Die neuen städtischen Amtsgebäude mit Festräumen in Frankfurt a. M.

Die neuen städtischen Amtsgebäude mit Festräumen in Frankfurt a. M.

Architekten: Franz von Hoven und Ludwig Neher in Frankfurt a. M.

Im Anfang dieses Sommers wurde in der Frankfurter Stadtverordneten-Versammlung der von den Architekten , Franz von Hoven und Ludwig Neher ausgearbeitete und durch ein Modell anschaulich vorgeführte Entwurf zur Ausführung umfangreicher Amtsgebäude mit Festräumen im Anschluss an die geschichtlich merkwürdige Gebäudegruppe des Römers endgiltig genehmigt und der Beschluss gefasst, die genannten Architekten mit der Ausführung des geplanten Bauwerkes zu betrauen. Damit haben langjährige Verhandlungen, welche auch in der Presse mehrfach zur öffentlichen Besprechung Anlass gegeben haben (s. Jahrg. 1898, S. 366 ff.), ihren Abschluss gefunden, und es erscheint nunmehr angezeigt, auch die fernerstehenden Fachkreise mit dieser interessanten Bauaufgabe näher bekannt zu machen.

Die fortwährende Steigerung des Bedürfnisses an Amtsräumen ist ein Umstand, der sich zurzeit in jedem grösseren, stark aufblühenden Städtewesen bemerklich macht. Die alten Rathhäuser genügen diesem Bedürfnisse nicht mehr, und man sieht sich zu umfassenden Anbauten oder gar zu einem Neubau genöthigt, der oft genug die Erhaltung des alten, liebgewordenen Rathhauses infrage stellt. Für Frankfurt a. M. gestalteten sich die Umstände besonders eigenartig, weil das durch die Festmahle bei Gelegenheit der Kaiserkrönungen bekannt gewordene Stadt- und Rath-Haus, der sogenannte „alte Römer“, in Wahrheit nur eine unregelmässige Gruppe von Wohngebäuden ist, die durch Ein- und Umbauten in den verschiedensten Zeiten nothdürftig zu einem öffentlichen Gebäude zusammengeflickt worden waren. Selbst die mit grösserem Raumgefühl angelegte Römerhalle, die Festtreppe und der Kaisersaal tragen die unverkennbaren Spuren des nachträglichen Einbaues in enge Verhältnisse an sich, so dass sie weder in der Grösse, noch in der Ausstattung heute mehr den Anforderungen entsprechen, welche mit Recht an das Rathhaus einer Stadt von der Bedeutung Frankfurts gestellt werden.

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Trotz dieser wenig günstigen Verhältnisse legte die geschichtliche Bedeutung des Römers die Pflicht auf, mindestens die wichtigsten Theile desselben für die Zwecke zu erhalten, denen sie seit Jahrhunderten gedient haben, da eine andere Bestimmung, z. B. als historisches Museum, durch die ungünstigen Zirkulations- und Beleuchtungs-Verhältnisse ausgeschlossen erschien und somit durch Aufführung eines ganz neuen Rathsgebäudes an anderer Stelle die Frage über die Zweckmässigkeit der Erhaltung des alten Hauses nur zu bald aufgeworfen worden wäre. Aus diesen Gründen ergab sich die bestimmte Aufgabe, das oder die neuen Gebäude, in welchen die bisher zerstreut und nothdürftig untergebrachten allgemeinen Amtsräume und städtischen Büreaus, sowie grössere Fest- und Repräsentations-Räume Aufnahme finden sollten, im unmittelbaren Anschluss an die alte Römergruppe zu errichten.

Die neuen städtischen Amtsgebäude mit Festräumen in Frankfurt a. M.
Die neuen städtischen Amtsgebäude mit Festräumen in Frankfurt a. M.

Unter Berücksichtigung der das Römergebäude umgebenden historischen Plätze des Römerberges und des Paulsplatzes musste der Raum zu den geplanten Erweiterungsbauten naturgemäss in einer Erstreckung nach Westen gesucht werden, wo sich hierzu günstige Gelegenheit an dem neuen Strassendurchbruch bot, der die Altstadt Frankfurt von West nach Ost durchqueren soll, um die weiter nördlich gelegene Strassenlinie (Kaiserstrasse-Zeil) zwischen West- und Ost-Bahnhof zu entlasten. Nach den neuesten Bestimmungen soll dieser Strassenzug vom Kaiserplatz bis zum Paulsplatz den Namen „Bethmannstrasse“ und von da ab weiter östlich den Namen „Braubachstrasse“ führen. Der südlich von der Bethmannstrasse gelegene Theil der Altstadt enthält in einem Gewirr enger Gässchen manches beachtenswerthe Gebäude, und besonders die Rücksichtnahme auf die etwa mögliche Erhaltung des Gläsernhofes und auf die Durchfahrtsrechte des weiter nach Süden bis an den Main sich erstreckenden Theiles der Altstadt erschwerte hier eine übersichtliche Bauentwicklung in hohem Grade. Thatsächlich sind auch die Vorentwürfe der städtischen Hochbau-Inspektion an dem Bestreben gescheitert, den schrägen Strassenzug der Römergasse beizubehalten und den Gläsernhof vor dem Abbruch zu retten, bis endlich der Vorschlag, die Römergasse durch einen Hof mit zwei diagonal einander gegenüberstehenden Durchfahrten zu ersetzen und der Entschluss, den weniger wichtigen westlichen Theil der Römergruppe, sowie den ganzen Gläsernhof niederzulegen, Licht und Klarheit in die Gesammtanlage brachten.

