Großstädtische Vermittelungsbureaux

Skizze aus dem Leben der Gegenwart.

Von A. Oskar Klaußmann.
Unsere heutigen Lebens- und Geschäftsverghältnisse können ohne, Vermittelung“ kaum noch gedacht werden. Der Produzent bedarf schlechterdings des Vermittlers, um seine Waaren an den Konsumenten zu bringen, da er in den meisten Fällen nicht im Stande ist, sich die einzelnen Käufer selbst aufzusuchen. Ohne Vermittelung ist heute kaum noch irgend ein Fach, irgend ein Geschäftszweig, und die Vermittler sind nicht nur eine sehr achtbare Klasse von Menschen – man denke nur an alle Detail-Kaufleute, an alle Malker, Kommissionäre, an die Buchhändler als Vermittler zwischen dein Schriftsteller und dem Publikum – sondern auch ein höchst wichtiger Faktor in unserem öffentlichen Leben.

Wo aber Licht ist, da ist auch immer Schatten, und so gibt es auch Vermittler und Vermittelungsbureaux, besonders in unseren Großstädten deren Geschäftsführung thatsächlich nichts als Schwindel und Betrug ist.

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Wohl gemerkt, nicht alle sogenannten Vermittelungsbureaux sind unsicher und unsolide, im Gegentheil, es gibt eine außerordentlich große Anzahl von Vermittelungsbureaux, deren Inhaber und Angestellte durchaus ehrenhafte, gewissenhafte diskrete rührige und geschickte Leute sind, aber neben dieser Zahl der großen, achtbaren Institute wuchert so manche höchst unsaubere Pflanze, und das Publikum möge wohl auf der Hut sein, sich mit solchen einzulassen.

Fast alle derartigen schwindelhaften Vermittelungsbureaux führen nur ein kurzes Dasein. Sie entstehen wie die Pilze über Nacht, treiben ihr Handwerk eine Zeit lang und verschwinden dann wieder spurlos.

Besonders gerne befassen sich derartige Schwindelinstitute mit der Stellenvermittelung. Wir leiden in Deutschland zwar nicht schon geradezu an einer Uebervölkerung, aber doch an einer Ueberfüllung in verschiedenen Berufszweigen und Gebieten. Ueberfüllt sind der Kaufmannsstand, der Lehrerstand, soweit es sich um Privatlehrer handelt, das Baufach, eine Menge technischer Fächer, und beständig gibt es mehr Leute, die sich zu Diensten anbieten, als Leute, welche Stellungsuchende beschäftigen wollen.

Für Diejenigen nun, welche eine Stellung suchen, und auch für diejenigen Leute, welche passende Kräfte beschäftigen wollen, sind die Stellenvermittelungsbureaux ja eine recht bequeme und schöne Erfindung, aber gerade dieses Zweiges der Vermittelung bemächtigt sich, wie gesagt, am leichtesten der Schwindel, weil sich gewisse Gebräuche in den Stellenvermittelungsbureaux herausgebildet haben, welche eine betrügerische Geschäftsführung oft sehr erleichtern. Fast in jedem Stellenbermitteluugsbureau wird bei der Eintragung in die Liste der Stellesuchenden als „Einschreibegebühr“ oder als Vorschuß auf die Vermittelung die Zahlung einer gewissen Summe verlangt, welche jedenfalls verloren ist, wenn der betreffende Stellesuchende auch innerhalb einer gewissen Frist eine Stelle nicht findet.

