Der Schlossbrunnen in Berlin

Wer den grossen Reız des alles belebenden Wassers in den Gartenanlagen der französischen Barockkunst und in den italienischen Städten, namentlich Florenz und Rom, sowie nicht minder in den meisten unserer deutschen Städte kennen gelernt hat, dem muss die Armuth Berlins an wasserspendenden Kunstwerken auffallen.

An geeigneten Plätzen zur Aufstellung solcher Kunstwerke fehlt es nicht: so, um nur einige zu nennen, die derselben noch entbehren, der Neue Markt, der Dönhoffsplatz usw. Ebenso wenig hat es an Entwürfen und Anregungen zu Brunnenanlagen gefehlt. Schinkel entwarf im Auftrage mehrer städtischer Körperschaften einen für den Schlossplatz in der Axe der Breitenstrasse bestimmten Brunnen, der als Erinnerungszeichen an die Befreiungskriege die sitzende Kolossalgestalt einer Borussia zeigte. Bei dem Entwurfe ist es geblieben. Ebenso blieb es bei dem Gedanken, an derselben Stelle, zur Erinnerung an die siegreichen Schlachten der Jahre 1870 und 1871 ein Brunnendenkmal aufzurichten, das, im Anschlusse an eine Festgruppe Rud. Siemering’s, die Germania mit den symbolischen Figuren der beiden zurückeroberten Provinzen Elsass und Lothringen darstellen sollte. Als Resultat einer ganzen Reihe von Entwürfen und Gedanken ergeben sich für das heutige Berlin nur drei Brunnenanlagen, welche auf eine hervorragendere künstlerische Gestaltung Anspruch erheben können: der Spindlerbrunnen auf dem Spittelmarkte, der Wrangelbrunnen im Schnittpunkte der Axen der Thiergarten- und Bellevue-Strasse und endlich der Schlossbrunnen auf dem Schlossplatz. Von den plastischen Denkmälern, die in nur nebensächlicher Weise Wasser spenden, kann hier natürlich nicht gesprochen werden. Auch müssen aus dieser Besprechung die Brunnenanlagen ausgeschieden werden, welche, wie die Springbrunnen des Lustgartens und des Pariser-Platzes oder die Brunnen vor dem Brandenburger Thor zu beiden Seiten der Chaussee nach Charlottenburg, entweder bei aller Abwesenheit einer künstlerischen Form nur Springbrunnen sind, oder die Fassung in äusserst dürftiger künstlerischer Form zeigen.

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Die bescheidene Zahl von drei Monumentalbrunnen für Berlin steht auch nicht in annäherndem Verhältnisse zu der Bedeutung der Stadt. Erwägt man, dass Paris 18 mehr oder weniger bedeutende Brunnenanlagen besitzt, von denen nur die Fontaine de l’Observatoire in der Nähe des Luxembourg-Garten, von Carpeaux und Frémiet, die Fontaine St. Michel am Boulevard St. Michel, die beiden Fontainen an der Avenne de l’Opera, die Kaskaden des Trocaderopalastes und die Fontaine Medici des Jardin du Luxembourg genannt sein mögen, – sämmtlich monumentale Kunstwerke; in welchen die Bildhauerkunst im Vereine mit der Architektur Denkmäler geschaffen hat, die der Kunstgeschichte angehören, – so will es scheinen, als ob in dieser Beziehung in Berlin vieles nachzuholen wäre. Freilich muss man bei der Betrachtung dieses Umstandes der weiteren Erwägung Raum gönnen, dass in einer Stadt, welche nicht den Vortheil einer durch natürliches Gefälle getriebenen Wasserleitung zur Speisung der öffentlichen Anlagen besitzt, die für einen den grössten Theil des Tages und Jahres laufenden Brunnen nöthigen Wassermengen einen grossen Kostenaufwand erfordern. Dass dieser aber immerhin noch nicht ein solcher ist, dass sich dadurch die auffallende Zurückhaltung in der Anlage öffentlicher Brunnen rechtfertigen liesse, möge einmal die Zusammenstellung im Jahrg. 1891, S. 555 d. Dtsch. Bztg., dann aber auch die Thatsache erweisen, dass die für die öffentlichen Springbrunnen in Berlin im Verlaufe des vergangenen Jahres verbrauchte Wassermenge rd. 271 000 cbm betrug und gegenüber der gesammten in Berlin verbrauchten Menge des Leitungswassers von rd. 35,5 Mill. cbm nur einen verschwindend kleinen Bruchtheil derselben darstellt. Das meiste Wasser, und zwar 138 000 cbm, wurde auf dem Pariser Platze, das wenigste, und zwar 20 cbm, von dem quellartigen Brünnlein des Lessingdenkmals verbraucht, Nunmehr dürfte hinsichtlich des Wasserverbrauchs der Schlossbrunnen an erste Stelle treten.

