Die Goldene Pforte am Dome zu Freiberg, das reichste und schönste Denkmal romanischer Baukunst, hatte im Laufe der Zeiten durch allerhand äussere Einflüsse und nicht zum mindesten durch eine im Jahre 1861 ausgeführte „Restauration“ so gelitten, dass eine sachgemässe Instandsetzung von der Regierung ernstlich erwogen und aufgrund eines Gutachtens des Rathes der Akademie der bildenden Künste in Dresden, in Aussicht genommen wurde.
Bei den so erforderlich werdenden Arbeiten sollte es sich nicht nur um Ergänzungen und Ausbesserungen, sondern auch um solche Maassregeln handeln, welche das altehrwürdige Denkmal vor Witterungseinflüssen thunlichst bewahren. Es war zu diesem Zwecke eine Isolirung gegen die als besonders schädlich erwiesene Erdfeuchtigkeit und ein grösserer Vorbau ins Auge gefasst worden. Der grossen Kosten wegen musste letzter unterbleiben und es blieben die Arbeiten auf die erwähnte Isolirung und die eigentliche Restauration beschränkt.
Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.
Nachdem vorher die gesammte Goldene Pforte mit einem Aufwande von 6000 M. in Gips abgeformt worden war (der Abguss hat im Albertinum in Dresden Aufstellung gefunden), wurde nun mit der weiteren Erörterung, Veranschlagung und Ausführung das Landbauamt Dresden I beauftragt, in dessen Verwaltungsbezirk Freiberg liegt.
Die Goldene Pforte ist aus dem feinkörnigen und wetterbeständigen, in warmen Goldtönen erscheinenden Sandstein hergestellt, welcher in dem nahen Geillenburg gebrochen wird. Die Sockel einschl. der Simsgliederungen hatten durch Grundfeuchtigkeit sehr stark gelitten und bedurften durchgängig der Erneuerung. Die Basen der Dreiviertelsäulen, auf denen die Figuren stehen, waren aus Ziegelbrocken und Eisendraht mit Zementüberzug (bei der letzten „Restauration“) hergestellt. Von den acht freistehenden monolithen Säulen war die kannelirte vordere Säule an der linken Seite der Pforte gebrochen. Da die Befestigung dieser Säulen lediglich am oberen Schaftende durch Dübel geschehen war, so mussten sie natürlich herausgenommen werden, ehe die Sockelquader entfernt werden konnten, eine zwar schwierige, aber ohne jeden Unfall verlaufene Arbeit.
Es wurde zunächst die Auswechselung des gesammten Sockels einschl. der Säulenbasen und mit ihr die Isolirung der Pforte selbst vorgenommen, eine Ausführung, bei der die grösste Sorgfalt zu beobachten war, damit an dem Bestande der in ihrer bisherigen Beschaffenheit verbleibenden reichen Architekturtheile und Bildwerke alle Beschädigungen vermieden würden. Nachdem daher die oben erwähnten Säulen entfernt waren, galt es, die übrigen Theile durch Spreizen und Steifen unverrückbar festzuhalten. Da hierbei such Figuren und ornamentale Theile mit gefasst werden mussten, so wurden die erforderlichen Angriffspunkte dadurch gewonnen, dass die genannten Theile nach einer vorherigen starken Schutzverkleidung mit Lehm durch einen Zementmantel eingehüllt wurden, an welchen nun die Steifen sich anlehnen konnten.
Das Ausmeisseln und mehr noch das Einhängen der neuen Sockelquader war auf dem durch das Stätzholzwerk so sehr beengten Platz ein schweres Stück Arbeit, Es wurde zunächst Rückenfläche und Sohle der nach Entfernung der alten Quader entstandenen Nischen sorgfältig eben bearbeitet. Die Solle erhielt sodann eine Täfelung von besten Steingutfliesen, auf welche eine Lage Bleiplatten gebracht wurde, worauf die senkrechten Rückenflächen mit Goudron, der Boden aber mit Asphalt bedeckt werden konnten. So vorbereitet, konnten nun die neuen Quader mit Hilfe von eisernen Walzen in die ihnen bereitete Nische eingefügt werden. Damit begannen aber erst die Schwierigkeiten; denn der grosse, 1 m hohe Stein musste nun auch in die richtige Höhe, in Wange, Loth und Flucht gebracht werden. Da der Rücken und die Seiten durch Mauerwerk und Stein geschlossen waren, so konnte diese Arbeit nur von unten geschehen, Zu diesem Behufe waren besondere niedrige eiserne Schrauben angefertigt, deren drei Stück neben den Walzen eingebracht und durch einen langen, besonders geformten Schlüssel entsprechend angezogen wurden. Darauf begann die Untermauerung und es konnte nun die eine vordere Schraube entfernt worden, während die beiden anderen an ihrer Stelle belassen worden mussten, Durch Hintergiessen mit flüssigem Zementmörtel konnte diese Arbeit dann beendet und an die eigentliche Restauration gegangen werden.
