Die am 18. November 1893 zur Eröffnung gelangte bayerische Lokalbahn von Kitzingen nach Gerolzhofen überschreitet unweit erster Stadt, und zwar oberhalb derselben, den Main auf einer gewölbten Brücke von etwas ungewöhnlicher Anordnung. Es wird daher den Fachgenossen nicht unerwünscht sein, hier einige Angaben über den Entwurf und die Ausführung dieses Bauwerkes vorzufinden.
I. Allgemeine Verhältnisse:
An der für den fraglichen Flussübergang gewählten Stelle ist der Querschnitt des Mainthales ziemlich einseitig ausgebildet.
Hart am rechten Ufer zieht sich die Strasse von Kitzingen nach Mainstockheim mit dem Leinritte hin, an welche sich unmittelbar ein steiles Gehänge anschliesst. Links vom Flusse dagegen dehnt sich sein flaches Ueberschwemmungs-Gebiet auf beträchtliche Breite aus.
Die Lokalbahn senkt sich nun mit 25 ‰ Gefälle vom rechten Hochufer des Maines zur linkseitigen Ebene hinab und es befindet sich die Brücke in eben dieser Strecke, für deren Höhenlage und Neigungsverhältniss neben der Rücksicht auf die Gewinnung der für die Fluss-Schiffahrt und den Hochwasser-Durchgang nöthigen Lichthöhe der Brücke vorwiegend auch jene auf die sonstige Gestaltung des Längenschnittes der Bahn maassgebend war. Aus diesen Verhältnissen hat sich die Höhe der Brücke so ergeben, dass die Bahnplanie inmitten derselben etwa 13,5 m über Niederwasser liegt. Die Brückenaxe konnte gerade und senkrecht zur Flussrichtung angenommen werden.
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II. Belastungsvorschrift.
Der Oberbau und die übrigen Brücken der Lokalbahn sind für einen grössten Raddruck von 5 t, sowie für dreiaxige, 7 m lange Tender-Lokomotiven von 24 t Dienstgewicht berechnet.
Bei dem inrede stehenden grösseren Bauwerke schien es jedoch rathsam, eine erhöhte Belastung anzunehmen, um bei einer etwaigen späteren Verstärkung des Gleises die Schwierigkeit des Umbaues der Brücke zu vermeiden. Demgemäss wurden die Vorentwürfe der Brücke unter der Annahme einer Belastung derselben mit einem Zuge von dreiaxigen, 7 m langen, 36 t schweren Lokomotiven aufgestellt.
III. Wahl der Bauart.
Hierbei blieb es zunächst noch unentschieden, ob – was ursprünglich beabsichtigt war – die Brücke eisernen Ueberbau erhalten sollte oder ob dieselbe ganz aus Stein herzustellen wäre. Für die erste Bauart schien die Gestalt des Längenschnittes des Mainüberganges besonders zu sprechen.
Nachdem aber aus anderen Gründen die Verlängerung der Bauzeit bei der Wahl der steinernen Brücke weniger inbetracht kam und in der Nähe der Baustelle sich gute Bausteine und vorzüglicher Sand vorfinden, konnte der Entwurf einer gewölbten Brücke umsomehr mit jenem einer mit Eisen überbauten Brücke in Wettbewerb treten, als zurzeit der Aufstellung desselben die Eisenpreise ziemlich hohe waren und auch eine Ermässigung derselben in kurzer Zeit nicht in sicherer Aussicht stand. Eingehender ausgearbeitete Kostenvoranschläge für die beiderlei Entwürfe ergaben nun einen so geringen Kosten-Unterschied, dass insbesondere auch mit Rücksicht auf die Minderung der Unterhaltungskosten die Ausführung der gewölbten Brücke zuständigen Ortes beschlossen wurde.
IV. Brücken-Lichtweite.
Bei der Bestimmung der Lichtweite der Brücke wurde unter Berücksichtigung der einschlägigen Verhältnisse ein Aufstau des grössten Hochwassers zwischen 30-40 cm, sowie eine grösste Geschwindigkeit des Wassers in der Brücke von 3 m als zulässig erachtet.
