Zur XIII. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine.
Wir stehen am Vorabend der XIII. Wanderversammlung des Verbandes deutscher Architekten- und Ingenieur-Vereine zu Freiburg i. Br. Unvergleich schön und reich an Kunst und Natur ist die gastliche Stätte, welche den deutschen Baukünstlern und Ingenieuren in diesen Tagen ihre Thore zu kurzer Einkehr öffnet. Ein blühendes Gemeinwesen, lebhaft emporstrebend auf dem Fundamente einer reichen geschichtlichen und künstlerischen Vergangenheit, unter einer zielbewussten Verwaltung die hervorragende Kultur seiner Vergangenheit in modernem Geiste glücklich fortsetzend und bereichernd, ist es die Stadt des badischen Grossherzogthums, welche auf den grössten Aufschwung zurückblicken kann.
Es ist ein glückliches Stück Erde, ein anmuthiger Theil des Gartens Deutschlands, welcher die deutschen Bauleute in diesem Jahre mit herzlichem Willkommen begrüsst. Am westlichen Fusse des Schwarzwaldes in einer Gegend gelegen, welche dem Bewohner Schönheit und reichen Ertrag bietet, von malerischen Vorbergen im Norden, Osten und Westen umschlossen, liegt die ehrwürdige Dreisamstadt wie in ein Paradies gebettet da. „Ein köstlich Kleinod, vergleichbar einem kunstvoll geschliffenen, leuchtenden Edelsteine in reicher, kostbarer Fassung, ragt aus dem wechselvollen, sich stets verjüngenden Kranze landschaftlicher Reize, welcher die schöne Hauptstadt des Breisgaues umrankt, ihr wundervoller Dom: Unser Lieben Frauen Münster. Durch den Adel keuscher Schönheit geweiht und durch die Kraft der Jahre geheiligt, verwächst, wie von übernatürlichen Kräften hervorgezaubert, seine erhabene Erscheinung mit dem herrlichen Bilde der umrahmenden, durch die Allmacht des Schöpfers aufgethürmten Berge, den bewundernden Beschauer fast vergessen lassend, dass er nur ein vergänglich Werk von Menschenhand vor sich hat“. Mit diesen Worten leitet ein gottbegnadeter Künstler, Fritz Geiges, jene prächtige Schilderung ein, welche in kostbarem Gewande dem herrlichen Edelsteine in der reichen Krone des Breisgaues gewidmet ist.
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Kein Bauwerk hat für das Gesammtbild Freiburgs eine so packende Bedeutung wie das Münster. Es ist nicht ganz harmonisch in seiner Gesammterscheinung, dafür aber um so anziehender und von um so grösserem malerischen Reize. Vier Hauptzeitabschnitte der Bauthätigkeit sind an dem Werke zu unterscheiden. Dem ältesten Abschnitt gehört der spätromanische Querbau an, dem zweiten die beiden Ostjoche des Langhauses, dem dritten der Thurm in seinem gesammten Aufbau mit den daran anschliessenden westlichen Jochen des Schiffes, dem vierten Abschnitt endlich der spätgothische Chor; dazu gesellen sich, um die malerische Abwechselung zu erhöhen, die Anbauten aus dem 16. und 17. Jahrh. Von vielen Kirchen an Grösse übertroffen, selten aber wohl an Schönheit, ist es die einzige grosse gothische Kirche in Deutschland, welche im Mittelalter selbst vollendet wurde. Das Münster entstand aus dem Umbau der alten Kirche, von welcher man das romanische Querschiff und die beiden Hahnenthürme beibehielt; er erfolgte vom Querschiff aus und man nimmt an, dass der Thurmbau etwa 1240 begann. Bei dem Fehlen aller Urkunden ist eine genaue Zeitangabe schwer. Den Baumeister kennt man nicht, aber es steht fest, dass es nicht Erwin v. Steinbach, der Meister des Strassburger Münsters, war. Der Chor, der Schluss des Baues, 1354 begonnen, wurde erst 1513 beendet. Der Ausbau des bis zum Knopfe 116 m messenden Thurmes wurde in den letzten Jahren des 13. Jahrhunderts abgeschlossen.
