Beton-Brücke über die Donau bei Munderkingen

Mitgetheilt vom Abth.-Ing. Gugenhan in Cannstatt. Der Vorstand der württembergischen Ministerial-Abtheilung für den Strassen- und Wasserbau, Präsident K. von Leibbrand, hat zu Ende des vergangenen Jahres seinen weitgespannten Steinbrücken mit gelenkartigen Einlagen von Weichblei ein weiteres interessantes Bauwerk hinzugefügt.

Es ist dies die auf Kosten der Gemeinde Munderkingen mit Staatsbeitrag erbaute Beton-Bogenbrücke über die Donau von 50 m sichtbarer Spannweite, 5 m Pfeilhöhe, 7,56 m Gewölbebreite und eisernen Gelenken im Scheitel und an der Kämpfern.

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Der erste von der gen. Stadtgemeinde aufgestellte Entwurf, bei welchem die Donau mit 2 Bögen von 24 und 27 m Weite überspannt werden sollte, wurde mit Rücksicht auf die schwierige und theure, 6 m unter Niederwasser reichende Gründung des Mittelpfeilers von der staatlichen Ober- Aufsichtsbehörde nicht gut geheissen und der Stadtgemeinde ein auf Staatskosten umgearbeiteter Entwurf zur Ausführung empfohlen.

Abbildg. 2 – Lageplan

Die seit 10 Jahren in Württemberg beim Bau weit gespannter, gewölbter Brücken üblich gewordenen Einlagen von gelenkartig wirkenden Bleiplatten im Scheitel und an den Kämpfern hat in erster Linie den Zweck, das Gewölbe zu einer statisch bestimmten Konstruktion zu gestalten, bei welcher jeder Konstruktionstheil mit der dem heutiger technischen Wissen entsprechenden Sicherheit berechnet werden kann. Ausserdem aber haben derartige Einlagen zurfolge, dass die nothwendigen Senkungen des Gewölbe: vor sich gehen können, ohne dass Risse in dem Gewölbe entstehen und dass das ungehinderte Spielen des Bogens bei wechselnder Temperatur erfolgen kann, ohne dass die schädlichen Nebenpressungen im Gewölbe auftreten.

Zum ersten male sind bei der Munderkinger Brücke statt der Bleiplatten, welche bei den überaus starken Pressungen zu „stark getlossen” wären oder zu grosse Breite hätten erhalten müssen, wirkliche Gelenke aus Flusseisen und Stahl angewendet worden. (Abbildg. 9-12).

Abbildg. 9-12 – Eisernes Brückengelenk

Die Gelenke sind nicht in einem Stück auf die ganze Gewölbelänge durchgehend angenommen worden, es sind vielmehr, entsprechend dem englischen Fugenschnitt des unter 15 Grad schiefen Brückengewölbes, auf die Gesammtbreite der Brücke je 12 solcher 50 cm langen Gelenke treppenförmig neben einander, in Abständen von 10 cm eingesetzt worden. Ein solches Gelenkstück wiegt an Flusseisen 385 kg, an Stahl 16 kg und kostete 115 M.

Bei sorgfältiger Aufsicht und sachkundiger Ueberwachung hätten diese Gelenke recht wohl frei und sichtbar bleiben können. Da die Unterhaltung der Brücke jedoch Sache der Gemeinde ist, hat man es vorgezogen, die Gelenke, nachdem der Bogen ausgeschalt und zur Ruhe gekommen war, mit Zementmörtel im Mischungs-Verhältniss 1 Zement : 2 Sand aufs sorgfältigste auszufüllen. Diese Füllung und Umhüllung der Gelenke soll nur eine Gewähr dafür geben, dass sie unversehrt erhalten bleiben und im Laufe der Jahre nicht durch Rost zu Schaden kommen; an der Druckvertheilung im Gewölbe wird selbstverständlich dadurch nichts geändert.

Beton-Brücke über die Donau bei Munderkingen

Die auf dem Wege des Versuchs gefundene Gewölbeform der in einer Steigung von 3 % liegenden Brücke ist der mittleren Drucklinie für Vollbelastung angepasst. Bei der Annahme eines spezifischen Gewichts des Betons von 2,3 und einer beweglichen Last von 400 kg auf 1 qm berechnet sich die grösste Inanspruchnahme bei einer Scheitelstärke von 1m zu 34,2 at., bei einer Kämpferstärke von 1,1 m zu 34,4 bezw. 34,9 at.

