1905, von F. G. Fischer, Generalsekretär des Deutschen Fischereivereins. Wenn in der guten allen Zeit in der Stadt oder auf dem Land an der Elbe sich Knecht oder Magd verdingte, trafen sie die Abmachung, daß ihnen nicht mehr als zweimal in der Woche Lachs vorgesetzt werden dürfe. So reich war in der Elbe und unsern deutschen Strömen überhaupt der Bestand dieser kostbaren Wanderfische.
Diese Zeiten haben sich geändert, die Schifffahrt und die Industrie haben dafür gesorgt, daß der Lachs auf seiner Wanderung vom Meer zum Oberlauf des Flusses, wo er seine Laichstellen hat, Hindernisse im Weg findet, die ihm das Aufsteigen schwerer machen, als es früher war. Auch die Laichstellen sind nicht mehr so günstig wie in alten Zeiten, so daß der herrliche, silbergepanzerte Fisch kaum noch die Möglichkeit hat, sich auf natürlichem Weg fortzupflanzen. Es hat natürlich nicht an Bestrebungen gefehlt, die Interessen der Fischerei wahrzunehmen Und Deutschlands kostbarsten Wanderfisch zu erhalten. Die Kunst hat eingegriffen, das zu ersetzen, was früher die Natur im ruhigen Kreislauf ihres Wirkens schuf.
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Man darf jetzt wohl sagen, daß es der künstlichen Fischzucht in vollem Maß gelungen ist, ihr Ziel zu erreichen. Internationale Verträge sind abgeschlossen, die festsetzen, daß z. B. dem Rheingebiet alljährlich eine bestimmte Menge künstlich gezüchteter Lachse zugeführt werde. Um von dem Umfang dieser Bestrebungen einen Begriff zu geben, möge erwähnt werden, daß die Menge der dem Rheingebiet alljährlich zugeführten künstlich erbrüteten Lachse über vier Millionen beträgt.
Das Verfahren, das hierbei eingeschlagen wird, ist folgendes: im Herbst von etwa Mitte Oktober an, manchmal auch später – das hängt von den Witterungs- und Wasserstandsverhältnissen ab – werden an geeigneten Stellen die aufsteigenden Lachse gefangen und, sind sie noch nicht laichreif, in dazu geeigneten großen, hölzernen im Wasser des Flusses liegenden Hältern, Männchen und Weibchen getrennt, bis zur Laichreife aufbewahrt. Dem weiblichen Fisch werden, wenn er laichreif geworden ist, die Eier abgestreift, diese befruchtet und die befruchteten Eier alsdann in Brutanstalten verteilt.
Nach mehreren Wochen, während welcher Zeit die infolge ungenügender Befruchtung etwa absterbenden Eier sorgfältig aus den Brutkästen entfernt werden, zeigen sich an den gut befruchteten Eiern zwei schwarze Pünktchen, die Augenpunkte des werdenden Fischchens. Nunmehr sind diese Eier versandfähig, sie können, in kleinen Rahmen (Abb.) auf beliebig weite Entfernungen verschickt werden, ohne daß sie Schaden leiden. Sie gelangen nun in jene Brutanstalten, die den betreffenden Aussetzungsstellen möglichst naheliegen, und werden in diesen Anstalten weiter erbrütet, bis nach wiederum mehreren Wochen – die Zeit richtet sich nach der Temperatur des Brutwassers – die Fischchen auszuschlüpfen beginnen. Diese kleinen Tierchen sind noch nicht in der Lage, sich selbst ihre Nahrung im Wasser zu suchen, sie nähren sich von dem ihnen noch anhaftenden Dottersack, der allmählich sich verliert. Ist dieser Dottersack beinah ganz aufgezehrt, dann ist das Fischchen reif, dem freien Wasser überantwortet zu werden: es finden nunmehr die Aussetzungen der so künstlich gezogenen Lachse in die dem Strom oder seinen Nebenflüssen zuwandernden Bäche statt. Besonders geeignet sind Forellenbäche, in denen das Fischchen reines Wasser und Untergrund von Kies und Steinen findet, unter denen es Nahrung und Schutz gegen die Strömung und gegen räuberische Genossen findet. Bei der Aussetzung handelt es sich noch darum, die Zahl jener jungen Lachse festzustellen, die in die Gewässer kommen. Da es sich, wie oben schon gesagt, hierbei um große Mengen handelt, die Tierchen klein, etwa 25 Millimeter lang sind, so ist es nicht möglich, durch einfache Zählung festzustellen, wie viel Lachse erzeugt sind und dem freien Wasser übergeben werden. Man hat verschiedene Methoden, die Zahl der erzielten Lachse zu ermitteln, man kann sie nach dem Rauminhalt, den sie einnehmen, und nach dem Gewicht zählen. Die letztere Methode dürfte weitaus die zuverlässigste sein, sie wird praktisch in folgender Weise gehandhabt: aus den verschiedenen Brutkästen der Fischzuchtanstalt nimmt jener, der mit der Abnahme dieser Lachsbrut beauftragt ist, Proben und zählt 200 Fischchen ab. Diese werden auf feiner Wage genau gewogen (Abb.), dieses Wiegen mehrmals wiederholt und so das Durchschnittsgewicht von 200 jungen Lachsen festgestellt. Dann werden die sämtlichen Bruttröge in ein großes Gefäß mit Wasser, das auf einer Dezimalwage steht und dessen Gewicht vorher festgestellt ist, entleert und die gesamte Menge der vorhandenen Brut genau gewogen. Auf diese Weise erhält man durch n einfaches Divisionserempel die Zahl der Fische, die in der Anstalt erbrütet sind, und die nunmehr zur Aussetzung kommen.