So gehört denn nur ein geringes oder gar kein Anlagekapital dazu, um durch Eröffnung eines Stellenvermittelungsbureau’s auf bequeme Weise Geld zu erschwindeln, ohne dafür auch nur das Geringste zu thun. Der Bureauinhaber braucht nicht einmal einen besonderen Geschäftsraum, er läßt nur in einigen größeren Zeitungen Folgendes ankündigen: Hunderte von Stellungen, in allen Berufszweigen, sind durch mich zu vergeben. Stellesuchende wollen sich unter Beifügung von fünf Mark Einschreibegebühr direkt an mich wenden und erhalten umgehende Nachricht.“ Diese Anzeige wird eine Zeit lang wiederholt, und die Insertionskosten bilden so ziemlich das einzige Anlagekapital des Schwindlers, wenn man nicht dazu noch die Kosten für Porto und für den Druck von Briefbogenköpfen rechnen will, auf welchen natürlich die Firma des Bureau’s in elegantester Schrift prangt, ebenso wie auf dem Briefumschlag.

Da es nun also Tausende von Stellesuchenden gibt, so werden Viele ihre Adressen, ihre Papiere und Wünsche, vor Allem aber die Einschreibegebühr – und auf diese hat es natürlich der Bureauinhaber vor Allem abgesehen – einsenden, und sie können dann noch von Glück sagen, wenn sie nur ihre Papiere wieder zurückbekominen, da der Bureauinhaber zumeist die Zuschriften in den Papierkorb wirft, wenn er nicht gar mit etwa eingesandten Originalzeugnissen einen schwunghaften Handel treibt. Er antwortet höchstens auf einer gedruckten Postkarte, daß der Betreffende notirt sei und daß ihm in kurzer Zeit eine günstige Stellung nachgewiesen werden würde. Vergebens aber ist das Harren Desjenigen, der die Einzahlung geleistet hat. Der Bureauinhaber denkt ja gar nicht daran, sich um ihn zu kümmern, und zumeist sind die Einzahlenden so geduldig, sich nach einiger Zeit mit der Bemerkung abspeisen zu lassen, daß alle Bemühungen fruchtlos gewesen seien und daß, wenn neue Bemühungen gemacht werden sollten, eine neue Einzahlung stattzufinden habe. Ja, es gibt eine ganze Menge Menschen, die auch noch eine zweite Einzahlung leisten, weil sie glauben, nunmehr sicher zu einer Stellung zu gelangen. Und ist wirklich unter den Klienten des schwindelhaften Bureauinhabers einmal ein energischer Mann, welcher darauf dringt, daß ihm Adressen zugestellt werden und der im anderen Falle mit Klagen und Rückforderung des Geldes droht, so hat der Bureauinhaber nur nöthig, die hauptstädtischen Blätter nachzusehen und aus dem Inseratentheil derselben Adressen auszuschreiben die er dem Dränger zuschickt, nicht ohne ihm dabei mitzutheilen, daß es ihm nach großen Bemuhungen gelungen sei, die beifolgenden Adressen ihm übermitteln zu können. Diese Adressen sind ja auch nicht immer ganz werthlos aber der Klient des Bureau’s hätte sie billiger haben können, wenn er sie in irgend einer größeren Zeitung selber aufgesucht hätte.

Dieser Schwindel wird oft Jahre lang getrieben denn nur selten fällt es einem der Geschädigten ein, energisch gegen den Betrüger einzuschreiten. Wenn aber auch Klagen bei der Polizeibehörde einlaufen, so dauert es doch eine ganze Zeit, bis diese genügendes Belastungsmaterial hat, um dem betreffenden Inhaber einmal energisch auf die Finger zu klopfen, und Hunderte, ja Tausende von Menschen, die ihr letztes Geld hergaben, um damit die Vermittelung einer Stelle zu bezahlen, sind betrogen. Man sei also vorsichtig, wenn man sich an ein Stellenvermittelungsbureau wendet, recht vorsichtig, und wähle in erster Linie alte Firmen, die sich eines guten Rufes erfreuen. Ganz besonders aber hüte man sich vor den ausländischen Stellenvermittelungsbureaux, welche in Deutschland Klienten suchen. Man kann diese exotischen Stellenvermittelungsbureaux fast ausnahmslos als betrügerische Unternehmungen bezeichnen.