Die grösste Hochwassermenge wurde für den höchsten Wasserstand des Maines im gegenwärtigen Jahrhundert, nämlich für jenen vom März 1845 mit 6 m über Niederwasser aufgrund früherer Messungen und Berechnungen für andere in der Nähe von Kitzingen befindliche Mainbrücken zu 2800 cbm angenommen. Der zugehörige Wasserspiegel, sowie das Hochwassergefälle an der Baustelle konnte mit Hilfe einiger oberhalb und unterhalb des Thalüberganges vorhandenen Hochwassermarken rechnerisch ermittelt werden, wobei zu berücksichtigen war, dass die neue Brücke im Staubereiche der 530 m flussabwärts stehenden Strassenbrücke über den Main, welche Kitzingen mit seiner Vorstadt Etwashausen verbindet, gelegen ist.
Mit der gefundenen Hochwasserhöhe konnte sodann aus dem benetzten Thalquerschnitte und dem Hochwassergefälle unter Anwendung der Ganguillet-Kutter’schen Formel
eine der angenommenen grössten Hochwassermenge sehr nahe kommende abfliessende Wassermenge berechnet werden.
Da sich in dem linksuferigen Ueberschwemmungs-Gebiete des Maines eine ausgesprochene Hochwasserrinne befindet, in welcher auch ein kleiner Bach fliesst, hielt man es für zweckmässig, hier eine von der Hauptbrücke getrennte Fluthbrücke zu errichten. Die rechnerische Vertheilung des Hochwassers auf diese beiden Brücken und auf die Abtheilungen derselben mit annähernd gleicher Wassertiefe geschah nun in der Weise, dass auch entsprechende Abtheilungen des benetzten Thalquerschnittes gebildet wurden, durch welche vor dem Bahnbau dieselben Wassermengen abflossen, wie später durch die bezüglichen Brückenöffnungen, so dass also eine einfach seitliche Verschiebung des Wassers gegen die Brücken zu vorausgesetzt wurde.
Mittels der hierbei für die einzelnen Theile des Fluthquerschnittes gefundenen Wasserspiegelbreiten konnten sodann die für den Zufluss des Wassers an den verschiedenen Brückenöffnungen maassgebenden Geschwindigkeits-Druckhöhen k berechnet werden, deren man zur Bestimmung der durch die Brücken strömenden Wassermenge bei Anwendung der bekannten Stauformel
bedurfte.
Indem man der Fluthbrücke unter Berücksichtigung der hierfür besonders einschlägigen Verhältnisse eine Lichtweite von 3 x 9 = 27 m gab und die Weite der Hauptbrücke zunächst unter Berechnung der Druckhöhe k für einen Stau von 35 cm, welche für sämmtliche Oeffnungen gleich gross angenommen war, bestimmte, konnte man sodann zur genauen Berechnung des durch den Bahnbau verursachten Staues des Main-Hochwassers nach der oben angegebenen Weise übergehen und fand, dass derselbe nicht ganz 35 cm betragen werde.
Die Geschwindigkeit des Wassers in den Oeffnungen für den Flusschlauch wurde hierbei zu 2,9 m, jenes in den Fluthöffnungen zu 2,7-2,8 m ermittelt. Es konnte daher der gewählte Lichtquerschnitt als den gestellten Anforderungen entsprechend beibehalten werden.
V. Zahl der Oeffnungen.
Bei der Festsetzung der Anzahl und Weite der einzelnen Oeffnungen der Hauptbrücke war vor allem den von der zuständigen Flussbaubehörde gestellten Bedingungen zu entsprechen. Hiernach durfte nur ein Pfeiler in das Fahrwasser treffen, dessen Standpunkt zugunsten der Thalschiffahrt, die sich nächst dem linken Ufer bewegt, etwas aus der Strommitte gerückt werden konnte. Die kleinste Breite der Fahrrinne durfte bei Niederwasser nicht unter 22 m betragen. Der Ziehweg musste unter der Oeffnung für die Bergschiffahrt mit mindestens 3,5 m Kronenbreite durchgeführt werden. Ferner sollte das in der fraglichen Flusstrecke für den Abstand der Leitwerke in Mittelwasserhöhe, d. i. 1 m über Niederwasser auf 64,3 m festgesetzte Maass auch ‘n der Brücke nahezu beibehalten werden.
Es wurde daher ein Theil des Körpers der Mainstockheimer Strasse als Leinritt in seiner seitherigen Lage belassen, die Strasse selbst dagegen durch einen Pfeiler von dem Ziehwege getrennt. Ein zweiter Pfeiler wurde in den Flusschlauch und ein dritter an das linkseitige Leitwerk gestellt.
