Der Krieg in Ostasien

Das zu einer Sondertagung einberufene japanische Parlament hat seine Aufgabe, die zur Kriegführung erforderlichen Mittel zu bewilligen, schnell gelöst und ist dann geschlossen worden.

In der Verhandlung nahm die Regierung den verständigen Standpunkt ein, das Volk vor einer allzu optimistischen Auffassung der Lage zu warnen und darauf hinzuweisen, daß der Kampf voraussichtlich von langer Dauer sein werde.

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In der Tat hat ja der Krieg so recht eigentlich noch gar nicht begonnen, aber wenn nicht alle Anzeichen trügen, wird man in absehbarer Zeit von größeren Ereignissen hören. Die Japaner haben zu Lande ihr erstes Ziel, den Jalu, erreicht, ohne besonders starken Widerstand von seiten der Russen überwinden zu müssen. Die Vorposten der beiden feindlichen Heere sind an verschiedenen Punkten aneinander geraten, aber nur einmal, bei Tschöngju, hat sich ein Gefecht von einigem Belang zwischen ihnen entwickelt, in dem bezeichnenderweise beide Parteien den Sieg errungen haben wollen. Wer die schwereren Verluste an Menschenmaterial gehabt hat, darüber herrscht noch keine Sicherheit, aber Tatsache ist, daß die Russen zurückgegangen und die Japaner vorgedrungen sind.

Uebersichtskarte zum Vormarsch der Japaner in Korea
Uebersichtskarte zum Vormarsch der Japaner in Korea

Mag es immerhin in der Absicht der Russen gelegen haben, sich auf entscheidende Aktionen vorerst noch nicht einzulassen, so haben sie doch den Feind an seinem Aufmarsch nicht verhindern können. Der Vorteil der Japaner lag bisher darin, daß ihre Flotte in ihren Bewegungen nicht behindert war, daß sie ihre Truppen beinah ungefährdet nach Korea haben herüberführen können; es wird nun von höchster Bedeutung für die weitere Entwicklung der Dinge sein, in welchem Umfang das japanische Heer sich auch in der Zukunft auf die Flotte wird stützen können. Es ist daher sehr begreiflich daß diese, wie berichtet wird, ihre Bemühungen fortsetzen will, den Hafen von Port Arthur zu sperren. Widju an der Jalumündung durften die Russen getrost verlassen, da die Japaner mit dessen Besetzung praktisch immer noch nicht viel gewonnen haben, die Seefestung aber ist für jene der wichtigste Punkt, um dem Feind Schwierigkeiten zu bereiten und ihm gegebenenfalls Verluste beizubringen. Die Japaner wissen also sehr wohl, was sie tun, wenn sie ihre Versuche nicht aufgeben, die russische Flotte in Port Arthur einzuschließen.

Der größte Erfolg, den die Japaner bisher errungen haben, bleibt der gleich nach dem Ausbruch der Feindseligkeiten bei Chemulpo erfochtene Sieg. Zwar haben sie damals russische Schiffe nicht zerstört, aber die Russen selbst sahen sich genötigt, ihren Kreuzer „Warjag“, das Kanonenboot „Korejez“ und den Postdampfer „Sungari“ zu vernichten, wenn sie die Schiffe nicht in die Gewalt der Japaner kommen lassen wollten. Der „Warjag“ war durch das unablässig auf ihn gerichtete Feuer des Feindes schwer beschädigt, es war klar, daß er nicht zu retten sei, als der Kapitän nach heldenmütigem Kampf den Befehl gab, ihn auf Strand laufen zu lassen. Das Schiff neigte bereits beträchtlich nach der Backbordseite hinüber, als es in den Hafen zurückgelenkt wurde, wo es unter den Wassern verschwand, nachdem seine Besatzung auf den dort liegenden fremden Schiffen Aufnahme gefunden hatte. Anders der „Korejez“, der nur wenig gelitten hatte; er wurde in die Luft gesprengt. Man vernahm so schildert ein Augenzeuge den Vorgang, zwei schwere Entladungen, die eine am Vorder- und die andere am Hinterteil. Dann schoß eine Flammenmasse, wohl 500 Meter hoch empor und darauf stieg eine gewaltige Rauch-und Qualmsäule zum Himmel. Als sich allmählich Flammen und Rauch verzogen ertönte über dem Wasserspiegel der Bucht der Gesang der russischen Nationalhymne, untermischt von dem lauten Platschen der hoch emporgeschleuderten Trümmer, die nach allen Seiten in der Runde ins Wasser stürzten. Die untergehende Sonne leuchtete nur noch auf Schlote und Masten. Hier zeigten sich schon alle Schrecken des Krieges. Aber, was folgte, lieferte doch wieder den Beweis, daß die zivilisierten Völker heutzutage im Krieg Zivilisation und Humanität nicht außer acht lassen, wenn sie nicht durch die Verhältnisse zu gegenteiligen Handlungen gezwungen werden. Auch die Japaner zeigen sich bemüht, die Wunden der einzelnen Feinde zu heilen; ihre Schwestern vom „Roten Kreuz“ pflegen russische wie japanische Verletzte in gleicher Weise.

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 15/1904.