In England, Frankreich, Rußland, kurz, in jedem Lande ist dieselbe Ueberzahl von Stellesuchenden vorhanden, wie in Deutschland, die ausländischen Bureaux hätten es also gar nicht nöthig, sich Stellesuchende aus dem Auslande zu holen, welche ja zumeist nicht einmal in dem betreffenden Lande in Stellungen verwendbar sind, da sie gewöhnlich die Sprache und alle die Lebensgewohnheiten und Eigenthümlichkeiten des betreffenden Landes gar nicht kennen. Ganz besonders gewarnt aber sei vor den französischen Stellenvermittelungsbureaux, die sich ‚Bureaux de Placement“ nennen. Schon diejenigen Institute, welche in Paris selbst ihr Operationsfeld haben, genießen dort eines schlechten Rufes, und die Gerichtsverhandlungen in den Pariser Blättern erzählen fast fortwährend von solchen schwindelhaften Bureaux und den Manipulationen ihrer Inhaber. Diejenigen Pariser Bureaux aber, welche in deutschen Blättern Stellen für Kaufleute, Lehrer, Gouvernanten u. s. w. anbieten, sind durchweg Schwindelanstalten.

Die armen Gouvernanten namentlich sind, wie überhaupt die Frauen, die sicherste Beute der Stellenvermittelungsschwindler, und in England plündern selbst die sogenannten soliden Institute die armen Gouvernanten, insbesondere die deutschen, welche so thöricht sind, nach England zu gehen, ohne eine sichere Stellung bereits zu haben, auf die schamloseste Weise aus. In dem Werke „Land und Leute in England“ (Berlin, Langenscheidt’sche Verlagsbuchhandlung.) heißt es wörtlich: „Thatsächlich werden die Gouvernanten in England von gewisser Seite als Handelsartikel betrachtet. Die Stellenvermittelung liegt in den Händen von Agenturen der gewissenlosesten Art; die Gouvernante mag wollen oder nicht, sie fällt fast immer den Agenturen in die Hände; ob sie selbst annoncirt oder auf Annoncen hin Stellung sucht: fast immer stecken Agenten dahinter.

Diesen Agenten ist es auch gar nicht etwa darum zu thun, die Gouvernante in eine solche Stelle zu bringen, welche für sie paßt, im Gegentheil suchen sie ihren Gewinn darin, daß die Gouvernante womöglich in eine Stelle kommt, wo sie nur kurze Zeit aushält. Jeder Stellenwechsel wirft ja Prozente ab! Die Geschäftsbedingungen solcher Agenturen sind gewöhnlich folgende: das Einschreiben bei der Agentin, d. h. das Aufzeichnen des Namens und Alters, der Leistungsfähigkeit, der Konfession u. s. w. kostet der Gouvernante eine Gebühr von 2,50 bis 5 Mark, je nachdem die Agentin mehr oder weniger exklusiv sein will. Die Agentin macht hiermit schon ganz respektable Geschäfte an den Hunderten von Stellesuchenden, die immer in ihren Büchern stehen, und von denen sie doch schließlich nur den kleinsten Theil placiren kann. Kommt aber ein Engagement wirklich zu Stande, so beansprucht die Agentin eine Provision von 5 Prozent (7 ½ Prozent, wenn die Gouvernante noch in Deutschland ist) vom ersten Jahresgehalt, die im Voraus, d. h. vor Antritt der Stelle gezahlt werden muß, ganz gleich, ob man nun ein Jahr in der Stelle bleibt oder nur einen Monat; und zwar hat diese Provision die Gouvernante zu zahlen – der Herrschaft kostet es keinen Heller. Ist es eine temporäre Stelle unter drei Monaten, etwa eine Ferienstelle, deren Vermittelung auch meist durch die Agentinnen zu Stande kommt, so gehört die Einnahme der ersten vierzehn Tage der Agentin, wenn es sich überhaupt um eine Einnahme handelt; ist’s eine Stelle ohne Gehalt, dann hat die Gouvernante eine Placirungsgebühr von 10 Mark zu entrichten. Man sieht, die Agentin weiß immer ihren Nutzen zu finden. London wimmelt von solchen Agenturen, wie es von stellungslosen Gouvernanten wimmelt, von den homes (Kost- und Logirhäusern) nicht zu reden, die auf diese Stellungslosigkeit ihre Existenz gründen. Um nun deutsche Gouvernanten vor Ausbeutung durch solche Agenturen und homes zu schützen, hat sich seit einigen Jahren eine Vereinigung von deutschen Lehrerinnen in London bemüht, ein eigenes Heim für deutsche Lehrerinnen und für Stellenvermittelung zu schaffen.“

