Die kathol. St. Johannes-Kirche in Stettin

Architekt: Engelbert Seibertz, Berlin. Die durch Friedrich Wilhelm I. in Stettin neu begründete kathol. Gemeinde bestand Jahrzehnte lang nur als Militärgemeinde, zu der sich die wenigen Katholiken Stettins und der umliegenden Ortschaften hielten.

Für die damalige Gemeinde genügte ein Raum im Königl. Schlosse – die ehemal, herzogliche Schlossküche von rd. 150 qm am Größe – den der König der Gemeinde zur Abhaltung des Gottesdienstes überwiesen. Als aber die Zivilgemeinde immer mehr heranwuchs und die Zahl von 4000 Seelen überschritt, stellte sich das Bedürfniss nach einem Neubau immer dringender heraus.

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Die königl. Regierung zugleich Patron der Kirche – konnte sich dieser Nothfrage gegenüber nicht schweigend verhalten und bewilligte, da die Gemeinde arm ist und aus eigenen Mitteln niemals an die Errichtung eines würdigen Neubaues denken konnte, die Veranstaltung einer Kirchbau-Lotterie, welche über 100 000 M. einbrachte. Durch die Schenkung namhafter Beträge seitens des verstorbenen Fürstbischofs Heinrich von Breslau und anderer Gönner sowie auch durch eine Beisteuer von 30 000 M. seitens der Militär-Verwaltung, welcher für diese Summe die Mitbenutzung des Neubaus als kathol. Garnisonkirche eingeräumt wurde, war die Gemeinde trotz der Weigerung des Patrons, das ihm landrechtlich zur Last fallende Drittel der Baukosten zu tragen, im Jahre 1887 in der Lage, an die Ausführung des Werkes zu gehen und kaufte, da Aussichten auf die Ueberlassung eines öffentlichen Platzes nicht vorhanden waren, von dem durch Schleifung der Festungswerke frei gewordenen Festungsgelände, Ecke der Elisabethstr. und Strasse No. 75 eine Baustelle von 56 zu 59 m Strassenfront, also 3304 qm am Grösse für den Preis von rd. 40000 M. wozu dann noch die nicht unerheblichen Kosten für Regulirung und Pflasterung der Strassen kamen.

Die kathol. St. Johannes Kirche in Stettin

Im September 1887 wurde der Unterzeichnete mit der Aufstellung der Pläne für Kirche und Pfarrhaus beauftragt, Nach Eingang der Genehmigung der staatlichen und städtischen Behörden für die geplanten Neubauten im April 1888 wurde die Ausführung sofort in Angriff genommen und so gefördert, dass im September 89 das Richtfest begangen und die Einweihung auf den 24. Juni d. J. (Johannestag) festgesetzt werden konnte. Das später begonnene Pfarrhaus wurde bereits im Oktober 1889 bezogen.

Die im Bauprogramm vorgesehene Bedingung, dass auf die Erhaltung eines möglichst grossen Gartens in Verbindung mit dem Pfarrhause Bedacht zu nehmen sei, schloss die Stellung der Kirche in der Diagonalaxe des Bauplatzes unbedingt aus und legte die gewählte Stellung nahe, die sich dem Strassenbilde übrigens auch besser einfügt als das bei der diagonalen Stellung der Fall gewesen sein würde.

St. Johannes Kirche in Stettin – Grundriss

Die Kirche, deren Einzelheiten aus den beigefügten Zeichnungen ersichtlich sind, ist als Hallenkirche in der Formensprache der mittelalterlichen Backsteinbauten der norddeutschen Tiefebene durchgebildet, und hat eine Gesammtlänge von 51,00 m. Das Bauwerk bleibt also, da der 66 m hohe Westthurm genau in der Bauflucht der Strasse No. 75 steht, 8,00 m von dem architektonisch behandelten Giebel des östlichen Nachbars entfernt. Der Nachbar-Giebel auf der entgegen gesetzten Grenze, dessen Bebauung wegen eines hier liegenden Friedhofes im übrigen so bald noch nicht zu erwarten sein dürfte, wird durch das an jener Seite liegende Pfarrhaus verdeckt.

Der innere Kirchenraum hat bei einer Länge von 40,10 m eine Breite von 19,00 bezw. 27,65 m, eine Höhe im Mittelschiff von 18,00 m und enthält 720 Sitzplätze, von denen 70 auf der Orgelempore untergebracht sind.

Die Pfeiler und alle architektonischen Glieder sind aus Formsteinen hergestellt, die Flächen sind geputzt und entsprechend mit Malerei versehen.

Die Verblender der Kirche und des Pfarrhauses sind theils von Beneckendorff in Freienwalde, theils von Amende in Ueckermünde bezogen; die Lieferung der Formsteine und Glasuren wurde gegen den ausdrücklichen Willen des Unterzeichneten seitens des Kirchen-Vorstandes den Hrn. Lentz und Steckling in Stettin bezw. Jatznick übertragen. – Die Fenster, von denen die 9 Chorfenster und die beiden Rosen des Querschiffs mit reichen figürlichen und ornamentalen Malereien versehen sind, stammen von der bekannten Firma Dr. H. Oidtmann & Co. in Berlin, Linnich und Brüssel, welche namentlich die Figurenfenster mit grosser Meisterschaft ausgeführt hat. – Das Geläut, rd. 3000 kg schwer, ist dem Bochumer Verein für Bergbau übertragen. Die gesammte innere, in Eichenholz hergestellte Ausstattung, ausschl. des Orgelwerkes, das ein Stettiner Meister baut, liefert nach Entwürfen des Unterzeichneten die bekannte Firma C. Buhl in Breslau.

Das Pfarrhaus, von dem in der beigefügten Grundriss-Darstellung das Erdgeschoss mitgetheilt ist, enthält im Obergeschoss die Wohnung des Pfarrers, bestehend aus 8 Zimmern und Zubehör. Eine besondere architektonische Durchbildung erhielten hier nur der Hausflur und die bis zum Obergeschoss führende Haupttreppe.

St. Johannes Kirche in Stettin – Querschnitt

Die Kosten der Kirche haben einschl. der inneren Ausstattung 214 600 M.; diejenigen des Thurmes mit Geläut 51 800 M., die Gesammtkosten also 266 400 M. bei 11 149 m bebauter Fläche betragen. Die Kosten des Pfarrhauses, das 3159 qm bebaute Fläche aufweist, betragen rd. 52 000 M. oder 165 M. auf 1 qm bebaute Grundfläche.

Die Maurerarbeiten sind von Hrn. F. Trost aus Stettin ausgeführt, der mit grosser Liebe für den übernommenen Bau sorgte, trotz seiner Jahre von früh bis spät auf der Baustelle thätig war und mit dem vorhandenen mangelhaften Formsteinmaterial das denkbar Beste geleistet hat. Die Zimmerarbeiten waren Hrn. Leo Wolff übertragen, der die ihm zugefallene schwierige Aufgabe gleichfalls mit vielem Geschick und grosser Umsicht gelöst hat. Die Steinmetzarbeiten führte Hr. E. Ahorn, die Dachdeckerarbeiten Hr. W. Rienow in Stettin aus.

Unglücksfälle beim Bau waren bis jetzt nicht zu beklagen.

Ich will zum Schluss nicht unterlassen der eifrigen Thätigkeit des Hrn. J. Witzler, der lange als Bauführer thätig war, hier zu gedenken,

Berlin, im Januar 1890, Engelbert Seibertz.

Dieser Artikel erschien zuerst 1890 in der Deutschen Bauzeitung.