Nun hätten wohl die beiden Oeffnungen zwischen diesen Pfeilern gleich weit gemacht werden können; da jedoch die Brückenoberfläche stark geneigt ist (wie erwähnt mit 25 ‰), so hätten bei gleicher Bogenweite entweder die Höhen der Bögen oder jene der Pfeiler ungleich ausfallen müssen. Man zog es aber vor, den Brückenöffnungen vom rechten gegen das linke Ufer zu, der geringeren Höhe derselben entsprechend, auch eine kleinere Weite zu geben.
Inden man sich dafür entschied, die Bogenanfänge gleich hoch zu legen und die gleiche Bogenform für die Oeffnungen links des ersten Pfeilers beizubehalten, ergab sich die Lichtweite dieser Bögen in einfachster Weise.
Der Bogen rechts des ersten Pfeilers, welcher hauptsächlich für die Unterführung der mehrgenannten Strasse dient, erhielt eine von jener der übrigen Bögen abweichende Form, für welche das Bestreben, den ersten Pfeiler nicht unverhältnissmässig stark ausfallen zu lassen, mitbestimmend war. So gelangte man zu dem zur Ausführung gebrachten Entwurfe der Brücke mit sechs verschieden weiten Bögen, welcher auf den umstehenden Abbildungen dargestellt ist.
VI. Einzelheiten des Entwurfes.
a) Pfeiler. Die Pfeiler der für Aufnahme eines Gleises angeordneten Brücke sind mit Ausnahme des ersten Pfeilers welcher 3,15 m Kämpferstärke hat, 3 m am Kämpfer breit und 3,8 m lang. Unterhalb der Kämpfer haben dieselben beiderseits rechteckige Vorköpfe, deren Vorderkanten auf der Bergseite durch kräftige Winkeleisen verstärkt sind. Die Pfeiler haben über Niederwasser ringsum einen Anlauf von 1:20, unter Niederwasser dagegen verbreitern sich dieselben rascher. Der erste Pfeiler ist unterhalb der Erdlinie mit Rücksicht auf den Ueberschub des zweiten Bogens einseitig ausgebildet. Die grösste Pressung des Baugrundes beträgt:
Bei dem ersten Pfleiler | 4,5 Atm. |
Bei dem zweiten Pfleiler | 6,5 Atm. |
Bei dem dritten Pfleiler | 6,3 Atm. |
Bei dem vierten Pfleiler | 6,1 Atm. |
Bei dem fünften Pfleiler | 6,3 Atm. |
Die stärkste Beanspruchung des Mauerwerkes dagegen ist
beim ersten Pfeiler | auf Zug 1,9 | und auf Druck 13,2 Atm. |
beim zweiten Pfeiler | auf Zug 1,5 | und auf Druck 13,3 Atm. |
beim dritten Pfeiler | auf Zug 1,4 | und auf Druck 12,3 Atm. |
beim vierten Pfeiler | auf Zug 2,0 | und auf Druck 12,2 Atm. |
beim fünften Pfeiler | auf Zug 2,5 | und auf Druck 11,7 Atm. |
b) Widerlager. Die beiden Widerlager sind einfache Fortsetzungen der äussersten Bögen. Dieselben haben rechteckigen Querschnitt, der sich gegen die Sohle zu nach beiden Richtungen entsprechend vergrössert. Bei der Gestaltung der Widerlager wurde der Erdschub der anstossenden Dämme in der Weise berücksichtigt, dass für die Erde Raumgewichte von 1,8 und 1,6 mit zugehörigen natürlichen Böschungsanlagen von 1:1,5 und 1: 1,25 angenommen und die hiermit sich berechnenden Erdschübe bei den verschiedenen Belastungsfällen in ungünstigster Weise eingeführt wurden. Es ergab sich hiermit der grösste Sohlendruck beim rechtseitigen Widerlager zu 7,3 und beim linkseitigen Widerlager zu 6,4 Atm. Als grösste Beanspruchung des Mauerwerks wurden gefunden
beim rechts. Widerlager 3,0 Atm. Zug und 13,9 Atm. Druck,
beim links. Widerlager 3,2 Atm. Zug und 15,0 Atm. Druck
e) Hauptbögen. Behufs Festsetzung der Pfeilhöhe der Brückenbögen legte man die Kämpferlinie auf die Höhe des 1845er Hochwassers und führte die Aussenlaibungen der Bögen bis 0,5 m unter die Bahnebene.
