Russische Eisenbahnpläne in Persien und Afghanistan

Beitragsbild

Nach den Mittheilungen des St. Petersburger Herold ist kürzlich die Eisenbahn vom persischen Hafen Enseli-Rescht, am Südufer des Kaspischen Meeres, nach der Hauptstadt Teheran eröffnet und einige Wochen früher die neue russische Küstenbahn am Westufer des Kaspischen Meeres von Petrowsk (Wladikawkas-Petrowsk-Eisenbahn) über Derbent nach Baladshary (letzte Station vor Baku auf der Transkaukasischen Eisenbahn) dem Verkehr übergeben worden.

Zur Verbindung der persischen Bahn Rescht-Teheran mit dem Eisenbahnnetz Russlands sollen vom Ministerium der Wegebauten Vorarbeiten von der Transkaukasischen Eisenbahn in der Richtung Tiflis, Eriwan, Täbris, Rescht und von der Station Baladshary am Südwestufer des Kaspischen Meeres bis nach Rescht angeordnet worden sein. Nach einem früheren Vertrage hat der Schah Russland das Recht eingeräumt, Eisenbahnbauten in Persien auszuführen. Das russisch-persische Uebereinkommen soll bis zum Jahre 1909 festgelegt sein.

Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.

Bisher haben aber grössere und wichtigere Aufgaben (sibirischer Bahnbau) die russische Regierung verhindert, den Eisenbahnplänen in Persien näher zu treten. Die angeordneten Vorarbeiten weisen darauf hin, dass jetzt die Absicht besteht, vom Kaukasus das russische Bahnnetz nach der persischen Grenze vorzuschieben, um demnächst mit der Weiterführung der Eisenbahnen in Persien selbst beginnen zu können. Nach den Angaben russischer Blätter sollen für die zukünftige russisch-persische Bahn folgende Linien vorgeschlagen sein.

  1. Von der Transkaukasischen Eisenbahn, die jetzt durch die neue Küstenbahn mit dem russischen Bahnnetz verbunden ist, über Rescht, Teheran, Kaschan, Ispahan, Schiras nach einem Hafenplatz am Persischen Meerbusen.
  2. Von einer Station der Transkaspischen Eisenbahn (Aschabad) über Mesched nach dem Küstenplatz Bender-Abbas am Persischen Meerbusen. Neben diesen beiden Hauptlinien, die Russland den Zugang nach dem Indischen Ozean eröffnen würden, ist noch eine Zweiglinie nach der Provinz Seistan vorgeschlagen worden.

Zur Erleicherung der Waareneinfuhr nach Persien haben russische Gesellschaften unter dem Schutz der Regierung zwei grössere Kunststrassen, von Enseli-Rescht nach Teheran und von Aschabad nach Mesched (Provinz Chorassan), erbaut. Bisher war der Handel Russlands mit Persien unbedeutend. 1896 wurden Waaren im Werthe von nur 14 496 000 Rbl. (etwa 31 166 400 M.) nach Persien eineführt und von 7 513 000 Rbl. (etwa 16 152 950 M.) nach Russland ausgeführt. Alle Waaren konnten bisher nur auf schlechten Wegen unter grossen Schwierigkeiten nach Persien gelangen und mit den Erzeugnissen der Engländer nicht in Wettbewerb treten. Die neuen Einsebahnpläne Russlands in Persien dürften daher thatkräftige Unterstützung durch russische Handelskreise erfahren.

Russische Eisenbahnpläne in Persien und Afghanistan
Russische Eisenbahnpläne in Persien und Afghanistan

Von grosser politischer Bedeutung sind auch die Eisenbahnpläne Russlands in Afghanistan. Russisch Turkestan ist durch die Transkaspische Eisenbahn mit dem Kaspischen Meere und Aaron die bei Baku und Petrowsk ausmündenden Bahnen mit dem inneren Eisenbahnnetz verbunden. Die im Jahre 1880 während des Feldzuges gegen die Tekke-Turkmenen von General Annenkow erbaute Transkaspische Eisenbahn ist bereits über Buchara und Samarkand bis nach Andischan (Provinz Ferghana), unweit der chinesischen Grenze, vorgeschoben und mit Taschkent in Verbindung gebracht worden. Von Merw wurde im Dezember 1898 im Thal des Murghab eine Eisenbahn von etwa 300 km Länge bis nach Kuschk eröffnet. Dieser Ort liegt 8,5 km vom Grenzposten Kara-Tepe in Afghanistan, etwa 150 km von Herat und 650 bis 700 km von Tschaman, dem Endpunkt der indischen Quettabahn, entfernt. Die Fortführung der Murghab Eisenbahn (Merw Kuschk) durch Afghanistan wird jetzt, wo die Engländer durch die kriegerischen Ereignisse in Südafrika militärisch gebunden sind, in der russischen Presse dringend befürwortet. Durch die geschlossene russisch-europäische und mittelasiatische Verbindung ist Russland jetzt im Stande, einen grösseren Einfluss auf den Emir wegen der Eisenbahnpläne in Afghanistan auszuüben und gegen die Einflüsse der Engländer mit mehr Nachdruck vorzugehen. In England hegt man die Befürchtung, dass Russland mit dem Emir bereits Verhandlungen über die Verlängerung der Murghab-Eisenbahn nach Afghanistan angeknüpft hat, die eines Tages mit ähnlicher Plötzlichkeit wie die ost-chinesische und südmanschurische Linie ins Leben treten könnte. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 30.12.1899 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „T.“.