Die grössten Schiffe der Welt

Von Egon Kunhardt (Hamburg). Auch im Schiffbau hat die Zeit Riesenfortschritte gemacht. Was vor einem Menschenalter noch als eine Unmöglichkeit galt, ist heute bereits verwirklicht worden. Wir erinnern uns noch der Zeit, da alle überseeischen Schiffe ohne bestimmte Angabe ihrer Ankunft fuhren. Heute wird Wind und Wetter fast überwunden.

Unsere großen Ozeandampfer sind so gut wie unabhängig von allen äußeren Einflüssen. Auf den Tag, auf die Stunde, ja fast auf Minuten wird die Ankunft der Schnelldampfer in den fernsten Häfen berechnet. Industrie und Technik arbeiten sich unausgesetzt in die Hände, um die schwimmenden Eisenkolosse immer vollkommener zu gestalten, und die führenden Nationen, die ihre Zukunft auf dem Wasser suchen, wetteifern darin, die größten und schnellsten Ozeandampfer der Welt zu bauen.

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Unsere Abbildung veranschaulicht die Entwicklung der Schiffbaukunst in der letzten Zeit. Noch vor wenigen Jahren galt die „Pennsylvania“ von der Hamburg-Amerikalinie mit 12,591 Tonnen Rauminhalt als das größte Schiff der Welt, dann behauptete der Lloyddampfer „Kaiser Wilhelm der Große“ eine Zeit lang unbestritten den ersten Platz. Nun ist auf der Stettiner Werft „Vulkan“ ein neuer deutscher Ozeandampfer gebaut worden, der die beiden Schiffe an Größe wie an Schnelligkeit bei weitem übertrifft: es ist der Doppelschraubendampfer „Deutschland“, der vor kurzem vom Stapel gelassen wurde und dessen Bau wir unsern Lesern genau beschrieben haben. (Vergl. Nr. 5 der Woche, S. 119 ff.).

Zwar durchquert den Ozean noch ein anderer Riesendampfer, dessen Dimensionen sogar unser deutsches Schiff in den Schatten stellen. Aber der englische Dampfer „Oceanic“ von der White-Star-Line mit 19 000 Tonnen, augenblicklich das größte Schiff der Welt, ist nicht als Schnelldampfer gebaut und hat nur eine Geschwindigkeit von 16 Knoten die Stunde aufzuweisen, während „Deutschland“ voraussichtlich mit 25 Knoten fahren wird.

So stolz wir nun auch auf die Erfolge der Gegenwart sein können und so staunenswert die Ergebnisse moderner Schiffbaukunst sind, so dürfen wir uns doch nicht verhehlen, daß wir mit dieser Entwicklung noch nicht am Ende angelangt sind. Vielleicht werden unsere Kinder belächeln, was wir heute bewundern.

Fortschritte im Schiffbau – Pennsylvania (12 891 Tonnen), Deutschland (16 200 Tonnen), Oceanic (19 000 Tonnen), Schiff der Zukunft (28 000 Tonnen)

So gewaltig die „Oceanic“ auch erscheinen mag, so hat sie doch sicher nicht die äußerste Grenze von Länge und Breite erreicht. Die weitausschauende Phantasie amerikanischer Ingenieure hat „Das Schiff der Zukunft“, das wir in unserer Abbildung wiedergeben, in den Grundzügen bereits festgelegt. Während die „Oceanic“ nur 2000 Reisende trägt, soll das neue Riesenfahrzeug die doppelte Zahl aufnehmen. Um eine erhöhte Schnelligkeit zu erreichen, soll es durch drei oder vier Schrauben in Bewegung gesetzt werden. Infolgedessen müssen die Maschinenanlagen natürlich bedeutend erweitert werden. Um drei oder vierfache Schrauben zu bewegen, müßte die treibende Kraft in hundert Kesseln erzeugt werden.

Auch die äußere Erscheinung des Schiffes wird im Vergleich mit den heutigen Dampfern befremdend wirken. Es wird nicht weniger als sechs bis zwölf Schornsteine aufweisen. Als Baumaterial käme nur das Aluminium in Frage. Hierdurch würde das Schiff bedeutend leichter sein und infolgedessen nicht so tief im Wasser liegen. Damit käme ein großer Nachteil unserer heutigen Dampfer, an dem z. B. die „Oceanic“ krankt, in Wegfall. Bei dem geringen Tiefgang könnten die Schiffe in alle größeren Häfen einlaufen.

Denkt man sich das von den amerikanischen Ingenieuren noch ziemlich unbestimmt geplante Schiff der Zukunft Unter den Linden in Berlin aufgestellt und zwar so, daß das Steuer mit der Friedrichstraße abschneidet, so würde der Bug fast den Pariser Platz erreichen; zu beiden Seiten würden zwischen dem Schiffskörper und der Häuserreihe nur zwei Meter Raum bleiben, und das ganze Riesenschiff würde die Häuser auf beiden Seiten überragen. Wer weiß, wie bald dieser Plan sich verwirklicht!

Dieser Artikel erschien zuerst 1900 in Die Woche.