Das vorbezeichnete, in den Jahren 1886/88 errichtete Bauwesen, trat an die Stelle von ganz unzulänglichen und ungeeigneten Räumlichkeiten auf dem Schloß Hohentübingen, mit denen sich bisher der Unterricht an der württemb. Landes-Universität begnügen musste.
Bei Feststellung des Kauptptogrammes wurde von Einrichtungen für astronomische Zwecke ganz abgesehen; dagegen war ein grosser Physik-Hörsaal für 120 Zuhörer mit den erforderlichen Nebenräumen, reichliche maschinelle Ausstattung des Instituts, jedoch nur ein mässig grosser Raum für das allgemeine Üebungs-Laboratorium und nur eine beschränke Zahl von Gelassen für selbständig arbeitende Studenten verlangt; die Dienstwohnung des Vorstandes sollte im Gebäude selbst untergebracht werden.
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Demgemäss gliedert sich der Bau in 2, schon im Aeussen scharf gekennzeichnete Theile: In den Hauptbau mit den Arbeits- und Sammlungsräumen und der Wohnung des Vorstandes und in den für sich ausgebildeten Hörsaale verbunden durch einen schmalen Zwischenbau, in welchem sich die, beiden Theilen gemeinschaftlich dienenden Räume sowie die Werkstätten des Mechanikers, befinden.
Der Hauptbau ist nur etwa zur Hälfte unterkellert. Ausser den Kellern für den Vorstand und den Diener enthält das Kellergeschoss 3 Gelasse für Arbeiten in möglichst gleichmässiger Temperatur, sodann einen Kohlenraum, einen Raum für die Zentralheizung und einen Raum für die Wasser- und den Gasmesser, von wo aus sämmtliche durch besondere Farben gekennzeichneten Vertheilungsröhren für Gas und Wasser abzweigen. Das Erdgeschoss enthält in der Vorderfront verschiedene Arbeitsräume für selbständige Arbeiten einzelner Studirender, im rückwärts gelegenen Theil den Maschinenraum, die Schmiede, Vorrathsräume, Aborte, sowie 2 Treppenhäuser, eines für die Institutsräume im I. Obergeschoss, eines für die Dienstwohnung im II. Obergeschoss.
Um nun die für exakte Arbeiten und Messungen nothwendigen möglichst festen Aufstellungen zu bekommen, ist man hier von der in anderen derartigen Instituten üblichen Herstellung isolirter gemauerter Pfeiler abgegangen und hat dafür nicht nur die oben genannten Arbeitsräume in das Erdgeschoss, unmittelbar auf den gewachsenen Boden, der mit Asphaltparquet versehen ist, verlegt, sondern auch das ganze Erdgeschoss mit soliden Kreuz- und Tonnengewölben überdeckt, welche den Fussboden des I. Obergeschosses unmittelbar aufnehmen und eine sehr kräftige Verspannung sämmtlicher Mauern unter sich bewirken; “ausserdem hat man in die meisten Ecken der Arbeitsräume, in die kreuzgewölbetragenden Pfeiler derselben, auch in die Langwände, solide Steinplatten in Tischhöhe eingemauert.
Auf diese Weise ist es gelungen, fast sämmtlichen Aufstellungsplatten eine solche Erschütterungs – Freiheit zu geben, dass z. B. die Oberfläche eines beliebig aufgestellten Quecksilberspiegels durch den Gang der 6-Pferd.-Maschine im Erdgeschoss absolut nicht bewegt wird. Für erschütterungsfreie Aufhängungen an der Decke sind in 2 Räumen des Obergeschosses Balken auf in den Mauern steckenden Steinkonsolen aufgelegt, wodurch dieselben von zufälligen Erschütterungen des Wohnstockbodens isolirt bleiben.
In die Mauer eingelegte oder sonst verdeckte Eisenkonstruktions-Theile sind vermieden worden; dagegen ist Eisen frei liegend überall verwendet. wie ja auch die Leitungsröhren, aus Eisen bestehen; es ist übrigens die Errichtung eines isolirten, ganz eisenfreien Häuschens im Institutsgarten in Aussicht genommen.