Das Münster ist dreischiffig, 125 m lang, 30 m breit und 27 m hoch, getheilt durch 12 mächtige Strebepfeiler, die geschmückt sind mit überlebensgrossen Apostelgestalten. Das südliche Seitenschiff zeigt an der Westwand eine mächtige Fensterrose. Zehn Kapellen fasst der Chorumgang. Alle Fenster sind mit reizvollen Glasmalereien geschmückt.
Nächst Strassburg besitzt Freiburg in seinen Fenstern eine der umfangreichsten Sammlungen von gut erhaltenen alten Glasmalereien, welche über die Pflege dieses Kunstzweiges im 14. und im 16. Jahrhundert einen umfassenden Ueberblick gewähren; zu einigen von ihnen hat Hans Baldung 1515 die Visirungen entworfen, so z. B. für diejenigen der Alexander-Kapelle. Von demselben Meister ist das Altarblatt v. J. 1516 gemalt, auch die Kreuzigung Christi auf der Rückseite, ebenso die Verkündigung und die Flucht nach Aegypten. Dieser an Kunstwerth zunächst stehen die beiden Tafelbilder in der Universitäts-Kapelle, welche Hans Holbein dem Jüngeren zugeschrieben werden. Ein Staffeleibild von grösster Bedeutung in der Sakristei soll von dem älteren Lucas Cranach (1472-1553) stammen.
Leider gestattet der Raum hier keine eingehendere Würdigung des ganzen Bauwerkes und seiner Kunstschätze, doch ist eine vollständige Darstellung in dem anlässlich der Wanderversammlung vom oberrheinischen Bezirksverband des Badischen Architekten- und Ingenieur-Vereins herausgegebenen Festbuche: Freiburg im Breisgau, die Stadt und ihre Bauten, enthalten; ferner in dem Prachtwerk „Unser Lieben Frauen Münster“, vom Freiburger Münster-Bauverein herausgegeben; ausserdem werden die alten und neuen Glasmalereien in einer demnächst erscheinenden Monographie von Prof. Fr. Geiges ausführlich behandelt. Wir kommen auf alle diese Werke, namentlich aber auf das Münsterwerk eingehender zurück.
Die weiteren z. Th. hochinteressanten kirchlichen Gebäude, von denen zunächst die St. Martins-Kirche, die evangelische Ludwigs – Kirche, die Jesuiten- oder Universitäts-Kirche als die älteren inbetracht kommen, seien hier nur erwähnt, um die Aufmerksamkeit der Fachgenossen auf sie zu lenken; ausser der bereits erwähnten Festschrift enthalten die Veröffentlichungen von A. Poinsignon und Fr. Geiges eingehende Mittheilungen über sie.
Auf dem Münsterplatz sind noch zu nennen: Das alterthümliche Kaufhaus, ein vortreffliches Werk, bei dem wir zum ersten Mal die Verschmelzung spätgothischer Grundformen mit Motiven der aufblühenden Kunst der Renaissance antreffen; es ist bald nach 1520, wahrscheinlich durch den Meister Lienhard von Ettlingen, der von 1524- 1533 als Werkmeister am Münster thätig war, im Auftrage der Stadtverwaltung in Angriff genommen und 1532 vollendet worden. Das Kaufhaus ist ein zweistöckiges, von Staffelgiebeln eingeschlossenes Gebäude mit kreuzgewölbtem Laubengang und mit zwei aus den Ecksäulen auskragenden Erkern; dazwischen erscheinen unter Baldachinen auf Kragsteinen die lebensgrossen Standbilder Kaiser Maximilian I., seines Sohnes Philipp I. von Spanien, sowie seiner Enkel Karl V. und Ferdinand I. Eine besonders schöne Wendeltreppe im Hof führt zum Obergeschoss mit dem sogen. Kaisersaal, der zu öffentlichen Handlungen und Festlichkeiten bestimmt ist. Im Anbau befindet sich die eigenartige Vereinsstube des Breisgau-Vereins Schauinsland, einer Vereinigung von Freunden der Kunst und der Geschichte des Breisgaues. Angeführt sei ferner das links vom Münster stehende Kornhaus, ein gothischer Bau mit neuem grossem Saal im Obergeschoss.
