Architekt: Christoph Hehl in Hannover. Die anlässlich der 9. Säcularfeier der Bischofsweihe des Bischofs Bernward von Hildesheim geweihte und diesem durch Gelehrsamkeit und Kunstsinn ausgezeichneten mittelalterlichen Kirchenfürsten gewidmete St. Bernwardskirche in Döhren bei Hannover ist ein Bau, der vorzugsweise den kirchlichen Bedürfnissen der industriellen und ländlichen Bevölkerung der Umgegend von Hannover dienen soll.
Für seine Gestaltung waren in erster Linie die nur sehr geringen Mittel, die zu grösster Einfachheit, namentlich in der Detailbildung nöthigten, in zweiter Linie der Umstand maassgebend, dass bei dem schnellen Aufschwung der Industrie in der dortigen Gegend die Bevölkerung sich rasch vermehrt und daher eine leichte und das organische Gefüge des Baues nicht störende Vergrösserung vorgenommen werden kann. Vielleicht sind gerade die bescheidenen Mittel und die durch sie veranlasste bescheidene Zurückhaltung in der architektonischen Ausbildung des Baues die Ursache gewesen, dass derselbe ausserordentlich reizvoll, frisch und ungekünstelt in die Erscheinung tritt und heute, wo noch die ganze nähere Umgebung der Kirche mit nur vereinzelten Ausnahmen unbebaut ist, so glücklich in der Landschaft steht, dass es lebhaft bedauert werden muss, das schmucke Gotteshaus in absehbarer Zeit von Häusern eingeengt zu sehen.
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Der Bauplatz für dasselbe liegt an der Ostseite der Heerstrasse von Hannover nach Hildesheim; die Stellung der Kirche ist in ihrer Längsaxe senkrecht zur Strasse angeordnet, sodass die Thurmfassade, parallel der Strasse, gegen Westen zeigt. Durch die Lage eines bestehenden Schulhauses an der südöstlichen Ecke und in der Voraussetzung, dass auf der nordöstlichen Ecke ein Pfarrhaus erbaut werden kann, war es geboten, die Stellung der Kirche weit in das Grundstück zurück zu legen. Durch diese Lage kann das Gebäude nur von der Westseite, und zwar zwischen Schule und Pfarrhaus, gesehen werden, während die beiden Langseiten sowie der Chor bei einer späteren dichten Bebauung der angrenzenden Grundstücke wenig oder garnicht in die Erscheinung treten.
Der Architekt hat deshalb auf eine möglichst interessante Gestaltung der Westfassade den grösseren Werth gelegt und aus diesem Grunde auch die Thurmstellung nicht vor dem Hauptschiff, sondern an der nördlichen Seite desselben angenommen.
Die Stilrichtung der Kirche zeigt im Grundriss und Aufbau die Grösse und die Formen des heimischen romanischen Stiles Niedersachsens.
Der Grundriss ist als eine 3schifige Pfeiler- und Säulenbasilika mit halbkreisförmigem Chorabschluss und der seitlichen Thurmanlage gestaltet. Die beiden Seitenschiffe sind nach Osten zur Aufnahme von Seitenaltären je mit einer Apside, nach Westen auf der einen Seite durch den Thurm und auf der anderen Seite durch eine gleiche Apside zur Aufnahme des Taufsteines abgeschlossen. Vor der Westseite des Hauptschiffes ist eine Vorhalle als Ruhepunkt vor dem Eintritt in das Gotteshaus angeordnet, an der Südseite des Chores eine Sakristei mit besonderem Eingang vorgesehen. Zwei Eingänge für das Schiff sind an der Westseite angelegt, einer unmittelbar in das Mittelschiff und einer durch die Thurmanlage in dasselbe führend. In letzterer liegt auch der Treppenaufgang zur Orgelempore.
Das Mittelschiff, die Seitenschiffe, die Orgelempore, sowie die Thurm- und westliche Vorhalle sind mit Balkendecken abgedeckt. Die Chorapsis sowie die kleinen Apsiden sind dagegen gewölbt.
Die äusseren Ansichtsflächen der Kirche sind in hammerrecht behauenen Sandbruchsteinen, die Fugen mit Zement ausgestrichen, hergestellt, die Architekturtheile an der Westseite und die des Thurmes, sowie die Giebelabdeckungen usw. aus geflächten Sandsteinwerkstücken ausgeführt.
Im Inneren sind alle Wandflächen und Architekturtheile geputzt, mit Ausnahme der runden Säulen mit Kapitell und Sockel, welche in Sandstein zur Ausführung gekommen sind. Die Dach-Konstruktion besteht aus Holz, die Dachdeckung aus getheerten Dachpfannen mit Zementunterstrich. Die Klempnerarbeiten, als Rinnen, Fallrohre usw. sind aus starkem Zink, die Thurmspitze aus Schmiedeisen. Die Fenster der Schiffe haben einfache Bleiverglasung in Rautenform unter 45°, diejenigen des Hauptchores sind mit Glasmalereien geziert.
