Der Hafen von Reval

Der Hafen von Reval ist in diesen Tagen der Schauplatz der freundschaftlichen Begegnung der beiden mächtigsten Herrscher des Kontinents. Im vorigen Jahr hatte die deutsche Flotte die Ehre, dem russischen Herrscher vorführen zu dürfen, was sie in emsiger Friedensarbeit an Leistungsfähigkeit sich zu eigen gemacht hatte, diesmal wird Kaiser Wilhelm den hochinteressanten Uebungen des russischen Artillerielehrgeschwaders vor Reval beiwohnen, einem Hafen, der unter mehr als einem Gesichtspunkt Anspruch auf ein historisches wie aktuelles Interesse besitzt.

Auf ursprünglich germanischem und von Deutschen fast ausschließlich bevölkertem Boden gründete der große Dänenkönig Waldemar II. „der Sieger“, vor fast 700 Jahren die Stadt. Als nach seinem Tode die Macht des dänischen Reiches zerfiel, gelangte Reval im Jahr 1346 unter die Herrschaft des Deutschordens und gehörte bereits damals dem Hansabund an. Nachdem auch die Hansa vom Gipfel ihrer Macht durch innere Zwistigkeiten und Kämpfe herabgesunken war, wurde Reval schwedisch und gelangte im Jahr 1710 an Rußland. Bereits Peter der Große erkannte klar die große Bedeutung für sein an Häfen armes Rußland, bestimmte es als Flottenstation und begann den für große Schiffe unzugänglichen Hafen zu erweitern.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Der eigentliche Kriegshafen wurde im Anfang des vorigen Jahrhunderts angelegt und merkwürdigerweise zu gleicher Zeit die frühere von jeher bestehende Befestigung von Stadt und Hafen aufgegeben, wohl in der Ansicht. daß Angriffe von der Seeseite nicht zu befürchten seien.

Der Hafen von Reval – Karte

Erst in den achtziger Jahren nahm man sich des Hafens, der infolge der wachsenden Größe der modernen Schiffe unzulänglich geworden war, wieder energisch an. Das „neue Hafenbecken“ wurde angelegt und 1889 der Viktoriaquai dem Verkehr übergeben. Anfang der neunziger Jahre wurden das „neue Hafenbecken“ und der alte Kriegshafen mit großem Kostenaufwand so weit vertieft, daß er jetzt der tiefste der vollendeten Kriegshäfen an der russischen Ostseeküste ist, allerdings Schlachtschiffe 1. Klasse nicht aufnehmen kann.

Ansicht von Reval

Was den für die russischen Häfen so wichtigen Punkt der Eisfreiheit betrifft. so steht der russischen Ostsee an zweiter Stelle, indem durchschnittlich erst im Dezember für drei bis vier Monate der Schiffahrt ein gebieterisches Halt geboten wird. Betrachten wir den Hafen selbst, so ist ein äußeres und ein inneres Becken vorhanden; das erstere dient vorwiegend als Kriegshafen, während das innere die Kauffahrteischiffe aufnimmt, deren Verkehr in dem lebhaften Emporium sehr groß ist. Im Handelshafen sind durch Quais voneinander getrennt, verschiedene Abteilungen enthalten; der Kaufmannshafen, der Küstenfahrzeughafen und das erwähnte neue Hafenbecken.

Der Kriegshafen ist durch seitliche und quer vorgelagerte Molen gegen Wind und Seegang vorzüglich geschützt, außer dem sind die Molen mit starken Geschützbatterien versehen, um einem feindlichen Angriff erfolgreich die Spitze zu bieten. Der Verkehr wird wesentlich erleichtert und geregelt durch die verschiedenen voneinander getrennten Ein- bezw. Ausgänge. Auch an der Seeseite des Handelshafens befinden sich starke Befestigungen, die die dort liegenden Arsenale ausreichend verteidigen.

Die Reede von Reval vom Olaikirchturm aus

Der Handel dieses wichtigen Platzes und Flottenstützpunktes zeigt, besonders in den letzten Jahrzehnten, eine stark aufstrebende Tendenz, so ist innerhalb der letzten acht Jahre die Einfuhr um ein Drittel. die Ausfuhr bis beinah um das Doppelte gestiegen, und bildet Getreide den Hauptartikel der letzteren.

Nicht unerwähnt darf bleiben, daß die außerhalb des Hafens liegende Reede auch für die größten Schiffe einen vorzüglichen Ankerplatz bildet.

Dieser Artikel erschien zuerst am 09.08.1902 in Die Woche.