Am Franziskanerplatze stehen das schöne Rathhaus und die alte Universität. Das Rathhaus mit seiner al fresco bemalten Schauseite stellt sich nach der nunmehr erfolgten Vereinigung mit der alten, gleichfalls aus dem 16. Jahrh. stammenden Universität als eine umfangreiche Gebäudegruppe im Frührenaissance-Stil dar. Das Hinterhaus enthält das reiche städtische Archiv und den grossen Rathssaal, in welchem früher die Zünfte jährlich huldigten. Hier tagte auch unter persönlichem Vorsitz Maximilians I. der Reichstag von 1498.
Dem Rathhaus gegenüber steht die Martinskirche, mit einem gut erhaltenen Theil des Kreuzganges des ehemaligen Franziskaner-Klosters. Neuerdings ist an den frühgothischen Chor ein Glockenthurm angebaut worden. Das Langhaus, der spätgothischen Periode angehörend, ist neu hergestellt, mit reich bemalter Holzdecke. In der Nähe der Martinskirche befindet sich das Falkenstein’sche Haus, ein spätgothisches Gebäude mit prachtvollem Erker.
An der Kaiserstrasse liegt der ehemalige Baslerhof, ein interessanter Bau des 16. Jahrhunderts mit hübscher al fresco bemalter Schauseite, 3 Erkern und Renaissance-Ziertheilen. Jetzt Grossh. Bezirksamt, war der Bau früher der Sitz des Baseler Domkapitels. Im Innern besitzt er eine schöne Wendeltreppe mit reizendem Portal und zeigt auch sonst eine reiche Ausstattung in den Formen der Spätgothik und der Frührenaissance. In der ehemaligen Pfaffengasse (jetzt Herrenstrasse) treffen wir eine Anzahl alter Häuser mit Erkern und reizvollen Portalanlagen. Interessante architektonische Einzelheiten, vor allem schön gearbeitete Thürstürze aus der Zeit der Spätgothik und der Renaissance finden sich an vielen Häusern, wie denn die ganze Altstadt Freiburg ein alterthümliches und malerisches Gepräge bewahrt hat. Dazu tragen nicht wenig die beiden alten Thorthürme bei, das Schwabenthor in der Nähe der Herrenstrasse und das Martinsthor am Südausgange der inneren Kaiserstrasse, beides Werke aus dem Beginne des 13. Jahrhunderts.
Die ganze Stadt ist durchzogen von klaren Wasserläufen, welche mit den zahlreichen Brunnen und Denkmälern zusammen das Bild ausserordentlich beleben. Unter den Brunnen aber verdient der spätgothische Fischbrunnen auf der Kaiserstrasse besondere Erwähnung. Um dieses alte Freiburg legt sich ein ausgedehnter Kranz von prächtigen Gärten mit stattlichen Villenbauten, in deren Gestaltung sich ein lebhafter Sinn für eine gewisse Anpassung der architektonischen Formengebung an die unvergleichlichen Reize des Landschaftsbildes bekundet.
Mit Interesse werden die Fachgenossen auch von den sehr ansehnlichen städtischen und staatlichen Hochbauten der Neuzeit Kenntniss nehmen. Wir nennen nur die Gebäude der Universität für die medizinischen und naturwissenschaftlichen Fächer, die städtischen Schulhäuser, die Friedhof-Neubauten und diejenigen der Herz-Jesu-Kirche im Stühlinger vom erzbischöflichen Baudirektor M. Meckel, sowie der katholischen Kirche in der Wiehre vom grossherz. bad. Oberbaudir. Dr. J. Durm.
Unter den Ingenieurbauten der Gegenwart dürften die Anlagen für Wasserversorgung und Entwässerung zunächst die Aufmerksamkeit auf sich ziehen. In hohem Grade beachtenswerth sind sodann die Rieselfelder, welche als Anlage mittleren Umfanges von den denkbar einfachsten Verhältnissen in Deutschland einzig dastehen. Des weiteren weisen wir noch auf die Neubauten monumentaler Brücken hin, welche vor einiger Zeit eingeleitet wurden und von denen einer eben jetzt seiner Vollendung entgegengeht.