Man sollte es nicht glauben, welche Geschäfte diese ausländischen Stellenvermittelungsschwindler in Deutschland machen, aber noch im vorigen Sommer wurde in den deutschen Zeitungen ausdrücklich vor einem Schwindler gewarnt, der durch Inserate in deutschen Zeitungen Stellungen in Barcelona mit 2000 bis 3000 Franken Gehalt und Reisevergütung ausbot. Die Personen, welche sich meldeten, halten dem Spanier 5 Mark einzusenden und hörten natürlich nie wieder etwas von ihm. Die deutschen Kaufleute in Barcelona wurden allmählig auf den Schwindler aufmerksam, der unter sogenannten „Deckadressen“ Briefe von der Post abholte und ein ganz bedeutendes Geschäft gemacht haben muß, da er Hunderte von Briefen aus Deutschland erhielt. Wer wagt auch nicht einmal 5 Mark, wenn er Aussicht hat, dafür eine recht günstige Stellung zu erhalten? Der Schwindler verschwand aus Barcelona, kurz bevor er auf Veranlassung der deutschen Polizei verhaftet werden sollte.

Der Leser wird also wohl thun, sich zu merken, daß es höchst leichtsinnig ist, mit ausländischen Stellenvermittelungsbureaurx sich einzulassen, welche in Deutschland ihre Kundschaft suchen.

Gefährlicher noch als die Stellenvermittelungsbureaux sind diejenigen schwindelhaften Bureaux, welche sich mit der Vermittelung von Geldgeschäften befassen. Der Leser braucht nur aufmerksam die Inseratentheile der größeren Zeitungen zu studiren, um aus den größeren Städten, besonders aber aus Berlin die Annoncen von Vermittlern zu finden, welche sich erbieten, Geldgeschäfte zu vermitteln, entweder die Besorgung von Kapitalien für Geldbedürftige, oder die Unterbringung von Kapitalien für solche Leute, welche Geld zu verleihen haben. Es mag ausdrücklich erklärt werden, daß ebenso wenig wie alle Stellenvermittelungsbureaux alle diese Geschäfte unsolide sind; ein großer Prozentsatz von ihnen ist aber nur eine Maske für unsaubere und unlautere Manipulationen, und ein solcher Geldvermittelungsbureauinhaber arbeitet nicht allein, sondern mit einer ganzen Anzahl von Spießgesellen, mit deren Hilfe er die Opfer ausplündert.

