Der Kohlenhof der Firma L. Possehl & Co. in Altona

Am 6. Mai d. J. ist in Altona eine industrielle Anlage von hervorragender Bedeutung, der durch die Fırma L. Possehl & Co.in Hamburg-Lübeck errichtete „Kohlenhof“, dem Verkehr übergeben worden.

Die Anlage dient dem Löschen von englischen Steinkohlen sowie später, nach Fertigstellung der Wasserwege Rhein-Elbe, auch dem Löschen der westfälischen Produkte aus Dampfern oder Leichtern, ihrer Lagerung, Siebung und Abgabe an Landfuhrwerk und u. Umst. auch an die Eisenbahn und ist nach dem System der Getreidesilos gebaut.

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Auf dem in der gr. Elbstrasse, hart am Elbstrom belegenen Bauplatz erhebt sich in 12 m Abstand von der massiven Kaimauer nach drei Seiten frei gelegen und weithin sichtbar das stattliche Silogebäude. Es enthält 15 grosse Silos, 6 von 21 m, 9 von 15 m Höhe, erstere unmittelbar auf dem Grunde, letztere auf einem Unterbau von schmiedeisernen Säulen, Unterzügen und Trägern mit zwischengespannten Betongewölben ruhend. Die Säulen sind mit einem Blechmantel umgeben und der ganze Hohlraum ist mit Beton vollgestampft. Der aus den Deckengewölben vortretende untere Theil der Unterzüge ist mit Rabitz-Umkleidung versehen. So ist hier, wie überall beim ganzen Bauwerk, völlige Sicherheit gegen Feuersgefahr erstrebt. Der Raum unter diesen 9 Silos dient als Expeditionshalle und steht durch 2 Durchfahrten mit der Strasse einerseits, mit dem Kaiplatze des Speichers andererseits in Verbindung.

Die Weite der Silozellen beträgt von Mitte bis Mitte Wand gemessen 6,68 bei 8,4 m, bezw. 8,8 bei 8,4 m; es sind dies Abmessungen, die bisher wohl noch nirgends auch nur annähernd erreicht sein dürften. Jeder Silo fasst 1000 cbm oder 800 t Steinkohlen.

Possehl’s Kohlenhof in Altona – Grundriss

Die Wände der Silozellen bestehen aus Kiesbeton, welcher in die Felder eines ihm Halt verleihenden Eisengerippes eingestampft wurde. Wagrechte Rahmen aus starken I-Eisen, die durch senkrechte I-Eisen verbunden und deren gegenüberliegende Wände durch Zuganker versteift sind, bilden das Gerippe. Zur praktischen Erprobung der Konstruktion wurde vorher ein einzelnes Wandfeld ausgeführt und mit dem 2 ½ fachen des rechnungsmässig darauf entfallenden Druckes belastet. Ueber den Silos befinden sich breite Laufstege aus Wellblech mit Betonschüttung; darüber erhebt sich der schmiedeiserne Dachstuhl.

Der freien Querwand des Speichers ist das Kontorgebäude mit Wohnung für den Verwalter, der wasserseitigen Längswand sind neben einem massiven Treppenthurm auch noch 4 kleinere Silos vorgebaut; unter diesen befindet sich ein Boden für Siebe, darunter eine Ladebühne. In der an das Nachbargrundstück grenzenden Ecke des Kaiplatzes liegt das Kessel- und Maschinenhaus.

Possehl’s Kohlenhof in Altona – Querschnitt durch den Speicher

Dem entgegengesetzten Ende des Speichers gegenüber erhebt sich an der Kaikante ein hoher schmiedeeisener Thurm, welcher einen Schiffselevator trägt und durch zwei Brücken mit dem Speicher verbunden ist. Die untere Brücke trägt einen mit dem Elevator in Verbindung stehenden Bandtransporteur, unter dessen Abwurfende eine geaichte Kontrolwaage aufgestellt ist. Die durch den Elevator aus dem Schiffsraum gehobene Kohle wird hier gewogen bevor sie in den Speicher gelangt. Dem Transport dahin und der Vertheilung in die Silozellen dienen ein zweiter feststehender Elevator und drei auf den vorerwähnten Laufstegen montirte Bandtransporteure. Die stündliche Leistung aller dieser Maschinen beträgt 50-60 t. Die Entleerung der 9 Silos von 15 m Höhe geschieht durch Ausläufe im Boden, die mit Kippmuldenverschluss ausgerüstet sind. Das Fuhrwerk kann sich in der geräumigen Expeditionshalle nach allen Punkten hin bewegen und unter jeden der Ausläufe gelangen. Diese liegen in solcher Höhe über dem Fuhrwerk, dass ein fahrbares, geaichtes und zum Umkippen eingerichtetes Maassgefäss dazwischen gebracht und so die Kohle nach Maass (Doppelhektolitern) abgegeben werden kann.

