Nach einem Vortrage des Architekten J. Faulwasser im Hamburger Architekten- und Ingenieur-Verein, gehalten am 2. Februar 1894. Inverfolg seiner im Auftrage des Vereins für Hamburgische Geschichte unternommenen Arbeit, bezgl. der wir in No. 5 und 6 Jahrgang 1891 bereits über die St. Katharinen-Kirche berichtet haben, hat der Vortragende nunmehr auch seine Untersuchung über die St. Jacobi-Kirche vollendet, die im Herbst dieses Jahres bei Gebrüder Besthorn, i. F. Gustav W. Seitz Nachflg., reich illustrirt im Druck erscheinen soll.
Die Originalzeichnungen für diese Herausgabe sind in Anzahl von über 30 Blättern zur Ausstellung gebracht, und in der Absicht, in das sehr vielseitige und interessante Ergebniss der Studie einen Einblick zu gewähren, sind ausserdem eine grössere Anzahl von verschiedenen Entwürfen zu dem 1826 begonnenen Bau des Thurmes im Saale aufgehängt. Enleitend theilte der Redner mit, dass diese zeichnerische Arbeit nebst der umfassenden litterarischen Quellenforschung ihn schon sei 1889 beschäftigt habe.
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Als Ergebniss der Untersuchungen über die St. Jacobi-Kirche ist anzuführen dass diese Kirche gegenwärtig als das älteste Gebäude Hamburgs geschätzt werde muss, Mit dem Bau wurde etwa 1235 begonnen; es handelte sich dabei zunächst aber nur um eine einschiffige Kapelle, den jetzigen Chortheil der Kirche. Etw 1345 ist die Kapelle zu einer dreischiffigen Hallenkirche ausgebaut und diese letzte ist 1498 nach Süden zu um ein viertes Schiff erweitert worden. Mancherlei Einzelheiten lassen sich aus diesen verschiedenen Baustadien noch nachweisen; insbesondere enthält die Kirche noch jetzt eine sehr beachtenswerthe Säule von 1434 und 3 herrlich geschnitzte Schreine von ehemaligen Altären, die gleichfalls aus dem 15. Jahrhundert stammen.
Nach einigen weiteren Mittheilungen über die Ausführungsweise des Dach der Kirche ging Redner hierauf zu dem eigentlichen Thema seines Vortrages, dem Bau und der Erhaltung des Thurmes über. Hiernach besass die Kirche ehemals nur einen Dachreiter, der indess Glocken von über 7000 Pfd. Gewicht trug. Der selbe neigte sich 1560, wurde während der nächsten 25 Jahre viermal mit schwere Kosten reparirt, musste dann aber, weil die Arbeiten stets unzulänglich beschafft wurden, endlich doch ganz abgetragen werden. Inzwischen war der Fortbau des Hauptthurmes unternommen, dessen unteres Mauerwerk aber gleichfalls nur unzureichende Festigkeit besass, und schon 1580, als die Glocken aufgehängt werden sollten, mit einem mächtigen doppelten Ringanker zusammengefasst werden musste. 1587 und 1588 erhielt der Thurm darauf eine im unteren Theil gemauerte, oben aus Holzwerk konstruirte Helmspitze von 110 m Höhe, deren Baukosten auf 23 131 M. angegeben werden. Redner macht eingehende Mittheilungen über den farbigen Einzelschmuck dieses Bauwerks, über die Uhr und sonstige Einzelheiten. Die bauliche Erhaltung des T’hurmes bildet eine fortlaufende Kette kostspieliger Reparaturbauten, deren umfänglichste in die Jahre 1616, 21, 28, 47, 56, 69 und 86 fallen.