Da steht z. B. im Inseratentheil der Zeitung: „Acceptkredit wird unter günstigen Bedingungen an Kaufleute der Provinz gewährt.“ Der Kaufmann in der Provinz, der vielleicht augenblicklich in Verlegenheit ist, wendet sich unter der Bitte um Diskrekion an das Bureau und erfährt, daß ihm acceptirte Wechselblanketts zur Verfügung gestellt werden, wobei er nur vom Hundert 5 bis 10 Mark Provision zu zahlen hat, Wechsel, die er selbst auszustellen hat, auf denen aber ganz besonders solide und gute Namen als Acceptanten figuriren. Das betreffende Geldgeschäftsvermittelungsbureau, welches eine ganze Anzahl von Leuten zweifelhaftesten Charakters um sich hat, ist nämlich wohl in der Lage, solche für eine bestimmte Höhe acceptirte Blanketts billig abzugeben, da es folgendermaßen manipulirt: der Inhaber engagirt sich vor Allem irgend ein verbummeltes Subjekt, das einen anständigen Namen trägt, und leider gibt es ja selten eine Familie, und sei sie noch so hochgestellt, angesehen und vermögend, die nicht ein solches verlorenes Kind unter den Ihrigen zählte. Diese verkommenen Subjekte sind gern bereit, für den Preis von 1 bis 3 Mark an einem Vormittag dreißig bis vierzig Wechsel in blanco zu acceptiren, da sie ja durchaus keine Gefahr laufen, selbst wenn man sie wegen Nichtzahlung des Wechsels belangen sollte. Sie haben nichts, und wo nichts ist, hat bekanntlich der Kaiser sein Recht verloren. Der Kellerwechselfabrikant (Diese Wechsel führen nämlich den bezeichnenden Namen „Kellerwechsel“, weil sich die Acceptanten und die Bureauinhaber früher zumeist in Kellerlokalen zweifelhaften Ranges bewegten.) kann auch seelenruhig den Wechsel dem Kaufmanne mit einer wucherischen Provision überlassen, denn dieser ist ja als Aussteller in seinem eigenen Interesse verpflichtet, den Wechsel einzulösen, da er sonst seinen Kredit schädigen würde; und löst der Kaufmann diesen Wechsel nicht ein, d. h. macht er Bankerott, so hat das Vermittelungsbureau ja auch keinen Nachtheil, denn als Acceptant figurirt eben der Mann mit dem guten, verkrauenerweckenden Namen, und dieser hat, wie bereits erwähnt, nichts, was man ihm nehmen könnte.

Diese Kellerwechselfabrikation, welche jetzt nicht mehr so stark wie früher in Berlin betrieben wird, da die Polizei ein wachsames Auge auf die Leute dieser Art hat, war früher so gewinnbringend, daß die betreffenden Bureaux sogar Reisende in der Provinz unterhielten, welche die Kunden aufsuchten.

Gewöhnlich beschäftigt sich aber der Inhaber eines solchen Geldvermittelungsbureau’s nicht allein mit Kellerwechseln, sondern er steht in Verbindung mit Wucherern, denen er als Deckung und als Vermittler dient. Diesen Wucherern spielt er die Leute, die sich an sein Bureau wenden, um Kapital vermittelt zu erhalten, in die Hände, und er ist gewissermaßen der Schlepper, der dem Wucherer seine Opfer zuführt, damit sie von diesem ausgesogen werden sollen. Man kann auch heute noch hinter einem Inserat, welches lautet: Kapitalienvermittelung, diskret. Jede Summe zur Verfügung u. s. w. in neun unter zehn Fällen ein verdecktes Wuchergeschäft vermuthen, denn trotz aller Gesetze wird bekanntlich lustig weiter fortgewuchert.

Ganz anders wird die Manipulation dieser Vermittelungsbureaux für Geldgeschäfte, wenn es sich darum handelt, Leuten Kapitalien abzulocken, welche diese durch die Vermittelungsbureaux unterbringen lassen wollen. Es gibt heutzutage Niemand sein Geld her, ohne Sicherheit zu fordern, eine solche muß daher das Vermittelungsbüreau beschaffen, was ihm auch nicht schwer fällt, da es mit sogenannten „Hypotheken- und Pfandscheinschiebern“ in Verbindung steht. Auch hier sind wieder Helfershelfer nothwendig, welche in folgender Weise vorgehen.