Endlich wird die Höllenthalbahn ganz besonders Erwähnung verdienen. Als normalspurige Bahn wurde sie 1887 vollendet und führt durch 7 Tunnels und über einen 37 m hohen Viadukt (Brücke) nach dem Herzen des Schwarzwaldes. Die untere Adhäsionsstrecke hat Steigungen bis zu 1:40, die Zahnradstrecke als grösste Steigung 1:18,18 = 5 ½ % bei einer Gesammtlänge der Bahn von 35 km. Eine Fortsetzung dieser Linie bis zur Hauptlinie der Schwarzwaldbahn von Neustadt nach Donaueschingen ist dieses Jahr begonnen worden.
Kaum eine zweite Stadt in Deutschland dürfte eine so herrliche und hochpoetische Lage aufzuweisen haben wie Freiburg. Weit umfassend und mannichfaltig ist der Blick, der sich dem Beschauer vom Schlossberg oder Lorettoberg darbietet! Nach Westen lagert sich der Kaiserstuhl hin, dahinter erstreckt sich die lange Vogesenkette. Gegen Südwesten erhebt sich der Schönberg mit der Schnewlinburg, nach Süden, Osten und Norden gewahrt man die Ausläufer der Schwarzwaldriesen. Hohen Genuss versprechen daher die Ausflüge in die Umgebung der Stadt.
Ein Ausflug durch schöne Waldungen nach dem idyllisch und malerisch gelegenen, von tiefem Wald umschlossenen, sagenumwobenen waldeinsamen St. Ottilien, auf vorzüglichen leichten Bergwegen, erschliesst dem Auge in verschiedenen Waldlichtungen überraschende Ausblicke von entzückender Stimmung. Der Rückweg erfolgt nach dem Waldsee, der namentlich gegen Abend einen traulichen und behaglichen Aufenthalt bietet.
Einen besonderen Anziehungspunkt für alle Fremden, welche Freiburg besuchen, bildet das romantische Höllenthal mit seinen hohen schwarzen Tannenwaldungen und seinen jäh ansteigenden Felswänden, mit welchen es sich manchen Alpenszenerien kühn zur Seite stellen kann. Auch dahin soll ein Ausflug unternommen werden, wo der hochgelegene, von Bergen umragte Titisee, das Endziel, die Gäste begrüssen wird. Ein herrliches, unvergleichlich grossartiges Naturgemälde wird sich hier den Theilnehmern darbieten.
Unter den Ausflügen, welche für den Donnerstag, den 8. Sept., in Aussicht genommen sind, dürfte wohl jener nach Breisach am meisten sich lohnen, da hier den Theilnehmer Natur- und Kunstgenüsse in ungeahnter Fülle erwarten. Breisach ist eine sehr alte Stadt, ihrer Zeit des heiligen römischen Reiches Ruhekissen und der Schlüssel des Reiches genannt Sie hat eine reiche geschichtliche Vergangenheit, die noch in manchen Gassen, Plätzen und alten Häusern zum Ausdruck kommt. Ihr Name reicht weit in die Vorzeit zurück. Es liegt nicht in dem Rahmen dieser kurzen Besprechung, hierauf näher einzugehen. Die Schicksale des Ortes sind hochinteressant, er ging im Laufe der Zeit von einer Hand in die andere. Wirren und Stürme brachen sehr oft über die wehrlose Stadt herein, Bedrängnisse aller Art musste sie erdulden. In der Inschrift ihres Rheinbrückenthores besitzt sie eins der charakteristischesten Denkmäler gallischen Hochmuthes. Die Stadt liegt höchst malerisch am Ufer des Rheines. Ihr Charakter tritt dem Besucher schon vom Bahnhofe her in seiner ganzen Schönheit entgegen.