Der Schlossbrunnen in Berlin

Der Schlossbrunnen wurde am 1. Nov. 1891 unter Anwesenheit S. M. des Kaisers enthüllt. Der Brunnen hat bereits eine Geschichte. Die ersten Keime des Entwurfes reichen bis vor das Jahr 1880 zurück. In dieser Zeit entstand in Reinhold Begas der Gedanke zu einer Brunnenanlage, der umsomehr sich in den ungezwungendsten Formen bewegen konnte, als dem Künstler von keiner Seite Bestimmungen oder Einschränkungen auferlegt wurden. Es entstand das erste kleine Modell zu dem heutigen Schlossbrunnen. Dasselbe stand lange in einem Raume der Nationalgallerie, bis der Direktor derselben, M. Jordan, den damaligen Deutschen Kronprinzen und seine Gemahlin für das Werk zu gewinnen wusste. Die Folge war die Erwerbung des Modelles durch den Staat und der Auftrag an Begas, auf Grund des kleinen Entwurfes ein Gussmodell in natürlicher Grösse vorzubereiten. Dabei gab man sich dem Gedanken hin, dass der Staat oder der Kaiser die Initiative zum Guss in Bronze ergreifen würde; dieses geschah jedoch vorläufig nicht, wenngleich Kaiser Wilhelm I. bei der Besichtigung des vortrefflich durchgearbeiteten Modelles dem lebhaften Wunsche Ausdruck gab, das Bildwerk der Hauptstadt erhalten zu sehen. Inzwischen kamen die traurigen Ereignisse des Jahres 1888, welche Wilhelm II. auf den Thron führten. Das Gussmodell war nicht vergessen. Auch der neue Kaiser verrieth lebhaftes Interesse an dem Bildwerke und gab gleichfalls mit Nachdruck den lebhaften Wunsch zu erkennen, das Brunnendenkmal ausgeführt zu sehen. Der Wunsch wurde nicht überhört. Als der junge Herrscher von seiner ersten Friedensfahrt in die Heimath zurückkehrte, brachte ihm die Stadt nach einem Beschlusse von Magistrat und Stadtverordneten den Brunnen zugleich als Huldigungs- und Willkommensgabe dar. Als Aufstellungsort wurde der Schlossplatz in der Axe der Breiten-Strasse bestimmt. Nunmehr begann der Guss in Bronze. Derselbe wurde so gefördert, dass nach 3 Jahren vom Zeitpunkte der Darbringung der Gabe die Enthüllung stattfinden konnte.

