Der Kaiserpalast zu Strassburg im Elsass

Architekt: Hermann Eggert. Bereits vor Jahresfrist (in No. 8, Jhrg. 89) haben wir den Lesern u. Bl. mit einigen kurzen Mittheilungen über den Bau des Strassburger Kaiserpalastes 2 Ansichten des so eben vollendeten Gebäudes vorgeführt. Wir haben damals zugleich eine etwas eingehendere Besprechung der Anlage, sowie einige weitere Darstellungen derselben für einen späteren Zeitpunkt in Aussicht gestellt. Indem wir nunmehr unser Versprechen einlösen wollen wir an jene erste vorläufige Veröffentlichung anknüpfen.

Um der Leistung des Architekten gerecht zu werden, ist es nothwendig sich zuvörderst die Entstehungs-Geschichte des Baues ins Gedächtniss zurück zu rufen.

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Wenn der deutsche Kaiser die Reichslande besucht – bisher ist dies stets gelegentlich grosser Heeres – Uebungen geschehen – so wird er in der Regel Veranlassung haben, im vollen Glanze der Majestät aufzutreten, begleitet von seiner hohen Gemalin und einer Anzahl fürstlicher Gäste und umgeben von seinem gesammten Hofstaate.

Schon bei den ersten Besuchen Kaiser Wilhelms I. in Strassburg stellte es sich heraus, dass eine angemessene, zugleich den Bedürfnissen der Hofhaltung entsprechende Unterbringung des Kaiserpaars, seiner Gäste und seines Gefolges, sowie nicht minder die Beschaffung der erforderlichen grossen Festräume nahezu unüberwindliche Schwierigkeiten mit sich bringe. Rücksichten auf die Würde des Reichs wiesen unmittelbar darauf hin, diesen Zuständen für die Zukunft dadurch ein Ende zu machen, dass man dem Kaiser auch in der Hauptstadt der Reichslande ein eigenes Heim begründe. So wurde denn von den betheiligten Behörden schon i. J. 1880 die Errichtung eines Kaiserpalastes zu Strassburg in Aussicht genommen, für welchen man die Baustelle auf der Westseite des in der Fortsetzung des Broglie anzulegenden grossen Platzes und eine Bausumme von 2 Millionen Mark bestimmte.

Zwar ergab sich bei Bearbeitung eines Bauplans, die zunächst durch den Architekten des Ministeriums für Elsass und Lothringen erfolgte, dass dieser Betrag für Bau und Einrichtung eines Palastes, wie man ihn beabsichtigt hatte, nicht ausreiche. Seitens des Reichskanzlers wurde jedoch den Anträgen auf eine entsprechende Erhöhung der Bausumme nicht nachgegeben; die eingereichten Pläne wurden vielmehr verworfen und es erging an den preussischen Minister der öffentlichen Arbeiten das Ersuchen, durch die ihm zur Verfügung stehenden Kräfte einen neuen, einfacheren Entwurf aufstellen zu lassen. Mit der bezgl. Arbeit wurde nunmehr der damals dem technischen Bureau des Ministeriums angehörige Landbauinspektor Hr. Hermann Eggert beauftragt, der durch seine frühere Thätigkeit an den zum grösseren Theile von ihm geschaffenen Strassburger Universitäts-Bauten mit den örtlichen Verhältnissen auf das genaueste vertraut war und dessen bisherige Leistungen dafür bürgten, dass er der Aufgabe auch künstlerisch gewachsen sei.

Es gelang demselben in der That, einen Plan zu entwerfen, der den vollen Beifall S. M. des Kaisers fand und dessen Anschlag innerhalb der festgesetzten Bausumme sich hielt; Bedenken, welche der Reichstag gegen denselben erhoben hatte [Man vergleiche den Bericht auf S 118, Jhrg. 1883 d. Bl.], wurden durch eine nochmalige Ueberarbeitung des Entwurfs beseitigt. So begann denn, nachdem die erforderlichen Mittel bewilligt worden waren, im Herbst 1883 die Ausführung des Baues.

