Der Wittelsbacher Brunnen auf dem Maximilian-Platz in München

Bildhauer: Prof. A. Hildebrand. Zum Abschluss für die südwestliche Seite der Gärtenanlagen auf dem Maximilian-Platz (früher “Dultplatz) in München, deren Boden bekanntlich über die Gleiche der umliegenden Strassen erhöht ist, war schon in dem ursprünglichen, von dem verstorbenen Hofgartendirektor v. Effner aufgestellten Plane dieser Anlagen ein – den Dienst einer Futtermauer versehenes – Werk der Plastik in Aussicht genommen worden.

Die Gemeinde-Behörden der bayerischen Hauptstadt kamen auf den glücklichen Gedanken, dasselbe als einen Monumental-Brunnen vornehmsten Maasstabes zu gestalten und es zum Gedächtniss an die Vollendung der neuen Wasserversorgung Münchens zu bestimmen. Zur Erlangung eines bezgl. Entwurfs wurde i. J. 1888 ein öffentlicher Wettbewerb ausgeschrieben, dessen Ergebniss jedoch nicht befriedigte. Man entschloss sich vielmehr zur Aufnahme eines Entwurfes, den der als Preisrichter bei jenem Wettbewerb betheiligt gewesene Bildhauer Prof. Adolf Hildebrand vorgelegt hatte. Freilich steht ein solches Verfahren im stärksten Widerspruche zu den für öffentliche Konkurrenzen giltigen Grundsätzen; angesichts des in diesem Falle erzielten Erfolges wird man darüber aber wohl hinweg sehen können.

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Die Ausführung erfolgte unter der künstlerischen Oberes genannten Meisters, der insbesondere alle figürlichen und ornamentalen Theile des Werkes selbst gearbeitet hat. Vnseiten des Stadtbauamts leitete Hr. Bauamtmann Eggers den zu Anfang d. J. 1893 begonnenen Bau, während die Herstellung der Steinhauer-Arbeiten an die Münchener Firma Zwisler & Baumeister übertragen war. Am 12. Juni 1895 konnte das fertige Werk, dem bei seiner feierlichen Einweihung durch den Prinzregenten Luitpold der Name „Wittelsbacher Brunnen“ gegeben wurde, in Betrieb vesetzt werden.

Anordnung und Abmessungen desselben gehen aus den beigefügten, dem amtlichen Bericht des Stadtbauamts über seine Thätigkeit i. J. 1895 entlehnten Abbildungen im allgemeinen mit so genügender Deutlichkeit hervor, dass es nur weniger Erläuterungen bedarf. Die ganze Anlage gliedert sich in ein oberes und ein unteres Becken, denen je die Höhe des hinter dem Brunnen vorbei führenden Parkweges bezw. des äusseren Vorplatzes gegeben ist. Aus der Mitte des oberen Beckens erhebt sich auf einem dicken, mit den Wappenreliefs der 4 bayerischen Stämme und Phantasie-Masken geschmückten, zugleich die Inschriften tragenden Untersatz zunächst eine grössere und über dieser eine kleinere Brunnenschale, aus welchen das im Garbentrahle emporquellendeWasser indoppeltem Absturze ringsum sich ergiesst. Zwei kleinere, glockenartige Ausflüsse befinden sich an den Seiten des Beckens, in der Axe der nach hinten angeordneten beiden Ausbuchtungen desselben und zugleich der beiden grossen Figuren-Gruppen, in denen der plastische Schmuck des Werkes gipfelt – einer Männer- und einer Frauengestalt auf Fabelthieren, welche die ungezähmte und die gezähmte Naturkraft des Wassers verkörpern sollen.

Der Wittelsbacher Brunnen auf dem Maximillian-Platz in München. Bildhauer Prof. A. Hildebrand

Nach dem unteren Becken hin, ist das obere durch eine Mauer abgeschlossen. Die den Sockel jener Figuren-Gruppen bildenden Seitentheile derselben laufen nach aussen und unten hin in natürliche Felsschichtungen aus, so dass es den Anschein gewinnt, als sei die ganze Anlage aus anstehendem Gestein ausgehauen. Der mittlere, in Bogenform vorspringende Theil jener Mauer ist durch Konsolpfeiler mit Reliefdarstellungen von allerlei Wassergethier gegliedert. Aus den Schildbögen der Zwischenfelder ergiesst sich das Wasser des oberen Beckens durch phantastische Frosch- und Polypenköpfe zunächst in Muschelschalen und aus diesen in das untere Becken; zwei stärkere Strahlen sprudeln aus unregelmässig gestalteten Felslöchern in den, Sockeln der Figuren-Gruppen hervor.

Das für den Brunnen verwendete Steinmaterial ist Enzenauer Muschelkalk aus den Brüchen von Zwisler & Baumeister; nur zu den Figuren ist gelblich weisser Untersberger Marmor aus den Brüchen der Gesellschaft Kiefer gewählt worden. Die nicht sichtbaren Mauern und Fundamente des kellerartigen Unterbaues sind aus Stampfbeton hergestellt. Die aus der städtischen Hochdruckleitung gelieferte Wassermenge zur Speisung des Brunnens beträgt 40-70 l in der Sekunde. Doch ist durch Anordnung eines aus dem Durchschnitt ersichtlichen, mit dem unteren Becken verbundenen Behälters dafür gesorgt, dass der aufsteigende Wasserstrahl noch einen Theil des ablaufenden Wassers mit empor reisst, so dass oben 70-130 l in der Sekunde ausgeworfen werden. Der Ablauf des überschüssigen Wassers in die städtischen Kanäle erfolgt aus den Ecken des unteren Beckens.

Die Kosten der ganzen Anlage haben angeblich rd. 230 000 M. betragen.

Der Wittelsbacher Brunnen auf dem Maximillian-Platz in München. Bildhauer Prof. A. Hildebrand

München hat in derselben ein Denkmal erhalten, das nicht nur unter den öffentlichen Brunnen der Stadt an erster Stelle steht, sondern in seiner Art auch in ganz Deutschland nur wenige seines gleichen findet. Das ist zunlichst das Verdienst der Gemeindebehörden, die mit den Mitteln nicht gekargt und es ermöglicht haben, eine bedeutsame Aufgabe auch in grossem Sinne zu lösen, Vor allem aber ist es die That eines Künstlers, der in die Bedingungen dieser Aufgabe liebevoll sich versenkt und es verstanden hat, sie in eigenartiger Weise zu gestalten. Dass er in der Wahl seiner Motive an alte bewährte Schöpfungen der Renaissance und der Barockkunst sich angelehnt hat die Figuren-Gruppen finden in der Villa Albani zu Rom, die Ausbildung der vorderen Beckenwand in Schönbrunn bei Wien ihr Vorbild – wird ihm von keinem Einsichtigen zur Last gelegt werden. Denn was er geschaffen hat, tritt uns trotzdem als ein einheitliches, im Maasstabe aufs glücklichste abgewogenes Werk voll Kraft und Leben entgegen. Wie es den Ansprüchen formaler Schönheit genügt und durch die Wucht seiner monumentalen Erscheinung zur Wirkung gelangt, so beschäftigt es auch die Phantasie des Beschauers und weiss sie dauernd zu fesseln. Es hat verdient, volksthümlich zu werden.

Dieser Artikel erschien zuerst am 02.10.1897 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „-F.-“.