Grundriss

Der Gedanke und die Gestaltung des Brunnens sind nicht neu. Er hat in der Komposition der Mittelgruppe seinen Vorläufer gehabt in der Fontana Trevi in Rom und in einer Brunnengruppe des Stanislausplatzes in Nancy. Die auf dem Beckenrande lagernden weiblichen Figuren erinnern an den Raphael Donner’schen Donaubrunnen auf dem Neumarkte in Wien, sowie an den Augustusbrunnen in Augsburg; wieder andere Einzelheiten erinnern an die Brunnen, die Bernini auf der Piazza Navona in Rom schuf, wie auch an das Bassin de Latone in Versailles, in welchem die in Frösche verwandelten lykischen Bauern Wasser auf die ihre Kinder Apollo und Diana schützende Latona ausspeien. Nichtsdestoweniger hat es jedoch Begas verstanden, ein Kunstwerk von seltener, selbständiger Bedeutung zu schaffen. Der leitende Gedanke des Brunnenwerks kann verschieden gedeutet werden, vielleicht ist ein solcher aber auch gar nicht beabsichtigt, vielleicht hat nur das dekorative Moment die Richtschnur für die künstlerische Gestaltung gegeben. Das Thronen Neptuns auf schroffem, zerklüftetem Felssitz lässt die Darstellung eines Naturprozesses, das Verwandeln von Schnee und Eis der Gletscherwelt in das lebendige Wasser, erkennen. Neptun ist jedoch hier nicht der dem gewaltigen Meere gebietende Gott, sondern eine mit lässigem Gleichmuthe behaglich dreinschauende Gestalt, die im Hinblick auf die anderen figürlichen Werke jedenfalls den schwächsten Theil des Brunnens darstellt. Eine Schaar überaus reizvoller, neckischer Kindergestalten tummelt sich in dem feuchten Elemente um die mächtige Gestalt Neptuns und auf zwei grossen Muschelschalen, so recht die sprudelnde Kraft der bergfrischen, lebhaft sich überstürzenden Rinnsale, den übermüthigen, vom Wassergeist getriebenen Quell darstellend. Die beiden Muschelbecken zur Seite des Gottes werden von vier wild sich bäumenden Meer-Kentauren getragen, die in der abenteuerlichen Bildung des Kopfes lebhaft an die phantastischen Gestalten der Böcklin’schen Meeresgeschöpfe erinnern. Halb Mensch, halb Pferd und Fischleib, tragen sie in leidenschaftlicher Bewegung die mächtigen Brunnenschalen. Die Vorderbeine stampfen in die Luft, statt der Hufe tragen sie Schwimmhäute. Unter wildem, phantastischem Gesichtsausdruck entsenden sie aus dem Munde starke Wasserstrahlen; die in Fischschwänze ausgehenden Hinterleiber verschlingen sich paarweise. Ihre Leiber sind mit allerlei seltsamem Schmuck, wie Wasserpflanzen, Seetang, Korallen, Muscheln usw. behängt. Gegenüber der gleichmüthig ruhigen Haltung Neptuns verkörpern diese vier wilden Tritonen in ihrer urwüchsigen Kraft und überschäumenden Lebensfülle so recht die ganze Launenhaftigkeit, den Uebermuth, das Sprunghafte und das oft gewaltsam Uebermächtige des nassen Elementes. Aus ihnen strotzt das ganze individuelle bildnerische Können von Reinhold Begas. Seegethier aller Art in seinen bizarren, seltsamen Formen bedeckt mit Algen, Seetang und Fischernetzen das felsige Gestein und sucht, zum drolligen Entsetzen der lebendigen Kinderschaar, zu den Muschelschalen hinanzukriechen. Aus der Mitte des Beckens erheben sich in symmetrischer Anordnung aus dem Wasser ein Krokodil, eine Schlange, ein Seehund und eine Schildkröte, in weitem Bogen Wasserstrahlen in die beiden Muschelbecken entsendend. Von grösster Schönheit, in meisterhafter Weise bewegt und durchgebildet sind die vier, auf dem im Grundriss vierpassförmig gebildeten Beckenrande lagernden weiblichen Figuren als symbolische Personifizirungen der vier mächtigsten Ströme Deutschlands: des Rheins, der Elbe, der Oder und der Weichsel. In anmuthig lässiger Haltung führen sie dem Becken aus ihren Urnen neues Wasser zu; die Figur des Rheines hält üppigen Reben- und Traubenschmuck, die Elbe zeigt in bäuerischer Schönheit Früchte von Garten und Feld, an die Oder schmiegt sich der langgehörnte, weichwollige Widder, die Weichsel zeigt neben sich den frischgefällten Holzblock, in dem noch das blinkende Beil steckt. Es ist ein seltener Zug ursprünglicher Frische, der den vier schönen, weiblichen Gestalten einen eigenen, stolzen jungfräulichen Zauber bei aller Ueppigkeit des Fleisches verleiht. Diese vier, nach aussen gekehrten Beckengestalten in ihrer durch die Bronze hindurchdringenden frischen Lebenswahrheit und Lebenswärme, in der göttlichen Fülle der Formen und der realistisch schönen Individualisirung sind das Werthvollste und Schönste des Brunnens. Aus dem Ganzen aber tritt uns eine begeisterte Liebe und Freude für die reale Erscheinung der Naturformen entgegen, die selten mit so glücklicher Wahrheit und Wahl dargestellt werden.