Für die Bemessung der Stärke der Bögen sollte eine grösste Druckbeanspruchung des Gewölbmauerwerks von 27 Atm. maassgebend sein, wogegen Zugspannungen ausgeschlossen waren.
Für die fünf Bögen gleicher Form wurde auch die gleiche Scheitelstärke von 1 m angenommen. Die Form der Bögen selbst wurde durch Versuch aus den Druck-Mittellinien bestimmt und musste der Bedingung entsprechen, dass die für die ungünstigsten Belastungsfälle möglichen günstigsten Stützlinien sämmtlich noch im Kerne d. h. im inneren Drittel des Bogens verliefen. Der erste Bogen wurde besonders entworfen und theils mit Rücksicht auf das Aussehen der Brücke, theils zwecks Vergrösserung des Bogenschubes etwas stärker als unbedingt nöthig gehalten. Die Scheiteldicke dieses Bogens beträgt 0,8 m.
Die Innenlaibungen sämmtlicher Bögen sind Korbbögen aus mehren einseitig vertheilten Mittelpunkten. Die Linie der Aussenlaibungen wurde dadurch festgelegt, dass der Aufriss der Fugenlänge überall gleich gross angenommen wurde.
Im Gewölbmauerwerk der Brückenbögen wurden behufs Verstärkung des seitlichen Zusammenhanges eiserne Schlaudern angeordnet.
Als grösste Druckbeanspruchung des Mauerwerks wurde ermittelt:
beim ersten Bogen | 15,8 Atm. |
beim zweiten Bogen | 27,1 Atm. |
beim dritten Bogen | 26,3 Atm. |
beim vierten Bogen | 27,2 Atm. |
beim fünften Bogen | 24,4 Atm. |
beim sechsten Bogen | 23,9 Atm. |
d) Sparbögen, Für die gewählte Anordnung der Uebermauerung der Pfeiler und Bogenschenkel war hauptsächlich die geringe Breite und verhältnissmässig grosse Höhe der Bögen ausschlaggebend. Die Weite der senkrecht zur Brückenansicht gestellten Sparbögen wurde nach einigen vergleichenden Untersuchungen auf 2 m festgesetzt, nachdem sich gezeigt hatte, dass bei einer grösseren Weite derselben wegen der hierbei nöthigen Verstärkung der Pfeiler keine nennenswerthe Verringerung des Mauerwerks erzielt, wohl aber durch die stark anwachsenden Einzellasten ein ungünstiger Verlauf der Stützlinien in den Hauptbögen veranlasst worden wäre.
Die ebenfalls als Korbbögen entworfenen Sparbögen erfahren bei einer Scheitelstärke von 0,3 m nur eine unbedeutende Beanspruchung. Wegen der geringen Masse dieser Gewölbe legte man indessen ihren Rücken um 0,3 m tiefer, als jenen der Hauptbögen, Die Pfeiler der Sparbögen sind je nach ihrer Höhe am Bogenanfange 0,6 bis 0,9 m stark und mit einem Anlaufe von 1:100 versehen. Die grösste Beanspruchung des Mauerwerks dieser Peiler beträgt auf Zug 2,7 und auf Druck 8,3 Atm.
e) Fahrbahntafel. Ueber den Spargewölben und dem höher gelegenen Theile der Hauptbögen sind die Stirnen der Brücke mit Stützmauern abgeschlossen, welche mit Steinplatten abgedeckt sind, die um 20 cm seitlich auskragen. An der Aussenfläche dieser Platten sind leichte Geländer aus Winkeleisen mit Lichtabstande von 4,2 m angebracht. Oberhalb der Hauptpfeiler der Brücke sind durch weiteres Vorspringen der Stirnlatten, welche dabei von Tragsteinen unterstützt werden, Kanzeln geschaffen, die bei 4,6 m Geländerabstand den beim Befahren der Brücke durch die Züge allenfalls auf derselben befindlichen Leuten sichere Standorte gewähren. Zur Ableitung des Tagwassers sind die schwach geneigten Flächen zwischen den Stirnmauern und die Innenwände dieser Mauern selbst mit Zementmörtel abgeglättet und mit Asphaltfilzplatten belegt.