Die seinerzeitige Beschreibung des Kaiserpalastes in #Strassburg, welcher 1890 fertig gestellt wurde. #Geschichte
Der Kaiserpalast zu Strassburg im Elsass

Die Leitung desselben übernahm der Verfasser des Entwurfs, der zu diesem Zwecke von Berlin wiederum nach Strassburg zurück gekehrt war; mit der oberen Aufsicht wurden – mit Umgehung der Hochbau – Behörde Elsass-Lothringens – das dem preussischen Minister der öffentlichen Arbeiten untergeordnete Reichsamt für die Verwaltung der elsass-lothring. Eisenbahnen, bezw, die General-Direktion der letzteren betraut. – Nach etwa 5jähriger Bauzeit, von der jedoch ein namhafter Theil auf die Herrichtung der Baustelle und die gleichzeitige Bearbeitung der eigentlichen Ausführungs-Pläne verwendet werden musste, ist das Gebäude im Winter 1888/89 in die Verwaltung des Kaiserl. Ober-Hofmarschall-Amtes übergeben worden.

Ueber die Lage der Baustelle, welche ein Stadtviertel von 83,5 m Tiefe und 153,0 m mittlerer Länge bildet, ist das Nöthige bereits früher gesagt worden. Da das Gebäude, dessen Abmessungen zwischen den äussersten Vorsprüngen etwa 73 m zu 50 m betragen, mit seiner nach S.-O. gerichteten Vorderseite hart an die Grenze des Platzes gerückt worden ist, so hat sich auf den 3 anderen Seiten ein ausreichend geräumiger Garten ergeben, den ein hohes schmiedeisernes Gitter nach aussen abschliesst.

Leider haben die Mittel nur eben dazu ausgereicht, ihn mit jungen Anpflanzungen zu versehen, während es dringend nothwendig erscheint, den Palast seitlich mit grösseren alten Bäumen zu umgeben. Einmal, wie wir s. Z. schon ausgeführt haben, im Interesse seiner äusseren Erscheinung, die erst dann in ihrem wirklichen Maassstabe zur Geltung kommen wird; dann aber auch, weil die freie Lage des Hauses einen Einblick in die Räume desselben gestattet, der bei der erstmaligen Benutzung des Palastes im vorigen Jahre den Bewohnern sehr lästig geworden sein soll, insbesondere auf der Nordseite, wo die Wohnhäuser des nächsten Bauviertels dem Gebäude dicht gegenüber stehen.

Grundriss vom Hauptgeschoss

Vielleicht, dass der Reichstag oder der Landesausschuss der Reichslande die Anregung dazu geben, recht bald eine solche Verbesserung der Anlage durchzuführen. Für die Unterbringung des kaiserlichen Marstalls liess sich auf dem Grundstück ein passender Raum nicht gewinnen; es ist zur Errichtung des betr. Gebäudes daher ein Platz in dem westlich gegenüber liegenden Bauviertel erworben worden, Für die Beurtheilung der Grundriss-Lösung ist wohl zu beachten, dass das Gebäude keineswegs als „Palast“ im gewöhnlichen Sinne des Wortes, d. h. als ständiger Sitz eines fürstlichen Haushalts aufzufassen ist, sondern dass es ausschliesslich die Bestimmung eines nur vorüber gehend in Benutzung zu nehmenden Absteige-Quartiers hat. Diese Bestimmung prägt sich denn auch unverkennbar in der ganzen Anordnung des Hauses aus. Sollte in späteren Zeiten vielleicht ein kaiserlicher Prinz oder eine andere fürstliche Persönlichkeit dauernden Aufenthalt in den Reichslanden nehmen, so wird ihm seine Wohnung auch schwerlich hier angewiesen werden.