Schnitt a-b

Es hat nun nicht an Einwendungen gegen das Werk gefehlt, die sich oft bis zur Ablehnung steigerten. Wir können dieselben nicht in vollem Umfange theilen. Wohl scheint uns ein Gegensatz zu bestehen zwischen dem streng architektonisch gegliederten Beckenrand, auf dem die in gleichfalls strengerem, wir möchten fast sagen, architektonischem Charakter gehaltenen weiblichen Figuren lagern deren ernste, strenge Haltung durch die freieren, naturalistischen Beigaben kaum beeinträchtigt wird, und dem aus der Mitte des Beckens sich erhebenden, völlig naturalistisch gestalteten Aufbau, die Figur des Neptun nicht ausgenommen. Der Gegensatz wird sich jedoch sofort mildern, wenn die mächtige Architektur des Schlosses als Hintergrund mit dem Brunnen zusammenwirkt, ähnlich wie bei der Fontana Trevi in Rom die Freiheit der plastischen Bildung durch die Strenge der architektonischen Umrahmung paralysirt wird. Es scheint indessen, als ob der Vorwurf des Mangels des architektonischen Moments hauptsächlich durch die Hauptgruppe des Brunnens veranlasst wäre. Und in der That, wer die aus dem Becken aufsteigende Mittelgruppe in ihrer Loslösung von dem architektonischen Hintergrund des Schlosses betrachtet, der könnte sich versucht fühlen, dem Urtheil beizupflichten, als ermangle die Gruppe des architektonischen Moments in Komposition und Aufbau. Es ist indessen mehr das Bewusstsein einer bisher geübten Regel, als ein Gefühl, welches aus der Gruppe selbst angeregt wurde. Dieselbe ist, trotzdem sie der üblichen Sockelbildungen und Profilirungen entbehrt, doch streng architektonisch gedacht und aufgebaut, das beweisen zunächst die symmetrisch angeordneten Tritonen und Brunnenschalen und nicht zuletzt der ausgesprochen pyramidale Aufbau mit dem Neptun als krönender Figur. Es ist uns nicht bekannt, ob der Brunnen ursprünglich für die Stelle entworfen wurde, die er heute einnimmt, wo, wie erwähnt, zufällig die strengen architektonischen Linien des Schlosses den vermeintlich fehlenden architektonischen Gedanken im Brunnen ergänzen. Aber wenn dies auch nicht der Fall gewesen wäre, so stützt sich der Aufbau in allen Theilen so sehr auf das statische Moment und Gefühl, dass der Mangel des architektonischen Moments, welches übrigens im statischen Momente zum Theil ja schon enthalten ist, nicht unbewusst hervortritt. Diesem Umstande ist es auch zu verdanken, dass der bei allen sockelbildenden Bildwerken auftretende Zwiespalt zwischen Sockel und Bildwerk hier glücklich vermieden ist. Und was das heissen will, lehren die gewaltsamen Anstrengungen, welche die Bildhauerei macht, natürliche Beziehungen zwischen diesen beiden Theilen des Bildwerkes herzustellen. Die Bestrebungen, den Zwiespalt zwischen Sockel und Bildwerk eines plastischen Denkmals zu beseitigen, finden sich am häufigsten in der französischen Kunst, vielleicht am ausgesprochensten an dem Denkmal von Eugéne Delacroix im Luxemburg-Garten in Paris. Hier steht:die Büste des Dichters auf einem streng architektonisch gegliederten Sockel, zu dessen Füssen ein Genius der Dichtkunst, die Leier unter sich, in vollrunder Gestalt sitzt und mit der Wendung nach der Büste Beifall spendet. Zur Linken hebt die geflügelte, greisenhafte Gestalt des Todes die symbolische Figur des Ruhms oder der Unsterblichkeit empor, welche Palme und Lorbeerkranz an den Fuss der Büste legt. Beide Figuren sind, völlig losgelöst vom Postament, in vollrunder Gestalt gebildet. Wir kennen kein zweites Standbild, welches so ausgesprochene Beziehungen des Sockels zum Bildwerke darstellt.

Es sind aber noch andere Vorwürfe, die man dem Denkmale macht, unter welchen der, dass der Neptun nicht als Wasserspender charakterisirt ist, indem er entweder durch einen Schlag seines Dreizacks dem Felsen Fluthen entspringen lässt, oder Beziehung erhält zu einem Becken, dem das Wasser entströmt oder dass endlich, wie in einer französischen Auffassung, Neptun mit dem Dreizack die Fluthen zu wildem Wogen bringt, durchaus von uns getheilt wird.