An interessanten Bauwerken, welche Breisach besitzt, sei hier zunächst erwähnt die St. Stefanus geweihte Münsterkirche, ein herrliches Denkmal deutscher Baukunst. Sie erhebt sich mit ihren breit angelegten Ostthürmen auf steiler Anhöhe, weit über den Rhein hinschauend und gewährt einen majestätischen Anblick. Der Bau hat im Laufe der Jahrhunderte mannichfache Veränderungen erfahren und weist daher eine bemerkenswerthe stilistische Entwicklung auf. Die älteste romanische Periode gehört dem Ende des 11. Jahrhunderts an, ihre Bautheile zeigen auffallende Unregelmässigkeiten: so ist das nördliche Querhaus bedeutend breiter als das südliche.
Der geplante Westthurm reicht nur bis zur Schiffshöhe. Von hervorreganedem Interesse sind die Kunstwerke im Inneren: der prächtige spätgothische, mit plastischem Schmuck versehene Lettner, das berühmte Altarwerk von Hans Liefrink, welches Anlass zu einer Sage gegeben hat. Der Münsterschatz bewahrt unter anderen kunstvollen Arbeiten einen kostbaren silbernen Reliquienschrein mit den Gebeinen der Stadtpatrone der Heiligen Gervasius und Protasius, ein Werk, das in technischer und künstlerischer Durchführung vielleicht den Höhepunkt deutscher Goldschmiedekunst im Ausgange des Mittelalters bezeichnet. Ein trefflicher deutscher Goldschmied, Petrus Berlyn von Wimpfen, vollendete den seltenen Schmuck im Jahre 1496.
Sehenswerth sind sodann die alten engen Gassen und die mittelalterlichen Thore und Mauern. Auch das Rheinthor erweckt Interesse; es kann allerdings zumeist nur mittels eines Kahnes besichtigt werden. Schliesslich sei noch des sagenumwobenen Eckhardsberges gedacht, wenige Minuten von der Stadt in südlicher Richtung gelegen, der einen hübschen Ausblick auf Stadt und Umgebung gewährt.
Nach der Besichtigung der Stadt folgt eine köstliche Rheinfahrt, für welche. die Grossh. Rheinbau-Inspektion unentgeldlich Sorge tragen wird. Im Laufe dieser kurzen Wasserfahrt erblicken wir die einsam in den Gewässern des Altrheins auf schroffer Anhöhe thronende Ruine der Burg Sponeck, ehemals wohl angelegt als ein Raubnest zur Sperrung des Rheines. Wir landen bei der Schiffsbrücke zu Sasbach, wo sich auf sehr steilem Bergabhang die beträchtlichen Mauerreste der ehemaligen Limburg erheben und sich fast bis zum Fluss herunter abstufen. Ein nicht unbedeutendes Stück des Bergfrieds ist noch erhalten und man geniesst eine wundervolle Aussicht ins Elsass und in das charakteristisch gestaltete Vogesengebirge. Manche Historiker betrachten die Limburg als die Geburtsstätte Rudolfs von Habsburg.
Von der Limburg aus erreicht man in wenigen Minuten den rebenumkränzten Ort Sasbach und besteigt dort die Kaiserstuhlbahn, um noch dem Reichsstädtchen Endingen einen Besuch zu machen. Endingen ist ein hochinteressantes, alterthümliches Städtchen mit ehrwürdigen Thoren, Ringmauerresten, interessanten Pfarrkirchen, einer stattlichen Kornhalle im Stile der Frührenaissance mit hohen Giebeln, einem Rathhaus mit hübschen Glasgemälden, in welchem noch eine Sammlung mittelalterlicher Foltergeräthe bewahrt wird. Gegen Abend verlassen wir das gemüthliche Städtchen, um danach auf der Hauptbahnlinie Offenburg-Freiburg von der Station Riegel aus die Rückfahrt anzutreten.
Das alles sind nur kurze Andeutungen über die reichen Kunst- und Naturgenüsse, welche den Besucher der Verbandsversammlung in Freiburg für seine Theilnahme am gemeinschaftlichen Werke lohnen. Wenn wir diese Theilnahme jedem Verbandsmitgliede warm ans Herz legen, so geschieht es mit der Ueberzeugung von jener Tüchtigkeit oberrheinischer Arbeit, welche im Laufe der Jahrhunderte den Breisgau zu dem gesegneten Flecken Erde und auf ihm Freiburg zu der Perle der deutschen Städte gemacht und welche, in der Gegenwart unvermindert fortwirkend, die Stadt zu neuer hoher Blüthe gebracht hat. Diese Tüchtigkeit ist auch die treibende Kraft aller wissenschaftlichen und festlichen Veranstaltungen der Versammlungsstadt und wer dem herzlichen Willkommen der Freiburger Fachgenossen folgt, kann es ohne Zögern thun in dem sicheren Gefühl reichen und vielseitigen idealen Gewinnes!
