Das städtische Museum in Altona

Das städtische Museum in Altona

Architekten: Reinhardt & Süssenguth in Charlottenburg.
Die Anfänge des nunmehr in einem stolzen Neubau untergebrachten und der baldigen Eröffnung entgegensehenden Museums der Stadt Altona gehen bis in den Beginn der sechziger Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück.

Im Jahre 1863 begann eine Gesellschaft wissenschaftlich gebildeter Männer, aus dem Gebiete der Ur- und Naturgeschichte der Provinz Schleswig-Holstein, der Volkskunde dieses Landestheiles, sowie aus der Geschichte der Stadt Altona Sammlungen anzulegen, die sich im Laufe der Jahre insbesondere durch Zuwendungen aus allen Kreisen der Stadt stetig vergrösserten, aber infolge mangelhafter Unterbringung lange Zeit in der Oeffentlichkeit nicht die Beachtung erringen konnten, welche sie durch ihre Reichhaltigkeit und ihren Werth verdienten. Man glaubte dem mangelnden Interesse durch Errichtung eines besonderen Gebäudes für die Sammlungen abhelfen zu können.

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Schon im Jahre 1870 war zu diesem Zwecke ein Bauplatz mit der Bestimmung geschenkt worden, auf demselben ein öffentliches Museum zu errichten. Ende der achtziger Jahre beschlossen die städtischen Kollegien, die Sammlungen in den Besitz der Stadt zu übernehmen und der Frage der Errichtung eines eigenen Gebäudes näher zu treten. Da die zur Verfügung stehenden Mittel einstweilen noch sehr bescheidene waren, so glaubte man nach Erwägung anderer Pläne einen Ausweg darin finden zu können, dass man daran dachte, der historischen Abtheilung des Museums das Denkmal für den ersten Deutschen Kaiser anzuschliessen, um so die für diesen Zweck gesammelten Mittel gleichzeitig dem Museum dienstbar zu machen. Indessen, man hielt es im Laufe der weiteren Entwicklung der Angelegenheit doch für zweckmässiger, die Deckmanfrage und die Museumsfrage zu trennen. Das erschien nunmehr umso eher angängig, als es der Stadtverwaltung von Altona gelang, Beschlüsse zu zeitigen, welche den Plan wesentlich zu fördern imstande waren. Aus dem Verkauf des alten Schauspielhauses, aus der Veräusserung des früher geschenkten, für die neuen Pläne nicht mehr geeigneten Bauplatzes, aus Vermächtnissen und anderen Zuwendungen hatte sich Mitte der neunziger Jahre eine Summe von 331 500 M. angesammelt, die weiterhin durch Zinsen, sowie einen einmaligen Beitrag des Provinzial-Landtages von 100 000 M. noch erheblich vermehrt wurde. Auf einer solchen Grundlage konnte man im November 1896 dazu schreiten, zur Erlangung von Entwürfen für ein neues Museum einen allgemeinen Wettbewerb unter Architekten deutscher Zunge auszuschreiben. Wenn auch dieser Wettbewerb mit 82 Arbeiten beschickt wurde, so führte er doch insofern nicht zu dem gewünschten Ziele, als kein Entwurf nach Grundriss und Aufbau den Anforderungen der Museums-Baukommission völlig entsprach, sodass diese sich entschloss, unter den durch Preisen ausgezeichneten Architekten Thyriot, damals in Südende bei Berlin, und Reinhardt & Süssenguth in Charlottenburg einen engeren Wettbewerb auszuschreiben, welchem die Grundrisse des Wettbewerbs-Entwurfes der letztgenannten Architekten mit der weiteren Bestimmung zugrunde gelegt wurden, dass für den künstlerischen Aufbau des Gebäudes die Formen der nordischen Renaissance zu wählen seien. Aus dem engeren Wettbewerb gingen die Hrn. Reinhardt & Süssenguth als Sieger hervor und hatten die Genugthuung, nunmehr auch mit der künstlerischen Oberleitung des Baues betraut zu werden. Die Baukosten wurden mit 485 000 M. festgesetzt; mit dem Bau wurde am 12. Dezember 1898 begonnen und es wurde am 2. Februar 1899 die Feier der Grundsteinlegung festlich begangen.