Eine weitere Eigenthümlichkeit dieser Brücke besteht in der äusserlich nicht erkennbaren fischbauchartigen Anordnung der beiden Gewölbehälften. In den beiden Bruchfugen ist nämlich die Gewölbedicke so vergrössert und die Form des Gewölbes so gewählt worden, dass die daselbst auftretenden grössten Beanspruchungen an der inneren und äusseren Laibung des Gewölbes gleich gross und gleich der grössten Belastung des Scheitels und Kämpfers werden.

Allein nicht nur der Entwurf, auch die Ausführung bietet manches Neue.

Abbildg. 8 – Querschnitt im Scheitel
Abbildg. 6 – Kämpfer-Querschnitt
Abbildg. 5 – Querschnitt im Scheitel

Für die Gründung der neuen Brücke bot der rechtsseitig anstossende Jurafelsen die denkbar günstigsten Verhältnisse; er wird mit 14,5 at. gedrückt. Am linken Ufer dagegen lag der Felsen 6 m unter Niedrigwasser. Aus Gründen der Sparsamkeit wurde hier eine Pfahlgründung gewählt und der Druck auf das Kiesfundament durch Erbreiterung und Verlängerung des Brückenfundaments zu ermässigen gesucht. Der im Mischungs-Verhältniss 1 Zem. : 2 ½ Sand : 5 Kies hergestellte linksseitige Fundament-Betonklotz von 14,2 m Breite und 9,5 m Länge ruht auf 145 Stück schief eingerammten Pfählen und übt infolge dieser Erbreiterung auf seine aus Kies bestehende Unterlage nur einen Druck von höchstens 2,9 at. aus.

Der Ausführung des Brückengewölbes gingen grösstentheils aus anderweitigen Anlässen entsprungen ausgedehnte Materialproben und Festigkeits-Versuche voraus, welche von der Material-Prüfungsanstalt der technischen Hochschule in Stuttgart, von dem mechanisch-technischen Laboratorium der technischen Hochschule in München und dem Bauschinger’schen Laboratorium auf Kosten der württembergischen Ministerial-Abtheilung für den Strassen- und Wasserbau ausgeführt wurden. Diese Untersuchungen erstreckten sich auf Buntsandstein-, Zementmörtel- und Mauerwerks-Körper [Zwei Steinwürfel mit zwischenliegender Fuge; (vergl. Wochenblatt für Baukunde 1887, S. 336).], sowie auf solche Körper, die aus zementarmem, nach dem patentirten Verfahren von Ing. O. Böcklin in Lauffen am Neckar (D. R.-P, 66415) in Kollergängen gemischtem Mörtel und Beton hergestellt waren.

Ausschlaggebend für die Wahl einer Betonbrücke war einestheils das Vorhandensein schönen Jurakieses und reinen Sandes in unmittelbarer Nähe der Baustelle, anderentheils die Billigkeit (2,90 M. für 100kg frei Station Munderkingen) sowie die vorzügliche und gleichmässige Beschaffenheit des Fabrikats der nah gelegenen oberschwäbischen Zementfabriken Blaubeuren und Ehingen. Diese Fabriken machten sich zudem noch anheischig, den für das Gewölbe bestimmten Zement besonders fein und derart zu mahlen, dass in dem Normalsieb von 900 Maschen auf 1 qm kein Rückstand, bei 5000 Maschen dagegen nur 15 % Rückstand bleiben dürfe. Diesem Umstand ist nicht zum geringsten die grosse Festigkeit des Betons zuzuschreiben.