Schnitt c-d

In der That ist in der lässig gleichmüthig dasitzenden mächtigen Gestalt wenig von dem Neptun der Alten zu erkennen, der das Meer in das Meer ausgiesst. (Ovid). Der Mangel eines Eingreifens des Gottes in die Bewegung der Wasser lässt auf der andern Seite den Umstand, der vielfach als Nachtheil des Bildwerks gedeutet wird, dass die wasserspeienden Thiere des Beckens ihren Strahl auf den Gott richten, den Gott anspeien, ein Umstand, der sich mit der Würde des Beherrschers der Meere nicht vertrage, schärfer hervortreten. Ausserdem wird an diesen Thieren gerügt, dass in ihnen der Natur vorgegriffen sei. Dass Thiere Wasser ausstrahlen, die naturgeschichtlich hierzu nicht veranlagt sind, ist eine künstlerische Lizenz, die durchaus gestattet ist; denn bei einer Verneinung der Berechtigung solcher Freiheiten müsste eine ganze Reihe künstlerischer Thiergebilde, die mit der natürlichen Erscheinung im Widerspruche stehen oder reine Phantasiegestalten sind, wie Kentauren, Hippokampen, Menschen- und Pferdegebilde mit Fischleibern aus der Welt der Kunstformen ausgeschieden werden. Hieran ändert selbst der Umstand nichts, dass ein hervorragender Naturforscher die künstlerische Existenzberechtigung solcher mit der Natur im Widerspruch stehender Wesen verneint hat. (S. Dubois-Reymond, Naturwissenschaft und bildende Kunst). Glücklicherweise hat es der künstlerische Gehalt des Kunstwerks vermocht, über die kritischen Einwendungen, die zumeist einer nüchternen, unkünstlerischen Verstandeserwägung entspringen, den Sieg davonzutragen.

Neben der Erörterung der künstlerischen Gesichtspunkte des Brunnens an dieser Stelle muss auch ein kurzes Eingehen auf die technischen Momente der Anlage hergehen. Der beigefügte Grundriss gibt die Form des Beckenrandes, die Schnitte zeigen das Profil desselben unter Andeutung des Brunnenunterbaues. Der erstere besteht aus polirtem, rothem schwedischem Granit, den die Firma Wölfel u. Herold mit einem Kostenaufwand von rd. 25 000 M. lieferte. Der Boden des Beckens besteht aus Terrazzo, die äusseren Stufen aus grauem Granit; mit der Lieferung der letzteren im Betrage von rd. 4800 M. war die Firma Körner betraut. Mit dem Bau wurde im Sommer des Jahres 1891 begonnen, nachdem inzwischen in der Bildgiesserei von Gladenbeck in Friedrichshagen die Bronzegüsse fertig gestellt worden waren, welche eine Summe von 253 800 M. erforderten. Die Anschlagssumme für den ganzen Brunnen war 378 000 M. Die Konstruktion des Unterbaues ist im technischen Bureau der städtischen Baudeputation erfolgt; die Bauausführung lag, unter der Oberleitung des Hrn. Brth. Hobrecht, in den Händen des Hrn. Reg. Bmstr. Wannovius. Sämmtliche Arbeiten sind in technisch hervorragender Art ausgeführt.

Auch die Wahl des Platzes muss als eine glückliche bezeichnet werden. Die Aufstellung in der Axe der Breiten-Strasse, mit dem mächtigen Schlossbau, der übrigens das harmonische Verhältniss zwischen Brunnen und Schloss nicht stört, eröffnen uns aus grösserer Entfernung eine künstlerisch bedeutsame Perspektive. Dieselbe wird auch von anderen Standpunkten sich ergeben, wenn der Schlossplatz noch die Umgestaltungen wird erfahren haben, die man ihm schon seit langem zugedacht.