Dieser Artikel erschien zuerst am 27.08.1898 in der Deutsche Bauzeitung.
Ein köstlich Kleinod
Vergleichbar mit einem kunstvoll geschliffenen, leuchtendem Edelsteine in reicher, kostbarer Fassung, ragt aus dem wechselvollen, sich stets verjüngenden Kranze landschaftlicher Reize, welcher die schönen Hauptstadt des Breisgaus umrankt, ihr wundervoller Dom:
Unser lieben Frauen Münster in Freiburg
Das sind die Worte, mit welchen ein seltenes Prachtwerk über ein seltenes Bauwerk von einem seltenen Künstler eingeleitet wird. (Unser lieben Frauen Münster zu Freiburg im Breisgau.
68 Lichtdrucktafeln nach Aufnahmen von Carl Günther, mit begleitendem Text von Fritz Geiges. Herausgegeben vom Freiburger Münsterbauverein. Freiburg im Breisgau 1896. Imp. Pr. In Prachtband 80 M.) Ein köstlich Kleinod, kunstvoll geschliffen, durch den Adel keuscher Schönheit geweiht und durch die Kraft der Jahre geheiligt, „mit sunderlicher Kunst vom Grund auff bisz an den höchsten Gipffel geführt mit eitel Quadern und Gebildten Steinen, desgleichen man in Teutschen Landen nicht findet nach dem Thurm zu Straszburg“, so begrüsst Sebastian Münster um 1550 den herrlichen Bau, zu welchem sich selbst der weimaranische Olympier, der Verfasser der „Iphigenie“ und des „Torquato Tasso“, der Herausgeber der „Propyläen“, welcher die Kunstwerke deutscher Vergangenheit, die er im Strassburger Münster in Jugendlichen Tagen bewunderte, „durch eine entwickeltere Kunst angezogen, völlig im Hintergrund gelassen“ wieder zurückwendet. Seit Goethe in den Betrachtungen „Aus meinem Leben“ diesen veränderten Anschauungen Ausdruck gab, hat sich über das Münster in Freiburg eine reiche Litteratur in Wort und Bild aufgehäuft. Gleichwohl fehlt es auch heute noch an einer erschöpfenden Monographie, zu welcher wohl treffliche Vorarbeiten, wie u. a. die Meydenbauer’schen photogrammetrischen Aufnahmen aller nur durch den photographischen Apparat erreichbarer Theile vorhanden sind. Ihnen stehen die zahlreichen grossen, mit seltenem künstlerischem Verständniss gefertigten Aufnahmen des Münsters von Karl Günther in Freiburg zur Seite, welche den bildlichen Theil des inrede stehenden Werkes bilden. Aber auch sie, obgleich von einem trefflichen Texte begleitet, sollen mit diesem zusammen nach der Absicht des Verfassers nur den zweiten Theil der Monoaphie bilden. „Es konnte für mich“, schreibt Geiges „kein Zweifel bestehen, dass es nicht die Aufgabe sein dürfe, das von Anderen zutage Geförderte in gelehrtem Plauderton den Güntherschen Bildern zur unterhaltenden Begleitung zu eben, dass vielmehr die geforderten Opfer an Zeit und Arbeit nur dann zu rechtfertigen sein würden, wenn dadurch dem ernsten Zweck auch eine ernste Förderung zutheil werde. Was ich im Auge hatte, ging dahin, in einer gründlichen Monographie in möglichst erschöpfender Form alles Wissenswerthe, soweit es uns nach dem Stande der heutigen Forschung erschlossen ist oder wenigstens aus dem Bau selbst gewonnen werden konnte, in Wort und Bild zur Darstellung zu bringen und damit den vollendeten Günther’schen Aufnahmen all’ das anzuschliessen, was erforderlich, wenn dieselben neben dem ästhetischen Genusse, welchen sie dem Beschauer bieten, auch der Kunstforschung von förderndem Werth sein sollten. Dieser mit zahlreichen Handzeichnungen auszustattende, die Geschichte und Beschreibung des Baues umfassende Text sollte den ersten Theil, die Günther’schen Lichtdrucktafeln den zweiten Theil der Veröffentlichung bilden“. Es ist ein grosses Ziel, welchem Geiges zustrebt, eine Aufgabe, die sich, wie er mit Recht sagt, „nicht spielend nebenher in wenigen Wochen lösen lässt“. Möchte es ihm beschieden sein, sie nach seinem Sinne zu lösen. Wir wissen, was wir dann zu erwarten haben.