In seiner Gesammtform stellt sich das Gebäude als ein Rechteck mit vorspringenden Mittelbauten auf beiden Langseiten, sowie Eckbauten dar, an welch letztere auf den beiden Schmalseiten erkerartige Erweiterungen sich anschliessen. Der Haupteingang erfolgt durch den in der Axe der Vorderseite liegenden Portikus, zu dem eine kleine Freitreppe sowie 2 Rampen empor führen. Man gelangt durch ihn in die grosse, aus 3 durch Säulenstellungen zusammen hängenden Räumen gebildete Eingangshalle. In ihrer Axe öffnet sich der Aufgang zu der im Mittelpunkte des Hauses liegenden, zu den Vorder- wie Hinterräumen des Hauptgeschosses in Beziehung gesetzten, dreitheiligen Haupttreppe; die beiden Nebenräume münden auf die (im Erdgeschoss als Ablegeraum für die Festgäste dienenden) Korridore zur Seite der grossen Treppe sowie auf 2 einarmige Nebentreppen, die eine unmittelbare Verbindung mit den Korridoren der Flügel bilden. In den letzteren befinden sich je 2 Nebeneingänge, von denen die hinten gelegenen, welche mit 2 kleineren, durch alle Geschosse reichenden Treppen zusammen hängen, im wesentlichen für den Verkehr der Dienerschaft und den Wirthschafts-Betrieb bestimmt sind, während von den vorderen Eingängen der südliche die unmittelbare Verbindung des Hauses mit dem Garten herstellt, der nördliche dagegen als zweite Anfahrt benutzt werden kann. – Die Erleuchtung des Innern erfolgt durch 2, rings von Korridoren bezw. Durchgangs-Räumen umgebene, offene Höfe von rd. 11 m im Geviert, sowie ein grosses Oberlicht über dem Haupt-Treppenhause,

Sämmtliche Haupträume des Palastes sind in dem 6,0 m hohen I. Obergeschosse desselben vereinigt, reichen jedoch zu einem namhaften Theile noch in das darüber liegende Geschoss bezw. den Dachraum hinein. Nach hinten liegen hier die auf eine Gesellschaft von 350 Personen berechneten Festräume: in der Mitte der durch eine mächtige flachbogige Apsis nach aussen erweiterte Fest- und Tanzsaal, links der Speisesaal mit dem Anrichte-Z., rechts der Versammlungs-Saal mit dem Vorzimmer. Der durch eine Kuppel überdeckte Mittelbau der Vorderseite, an den sich über dem unteren Portikus eine offene Vorhalle mit Balkon schliefst, enthält den Audienzsaal der kaiserlichen Majestäten. Zu beiden Seiten desselben liegen in nahezu symmetrischer Anordnung, bis durch die Flügel reichend, die Wohnungen der Kaiserin und des Kaisers, umfassend je 1 Vor-, Empfangs-, Wohn- und Schlafzimmer mit den nöthigen Nebenräumen für Bad, Kleider, Kammerfrauen, Kavaliere usw.; die hintersten Räume an den Nebentreppen sind durch eine Zwischendecke getheilt und enthalten im Obergeschoss noch 1 Diener-Z. – An sich ist diese s. Z. von Kaiser Wilhelm I. gebilligte, strenge Scheidung der beiden Wohnungen des Kaiserpaares und die hotelartige Aufreihung der zu ihnen gehörigen Zimmer an Korridoren vielleicht ein angreifbarer Punkt der Grundrisslösung, die im übrigen mit strenger Beschränkung auf das Nothwendige überall Grossartigkeit der Raumentfaltung zu verbinden gewusst hat. Es hängt die bezgl. Anordnung jedoch mit dem ganzen System des Hauses so eng zusammen, dass sie wohl als unvermeidlich bezeichnet werden kann.

Das Erdgeschoss, welchem eine Höhe von 5,0 m gegeben ist, enthält in seinem vorderen Theile neben den schon erwähnten Räumen links die Wohnung eines fürstlichen Paars, rechts eine aus 4 Zimmern bestehende Wohnung für einen fürstlichen Gast, sowie die Wohnung des Kastellaus. Der hintere Theil umfasst ausser den Diensträumen des Ober-Hofmarschallamtes lediglich Räume für den wirthschaftlichen Betrieb, die sich um die große, auf einer mittleren Säulenstütze überwölbte Hauptküche gruppiren und ihre Ergänzung in dem 3,75 m hohen Untergeschosse finden. Eine Aufzählung aller hierher gehörigen Räume dürfte zu weit führen. Ihre grosse Zahl und Ausdehnung erklärt sich wohl ausreichend durch die Thatsache, dass neben der Verpflegung der Allerhöchsten Herrschaften und ihrer Gäste auch noch die ständige Beköstigung einer mindestens 300 Köpfe zählenden Dienerschaft zu bewirken ist. Das 4,0 m hohe II. Obergeschoss, zu dem der Hauptzugang über die beiden oberen Vordertreppen erfolgt, enthält (neben einigen Hilfs-Anrichte-Räumen) Wohnungen für die Damen und Kavaliere des kaiserlichen Gefolges, sowie für die männliche und weibliche Dienerschaft.