Nach den übereinstimmenden Berichten der politischen Presse soll sich der Kaiser bei der Enthüllung des Schlossbrunnens eingehender über dieselben ausgesprochen haben. Dazu gehört vor allem die Schaffung einer, soweit es die Lage der umliegenden Baukomplexe zulässt, regelmässigen Fläche, in deren der Schlossfassade gleichlaufenden Mittelaxe Anlagen geschaffen werden müssten, welche die Bedeutung des Schlossbrunnens zu heben in der Lage wären, andererseits aber dem starken Verkehr von der Königs-Strasse, Breite-Strasse, der Schlossfreiheit und der Werder- und Französischen-Strasse eine Einbusse an Freiheit nicht auferlegten. Dass zu einer solchen Abrundung des Schlossplatzes in erster Linie das Niederlegen der vor den königlichen Marstall gelagerten Häuserreihe gehört, fällt bei einem Blick auf die Karte sofort ins Auge. In wie weit hierzu etwaige Umgestaltungen des Schlossplatzes an der Westseite treten werden, hängt wohl im wesentlichen davon ab, welche Stelle für die Aufstellung des Kaiser-Wilhelm-Denkmals bestimmt wird, sofern die Nähe des Schlosses überhaupt in Aussicht genommen bleibt. Der beste und künstlerisch bedeutsamste Vorschlag hierzu ist von dem Hamburger Architekten Martin Haller ergangen (S. Dtsch. Bztg. 1891 No. 95.) Ob er Aussicht auf Verwirklichung hat, steht freilich dahin. Das dürfte dann die letzte Umgestaltung des Schlossplatzes werden, der zu den Zeiten, als das Königliche Schloss von Schlüter und Eosander von Göthe gebaut wurde, noch nicht der freie Platz war, der er im Laufe der Jahrhunderte geworden ist. Der alte Dombau, die wirkliche Stechbahn, die unter Joachim II. als Turnierplatz eingerichtet war, bedeckten unter dem grossen Kurfürsten noch einen erheblichen Theil des Schlossplatzes, Erst 1747 wurde der alte Dom abgetragen und damit dem Schlossplatze eine freie Gestalt gegeben, die ihn als eine würdige Umgebung des Schlosses erscheinen lässt, In dieser Würde wird er durch den neuen Schlossbrunnen, den er als vornehmsten Schmuck trägt, wesentlich gehoben.

Die kunstgeschichtliche Beurtheilung des Schlossbrunnens hat an die natürliche künstlerische Entwickelung Berlins anzuknüpfen. Der Brunnen ist modern und nicht modern. Modern nur so weit, als er die Merkmale der Zeit an sich trägt, in welcher der Künstler lebt und welche dieser unbewusst auf das künstlerische Schaffen überträgt. Im übrigen zeigt der Brunnen, namentlich in seiner Mittelgruppe, die naturalistische Formensprache der 2. Hälfte des XVIII. Jahrhunderts, wie sie uns aus zahlreichen französischen Bildwerken und Kunstdrucken entgegentritt. Historisch bedeutet der Brunnen nichts als die zeitliche Weiterentwickelung des künstlerischen Schaffens Berlins, wie es in gleicher Reihenfolge die Kunst im XVIII. Jahrhundert erlebte. In eminentem Sinne modern und selbstständig wie z.B. die Arbeiten eines Böcklin, eines Klinger, eines Uhde, oder auf einem anderen Gebiete eines Richard Wagner ist der Brunnen nicht, dazu zeigt er zu viel historische und zeitgenössische Erinnerungen. Immerhin ist er eins der bedeutendsten Werke der zeitgenössischen Kunst. Ein stattlicher plastischer Bau, entwächst er geschichtlichem Boden, dem steinöden Schlossplatz zu herzerfreuender Zier. Gerne verhält sich der Schritt des rastlosen Bürgers, mit Freuden erschaut er

„… die kunstvoll gegliederten Formen,

Gleichwie die glänzende Fluth, die sich im Sonnengold labt.

Lehrt ihn, dass Schönheit erblüht an jeglicher Stätt’ auf der Erden,

Da wo Natur sich und Kunst einten zu innigem Bund.

Trotze denn, kühner Gesell, den Wettern und rüttelnden Winden,

Trotze dem Wandel der Zeit, gleichwie dem Hader der Welt.“

Die im Banne der Regel und der Tradition als Gegner einer freien künstlerischen That lebenden kritischen Naturen mögen sich beim Anblick des mächtigen Werkes des Gedankens erinnern, dass die Kunst unendlich ist in der Wahl ihrer Mittel, gleichwie sie selbst unendlich ist an Vielseitigkeit der Formengestaltung.

„In allen Formen ringt die Kunst zum Lichte.“

Dieser Artikel erschien zuerst 1891 in der Deutschen Bauzeitung. Er war gekennzeichnet mit “-H.-“