Aber auch die Herstellung des Betons in einer mit Dampfkraft betriebenen Mischtrommel trug dazu bei, dass dessen Festigkeit eine ungewöhnlich grosse wurde. Diese Mischtrommel, im Besitze der Zementfabrik Ehingen stehend, besteht, wie die Abbildg. 13 und 14 zeigen, aus einem um eine wagrechte Axe drehbaren Eisenblech-Zylinder, in welchem sich 40 Stahlkugeln von 12 cm Durchmesser befinden. Der Zylinder wird durch eine Blechklappe verschlossen, unter welcher sich ein entsprechend gebogener Rost befindet, dessen Eisenstäbe nur 11 cm lichten Abstand haben, so dass nach Oeffnung der Klappe die Betonmaterialien mittels eines Fülltrichters durch den Rost in die Trommel hineinzufallen vermögen, die Stahlkugeln jedoch beim Entleeren nicht aus der Trommel herausfallen können.

Abbildg. 13 u. 14 – Beton-Mischmaschine

Nachdem in dieser Trommel die etwa 2 Minuten lang dauernde, trockene Mischung der Betonmaterialien vollzogen war, wurde durch die hohle Trommelaxe die erforderliche Wassermenge durch eine feine Brause eingespritzt; nach weiteren 3 Minuten Drehung der Trommel war die 0,6 cbm messende Betonmischung fertig; die Herstellung von 1 cbm Beton kostete, ohne den Aufwand für Aufstellung der Maschine und des Transportgerüstes nur 1,76 M.

Die Wirkung dieser Trommel besteht nicht etwa darin, dass Schotter, Kies und Sand weiter zerkleinert werden; vielmehr wird in der Hauptsache der Zement kräftig an die Flächen der übrigen Materialien gedrückt, fein und gleichmässig vertheilt.

Abbildg. 7 – Längenschnitt mit Lehrgerüsten

Auf diese Art erzeugter Beton aus besonders fein gemahlenem Zement (im Verhältniss 1 Zement : 2 ½ Sand : 5 Schotter gemischt), ergab in Würfeln von 10 cm Seitenlänge geformt, nach siebentägigem Erhärten an der Luft im Mittel 202 at., nach 28 Tagen im Mittel 254 at., nach 5 Monaten sogar 340 at. Festigkeit, so dass die als zulässig angenommene Maximalpressung von 34,2 bezw. 38 at. im Brückengewölbe genügende Sicherheit ergab.

Lehrgerüste, die wie üblich vor Beginn des Wölbens belastet wurden, Anordnung der Spanndrillräume usw. weichen von den anderweitigen Anordnungen nicht nennenswerth ab.

Es war ursprünglich beabsichtigt, den Bogen aus Sparsamkeitsrücksichten bei Wiederverwendung der Gerüsthölzer in 2 Hälften zu wölben; der Kürze der Bauzeit wegen wurde jedoch hiervon abgesehen.

Abbildg. 4 – Horizontalschnitt Grundriss

Die Arbeiten begannen am 11. April 1893; der Gewölbeschluss fand am 7. August, die völlige Ausschalung am 4. September 1893 statt. Nach 7 monatlicher Bauzeit konnte die Brücke am 16. November 1893 dem Verkehr übergeben werden; sie hat sich seither tadellos gehalten. Die Gesammteinsenkung betrug nach Rechnung 146 mm, in Wirklichkeit nach der ersten Ausschalung am 17. August 93 mm, am 18. Januar 1894 dagegen flussauf 147, flussabwärts 144 mm.

Der Gesammtaufwand für die Brücke unter Ausschluss der Zufahrten betrug 71 000 M.; es kostet sonach 1 qm Verkehrsfläche bei 50 m sichtbarer Spannweite und 8 m Breite zwischen den Geländern 177 M. Wird jedoch der Berechnung die mittlere Stützweite zwischen der Fundamentmitte von 59 m zugrunde gelegt, so betragen die Brückenbaukosten für 1 qm Verkehrsfläche 150 M.

Der Aufwand für Brücken- und Strassenbau zusammen betrug 90 000 M., wozu der Staat 33 000 M. Beitrag leistete und die Bauleitung übernahm.