Längere horizontale Absehlinien sind durch axial angebrachte Oeffnungen in den Querscheidewänden des I. Obergechosses, vertikale Abmessungen (bis zu 17 m) durch axial angeordnete Oeffnungen in den Fussboden der südöstl. Eckgelasse ermöglicht; ausserdem sind noch verschiedene andere kleine, mit Holzdeckeln verschliessbare Oeffnungen in Decken und Wänden, zur Durchführung von Drähten für elektr. Leitungen usw. angebracht.
Die Verdunklungs-Vorrichtungen in den Arbeitsräumen bestehen aus schwarzen Filzgardinen, die in tiefen Laufnuthen geführt sind; im Hörsaal aus hölzernen Rolläden. Von den sonst üblichen maschinellen Einrichtungen, welche ein gleichzeitiges Verdunkeln sämmtlicher Fenster gestatten, musste der sehr bedeutenden Kosten wegen Umgang genommen werden.
Im II. Obergeschoss befindet sich ausser der schon erwähnten Dienstwohnung des Instituts-Vorstandes noch ein Hörsaal für 30-35 Zuhörer für theoretische Physik, sowie ein Bibliothekzimmer; im Dachstock liegen die Räumlichkeiten zum Photographiren.
Der Hörsaal, 12,4 m breit, 11,5 m tief und 6,45 m hoch, hat 120 Sitzplätze. Diese sind von einem besonderen Vorraum her auf 2 Treppen zugänglich. Der Experimentirtisch, ebenso eine vor demselben befindliche Steinplatte, sind von dem übrigen Fussboden isolirt. Der Saal ist beiderseits durch je 3 grosse Fenster reichlich beleuchtet, die an der Rückwand befindlichen kleineren Fenster dienen hauptsächlich zur Ventilation im Sommer, im Winter treten 4 eben daselbst angeordnete Ventilations-Kanäle in Thätigkeit, deren Wirkung noch durch Lockflammen erhöht werden kann. An der Vorderseite, oberhalb des Experimentir-Tisches, ist eine von aussen zugängliche Galerie angeordnet mit leicht beweglichen Krahnen für lange Aufhängungen. Die Anordnung der Sitzplätze, ohne Mittelgang, der eine Reihe der besten Plätze in Anspruch nehmen würde, hat sich gut bewährt.
Sämmtliche Instituts-Räume sind durch eine Dampf-Niederdruck-Heizung mit Selbstregulirung erwärmt. Die Wohngelasse haben Ofenheizung.
Die Umfassungswände bestehen im Erdgeschoss aus Sandstein – Quadermauerwerk, in den beiden oberen Geschossen aus Backstein-Gemäuer mit gelben Verblendziegeln sowie Fenster -Einfassungen und Gesimsen aus hellem Werkstein; das Dach ist mit Zink eingedeckt. Der Gesammt-Aufwand betrug rd. 260 000 M. Davon entfielen auf die innere Ausstattung des Instituts mit Mobiliar, neuen Instrumenten usw. rd. 50 000 M., auf die Regulirung des Bauplatzes, Entwässerung und Umfriedigung 14 000 M. und auf den eigentlichen Hochbau 195 400 M.
Unter Zugrundlegung der letzteren Summe berechnet sich 1 qm überbaute Fläche auf 322 M. 60 Pf, 1 cbm umbauten Raumes von der Kellersohle bis Dachgesims-Oberkante gemessen, auf 18 M. 26 Pf.
Mit dem Entwurf und der Oberleitung des Baues war Baurath Berner in Stuttgart betraut, indess Bauinspektor Knoblauch in Tübingen gleichzeitig mit anderen Universitätsbauten der Ausführung vorstand, bei welcher Reg.Baumeister Neter als Bauführer thätig war.
Dieser Artikel erschien zuerst 1890 in der Deutschen Bauzeitung.