An den tiefsten Stellen dieser wasserhaltenden Schichte sind die Hauptbögen durch eiserne Röhren durchbrochen, über welchen behufs Ermöglichung der Reinigung derselben Schächte mit rechteckigem Querschnitte aufgemauert sind, die bis nahe zur Bahnebene reichen und mit Eisenblech abgedeckt wurden. Der Raum über dem Asphaltbelag ist bis zur Brückenoberfläche mit Mainkies ausgefüllt.
VII. Gründung.
Die Pfeiler und Widerlager der Brücke sind sämmtlich auf dem sog. Hauptmuschelkalk gegründet, welcher an der Baustelle in abwechselnder Tiefe auftritt. Dieser Kalk ist hier indessen kein geschlossener Fels, sondern bildet 10 bis 25 cm dicke Steinbänke, welche durch Zwischenlagen von Schieferthon getrennt sind. Der Muschelkalk ist als sehr tragfähig zu erachten, sofern der Schieferthon nicht durch Wasserzutritt aufweicht und seitlich ausweichen kann, was hier nicht zu besorgen war. Es konnten daher die weiter oben angegebenen Beanspruchungen des Baugrundes unbedenklich zugelassen werden.
Spundwände mussten nur an den Baugruben des zweiten mit fünften Pfeilers und des linksseitigen Widerlagers geschlagen werden. Dieselben bestanden aus mit Nut und Feder von dreieckigem Querschnitte versehenen Dielen, welche bis auf die oberen Muschelkalkbänke eingetrieben wurden, wobei die Köpfe noch etwas über Mittelwasser herausragten. Die Lichtabstände der rechteckig geführten Spundwände betrugen bei den Pfeilern 6 auf 10 und beim Widerlager 9 auf 10 m.
VIII. Baumaterialien.
Das Mauerwerk der Brücke ist aus zweierlei Gattungen von Steinen des Hauptmuschelkalkes hergestellt. Vorwiegend sind Steine aus den in der Umgebung von Kitzingen befindlichen Brüchen verwendet worden, welche mit Landfuhrwerk zur Baustelle geschafft wurden. Zur Verkleidung der Pfeiler über Niederwasser, sowie der Stirnen der Hauptbögen, zum oberen Theile der Sparbögen, zu den Verzahnungen der Füsse der Pfeiler dieser Bögen, zu den Kämpfersteinen und Pfeilerkappen, sowie zu den Deckplatten der Binnen dagegen wurden Steine aus den Brüchen bei Winterhausen, sogenannter Trigonodus-Muschelkalk, genommen, welche auf dem Maine mit Schiffen beigefahren wurden.
Man verwendete diese theurere Steinart überall da, wo eine besondere Bearbeitung oder grössere Abmessungen der Steine für nöthig gehalten wurden, da sich die Steine aus dem plattenförmigen Kalk der Kitzinger Brüche nur schwer zurichten und in grossen Stücken überhaupt nicht brechen lassen.
Das Mauerwerk der Brücke ist im grossen Ganzen als Bruchstein-Mauerwerk ausgeführt. Die sichtbaren Flächen des aus Trigonodus-Kalksteinen bestehenden Mauerwerkes sind rauh bossiert oder gespitzt, jene des Mauerwerkes aus gewöhnlichen Kalksteinen dagegen nur mit dem Hammer eben gerichtet.
Zum Mörtel wurde Portland-Zement von der Mannheimer Fabrik, Weisskalk aus den umliegenden Brennöfen und Mainsand verwendet. Das Mischungs-Verhältniss war für das gewöhnliche Mauerwerk 1:1:5 bis 1:1:6 und für das Gewölb-Mauerwerk 1:¼:3. Zum Verbanden, sowie zu den Zementirungen wurde ein Mörtel vom Mischungs-Verhältnisse 1:½:2 verwendet. Die Mörtel wurden in gewöhnlichen Pfannen ohne künstliche Vorrichtungen von kräftigen Arbeitern gemischt.
Besondere Sorgfalt wurde darauf verwendet, dass der vermauerte Mörtel nicht zu rasch trocknete, zu welchem Behufe das frisch hergestellte Mauerwerk mit Tüchern bedeckt wurde, die feucht gehalten wurden.