Einstweilen aber machte sich der Wunsch geltend, die Günther’schen Aufnahmen der Oeffentlichkeit nicht länger vorzuenthalten; in dem vorliegenden Werke sind sie ihr übergeben in einem so vornehmen künstlerischen Gewande, wie es alle Dinge, die unter des Künstlers Hand entstehen, darbieten. Eine kurze Betrachtung nur begleitet die Tafeln, ein flüchtiger Ueberblick über die Entstehung und das Werden des Baues im Laufe der Jahrhunderte und über seine Schicksale in den bewegten Zeitläufen deutscher Geschichte.
Der älteste Theil des Münsters zeigt sich in der schlichten, massigen Mittelparthie im Uebergangsstil der oberrheinischen Schule mit den Formen, wie sie von der zweiten Hälfte des XII. bis gegen die Mitte des XIII. Jahrhunderts in Uebung waren. Nur so allgemein lässt sich die Entstehungszeit dieses frühesten Theils umgrenzen. An diesen spätromanischen Bau, der einen achteckigen Kuppelthurm trug und durch einen wieder entfernten polygonalen Chor abgeschlossen war, reihten sich in der zweiten Periode die beiden östlichen Joche des Schiffs im gothischen Stil unter völliger Aufgabe des ursprünglichen Bauplanes: „Wann dieser Wandel eintrat, entzieht sich gleichfalls noch unserer Kenntniss“. In der dritten Bauperiode werden die vier Westjoche mit dem 115 m hohen Westthurm errichtet, „in der denkbar meisterhaftesten Beherrschung der Formen“. Auch hier lassen die urkundlichen Nachrichten über den Beginn dieser Theile uns im Stich. Mit höchster Bewunderung spricht Geiges von dem Thurmbau. „Das Genie des Meisters ist um so bewundernswerther, wenn wir uns dabei veregenwärtigen, dass dem Werke kein anderes in gleichem Sinne vorangegangen. Das Mutterland der Gothik, Frankreich, in dem wohl auch unser Meister die Formensprache der neuen Kunst erlernt, hat thatsächlich nichts geboten, was auch nur annähernd als ebenbürtiges Vorbild erfasst werden könnte, und ohne Uebertreibung dürfen wir beifügen, auch was späterhin, wo immer die Gothik ihre Blüthen getrieben, in grossem Maasstabe Aehnliches versucht wurde, hat trotz allem gesteigerten Aufwand die schlichte jungfräuliche Schönheit des Urbildes nicht zu überbieten vermocht“. Und fragen wir nach dem Meister des Thurmes, so lassen uns die geschriebenen und die in den Stein gehauenen Urkunden wieder in Stich. Mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit hat man in einem Kragstein hoch oben am Thurm das ernste, würdige Bildniss des Thurmbaumeisters erkennen wollen. Doch ein bestimmtes Merkmal hierfür ist nicht vorhanden. „Auch in dieser Bescheidenheit liegt ein Stück mittelalterlicher Grösse … Blicke hinauf, du vielvermögendes Geschlecht unserer Tage, das du vielfach geneigt bist, verächtlich auf die glaubensstarken Väter und ihre Werke, das vielgelästerte dunkle Mittelalter herabzusehen, und frage dich, ob du berechtigt, einer Zeit den Makel geistiger Finsterniss anzuhaften, welche uns solch’ leuchtende Zeugen ihrer geistigen Grösse überliefert hat!