Etwas anders gestaltet sich der Betrieb mit den 6 tiefen Silos. Diese dienen vorwiegend der Aufnahme solcher Kohlensorten, welche einer Nachsiebung unterzogen werden sollen. Die Füllung geschieht ebenfalls durch die oberen Bandtransporteure, die Entnahme durch einen in einem Tunnel unter den Silos laufenden Kratzertransporteur. Mit letzterem stehen wieder ein Elevator und ein über den Siebe-Silos angebrachter Bandtransporteur in Verbindung. Diese 3 Maschinen führen die Kohle aus den grossen in die Siebe-Silos über, welche im Bedarfsfalle indessen auch direkt vom Schiffselevator her gefüllt werden können.

Die Sieberei ist so eingerichtet, dass die ausgesiebte Kohle auf die Ladebühnen, der Grus in den unter diesen befindlichen Gruskeller läuft. Das An- und Abstellen der Siebe geschieht von den Ladehühnen aus. Auch hier kann die Abgabe unter Benutzung geaichter Maassgefässe erfolgen.

Das in der Expeditionshalle oder vor den Ladebühnen beladene Fuhrwerk gelangt über den Kaiplatz zu den neben dem Kontorgebäude befindlichen Ausfahrten. Hier ist auch eine grosse Brückenwaage angebracht, welche in Thätigkeit tritt, falls nach Gewicht verkauft wird.

Endlich ist noch ein auf dem Kaiplatz fahrbarer Portalkrahn mit 15 m langem Ausleger anzuführen, welcher dazu bestimmt ist, gleichzeitig mit dem Schiffselevator, aber aus einem anderen Laderaum des Dampfers, Kohlen aufzunehmen und auf Fuhrwerk oder in Leichter überzuführen.

Die grosse Ausladung des Krahnes, der auch diejenige des Elevators entspricht, ergab sich aus der Bedingung, dass die Dampfer zwischen sich und der Kaimauer genügend Raum für Leichter freilassen, also 6 m weit von der Kaimauer entfernt liegen sollen.

Während der Speicher ausschliesslich zur Aufnahme gesiebter Nusskohle bestimmt ist und demzufolge auch alle vorher genannten Transport-Maschinen nur Nusskohle zu befördern haben, kann der Krahn ebenso gut auch Stückkohle löschen. Er benutzt dazu eiserne Klappgefässe von 1 cbm Fassungsraum.

Der Betrieb der ganzen maschinellen Anlage einschliesslich des Krahnes, geschieht mittels elektr. Energie, welche im Machienenhause durch 2 Dampfmaschinen von je 50 Pferdekkräften, mit direkt gekuppelten Dynamos, erzeugt wird. Den Betriebsdampf liefern 2 Wasserröhrenkessel von Babcock & Wilcox. Selbstredend sind auch der Kaiplatz, Speicher und das Kontor; elektrisch beleuchtet.

Der ganze Speicherbau ist nach den Plänen des Architekt Alb. Winkler in Altona ausgeführt; die Fassaden in gothische Stil ans rothem Backstein unter sparsamer Verwendung glasirter Ziegel. Das Dach ist in seinen steilen seitlichen Theilen mit Falzziegeln, im mittleren flachen Theil mit Dachpappe gedeckt.

Ein- und Ausfahrten haben reiche schmiedeiserne Thore erhalten; schmiedeiserne Ziergitter krönen die Dachfirste. Es ist rühmend hervorzuheben, dass der Bauherr es als eine Ehrensache betrachtet hat, seine Schöpfung, trotz ihrer industriellen Bestimmung und angesichts ihrer bevorzugten Lage an dem äusserst belebten Elbstrom, äusserlich reich und malerisch zu gestalten. Dem Architekten war so eine dankbare Aufgabe gestellt und er hat sie vortrefflich gelöst.

Der Kohlenhof der Firma L. Possehl & Co. in Altona

Die statische Berechnung und der Entwurf der Silos und ihres Unterbaues rühren von dem Ingenieur R. Kohfahl in Hamburg her, der zugleich als technischer Berather des Bauherrn bei der Beschaffung der maschinellen Einrichtung thätig war.

Die Fundamente des Speichers führte der Bauübernehmer L. Völkers in Altona, die sämmtlichen Gebäude, einschliesslich der Eisenkonstruktionen und der Kaimauer, die Firma F. H. Schmidt in Altona aus.

Der Entwurf und die Lieferung der gesammten maschinellen Anlage mit Ausnahme des Krahnes erfolgte durch die Firma G. Luther in Braunschweig (Obering. Krukenberg), welche den elektrischen Theil der Anlage. die Beleuchtung, durch die Elektrizitäts-A.-G. vorm. Schuckert & Co., Nürnberg, Zweigniederlassung Hamburg, ausführen liess.

Der Krahn wurde vom Eisenwerk (vorm. Nagel & Kaemp) A.-G. in Hamburg, welches elektr. betriebene Kaikrahn-Anlagen in grösserem Umfange bereits für Rotterdam, Mannheim, Kopenhagen, Düsseldorf und Dresden ausgeführt hatte, geliefert und der elektrische Theil desselben von Siemens & Halske in Berlin.

Dieser Artikel erschien zuerst am 21.10.1896 in der Deutsche Bauzeitung.