Diese kleinen Fische werden nun in großen Transportkannen (Abb.), deren Verschluß oben einen Behälter für Eis bildet, um das Wasser kühl zu halten, in der Weise verteilt, daß in jede Kanne etwa 5000 Stück Lachsbrut kommen. Die Kannen werden mittels Wagen zur Aussatzstelle, zum Bach, transportiert, wo zunächst durch Aufgießen von Bachwasser in die Kanne die Temperatur des Wassers in der Kanne jener des Bachwassers angenähert wird, um die jungen Lachse vor etwaigen Schädigungen infolge plötzlichen Temperaturwechsels zu bewahren. Dann wird ein unten am Boden der Kanne befindlicher kurzer Rohransatz geöffnet und die Kanne in den Bach gesetzt, so daß aus der Rohröffnung nun die Fische in den Bach gelangen können. Man bedient sich hierbei auch eines Schlauchs, dessen eines Ende auf den Grund gebracht wird, während das andere an der Kanne bleibt, so daß die Fische durch den Schlauch in den Bach gelangen können.
Ist die Brut gesund und frisch, so sieht man, wie die kleinen rötlichen Fischchen ihrem Naturtrieb, den zu bestätigen sie bisher nie Gelegenheit hatten, folgend, sich gegen die Strömung des Wassers stellen und bald Unterschlupf unter Steinen finden. An einer Stelle, wo bei der Aussetzung Hunderte von Fischchen deutlich sichtbar schwammen, ist in wenigen Minuten keins mehr zu sehen, instinktiv haben sie sich dahin zurückgezogen, wo sie Schutz vor Feinden und Nahrung finden.
Im Bach findet der junge Lachs reichliche Nahrung und wächst bis zum Herbst zu einem etwa 15 bis 20 Zentimeter langen Fisch heran. Teils im ersten Herbst seines Lebens, teils auch erst im zweiten folgt er seinem Naturtrieb und läßt sich von der Strömung, der er bis jetzt Widerstand geleistet hat, forttreiben vom Bach, seiner ersten Heimat, zum Fluß, vom Fluß zum Strom und in diesem Strom abwärts, bis er das Meer erreicht hat.
Hier wächst er heran, bis ihn die Zeit der Laichreife wieder in die Flüsse treibt und ihn bei seinem Aufsteigen den Menschen in die Hände führt, die sich seiner wieder bedienen, seine Art fortzupflanzen und zu erhalten. Der Lachs ist, wie man sieht, auch insofern ein dankbarer Fisch, als er, mit Ausnahme seiner ersten Jugendzeit, dem Süßwasser keine Nahrung entzieht, sondern diese dem Meer entnimmt. Man hat geglaubt, daß der Lachs an die Stelle stets zurückkehrt, an der er geboren sei, daß also ein im Rheingebiet herangewachsener Lachs aus der See, in die er abgewandert ist, wieder in den Rhein zurückkehre. Wenn auch diese Frage und manche andere noch nicht vollkommen geklärt erscheint, so darf man doch wohl annehmen, daß der Lachs auch andere Flußgebiete wieder aufsucht als jene, in denen er geboren ist.
Aus verschiedenen Gründen war es seit längeren Jahren nicht möglich, die Elbe so intensiv mit Lachsbrut zu versorgen, wie das wohl in früheren Jahren geschehen ist. Man sollte also meinen, daß gegen früher der Lachsbestand und der Lachsfang der Elbe zurückgegangen sein müßten; das ist jedoch nicht der Fall; wir sehen im Gegenteil, daß gerade in den letzten Jahren der Lachsbestand in der Elbe sich sehr gehoben hat, daß die Fischer des Elbegebiets ihn als ihren dankbarsten Fisch bezeichnen. Eine Erklärung hierfür ist vielleicht darin zu sehen, daß, während man die Lachszucht im Elbegebiet vernachlässigen mußte, im Ems- und Wesergebiet besonders intensiv Aussetzungen von Lachsbrut stattgefunden haben. Der Lachsbestand im Wesergebiet hat sich nun trotz der starken Besetzung dieses Stroms nicht entsprechend gehoben, und man dürfte wohl die Annahme gelten lassen, daß von den in der Weser ausgesetzten, von dort zum Meer gelangten Lachsen der größte Teil, veranlaßt durch gewisse Verhältnisse – vielleicht durch Strömungen – nicht der heimatlichen Weser, sondern der Elbe zugewandert ist.
Noch gibt’s also Lachse, wenn auch nicht mehr in so reicher Zahl wie früher, in Deutschlands Strömen, und daß auch fernerhin der prächtigste Salmonide nicht aussterbe, dafür sorgt wie bisher, wo die Natur in ihrem Wirken behindert ist, die künstliche Fischzucht, die wir stolz eine deutsche Errungenschaft nennen dürfen.
Dieser Artikel erschien zuerst 1905 in Die Woche.