Von der äusseren Erscheinung des Baues, dessen Architektur in Renaissance-Formen zum Theil mit Verwendung von Motiven der Spätzeit, in der Bildung der Einzelheiten dagegen vielfach hellenisirend – gestaltet ist, geben die von uns mitgetheilten 3 Ansichten ein Bild, das kaum noch einer ergänzenden Beschreibung, sondern im wesentlichen nur einer kurzen Würdigung bedarf.

Grundriss vom Erdgeschoss

Das Bestreben des Architekten ist in erster Linie offenbar auf das Ziel gerichtet gewesen: die bedeutungsvolle Bestimmung des Palastes dadurch zum Ausdruck zu bringen, dass er demselben das Gepräge wuchtiger Monumentalität verlieh. Wie in den trotzigen Palastbauten der florentinischen Früh-Renaissance reicht die Rustika-Quaderung der Wände durch alle 3 Geschosse des Hauses bis zum Hauptgesims.

Doch ist der herbe Eindruck dieser Bauweise gemildert, sowohl durch die reiche, im Grundriss vorbereitete Gliederung der Fassade mittels der Eckrisalite und der auf allen 4 Seiten vorspringenden Ausbauten, wie durch den bildnerischen Schmuck, der in den Kandelaber-Krönungen der Attika, in den Wappenfeldern zwischen den Fenstern des Obergeschosses, in den Bogengiebeln der seitlichen Erker, endlich in den Schlussstein-Verzierungen der Fenster des Hauptgeschosses sowie in den Balkons sich darstellt, die vor letzteren an der Vorderseite sich hinziehen. Ihren besonderen Ausdruck hat die Bestimmung des Hauses sodann noch in der Gestaltung des Mittelbaues dieser, dem Kaiserplatz zugekehrten Seite gefunden, wo vor dem Audienzsaale der kaiserlichen Majestäten eine offene Säulenhalle mit einem noch weiter ausspringenden Balkon angeordnet ist, auf welchem das Herrscherpaar dem Volke sich zeigen kann. Eine Fülle von Bildwerk – die Atlanten-Träger des Balkons, Kindergruppen, die den unteren Theil der Säulen- und Pfeilerschäfte umziehen, Tropäen, die letzteren vorgeheftet sind, eine die Kaiserkrone mit dem Reichswappen umrahmende Figurengruppe im Giebel der Vorhalle und eine Siegesgöttin als Krönung desselben – ist hier zu reichster Wirkung vereinigt. Dahinter aber ragt über jenem vornehmsten Raume des Palastes der in Form einer vierseitigen offenen Aussichtshalle gestaltete, von einem durch 2 Heroldsfiguren gehaltenen Flaggenmaste bekrönte (einschl. des letzteren 50 m hohe) Kuppel-Aufbau empor, der als stolzes Wahrzeichen des Hauses die Lage des letzteren schon von weitem kenntlich machen soll.