Das Innere des Kirchenraumes war in seinen ruhigen und einfachen Formen dazu geschaffen, der Malerei ihre Rechte zu belassen. Dieselbe ist von dem talentvollen Maler Oskar Wichtendahl in Hannover ausgeführt, der sich mit grosser Vorliebe und feinem Verständniss die Malereien der frühchristlichen Zeit in den oberitalienischen Bauwerken, besonders in Venedig, Torcello und Ravenna zu seinem besonderen Studium gemacht hat. Wichtendahl hat hierbei gezeigt, dass er es versteht, unsere heimische Kunst der Bernwardinischen Zeit mit derjenigen der frühchristlichen auf das innigste und harmonischste zu verschmelzen.
Bei der Anordnung der dekorativen Ausstattung begnügte man sich damit, da auch hierfür grössere Mittel nicht vorhanden waren, nur den Chorraum mit figürlichem Schmuck zu versehen, den übrigen Theil der Kirche dagegen ornamental zu schmücken, theils mit regelmässigem Muster, theils mit imitirtem und stilisirtem Marmor mit darüber aufgehängten gemalten Teppichen. Die Malerei ist im allgemeinen in Caseinfarben, der figürliche Theil in Tempera ausgeführt, wobei der natürliche Putzgrund mit in die Wirkung einbezogen ist. Die Farben sind dünn und lasurartig aufgetragen, wodurch ein durchsichtiger Lüstre und der Reiz der Aquarellmalerei erreicht ist.
Tritt man durch das Hauptportal in den Kirchenraum, so sieht man im Chorgewölbe auf Goldgrund weithin leuchtend Christus als Weltenrichter, daneben knieend den hl. Bernward mit Krummstab, die Kirche überreichend. Unterhalb, zwischen den Fenstern, von welchen in dem mittleren Christus als guter Hirt dargestellt ist und die seitlichen mit reichen Ornamentwerk geschmückt sind, sind zwei hervorragende Bischöfe der Diözese Hildesheim, St. Godehardt und St. Benno, zu beiden Seiten derselben die Patrone der Arbeiter und Arbeiterinnen, St. Isidor und Sta. Notburga mit reichen ornamentalen Baldachinen gekrönt, zur Darstellung gekommen, Unter diesen Gestalten zieht sich ein Fries hin, der mit goldenen Buchstaben die Worte enthält:
Ecce Tabernaculum
Dei cum hominibus.
Der Künstler hat mit Vorliebe, wie es bei den alten Malereien oft vorkommt, grosse monumentale Schrift – Gold auf blauem Grunde – angewendet.
Der untere Theil der Chornische ist mit einem Teppich mit dem Muster der Casel des hl. Bernward, welche im Domschatz zu Hildesheim aufbewahrt wird, geziert. Die anderen Muster sind vom Künstler erdacht, schliessen sich jedoch symbolisch an die Bernwardinischen eng an. Die Chornische öffnet sich gegen das Schiff mit einem breiten Triumphbogen, an dessen Vorderseite der englische Gruss dargestellt ist; in der Bogenlaibung befinden sich, durch reiches Ornament verbunden, 5 Medaillons, in deren mittlerem die Zeichen der 4 Evangelisten und in den 4 anderen Engel mit den Werken Bernwards angebracht sind. Hieran schliesst sich im Abschlussbogen eine Inschrift, welche von Bernward sein soll und am hohen Chore der Michaeliskirche in Hildesheim sich befindet.
Die flachen Holzdecken der Schiffe sind mit leichten farbigen Lasuren gemalt; die Mitte des Hauptschiffes nimmt das in grossen Formen gehaltene Bernwardskreuz ein, aus dem die 4 paradiesischen Ströme hervorgehen. Am Fuss- und Kopfende des Kreuzes befindet sich das Zeichen Christi; auch hierbei sind zur Umrahmung darauf bezügliche Sinnsprüche verwendet. Für die Ornamente an der Decke haben die von Bernward für seine Grabplatte selbst gefertigten Ornamente die Anregung gegeben.
Der Kirchenraum enthält 400 Sitzplätze, 70 Kinderplätze und 300 Stehplätze zur ebenen Erde und 60 Plätze auf der Orgelempore. Die Gesammtkosten des Baues betrugen ohne die innere Einrichtung imganzen 66 670 M. Die innere Einrichtung, wie sämmtliches Gestühl, Altar, Kanzel, Beichtstuhl, Taufstein, Beleuchtungskörper, zwei Glocken, Sakristei-Einrichtung und sonstige kleine Nebenarbeiten, kostet zusammen 21 719 M. Das Gebäude umfasst von Oberkante Gelände bis Oberkante Dach bezw. Helmanfang einen Kubikinhalt von zusammen 6315 cbm. Es stellt sich somit das cbm umbauten Raumes ohne innere Einrichtung auf 10,50 M. mit innerer Einrichtung auf 14 M.
Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutsche Bauzeitung.