Handelt es sich um Pfandscheinschieberei, so meldet irgend einer der Helfershelfer bei der Polizei ein Pfandleihgeschäft an und kommt um die Erlaubniß dazu ein. Ist er nicht bereits ein bestrafter Mensch, so wird ihm die Erlaubniß ertheilt, und nun versetzen bei ihm die Genossen minderwerthige Gold- und Silbersachen, Waarenbestände u. s. w. gegen eine doppelte und dreifache Beleihung des wirklichen Werthes. Der Pfandleiher kann ja dem Darlehensuchenden so viel geben als er will. Natürlich werden die auf den Pfand- und Lombardscheinen stehenden Summen nicht in Wirklichkeit gezahlt. Diese Papiere dienen nur dazu, um sich der Polizei gegenüber zu schützen und die Leute, welche Kapitalien hergeben wollen, zu täuschen. Man bietet ihnen nämlich diese Pfand- und Lombardscheine, welche unter gewöhnlichen Verhältnissen ja einen gewissen Werth besitzen, da in soliden Geschäften ein Pfand nicht voll beliehen wird, als Sicherheit an; sie bilden die Unterlage, auf welche hin das Darlehen vorgestreckt wird, und natürlich sehen die betreffenden Darlehensgeber erst nach mehreren Monaten ein, in welche Hände sie gefallen sind, nachdem gewöhnlich die Schwindler bereits das Weite gesucht haben, sobald ihnen einige gute Geschäfte geglückt waren.

Aehnlich ist der Schwindel mit dem Hypothekenschieben. Irgend ein verkommener Mensch besitzt ein altes Haus in irgend einer Stadt der Provinz, auf dieses Haus bekommt er von den Genossen angeblich eine ganz bedeutende Summe als erste Hypothek. Diese Hypothek wird in das Grundbuch eingetragen, und die Hypothekenurkunde, welche gerichtlich und unter Wahrnehmung aller Vorschriften ausgefertigt ist, kann jetzt zu dem Schwindel verwendet werden, denn eine erste Hypothek pflegt ja unter realen Verhältnissen sehr sicher zu sein. Wenn also als Unterpfand für ein Darlehen eine solche Hypothekenurkunde gegeben wird, so muß der betreffende Gelddarleiher glauben, daß er sein Geld wirklich sicher angelegt hat.

Natürlich kann die Manipulation dieser Pfandschein- und Hypothekenschieber hier nur in weiten Umrissen gezeichnet werden, da sich sonst ganze Bände über ihr lichtscheues Thun und Treiben schreiben ließen. Man hüte sich also sorgfältig vor den meisten Vermittelungsbureaux, welche Geldgeschäfte betreiben, und wenn man schon einmal auf solche angewiesen ist, so erkundige man sich vorher über die Sicherheit derselben bei den sogenannten kaufmännischen Auskunftsbureaux, welche ja auch gewissermaßen mit zu den Vermittelungsbureaux zu rechnen sind, aber schon deshalb eigentlich wieder nicht dazu gehören, weil es fast ausnahmslos großartige und streng rechtliche Anstalten sind, auf die der deutsche Handelsstand stolz sein kann.

Die deutschen Auskunflsbureaux, welche über die sogenannte Bonität und Kreditfähigkeit von Firmen Auskunft ertheilen, werden durchweg von Ehrenmännern geleitet, sind höchst solide, sehen auf eine langjährige Thätigkeit zurück und arbeiten ebenso diskret als vollendet sicher. Man hüte sich dagegen vor denjenigen Auskunftsvermittelungsbureaux, welche vom Auslande her als Referenzen aufgegeben werden und selbst im Auslande existiren. In London besteht beständig eine aus Hunderten von Mitgliedern bestehende Bande von sogenannten „Schlittenfahrern“, unter der sich leider auch sehr viele deutsche stellenlose Kaufleute befinden. Diese „Schlittenfahrer“ gehen darauf aus, deutsche Firmen um Waaren, die ihnen auf Kredit gesendet werden und die sie augenblicklich zu jedem Preise verschleudern, zu prellen, und verfahren so geschickt, daß sie beständig Opfer finden. Sie machen erst eine Bestellung, in welcher sie um eine Mustersendung ersuchen, und eine solche wagt jede deutsche Firma, wenn es sich nicht um mehr als um etwa 30 -40 Mark handelt. Diese Mustersendung pflegen die „Schlittenfahrer“ prompt zu bezahlen, dann aber sofort in großen Mengen Waaren nach den gelieferten Mustern zu bestellen, wobei sie für Bezahlung der Waaren einen Dreimonatskredit in Anspruch nehmen. Als Referenzen pflegen sie ein bis zwei kaufmännische Auskunftsbureaux in London anzugeben, von denen der deutsche Geschäftsmann, der sich nach der Londoner Schwindelfirma erkundigt, erfährt, daß diese Firma höchst solide, betriebsam und äußerst reell sei. Diese Auskunft ist aber ganz selbstverständlich, da die Inhaber dieser Auskunfksbureaux dieselben „Schlittenfahrer“ sind, welche, nur unter anderer Firma, die Bestellungen aufgaben. Auf diese Weise gelingt es den Betrügern, in größeren und kleineren Posten von Deutschland her ununterbrochen alle nur denkbaren Waaren zu erschwindeln.