Dass in dieser Fassadengestaltung eine höchst bemerkenswerthe, namentlich durch ihr Ringen nach selbständiger Eigenart erfreuliche, künstlerische Leistung vorliegt, dürfte schwerlich Jemand in Abrede stellen, der sich in den Gedankengang, welcher derselben zugrunde liegt, vertieft. Wenn so manche Fachgenossen bei einer ersten und flüchtigen Besichtigung von ihr einen weniger günstigen Eindruck gewonnen haben, was wir keineswegs verschweigen wollen, so sind wir geneigt, den Hauptgrund hierfür in der mehrfach erwähnten, vorläufig noch allzu vereinzelten Lage des Hauses zu suchen, die erst befriedigen kann, wenn nicht nur der Park des Palastes, sondern auch der Kaiserplatz selbst mit alten Bäumen bestanden sein wird. Ein weiterer Grund möchte derjenige sein, dass sowohl das Motiv des Kuppel-Aufbaues, wie das Verhältniss desselben zu seinem Unterbau und zu der Masse des Hauses überhaupt ein ungewöhnliches und daher für’s erste befremdendes ist. Vielleicht ist aber jenes Streben nach einem vorzugsweise wuchtigen Eindrucke auf Kosten der Gefälligkeit auch weiter verfolgt worden, als es die thatsächlichen Abmessungen des Baues zuliessen. Endlich ist unter den Einzelheiten, insbesondere des bildnerischen Schmucks, so Manches nicht gelungen; vor allem fallen die viel zu gross gerathenen Wappengruppen an den Schlusssteinen der Hauptgeschoss-Fenster in den Eckbauten der Vorderseite schon beim ersten Blick unangenehm in die Augen. Doch können wir für unser Theil nur wiederholt betonen, dass diese Mängel doch zu klein sind, um die Freude an der Gesammtwirkung des schönen und vornehmen Werkes ernstlich stören zu können.

Als Werkstein für die Bekleidung der Fassaden ist ein heller Sandstein von grünlich grauer Färbung gewählt worden, welchen der Unternehmer des Rohbaues, Ph. Holzmann & Co. zu Frankfurt a. M., aus seinen Bajerfelder Brüchen geliefert hat. (Zu den Hoffassaden sowie den in Werkstein ausgeführten Architekturtheilen des Inneren wurde vorzugsweise grauer Vogesen-Sandstein verwendet.) Nur die Modelle zu den rein ornamentalen und heraldischen Bildhauer-Arbeiten sind in Strassburg selbst, durch den Bildhauer Born aus Frankfurt a. M., unter den Augen des Architekten hergestellt worden. Die Lieferung der Modelle zu den figürlichen Arbeiten war den Bildhauern Ohmann, Max Klein, Brütt und Bergmeier in Berlin sowie dem Bildhauer Krüger in Frankfurt a. M. übertragen.

Bei der Eile, mit welcher der Bau betrieben werden musste, war es leider nicht möglich, dass die genannten Berliner Künstler in stetem Einvernehmen mit dem Architekten bleiben konnten; die Ueberwachung und die schliessliche Abnahme ihrer Leistungen war vielmehr seitens der oberen Leitung einer Kommission in Berlin vorbehalten worden; ein Verfahren, dass sich gewiss wenig empfiehlt und dem die oben erwähnten Schwächen mancher Bildhauer-Arbeiten des Baues wohl in erster Linie zur Last geschrieben werden können. Die beiden Heroldsfiguren auf der Kuppel sind von G. Knodt in Bockenheim bei Frankfurt a. M. in Kupfer getrieben worden.

Sämmtliche Dächer des Hauses, einschl. des Kuppeldaches, die in der Erscheinung desselben eine wesentliche Rolle spielen, sind nach einem durch den Architekten erfundenen, an das altgriechische Tempeldach sich anschliessenden System mit eigens geformten Flach- und Decksteinen gedeckt. Die Farbe dieser aus harter Terracotta-Masse in der Fabrik von Villeroy & Boch in Merzig hergestellten Ziegel, sowie der aus gleicher Masse geformten verschiedenartigen Dachbekrönungen, ist ein tiefes Roth, das unter gewissen Beleuchtungen zur Farbe des Sandsteins vorläufig noch etwas hart wirkt, aber im Laufe der Zeit um so besser zu ihm passen wird. Die Kosten dieser Deckungsart, welche den Ansprüchen an Monumentalität wie an künstlerische Form in gleichem und zwar im höchsten Grade gerecht wird, werden zu etwa 2/3 der Kosten eines Kupferdaches angegeben. Dass das System noch ferner häufige Anwendung finden dürfte, ist jedoch schwer zu glauben, da der Entwurf eines derartigen Dachs, bei welchem nicht nur alle Anschlusssteine an Schornsteine, Luken usw., sondern auch die Steine für alle Grate, Firsten, Traufkanten usw. besonders geformt und daher besonders gezeichnet werden müssen, für die Bauleitung grössere Mühe erfordert, als man sie für den bezgl. Bautheil aufzuwenden gewöhnt ist. Die innere Ausgestaltung des Palastes, welche wir durch einen Querschnitt in der Hauptaxe des Hauses sowie durch eine Ansicht des grossen Treppenhauses und des Festsaales veranschaulichen, steht bezüglich der liebevollen Durchbildung aller Einzelheiten dem Aeusseren in keiner Weise nach. Mit reichster künstlerischer Erfindungskraft und Staunen erregendem Fleisse hat sich der Architekt gemüht, auch hier jeden Raum seiner Bestimmung entsprechend eigenartig auszustatten. Leider haben die knappen Baumittel, welche die Verwendung kostbarer Stoffe und eines Schmuckes der Räume durch selbständige Werke der Maler- und Bildhauerkunst nahezu ausschlossen, seinem Schaffen äusserlich so enge Grenzen gesetzt, dass man den Aufwand an künstlerischer Arbeit, die in dieser Form nur von sehr Wenigen gewürdigt werden kann, fast bedauern muss.

