bedarf schliesslich noch, dass in den Nischen der Fensterpfeiler der Front des neuen Rathhauses die in Erz gegossenen, von Prof. Dietsche in Karlsruhe geschaffenen Standbilder des Herzogs Berthold III. von Zähringen, Graf Egeno I., Erzherzog Leopold III.

von Oesterreich und des Grossherzogs Karl Friedrich Aufstellung finden werden. Es sind dies jeweils die ersten fürstlichen Repräsentanten der vier Herrschergeschlechter, unter deren Regierung die Stadt Freiburg gestanden hat. Zwei dieser Schöpfungen sind ebenfalls in Nischen neben den Fenstern zu Paris ausgestellt.

Der neue Stadtrathssaal wird, wenn seine Ausstattung vollständig hergestellt und sein Fensterschmuck eingesetzt ist, zu den sehenswerthesten Innenräumen der Stadt zu zählen sein. Das ganze neue Rathhaus aber, das ein Denkmal einheimischer Kunstthätigkeit und Kunstsinnes darstellt, wird der Gegenwart zur Ehre und der Nachwelt sicher zur Freude gereichen. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 11. & 14.07.1900 in der Deutsche Bauzeitung.