Während der Bauausführung wurde der Portland-Zement einer fortlaufenden Prüfung unterzogen, die zu keinen Beanstandungen führte, Hierbei wurden auch Zugfestigkeits-Versuche sowohl mit sogen. Normenproben, als auch mit den zum Mauerwerk verwendeten, den Mörtelpfannen entnommenen Mörtelsorten gemacht. Als durchschnittliche Zugfestigkeit der ersten Probekörper fand man 28 Tage nach der Anfertigung derselben 14 Atm., wogegen jene der Mörtel 1:¼:3 und l:1:5 zu 13,4 bezw. 4,6 Atm. ermittelt wurde.
IX. Gerüste.
Zur Erleichterung der Aufmauerung der Pfeiler und Widerlager wurden feste Arbeitsgerüste mit den nöthigen Lehren hergestellt, welche bis über die Kämpfer reichten. Die Lehrgerüste der Hauptbögen bestanden aus drei Bindern, welche auf sechs bis sieben Reihen eingerammter Pfähle mittels eiserner Hebschrauben aufsassen. Die Gerüste des ersten und dritten Bogens, welche grössere Oeffnungen für die Unterführungen der Mainstockheimer Strasse und der Schiffahrtsgasse erhalten mussten, wurden gesprengt ausgeführt und erhielten lothrechte Gleitlager aus Doppel-T. und Rundeisen. Der Untertgurtder Lehrbögen bestand aus Doppel-T-Eisen, die übrigen Haupttheile derselben aus weichem Holze. An den Stössen von Hirnholz mit Langholz und mit dem eisernen Gurt waren entsprechend geformte Schuhe von Doppel-T- bezw. U-Eisen eingefügt. Die aus Dreiecken zusammengesetzten Lehrbögen trugen zunächst die Kranzhölzer, auf welchen die Bretterschalung nach der Längsrichtung der Brücke aufgebracht war. An den Stirnen der Lehrbögen waren für die Rückenlaibung der Gewölbe Lehren aus Latten befestigt. In Abständen von 4 bis 6 m waren auf den Lehrbögen sogenannte künstliche Widerlager angebracht und zwar auf dem ersten Bogen 4, auf den übrigen Bögen 6 Stück, so dass an den Gewölben gleichzeitig in 5 bis 7 Gruppen gearbeitet und von einer vorübergehenden Belastung der Lehrgerüste abgesehen werden konnte. Die Bolzen zur Befestigung der Zangen an den Lehrbögen waren so angebracht, dass die Strebhölzer nicht durchlocht wurden.
Die Lehrgerüste für die Spargewölbe wurden nur in geringer Zahl beschafft, da dieselben nach Ausrüstung einer Reihe dieser Bögen für eine andere verwendet werden konnten.
Auf der Bergseite der Brücke wurde ein Laufsteg angelegt, zu welchem auf beiden Ufern Lauftreppen führten. Ausserdem waren zwei Aufzieh-Krahnen aufgestellt.
X. Baubetrieb.
Die Arbeiten an der Baustelle selbst wurden am 17. August 1891 begonnen und wegen Eintritts starken Frostes gerade mit dem Jahresabschlusse eingestellt. In dieser Zeit wurden der zweite, dritte, vierte und fünfte Pfeiler bis zum Kämpfer aufgemauert und die Baugrube für das linksseitige Widerlager theilweise ausgehoben. Das Wetter und der Wasserstand des Mains waren diesen Arbeiten sehr günstig.
Der Wasserzugang konnte mit einer Zentrifugalpumpe von 25 cm Weite gut bewältigt werden. Das Mauerwerk wurde auf freigelegte stärkere Steinbänke aufgesetzt.
In der Baugrube des dritten Pfeilers stiess man auf eine bemerkenswerthe Verwerfung des Muschelkalkes, indem hier er durch die Grube ein etwa 1 m breiter Spalt lief, in welchem die Steinbänke schräg und zu dessen beiden Seiten dieselben ungleich hoch lagen. Es muss hier eine Erdsenkung stattgefunden haben, wie solche im Gebiete des Muschelkalkes vorkommen. Man füllte den Spalt nach Beseitigung der oberen, schrägen Platten mit Beton aus, was auch mit den für den Sauger der Pumpe in einer Ecke der Baugrube hergestellten Löchern geschah.