Eingangshalle
Eingangshalle
Halle für Fischerei-Ausstellung
Halle für Fischerei-Ausstellung

Nachdem, wie oben berichtet wurde, die Stadt Altona beschlossen hatte, den durch Schenkung zugefallenen alten Museumsbauplatz zu veräussern, da derselbe infolge seinen Lage für die dem neuen Gebäude gegebene Bedeutung nicht mehr geeignet schien, trat sie kostenlos ein frei gelegenes Gelände an der Kaiserstrasse für die Zwecke des Museums ab, ein Gelände, welches gleichzeitig gross genug erschien, um die etwa später nöthig werdenden Erweiterungsbauten des Museums nach dem beigefügten Lageplan aufzunehmen.

Lageplan
Lageplan
Erdgeschoss
Erdgeschoss
Keller
Keller

Vor diesem Gelände dehnt sich ein grosser freier Platz zwischen Bahnhof und neuem Rathhause aus. Es bestand ursprünglich die Absicht, dieses Gelände zumtheil der Bebauung zu erschliessen und nur vor dem Museum einen entsprechenden freien Platz anzulegen. Die Absicht ist jedoch fallen gelassen worden, wodurch zwischen dem freien Gelände und dem Museum, welches entsprechend der nicht allzu reichlichen Bausumme und mit Rücksicht auf die Grössenverhältnisse des geplanten kleineren Platzes in seiner Höhenentwicklung beschränkt werden musste, störende Maasstabs-Verhältnisse eingetreten sind, welche durch ein Höherziehen des ganzen Gebäudes um 0,5 m nicht wesentlich gebessert werden konnten. Der Platz vor dem Gebäude ist mit gärtnerischen Anlagen geschmückt, in der Axe ist ein grosses Wasserbecken angelegt. In der Nachbarschaft des Museums, gegen den Hauptbahnhof hin, ist der Stuhlmann-Brunnen, ein Werk des Bildhauers Paul Türpe in Berlin, zur Aufstellung gelangt. So steht das Denkmal für einen Mann, dessen Gemeinsinn auch das Museum eine ansehnliche Gabe verdankt, mit diesem Gebäude in einer gewissen räumlichen Beziehung.

Das städtische Museum in Altona
Das städtische Museum in Altona

Die Grundrissanlage des neuen Museums geht aus den Abbildungen hervor. In ihrem grossen Zug besitzt sie den Charakter überraschender Einfachheit, die auch nach der Erweiterung des Gebäudes diesem als Haupt- und werthvollste Eigenschaft verbleiben wird. Durch eine Empfangshalle mit breitem Treppenaufgang, mit Kleiderablagen und Bedürfnissräumen betritt man das Haus; nur wenige Stufen führen zu dem über der Erde liegenden Untergeschoss hinab welches in den beiden Längsarmen einerseits die Zentralheizung und Pförtnerwohnung, andererseits Arbeits- und Packräume enthält In der Hauptaxe liegt, noch um 1 m gegen den Fussboden des Untergeschosses vertieft, eine grosse, gewölbte Säulenhalle, welche die Fischerei-Ausstellung aufzunehmen bestimmt ist. Wie die Abbildung unserer Beilage erkennen lässt, hat diese Halle trotz ihrer grossen Tiefe eine vorzügliche Beleuchtung.

Von der Eingangshalle führt eine breite, einarmige Treppe zur Vorhalle des hohen Erdgeschosses mit dem Haupttreppenhause, an welches sich die grosse Halle für die Aufnahme der Thiergruppen grösseren Umfanges anschliesst, während die Flügelbauten rechts die Räume für die naturgeschichtlichen Sammlungen, links Bibliothek und Lesezimmer, sowie Arbeitsräume für den Sammlungs-Direktor enthalten. Bemerkung verdienen die interessante Anlage eines Sammlungstheiles über dem Haupteingang und das daraus abgeleitete schöne Fassadenmotiv. Von den Podesten der Haupttreppe aus ist die Gallerie, welche den Hauptsaal an drei Seiten umzieht, zugänglich. Demselben Zweck dienen am westlichen Ende des Saales zwei gewendelte Treppen. – Das erste Obergeschoss besitzt in der Mittelaxe des Gebäudes einen geräumigen Hörsaal, welcher im allgemeinen zu wissenschaftlichen Vorträgen dient, jedoch auch zu Sonder-Ausstellungen benutzt werden soll, aus welchem Grunde die im Entwurf vorgesehene und auch noch in unserem Schnitt angedeutete amphitheatralische Anordnung der Sitze in der Ausführung verlassen und eine Bodenfläche gewählt wurde, die in gleicher Höhe mit den Flächen der übrigen Räume dieses Geschosses liegt. Beiderseits neben dem Hörsaale liegen die Sammlungsräume der kulturgeschichtlichen Abtheilung; in den beiden höher geführten Einbauten ist in der Rücklage die Geschosshöhe getheilt, sodass kleinere Räume entstanden sind, in welche alte Zimmer aus der Marsch und aus Schleswig-Holstein eingebaut sind. Zu den Zwischengeschossen führen von den Sammlungsräumen aus hölzerne Treppen. Ueber diesem Obergeschoss erhebt sich das theilweise ausgebaute Dachgeschoss, in welches auch der Hörsaal hineinreicht. –