Sie nehmen Wein Cigarren, Tabak, Hosenträger, Wäsche, Wurst, Bücher, Konfektionswaaren, Leinenzeug, kurz Alles, Alles, was man sich nur denken kann. Sie beschwindelten sogar noch im vorigen Jahre eine deutsche Firma um 24 Gros künstliche Glasaugen. –

Wenden wir uns jetzt zu den Vermittelungsbureaux, welche auf die Leidenschaften und Thorheiten der Mitmenschen spekuliren. Einige spekuliren auf die Habsucht oder auf die Verliebtheit älterer Mädchen und Frauen, andere auf den Ehrgeiz und die Titelsucht gewisser Menschen. Es sind dies die Bureaux, welche Heirathsgeschäfte oder Orden und Titel vermitteln.

Die Heirathsbureaux sind eine Erfindung der Neuzeit, denn unserem fortgeschrittenen Jahrhundert erst war es vorbehalten, sie in’s Leben zu rufen. Nun mag es ja sein, daß schon manche Ehe durch sie zu Stande gebracht worden ist, welche schließlich glücklicher wurde, als die Ehe von Leuten, welche sich „aus Liebe“ heiratheten und später ein Leben wie Hund und Katze führten, aber – abgesehen von der Abneigung, welche jeder Mensch von feinerer Empfindung vor dieser Art der Eheschließung fühlen wird – beschäftigen sich gerade mit der Vermittelung von Heirathsgeschäften viele unsaubere Elemente, da auch diese Art von Geschäften es ihnen leicht ermöglicht, sich einen reichen Gewinn mühelos zu verschaffen.

Ein Fall, der oft vorkommt, ist z. B der, daß irgend ein junger oder älterer Mann, welcher Geld braucht, um ein Geschäft einzurichten oder um das flotte Leben, das er vor dem Verlust seines Vermögens geführt hat, weiter fortsetzen zu können, daran denkt, sich durch eine reiche Heirath aufzuhelfen. Er geht zu einem Heirathsvermittler, zahlt die Einschreibegebühr und liefert seine Photographie ab. Nach einiger Zeit wird er eingeladen wieder hinzukommen, und es werden ihm dann verschiedene Damen „offerirt“, wie der Geschäftsausdruck lautet, deren Photographien ihm auch gezeigt werden.

Das Burxeau, in dem ihn der Heirathsvermittler empfängt, pflegt sehr stylvoll eingerichtet zu sein, gewöhnlich ist über dem Burxeau des Chefs irgend ein allegorisches Bild angebracht, welches auf Liebe und Ehe hindeutet, oft auch ein Oelgemälde schlechtester Sorte, auf welchem man sehr deutlich ein Paar vor dem Traualtar knien sieht. Zahlreiche Photographiealbums liegen auf Tischen und Sesseln herum, und Alles athmet Schalkhaftigkeit, Liebe und Ehevermittelung. Die Hauptsache bleibt aber natürlich immer das Zahlen.