In konstruktiver Hinsicht sei zunächst erwähnt, dass sämmtliche Decken des Hauses, so weit sie nicht als wirkliche Gewölbedecken auftreten, in einer Verbindung von Eisenträgern mit Mauerstein-Wölbung bezw. Gipsguss mit Eisen-Einlage hergestellt sind. Dabei sind die unteren Flansche der Träger meist sichtbar gelassen worden, soweit nicht die Art der architektonischen Ausbildung des Raumes eine Bekleidung der ganzen Decke erforderte. Die Heizung des Hauses wird, wie dies bei seiner Benutzungsweise am natürlichsten schien, durch eine Luftheizungs-Anlage bewirkt; neben derselben sind für einzelne Wohnräume, zum Theil aus dekorativen Gründen, Kamine angelegt worden.

Auf eine nähere Beschreibung auch nur der Haupträume einzugehen, ist an dieser Stelle selbstverständlich nicht möglich, so dass es mit einigen kurzen zusammenfassenden Bemerkungen sein Bewenden haben möge.

Sämmtliche Vorräume sind in Decken und Wänden in einem hellen, der Farbe des Sandsteins verwandten Tone gehalten und nur sehr sparsam durch Vergoldung einzelner Glieder sowie ornamentale Malerei belebt. Die Beleuchtungs-Körper dieser Räume sind vorzugsweise aus geschwärztem Schmiedeisen mit einzelnen blanken Kupferheilen hergestellt. In der Hauptvorhalle bilden die polirten, rothen Granitschäfte der Säulen, welche den Mittelraum von den beiden Nebenhallen trennen, ein farbiges Element.

Grosser Festsaal

– Reicher ausgestattet ist das grosse Treppenhaus, in dem die Treppenstufen aus weissem Murgthal-Sandstein gebildet sind, während die Geländer, sowie die Säulen-Architektur des Umgangs aus grauem Vogesen-Sandstein, die Handläufe dagegen, sowie die neben dem unteren Laufe angeordneten Kaskaden-Stufen sowie das Brunnenbecken an der Hinterwand des Podestes aus rothem Tiroler Marmor bestehen. Die Bogenzwickel des Umgangs und die grosse Deckenyonte sind mit farbiger Malerei geschmückt, das Oberlicht und die seitlichen Fenster in farbiger Musterung verglast.

Auch in dem Hauptraume der für die Wohnzwecke der Majestäten bestimmten Zimmerreihe, dem unter der Kuppel gelegenen Audienzsaal, sind Fenster und Oberlicht mit farbiger Glasmalerei versehen. Die unter den seitlichen Galerien des Saals stehenden Säulen haben Schäfte aus rothem belgischen Marmor und vergoldete Kapitelle; die Wände, unten mit einem dunklen Panneel umsäumt, sind in ihrem oberen Theile mit hellem Stuckmarmor bekleidet, Bögen und Kuppeldecke mit Malerei geschmückt.