Am schlimmsten hatten die vorderen Stücke des Kämpfer-Ornamentes und die vorderen Kapitelle gelitten. Es wurden, um ganz präzis das Urbild zu wahren, Abformungen dieser Theile vorgenommen und die so gewonnenen Abgüsse in vorsichtiger Weise durch Aufmodellirung des Fehlenden zu Modellen hergestellt für die nach der Abformung neu eingesetzten Grillenburger Steinbossen. Eine leichte Retouche mit Wasser und Staub hat diesen auf das sorgfältigste ausgeführten Steinarbeiten den Schein des Alters verliehen, so dass der Gesammt-Eindruck ein harmonisch gleichmässiger geblieben ist. In ganz gleicher Weise wurde mit der arg verwüsteten Akroterie „Freiberg“ und mit der Engel-Akroterie rechts verfahren, nur dass bei diesen Arbeiten die Ornamentirung fast neu nach dem Vorbilde der erhalten gebliebenen alten Akroterien gewonnen werden musste da diese Stücke bei der Restauration im Jahre 1861 entstellt worden sind. Ebenso sind der 1861 aus Gips modellirte Kopf des Christuskindes im Tympanon, ferner die Basilisken- oder Drachenköpfe zu Füssen Salomos, an deren Stelle seit 1861 fälschlich ein grosser Hundekopf das merkwürdige Thier mit zwei Leibern bildete, sowie der Kopf der Chimäre links vom Tympanon neu aus Stein gearbeitet worden.
Was an den übrigen Skulpturen geschehen ist, das beschränkt sich auf die Entfernung der ebenfalls im Jahre 1861 durch Zementbehandlung entstandenen Schäden und Ersetzung der kleineren zerstörten Körper- und Ornamententheile durch vorsichtige Nachmodellirung mit Gersheimer Kittmasse in reichlicher Mischung mit Grillenburger Steinstaub. Es sind dadurch zugleich die bisher überaus störenden schwarzen Zementnasen und andere dergleichen Ansätze beseitigt worden.
Die ganze, etwa eine Bausaison in Anspruch nehmende Restauration ist ohne jeden Unfall vollendet worden, so dass sich heute das herrliche Denkmal in alter Schönheit zeigt und – dank der schon erwähnten Staubretouche – nicht mal die neuen Stücke erkennen lässt.
Die Kosten der Restauration betrugen 9813 M. wovon eine Summe von 4443 M. auf die an erster Stelle erwähnte Isolirung und Sockelauswechselung kommt.
Ein hervorragendes Verdienst an den Restaurirungsarbeiten gebührt dem Dresdener Bildhauer Rassau, der nicht nur durch Schrift und Wort für die Instandsetzung schon seit Jahren gewirkt hatte, der sich der ihm vom Landbauamte übertragenen Arbeit vielmehr auch mit liebevollstem und selbstlosestem Eifer annahm. Die Steinmetzarbeiten wurden durch den bekannten Baumeister Frommholz Müller in Dresden und die Maurerarbeiten durch den Maurermeister Haller in Freiberg in vorzüglichster Weise zur Ausführung gebracht.
Bei Erledigung der Arbeiten kamen aber noch verschiedene sehr interessante Einzelheiten zutage. Zunächst musste leider festgestellt werden, dass das alte Mauerwerk in schlechtester Weise, fast ohne Mörtel und ohne jeden regelrechten Verband hergestellt gewesen war. Weiter aber wurde bei Beseitigung der verwitterten Sockelquader die Reste (Basen und Theile von Säulenschichten) einer einfacheren Pforte gefunden und ausgebrochen. Die Formen dieser Architekturtheile sind zwar einfacher, immerhin aber denen der goldenen Pforte so ähnlich, dass man sie in dieselbe Zeit versetzen muss.
Wenn man nun annehmen kann, dass die alte, später zum Dom erhobene Frauenkirche etwa um 1180 von Otto dem Reichen erbaut worden ist, so scheint es, als ob dem kunstliebenden und durch die Silberbergwerke zu grossem Reichthume gelangten Markgrafen die erste einfache Anlage nicht genügt hat und er dieselbe deshalb durch das kostbare Portal ersetzen liess, welches uns heute noch als „Goldene Pforte“ zur Bewunderung nöthigt.
Es ist aber auch gelungen, die alte Polychromie wieder festzustellen, da sich trotz der rücksichtslosen früheren Behandlung des Denkmals, durch sorgfältige Waschungen und nach Beseitigung des Zementanstrichs die alten Gold- und Farbenreste in den Vertiefungen und Falten deutlich erkennen liessen.
Danach sind auf goldenem Grunde die Ornamente und Gewandungen in meist rother und blauer, daneben aber auch in grüner und gelber Farbe bemalt gewesen, während Haar und Bart braune Töne zeigt. Auch diese Ergebnisse sind von Hrn. Rassau sorgfältig auf Photographien nachgetragen worden.
Da ich glaubte, dass diese unter meiner Leitung bewirkte Wiederherstellung auch in weiteren Kreisen Interesse erregen wird, gestattete ich mir die vorstehenden kurzen Notizen.
Waldow, Landbmstr.
Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutsche Bauzeitung.