Es wird nun dem heirathslustigen Manne sicherlich eine oder die andere Photographie auffallen, welche einer jungen Dame angehört, die ihm sehr gut gefällt, die wirklich hübsch ist, und welche außerdem mehrere Hunderttausend Mark an Vermögen besitzen soll. Die junge Dame ist außerdem noch tugendhaft, sanft, gebildet, liebenswürdig, anspruchslos, kurz, sie ist das Ideal von einem Weibe. Natürlich möchte nun der ältere oder jüngere Mann gern die junge Dame kennen lernen, aber wenn eine Zusammenkunft vermittelt werden soll, muß vorher an den Bureauinhaber noch eine nicht geringe Gebühr entrichtet werden. Der Heirathskandidat zahlt, und siehe da, das Stelldichein kommt in der That zu Stande. Der Heirathskandidat ist entzückt von der Dame, mit der er sich einige Minuten unterhält. Er sucht ihr in mehr oder weniger thörichter Weise seine Gefühle zu erklären und spricht beim Abschied die Hoffnung auf ein baldiges Wiedersehen aus.

Wenn er das nächste Mal den Agenten besucht, macht dieser eine wahre Leichenbittermiene und theilt dem Heirathskandidaten mit, daß leider, leider! die junge Dame an dem Heirathskandidaten keinen Gefallen gefunden habe und ihn nicht zum Manne wolle. Dagegen kann natürlich der Heirathskandidat nichts thun, auch sich nicht beklagen, daß nunmehr sein verauslagtes Geld verloren ist, denn die Schuld des Heirathsbermittlers ist es ja nicht, wenn der Heirathskandidat der jungen Dame nicht gefällt. Woher soll denn auch der dumme Teufel von einem Heirathskandidaten wissen, daß die junge Dame eine Verwandte des Heirathsvermittlers ist, oder irgend ein Mädchen, das von ihm zu diesem Zwecke gemiethet und mit Toilette versehen wird. Sie hat diese Komödie schon hundertmal gespielt und wird sie noch ebenso oft spielen.

Ueber die Bureaux, welche Ordensdekorationen und Titel vermitteln, brauchen wir uns hier wohl nicht näher auszulassen, die Skandalgeschichte Wilson-Cimousin-Caffarel, die im Jahre 1888 in Paris spielte, hat eine wahre Fluth von Enthüllungen über den Ordensschwindel veranlaßt, von denen wohl das Wesentliche dem Leser noch im Gedächtnisse sein wird.

Erwähnen wollen wir zum Schluß nur noch, daß die Vermittelungsbureaux sich oft auch auf Geschäftszweige legen, welche höchst originell und dabei keineswegs schwindelhafler Natur sind, und daß sie selbst die sonderbarsten Chancen noch auszunützen verstehen.

So gibt es seit kurzer Zeit in London ein Bureau, welches seinen Kunden die Auflösung der Räthsel vermittelt, die in den illustrirten Zeitungen Englands allwöchentlich stehen. Ein gewisser Johns hat in London ein eigenes Räthselauflösungsbureau errichtet. Mr. Johns spekulirt ganz richtig. Die englischen Familienjournale sehen nämlich für die Lösung ihrer Räthsel stets Preise aus, die, wenn auch mitunter von ziemlich fraglichem Werthe, doch jedem Abonnenten zugänglich sind, und die Hoffnung auf Erringung eines solchen Preises ist den Meisten die kleine Summe von 10 Pence werth, für welches Honorar Mr. Johns die Lösung eines jeden, selbst des schwierigsten Räthsels verräth. Der Abonnent hat dann nichts Weiteres zu thun, als die Lösung unter seinem Namen einzusenden.

Zum Schluß sei nochmals hervorgehoben, daß sich unter den Vermittelungsbureaur auch viele reelle und achtbare Institute befinden und daß das oben Angeführte sich natürlich nur auf die unsoliden Bureurx bezieht, wie wir solche kurz skizzirten.

Dieser Artikel erschien zuerst in Das Buch für alle, Heft 1/1890. Der Originalartikel war nicht bebildert, das beigefügte Bild ist ein Beispielbild von Michaił Nowa auf Pixabay.