Nachdem wir in wiederholten Mittheilungen des vorigen und des laufenden Jahrgangs u. Bl. sowohl das Programm wie den Verlauf des für die vorliegende Aufgabe ausgeschriebenen nationalen Wettbewerbs besprochen haben, wird es unsere Leser interessiren, die aus diesem unter Mitwirkung des St. Petersburger Architektenvereins eingeleiteten und durchgeführten Wettbewerb siegreich hervorgegangene Arbeit kennen zu lernen.
Dieselbe rührt, wie schon berichtet wurde, von dem Geh. Staatsrath Prof. Victor Schroeter in St. Petersburg her, dem bereits eine Reihe von trefflichen Theaterbauten in Russland ihre Entstehung verdanken und dem es hoffentlich in nicht zu ferner Zeit beschieden sein wird, auch seinen grossartigen Entwurf, für eine neue Oper in der russischen Hauptstadt zur Ausführung zu bringen. Für den mit den Leistungen des neueren Theaterbaues auch nur oberflächlich Vertrauten bedarf es in der That auch Dur eines Blicks auf den Entwurf, um in ihm das Werk eines Fachmannes von reifster Erfahrung und voller Sicherheit des Schaffens zu erkennen.
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Von einer Beschreibung der Einzelheiten des Entwurfs glauben wir Abstand nehmen zu können, da die Beigabe eines Durchschnitts über die wichtigsten Punkte der Anordnung Aufschluss giebt. Es wird sich im wesentlichen um Angabe einiger Zahlen zu handeln haben.
Der Zuschauerraum fasst i. g. 1500 Personen (500 im Parkett, 166 i. Parterre, 50 i. d. Parterre- und 34 i. d. unteren Proszeniums-Logen, 152 i. d. 29 Logen des I. Ranges, 150 i. d. 30 Logen d. II. Ranges. 280 i. III. Range und 384 i. IV. Range). Die Sitze sind zu 0,53 m Br. Und 0,98 m Tiefe angenommen; Klappsitze sind ausgeschlossen. Für Kleiderablagen und Nebenräume ist in jedem Range reichlich gesorgt. Zweckmässig ist die im Programm vorgesehene Anordnung, dass das Foyer zugleich als Logenverbindungsgang dient. Für den Eintritt des Publikums in das Theater dienen 9 Zugänge und 6 Treppen; dem Vestibül und Foyer legen nach aussen offene Hallen sich vor. Das 80 qm grosse Orchester ist auf 70 Musiker berechnet.
Besonders grossartig und zweckmässig ist die Bühne mit ihren Nebenräumen behandelt, welche letztere zumtheil in einem hinteren, einen kleinen Wirthschaftshof umschliessenden niedrigeren Anbau untergebracht sind. Die Bühne, welche sich nach dem Zuschauerraume in einer Weite von 14,2 m öffnet, ist 34 m breit und 17 m tief. Ueber der Hinterbühne, an welche die Magazine für 900 Coulissen und 600 Gardinen sich anschliessen, liegt der Malersaal. Probesäle, Garderobenlager, Bibliothek usw. haben in den Obergeschossen der seitlich der Bühne liegenden Flügel Platz gefunden.
Im Aeusseren, für das die Verwendung von Ziegelfugenbau mit Terrakotten vorgeschrieben war, fällt die eigenartige Lösung auf, die der Künstler für den Aufbau des Zuschauerhauses bezw.
den Dachabschluss desselben gewählt hat. So anerkennenswerth auch der hierin liegende Versuch einer neuen Anordnung ist, so fürchten wir doch, dass die gewählte Form – welche man als eine organische wohl kaum bezeichnen kann – in Wirklichkeit etwas hart in die Erscheinung treten würde. –
Dieser Artikel erschien zuerst am 03.04.1897 in der Deutsche Bauzeitung.