Ueber die Ausführung der Brücke ist noch folgende zu sagen. Der inneren Laibung des Gewölbes ist durch die auf die Einschalung aufgenagelten Leisten von trapezförmigem Querschnitt eine Theilung nach der Richtung des englischen Fugenschnitts gegeben worden. Die Stirnen der Gewölbe wurden vollständig mit gehobelten Brettern eingeschalt, auf welche keilförmig verjüngte Hölzer aufgenagelt wurden, um die Abfasung und die Bosseneintheilung desselben zu erhalten. Die nach Art des cyklopischen Mauerwerks mit Weissjura-Kalksteinen verkleideten Stirnen der Bogenzwickel stehen gegen den tragenden Gewölbebogen (Bossenvorsprung nicht mit eingerechnet) um 8 cm zurück, wodurch letzter in Gemeinschaft mit der unten beschriebenen Buntsandsteinfärbung als hauptsächlichster Konstruktionstheil wirksam und kräftig zur Geltung kommt. Die in einfachen Formen gehaltenen Konsolen und Gesimsdeckplatten tragen ein leichtes Geländer aus schmiedeisernen Geländerpfosten und Stahlröhren. Die Geländerpfosten bestehen aus I-Träger und sind mit Gusseisensockel und übergelegtem Ziereisen versehen worden.

Ein charakteristisches Aussehen erhält die Brücke hauptsächlich durch die 2 gewölbten Durchgänge von 2,5 m Weite, welche einerseits zur Verbindung der oberhalb und unterhalb der Brücke gelegenen städtischen Anlagen, andererseits zur Fortführung des Uferpfades am Fusse der alten Stadtmauer dienen. Diese auf den Brückenfundamenten aufgesetzten Durchgänge sind im Aeussern aus Betonquadern hergestellt worden, welche durch grosse Bossenquaderschichten unterbrochen wurden.

Ueber den Schlusssteinen in den Seitendurchlässen sind Laternen tragende Obelisken auf der Brückenbrüstung aufgesetzt; den kräftig ausragenden Schlussstein der Hauptbrücke dagegen bekrönt die Statue des heiligen Nepomuk, des Beschützers der Brücken.

Ferner wurde durch ausgedehnte Verwendung von grünlich, röthlich und gelblich gefärbtem Zement, welcher mit einem Preiszuschlag von 3-6 M. für 100 kg bezahlt werden musste, mit Geschick und Erfolg versucht, den sichtbaren Brückentheilen das den Betonbauten eigene, unerfreuliche Aussehen zu benehmen.

Abbildg. 3 – Ansicht Flussaufwärts

Die Herstellung der farbigen Aussenflächen geschah folgendermaassen. Ehe der Beton an den Stirnen der Gewölbe eingebracht wurde, ist daselbst mit trockenem Zementmörtel im Verhältniss 1 Farbzement : 2 feinem Sand auf etwa 10 cm Dicke die Stirne des Gewölbes vorgesetzt und auf das Sorgfältigste festgeklopft und festgestossen worden; der feuchter als gewöhnlich gehaltene Gewölbebeton hat sich mit dieser Verkleidung in tadelloser Weise verbunden. Auf die eben beschriebene Art wurden die Stirnen des Gewölbes sammt den in die untere Laibung übergreifenden Verzahnungen, die grossen Bossenquaderschichten der Seitendurchlässe, die Konsoleschichten und Deckenquader im Tone des Buntsandsteins mit röthlichem Zement gefärbt.

Zu den Brüstungen, den glatten Schichten der Seitendurchlässe usw. wurde schwach grünlich gefärbter Zement und zum Versetzen der lichtgelben Weissjura-Verkleidsteine hellgelblich gefärbter Zement verwendet.

Da, wie oben beschrieben, die Färbung etwa 10 cm tief ist, so wurden ausserdem noch die vorkommenden Bossen mit Hammer und Schlageisen nachgearbeitet und hierdurch dem Beton das kalte, abstossende Ansehen genommen; er ist thatsächlich nur bei näherer Betrachtung vom Buntsandstein zu unterscheiden.

Die Gesammtwirkung, welche das Bauwesen durch die der Konstruktion vollständig angepasste Architektur und durch die Farbenwirkung der selbstverständlich in zartesten Tönen gehaltenen Flächen auf den Beschauer ausübt, muss als eine vollständig befriedigende und harmonisch schöne bezeichnet werden. – Die Oberleitung des Baues der beschriebenen Brücke lag Hrn. Oberbaurath Euting in Stuttgart ob; die Leitung der Ausführung selbst war Sache des Strassenbau-Inspektors Braun in Ehingen.

Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutsche Bauzeitung.