Den Hauptschmuck des Raums bildet ein grosser Bronze-Kronleuchter von Riedinger in Augsburg, der bei 4,30 m Höhe und 2,80 m Durchm. 180 Flammen enthält. – Die übrigen Wohn- und Empfangsräume haben im allgemeinen gemalte Decken, eichene Panneele, Marmorkamine und Wandspiegel, sowie seidene Tapeten erhalten. Besonders hervor gehoben sind nur die Wohnzimmer der Kaiserin und des Kaisers, ersteres in maassvoller Rokoko-Ausstattung, letzteres mit einer echten Holzdecke und hoher Wandtäfelung versehen. In ähnlicher, jedoch einfacherer Weise, unterschieden nur durch die Deckenmalereien sowie die Tapeten, sind die Wohnräume des Erdgeschosses, noch um einige Grade einfacher diejenigen des Obergeschosses ausgestattet worden.

Von den Festräumen ist der grosse Hauptsaal mit einer in Stuckarchitektur reich entwickelten Spiegeldecke, zwischen korbbögenförmigen Seitentonnen bezw. Gurtbögen, die Abside desselben mit einem gerippten Halbkuppel-Gewölbe überdeckt. Reiche ornamentale Malerei schmückt diese Decke, während die Wände unterhalb des Kämpfergesimses wiederum mit Stuckmarmor bekleidet sind und mit einem rothbraunen Panneel abschliessen. Die Wandsäulen des Raums haben Schäfte aus polirtem, hellgrauen Nassauer Marmor erhalten. Die beiden Seitensäle sind in einfacherer Weise, mit gerader, gleichfalls reich gemalter Felderdecke ausgestattet und über dem Panneel mit Tapeten versehen. Die grossen, schön gestalteten Kronen dieser Räume sind von Brechenmacher und Armbrüster in Frankfurt a. M. in Schmiedeisen gefertigt und vergoldet.

Sämmtliche Malereien der Räume, unter denen im Treppenhause, im Audienzsaal und im Festsaal auch einige bescheidene figürliche, im Wohnzimmer der Kaiserin einige landschaftliche Darstellungen sich befinden, sind von den Dekorationsmalern Keuffel & Baum in Frankfurt a, M.

ausgeführt worden. An der Ausstattung der Räume mit Möbeln, Vorhängen usw., welcher für die hervor ragenderen Arbeiten gleichfalls besondere Entwürfe Eggert’s zugrunde gelegen haben, war eine grössere Zahl elsässischer und süddeutscher Werkstätten betheiligt.

Dass diese Ausstattung sowie bis zu einem gewissen Grade selbst die dekorative Durchbildung der Räume, so Ansprechendes sie auch bietet, den Wünschen, die man an die innere Erscheinung eines solchen Palastes zu stellen berechtigt ist, noch nicht genügen kann, ist selbstverständlich; es wäre hieran auch verhältnissmässig wenig geändert worden, wenn dem Architekten für den Ausbau und Schmuck des Hauses noch eine grössere Summe zur Verfügung gestellt worden wäre. Denn was von dieser Seite geschaffen, bezw. beschafft werden kann, muss sich mehr oder minder doch im Rahmen des Nothwendigen halten. Ihr bezeichnendes Gepräge erhalten derartige Räume aber in mindestens gleichem Grade durch die vom Zufalle bezw. dem Geschmack einzelner Persönlichkeiten abhängige Ausrüstung, die ihnen im Laufe der Zeit zutheil wird, und in denen ein Stück Geschichte sich wiederspiegelt.

Für eine dekorative Ausrüstung durch monumentale Wandmalereien und Staffelei-Bilder, durch plastische Kunstwerke und kunstgewerbliche Erzeugnisse, ja selbst durch einen neuen reicheren Ausbau einzelner Räume ist in der kaiserlichen Residenz auf reichsländischem Boden noch so viel Platz vorhanden, dass mehre Geschlechter Gelegenheit haben werden, an dieser Ausfüllung des vorläufig vorhandenen Rahmens mit zu wirken. Hoffentlich ist die Zeit nicht mehr fern, wo weitere Kreise ein reges Interesse daran nehmen werden, in dieser Weise sich zu bethätigen.

Dieser Artikel erschien zuerst 1890 in der Deutschen Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit “-F.-“.