Während des Winters 1891/92 wurden die Lehrgerüste der Hauptbögen in Würzburg auf dem Werkplatze des Bauunternehmers abgebunden. Am 21. März 1892 konnten die Bauarbeiten an der Brücke selbst wieder aufgenommen werden.
Es wurden zunächst die beiden Widerlager und der rückständige Pfeiler bis zu den Bogenanfängen aufgemauert sowie die Lehrgerüste, vom linken Widerlager beginnend, aufgestellt. Anschliessend an dieses Widerlager wurde schon nach Aufrichtung des Lehrgerüstes für den sechsten Bogen der untere Theil dieses Gewölbes aufgemauert. Hierbei that sich infolge der Nachgiebigkeit des Gerüstes eine Bruchfuge in der Nähe des Bogenanfanges auf, welche kurz vor dem Schlusse des sechsten Bogens mit Zementbrei ausgegossen wurde.
Nachdem auch der vierte und fünfte Lehrbogen stand, wurde der sechste Bogen eingewölbt und es folgten sich nun die Arbeiten gegen das rechte Widerlager zu fortschreitend in der Weise, dass bald nach Schluss eines Bogens auch die Sparbögen aufgemauert wurden, wozu man sich mit Rücksicht auf die rechtzeitige Fertigstellung der Brücke entschliessen musste. Die Ausrüstung der Hauptbögen erfolgte gleichfalls von links nach rechts und zwar nachdem der sechste Bogen 67 Tage, der fünfte 63, der vierte 54, der dritte 41, der zweite 45 und der erste Bogen 24 Tage geschlossen auf dem Lehrgerüste geruht hatte.
Die Ausrüstung geschah ohne Zwischenfall durch langsames gleichmässiges Nachlassen der Hebeschrauben. Die hierbei beobachteten Senkungen der Gewölbscheitel betrugen bei dem sechsten Bogen 10 mm, beim fünften 8 mm, vierten 10 mm, dritten 11 mm, zweiten 3 mm, ersten 0 mm.
Eine Senkung der Widerlager und Pfeiler trat nicht ein. Es beruht daher die Senkung der Bögen im Scheitel nur auf einer Zusammendrückung des Gewölb-Mauerwerkes. Die Folge dieser Verkürzung der Bögen war nothwendigerweise, dass oberhalb der Hauptpfeiler und Widerlager die Sparbögen im Scheitel sich öffneten. Die hierbei aufgetretenen offenen Fugen wurden vor der Aufbringung der Zementabdeckung sorgfältig mit Zement ausgegossen. Nachdem auch die Zementirungen vollendet waren, wurden die doppellagigen Asphalt-Filzplatten von Hoppe & Röhming in Halle a. S. verlegt und schliesslich die Kiesauffüllung mittels Aufzugs bethätigt, so dass am 22. Oktober ein Gleis für eine Hilfsbahn über die Brücke gelegt und dieselbe alsbald mit einer Baulokomotive befahren werden konnte.
XI. Aeussere Erscheinung und Verhalten der Brücke.
Bezüglich des Aussehens der Brücke war darnach gestrebt worden, den Eindruck der Stabilität mit jenem einer gewissen Leichtigkeit zu verbinden, welch’ letztere Absicht durch die Auflösung der über den Pfeilern lagernden schweren Mauermassen mittels Sparbögen erreicht wurde. Das Bauwerk hat dadurch ein leichtes, beinahe zierliches und von der Ferne gesehen, fast an eine Eisenbogen-Konstruktion erinnerndes Aussehen gewonnen. Allerdings musste mit dieser Anordnung der Spargewölbe senkrecht zur Brückenaxe der Nachtheil in den Kauf genommen werden, dass bei der Länge der Brücke und dem durch Anwendung vorzüglichen Mörtels bewirkten festen Zusammenhalt ihres gesammten Mauerwerkes, welches einen einzigen, fest zusammengewachsenen Mauerkörper darstellt, die von den Temperatur-Schwankungen herrührenden Aenderungen in der Längenausdehnung der Brücke nach der Richtung ihrer Axe auf eine Spaltung der Spargewölbe nach deren Längsrichtung hinwirken.