Schnitt
Schnitt

Ueber die Gestaltung des Aeusseren des interessanten Bauwerkes legen unsere vorstehende Abbildung sowie die Ansichten und Zeichnungen Rechenschaft ab. Die Programmforderung der Verwendung der nordischen Renaissance ist mit freier Auffassung und grossem Glück durchgeführt und es ist der Bildhauerei, sowohl der ornamentalen wie der figürlichen, namentlich am Mittelbau eine starke Mitwirkung zugewiesen. Das Material ist im Aeusseren Basaltlava mit gesprengten Flächen für den Sockel, Rathenower Handstrichsteine für die Flächen und Alt-Warthauer Sandstein aus Schlesien für die architektonischen Gliederungen und Ornamente der Strassenfronten, Deutmannsdorfer Sandstein für die Gliederungen der Höfe. Das Hauptdach ist mit holländischen Pfannen in ihrer natürlichen Färbung, die Dächer der kleinen Thürme und Erker sind mit Bieberschwänzen gedeckt.

Auch im Inneren waren die Architekten bestrebt, echte Materialien zu verwenden und mit diesen eine möglichsteFeuersicherheitfür das Gebäude und seinen werthvollen Inhalt herbeizuführen. Die Decken sind durchweg massiv als Schlackenbetondecken ausgeführt worden; in den Haupträumen, in der Vorhalle, der Fischereihalle, der grossen Halle darüber, im haupttreppenhause und in den Korridoren sind zur Erhöhung der architektonischen Wirkung Rabitzgewölbe gespannt worden, über welchen in der grossen Halle noch eine Isolirung inform einer Schutzdecke aus rauhen Brettern angebracht wurde. Die Stufen der Haupttreppen sind aus Granit vom Fichtelgebirge erstellt, ihre Brüstungen aus Sandstein, mit Ausnahme der geraden Brüstung im I. Obergeschoss des Haupttreppenhauses, welche aus Ziegelsteinen gemauert, mit Sandsteingesimsen abgedeckt und mit angetragenen Stuckornamenten verziert wurde. Die Nebentreppen bestehen aus Sandstein. Als Fussbodenmaterialien sind Terrazzo, Zementestrich und Linoleum auf Gipsestrich angewendet worden und zwar Terrazzo für Haupteingang, Haupttreppenhaus und Fischereihalle, Zementestrich für die Arbeits- und Packräume, und Linoleum für alle übrigen, insbesondere die Ausstellungsräume.

Das städtische Museum in Altona
Das städtische Museum in Altona

Der künstlerische Gesammtaccord, der im Aeusseren angeschlagen wurde, schwingt im Inneren weiter. Die Kapitäle, Konsolen und die Thürumrahmung der Fischereihalle, die Konsolen und Schlussteine der Eingangshalle, die Kragsteine der grossen Halle, die Gurtbogenträger des Haupttreppenhauses usw. zeigen eine reiche Ornamentik aus angetragenem Stuck. Die plastische Ornamentik wird durch eine gewählte gemalte Ornamentik in ihrer Wirkung glücklich ergänzt In dem ornamentalen Schmuck sind allenthalben symbolische und realistische Beziehungen zu der Bestimmung der einzelnen Räume sowie zu den sie füllenden Ausstellungs-Gegenständen gesucht und gefunden. Inbezug auf letztere ist unter der feinsinnigen Leitung des Direktors des Museums, Hrn. Dr. Lehmann, das dankenswerthe Bestreben verfolgt, abgesehen von den geschlossenen Wohnräumen aus der Marsch usw. in der Aufstellung der Gegenstände ein anschauliches Bild von der Lebensweise der Vorbevölkerung von Schleswig-Holstein einerseits, andererseits der dargestellten Thierwelt zu geben, sodass malerische Gruppen entstanden sind, welche mit den Räumen trefflich zusammengehen und aus dem Museum nicht lediglich ein Magazingebäude, sondern eine anziehende Lehranstalt für die in ihm bewahrten Gegenstände der Natur- und Volkskunde machen.