Trotzdem nahmen die Senkungen des Thurmes unausgesetzt ihren Fortgang, bis 1735 eine fast völlige Rekonstruktion der südwestlichen Thurmmauern unter Baumeister Kuhn vorgenommen wurde, bei der die Querschnittfläche der Mauern um rd. 25 % vergrössert und ein weitläufiges System von Ankern eingefügt wurde. Die Kosten dieses Baues haben sich auf über 100 000 M. belaufen. Aber auch damit sind die Bewegungen im Thurme keineswegs beseitigt gewesen. Schon 1751 und 1769 mussten wiederum kostspielige Bauten unternommen werden, und als endlich im Anfang dieses Jahrhunderts die Senkungen wieder bedenklich zunahmen, und als ermittelt wurde, dass deren gründliche Beseitigung 85 000 M. erfordere, beschloss die Kirche, auch den Hauptthurm gänzlich abtragen und hiermit leider ein seiner Formgebung nach höchst schätzenswerthes Werk der besten Renaissancezeit beseitigen zu lassen.
Redner versagte es sich, näher auf die dann folgenden Bedrängnisse der Franzosenzeit einzugehen, denen auch diese Kirche ganz besonders preisgegeben gewesen ist, trat vielmehr sogleich in eine Schilderung des Neubanes des Thurmes ein, der 1826-1829 bewirkt ist, und zu dem Entwurfe von Bartels, Bundsen, Chateauneuf, Fersenfeldt Hopfelt, Ludolff, Stauflert und Stegmeister zur Vorführung gebracht waren. Gewählt wurde endlich der Plan von Profossor Fersanfeldt, der auf 78 000 M. veranschlagt war, und dessen Ausführung eine eigenartige Episode aus der Baugeschichte Hamburgs bildet. Als das Modell fertig war, und eine genaue Massenberechnung ermöglicht werden konnte, berechnete man die Kosten auf 95 487 M. welche die Kirche endlich bewilligen zu können glaubte, indem sie sich zur Aufnahme von 20.000 M. aus dem eigenen, freilich ohnedies bereits zu sehr geschwächten Vermögen entschloss. Der Rath gab seine Einwilligung und der Bau begann.
Schon als die Spitze aufgesetzt wurde, war diese Gesammtsumme aber bereits um 32.000 M. überschritten, und der Baumeister berechnete nun, dass die gänzliche Fertigstellung des Thurmes einen weiteren Mehrkostenaufwand von 57 848 M. erheische. Erst nach äusserst langwierigen und ärgerlichen Verhandlungen wurde es erreicht, dass zur Vollendung des nun einmal begonnenen und ohne grosse Kosten auch nicht wieder zu beseitigenden Baues aus Staatsmitteln 99 000 M. hergegeben wurden. Hiernach nahm der Bau seinen Fortgang; Fersenfeldt hat aber auch seinen letzten Kostenanschlag nochmals um 20 309 M. überschreiten müssen, ehe der Thurm vollendet gewesen ist. Die Baukosten waren hiernach auf 205 644 M. angelaufen und der Gesammtaufwand einschl. Vorunkosten für Modelle usw., Uhr und Architektenhonorar betrug 222 504 M.; zu deren Deckung musste die Kirche ihren Häuserbesitz mit 48 300 M. belasten, und hat erst etwa nach einem halben Jahrhundert ihre Einnahmen wieder in Einklang mit ihren nothwendigen Ausgaben zu setzen vermocht.
Inzwischen hat sich auch der neue Thurmbaunur nur unvollkommon bewährt und lässt insbesondere bezüglich seiner Kupferdeckung sehr viel zu wünschen übrig. Die Deckung des Helmes wurde schon 1860 unhaltbar, und wurde, da die Mittel zur Wiederherstellung fehlten, ganz beseitigt und durch Schieferdeckung ersetzt. – In jüngster Zeit hat sich der Vermögensstand der Kirche infolge ihres besonders günstig belegenen Begräbnissplatzes erfreulich gehoben, und es konnte die Ausschmückung des Innenraumes bewerkstelligt worden, die im Herbst 1893 endlich vollendet ist, Redner schliesst mit herzlichen Wünschen für den ferneren guten Fortbestand dieses für die Hamburgische Kunstgeschichte höchst werthvollen alten Bauwerkes.
Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutschen Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit “Fw.”