Diese Wirkung hat sich in der That schon geltend gemacht. In dem der Bauvollendung folgenden strengen Winter, in welchem die Brücke ohne Nachtheil auch den ersten stärkeren Anprall beim Abgange des Eises ertrug, thaten sich infolge des starken Frostes alsbald auch die früher bei der Bogenausrüstung geöffneten Fugen in den Sparbögen wieder auf und erreichten eine grösste Weite von 4 mm. Im Sommer 1893 schlossen sich die Fugen wieder so völlig, dass sie kaum mehr aufgefunden werden konnten, um im Spätherbst dieses Jahres mit Beginn stärkeren Frostes sich aufs neue zu öffnen.
Da die Sparbögen eine verhältnissmässig geringe Weite haben, so erscheint die Trennung einiger derselben um so weniger bedenklich, als der stark gekrümmte Theil derselben aus keilförmigen Steinen hergestellt ist. Man konnte sich. damit begnügen, die Fugenöffnungen zwecks Abhaltung des Tagwassers sorgfältig mit Blech abzudecken.
XII. Baukosten.
Die Gesammtkosten der Brücke betragen rd. 153 000 M., wovon auf die Lehrgerüste der Hauptbögen allein die sehr bedeutende Summe von 36 000 M. trifft. Die Brücke enthält 3063 cbm Mauerwerk, wovon das cbm einschliesslich der Rüstungen und aller Nebenarbeiten durchschnittlich 38 M. kostet. Das laufende m der Brücke kommt auf rd. 727 M. zu stehen.
Diese Kosten dürften indessen für eine über 210 m lange, massive, unter der Belastungs-Vorschrift der Hauptbahnen gebaute, im Mittel beinahe 15 m über Flussohle hohe, wenn auch nur eingleisige Eisenbahnbrücke als sehr mässig erkannt werden und das vorliegende Bauwerk gerade durch seine geringen Kosten besonders bemerkenswerth sein.
Zum Vergleich mag die ältere, seit Mitte der 60er Jahre bestehende eiserne Eisenbahnbrücke mit 5 Oeffnungen zu je 35 m (mit Pauli’schen Trägern überdeckt) dienen, welche etwa 19 m hoch über Niederwasser unterhalb Kitzingen über den Main geführt ist. Diese Brücke wurde im Mauerwerk gleich anfänglich auf Doppelbahn hergestellt und die Eisenkonstruktion für das 2. Gleis in jüngster Zeit beigefügt. Die Gesammtkosten dieser Doppelbahn-Brücke beliefen sich auf rd. 751 000 M.
Entwurfs-Aufstellung und Leitung des Baues der Brücke oblag dem Unterzeichneten, während die Oberleitung von der Bauabtheilung der Generaldirektion der kgl. bayer. Staatseisenbahnen in München wahrgenommen wurde, bei welcher als Sachreferent der kgl. General-Direktionsrath Eschenbeck thätig war.
Bei Aufstellung des Entwurfes war insbesondere auch der jetzt in Reichsdiensten stehende kgl. Abtheilungs-Baumeister Englmann mitbetheiligt. Der Bau der Brücke war in der Hauptsache an das Baugeschäft von Friedrich Buchner in Würzburg im Vertragswege vergeben. Das eiserne Geländer wurde von dem Fabrikanten Wilhelm Schweickert in Würzburg hergestellt. Die kgl. Bauverwaltung übernahm zur eigenen Ausführung nur einige kleinere Arbeiten, wie die vorübergehende Verlegung der Mainstockheimer Strasse, die Ausbaggerung des Flusses unter dem ersten Bogen usw. Mit der Bauführung an der Brücke war der kgl. Abtheilungs-Ingenieur Landgraf betraut. Dessen sachverständiger Leitung der Bauarbeiten, sowie der Geschäftstüchtigkeit der Bau-Unternehmung, deren verdienter Theilhaber, Kommerzienrath Karl Buchner und deren leitender Ingenieur Leonhard Opel leider die Vollendung der Brücke nicht erleben sollten, ist es mit zu verdanken, dass mit dieser Brücke ein Bauwerk geschaffen wurde, welches von der erspriesslichen Handhabung der neueren Mauertechnik und überhaupt von dem Fortschritte der deutschen Baukunst im Gebiete der Herstellung steinerner Brücken erneutes Zeugniss ablegen dürfte.
Aug. Hofmann, kgl. Betriebs-Ingenieur.
Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutsche Bauzeitung.