Das Gebäude wird durch eine Niederdruck-Warmwasserheizung erwärmt und in Hörsaal, Bibliothek und Lesesaal durch eine Frischluft-Anlage gelüftet. Eine elektrische Beleuchtung wurde vorgesehen für Haupteingang, Treppenhaus, Hörsaal, Bibliothek, Lesesaal, Direktorzimmer und für die zu diesen Räumen gehörigen Korridore.

Veranschlagt war das Gebäude ohne die Figuren der Hauptansicht, die Hofeinfriedigung und die Regulirung des Geländes, sowie ohne Architekten-Honorar auf 485 000 M. In der Ausführung erhöhte sich diese Summe auf 540 000 M. insbesondere durch die Nachbewilligung der Figuren, durch Glasmalereien des Haupttreppenhauses, durch tiefere Gründung und Höherführen des Gebäudes, sowie durch Anlage des Zwischengeschosses in den beiden Eckbauten, sodass bei 1738 qm bebauter Grundfläche und 30 495 cbm umbauten Raumes 310 M. auf 1 qm bebauter Grundfläche und 17,70 M. auf 1 cbm umbauten Raumes zu rechnen sind, wobei von Oberkante Fussboden bis Oberkante Decke des ersten Obergeschosses und für den Dachraum 1/3 der Höhe gerechnet ist.

Das städtische Museum in Altona
Das städtische Museum in Altona

An den Ausführungs-Arbeiten waren wesentlich betheiligt Bunnenberg und Lehmann in Altona für die Maurer- und Zimmerarbeiten, Thomas und Steinhoff in Mühlhausen für die massiven Decken, Krauss in Berlin mit Rabitzarbeiten, Philipp Holzmann & Co. in Berlin mit Steinmetz- und Steinbildhauer-Arbeiten, Gebr. Zeidler in Berlin durch Lieferung der dekorativen Figuren, Plöger in Hannover durch Lieferung des Basaltlava-Sockels und der Granit-Treppen. Bildhauer Westpfahl in Berlin fertigte die Modelle und Antrage-Arbeiten, die Bildhauer Haverkamp in Friedenau, Günther in Gera und Türpe in Berlin theilten sich in die dekorativen Figuren der Hauptfassade. Stöhr in Altona machte die Dachdecker-Arbeiten, Wriet in Altona die Klempner-Arbeiten, Seidler & Spielberg in Altona die Eisenkonstruktionen, Marcus in Berlin und Stöhr, Meyer & Hagemann in Altona die Kunstschmiede-Arbeiten, Dahl & Steffens in Altona die Tischler-Arbeiten. Legel in Berlin lieferte die Thür- und Fenstergarnituren, Hintz in Altona fertigte die Glaserarbeiten, Gathemann & Kellnerin Charlottenburg hatten die dekorativen Malereien der Eingangshalle, des Haupt-Treppenhauses und der Haupthalle, sowie die Lasurarbeiten des Holzwerkes, Schmarje in Altona die übrigen Malerarbeiten übernommen; Maschmann & Bendixen in Altona fertigten die Anstreicher-Arbeiten, Viotti in Hamburg lieferte den Terrazzo, Hagge & Grimme in Altona das Linoleum, Noske in Altona die Zentralheizung und Gerling in Altona die Wasserleitunges-Anlagen.

Die örtliche Bauleitung lag in den Händen des Hrn. Arch. Güldner und wurde mit Umsicht geführt; die Oberleitung übten die Urheber der Entwürfe, die Arch. Reinhardt & Süssenguth in Charlottenburg aus.

Ganz besonders hervorgehoben zu werden verdient, dass in der Museums-Baukommission eine Reihe kunstverständiger Mitglieder, mit Hrn. Ob.-Bürgermstr. Dr. Giese an der Spitze, sich befanden, welche die künstlerischen Bestrebungen der Architekten in jeder Beziehung unterstützten und damit einen grossen Antheil an dem Gelingen des schönen Bauwerkes haben. Dieses selbst steht als ein hervorragender Markstein an der modernen baugeschichtlichen Entwicklung von Altona, den Fremdling bei seinem Eintritt in die Stadt erwartungsvoll stimmend. –

Dieser Artikel erschien zuerst in der Deutsche Bauzeitung vom 10. & 14.08.1901, er war gekennzeichnet mit „- H. -“.