“ Im Jahre 1354, „an unser Frawen abent in der vasten“, wird nach des Meisters Johannes von Schwäbisch-Gmünd Visierung der Grundstein zu einem neuen stattlichen Chorbau anstelle des bescheidenen romanischen Chors gelegt. Die Errichtung des mit einem im halben Zwölfeck gebildeten Kapellenkranzes bereicherten Chors bildet die vierte Bauperiode des Münsters. Sie erstreckt sich über eine geraume Zeit, so dass sie in ihrem Beginn noch die alte künstlerische Spannkraft, im weiteren Verlauf und gegen Ende aber auch das Abnehmen derselben zeigt. Nach dreihundertjähriger Bauthätigkeit war das Münster im Aeusseren und Inneren im Grossen und Ganzen vollendet. Und nun beginnt die Sorge um seine Erhaltung, am schwersten in den unruhigen Zeitläufen kriegerischer Wirren. Im Frühjahr 1525 bedroht ein Bauernaufstand das Werk. 1561 trifft ein Blitzschlag den Thurm. In fünf Belagerungen des XVIII. Jahrhunderts erlitt das Münster schwere Beschädigungen durch Beschiessungen und mit banger Sorge blickten die Einwohner von Freiburg zu seinem Thurme auf. Damals wurden zur Erinnerung an.die glücklich überstandene Belagerung von 1713 die drei Säulen vor dem Hauptportal aufgerichtet.
Das XVIII. Jahrhundert hat im übrigen dem Münster wenig geschenkt, unter dem Wenigen den Taufstein und das Denkmal des Generals Rodt, meisterhafte Schöpfungen des Architekten, Bildhauers und Malers Christian Wenzinger im Stile des Rococo, Werke voll graziöser Anmuth. Daneben aber stehen beklagenswerthe Zerstörungen von Malereien und der pietätlose Ersatz herrlicher farbenglühender Glasfenster durch weisse Scheiben. Bald nach der Mitte des XVIII. Jahrhunderts beginnen nach langer Pause wieder kleinere Vollendungsarbeiten und zu Beginn unseres Jahrhunderts auch die Wiederherstellungsarbeiten. Mit bescheidenem Glück. Es fehlte der Zeit die richtige Fühlung mit dem Denken und Schaffen der Väter, das innige Verständniss für den Geist und das Wesen der mittelalterlichen Architektur. 1866-77 wurde die alte Bemalung des Inneren wieder hergestellt, 1871 die Orgel wieder erneuert. Zur ununterbrochenen Weiterführung der Arbeiten am Aeusseren und im Inneren fristet seit 600 Jahren, zeitweise recht kümmerlich. eine Bauhütte ihr Dasein: Es fehlte stets an Mitteln zur Unterhaltung des Baues. Sie zu beschaffen, wurde vor noch nicht einem Jahrzehnt der Münsterbau-Verein begründet, nachdem im Herbste 1889 eine Sachverständigen-Kommission die Grundzüge für die Erhaltung und Vollendung des Münsters festgelegt hatte. Hierzu möge sich, wünscht Geiges, mit warmer Theilnahme für das fernere Schicksal des Bauwerkes der Meister finden, der Aufgabe würdig und „frei von jeder persönlichen künstlerischen Ueberhebung“, ein Mann, der mit dem „erforderlichen Wissen und Können einen offenen Sinn und ein warmes Herz für die Schöpfungen unserer Väter in sich vereinigt, ein Mann, dessen ganzer Ehrgeiz in dem ernsten Streben wurzelt, zwar alles gut, aber nichts besser zu machen, damit sich dem Werke nicht zum Verhängniss und uns zum Fluch statt zum Segen gestalte, was wir in bester Absicht unternommen.“ Ist das nicht der heisse Wunsch eines wahren Künstlers? Bedarf es noch einer besonderen Empfehlung der von ihm geleiteten herrlichen Veröffentlichung über das Bauwerk, welcher die Abbildungen dieses Aufsatzes, sowie die Abbildung auf S. 441 nachgebildet sind?
Dieser Artikel erschien zuerst am 31.08.1898 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „H.“.