Durch die schon erwähnten Vorarbeiten des städtischen Hochbauamtes war bereits festgestellt, dass die südlich von der Bethmannstrasse gelegene, von der Buch- und Römergasse begrenzte Baufläche zur Aufnahme aller Amtsräume nicht genügen werde. Es bestand daher von Anfang an die Absicht, auch das nördlich von der Bethmannstrasse am Paulsplatz liegende Gelände für die Amtsbauzwecke heranzuziehen und beide Baukörper durch eine Ueberbrückung der Bethmannstrasse in der Hauptgeschosshöhe mit einander zu verbinden. – Welche Menge von Vorarbeit bis zur völligen Ausreifung der hier aufgezählten Entschlüsse nöthig war, wird nur derjenige ganz erkennen, der in der Behandlung verwickelter Stadtbau-Fragen bewandert ist. Alles, was von Seiten der Stadt und der Regierung betreffs Aufnahme, Erhaltung und Wiederverwendung werthvoller Bautheile verlangt wurde, sei hier nur streifend erwähnt; ebenso übergehen wir eine Schilderung der Schwierigkeiten, welche der Anschluss der Festräume an das alte Römergebäude mit sich brachte. Der Fachmann erkennt diese Verhältnisse am deutlichsten durch Anschauung der Pläne, und so gehen wir sofort zur näheren Beschreibung des nunmehr zur Ausführung bestimmten Entwurfes über.

In der Hauptsache zerfällt das geplante Gebäude in drei Hauptgruppen, die sich wie folgt bezeichnen lassen:

A. Der Festsaalbau, in unmittelbarem Anschluss an den alten Römer.
B. Der Südbau, wie der Festsaalbau südlich von der Bethmannstrasse gelegen und bestimmt zur Aufnahme von Hochbauamt, Tiefbauamt, Schulkuratorium, Stadtausschuss und Gewerbegericht, sowie vorerst wenigstens von Standesamt und Friedhofskommission.
C. Der Nordbau, nördlich von der Bethmannstrasse gelegen und bestimmt zur Aufnahme von Rechneiamt mit Stadthauptkasse und Stadtkämmerei.

Neues Rathsgebäude Frankfurt a. M.
Neues Rathsgebäude Frankfurt a. M.

Der Festsaalbau A enthält im Erdgeschoss anschliessend an den Westflügel der Römerhalle eine Rathskeller-Restauration, unter welcher der eigentliche Raths-Weinkeller liegt, der die grossen Stückfässer aufnehmen soll, welche die Stadtverwaltung alljährlich mit dem in ihren Weinbergen bei Hochheim gewonnenen Nass füllt. Westlich von der Restaurationshalle – von der grossen schräggelegten Hof-Durchfahrt aus zugänglich – ist eine stattliche Vorhalle angelegt, durch welche man zur neuen grossen Festtreppe gelangt. Letztere führt – mit einem Raum für Fest-Garderoben im I. Obergeschoss – hinauf bis ins II. Obergeschoss zur Rathsdiele, an die sich über der Restaurationshalle – der neue grosse Festsaal anschliesst. In Verbindung mit dem Kurfürsten-Zimmer, dem alten Kaisersaal und der Kaisertreppe ist diese ganze Anlage wohl geeignet, eine Folge von Festräumen zu bilden, wie sie in wenigen – auch der neueren – Rathhäuser Deutschlands zusammen auftreten.

Neues Rathsgebäude Frankfurt a. M.
Neues Rathsgebäude Frankfurt a. M.

Nach Süden schliesst sich an die neue Festtreppe mit geräumiger Vorhalle der künftige Magistrats-Sitzungssaal und von da in der Fortsetzung nach Osten, durch eine eigene Treppe vermittelt, das alt historische Haus Limpurg mit den Amtsräumen der Stadtverordneten. Die Fortsetzung der Rathsdiele nach Nordwesten vermittelt die Uebergänge nach dem Südbau und dem Nordbau mit ihren Amtsbureaus deren Abtheilungs-Vorstände grösstentheils auf diesen Stockwerk untergebracht sind. Eine vor dem Festsaal den Paulsplatz entlang laufende Gallerie stellt die unmittelbare Verbindung der Rathsdiele mit den alten Amtsräumen der Bürgermeister im Römer her. Dieselbe Gallerie dient im dritten Obergeschoss als Erweiterung des Festsaales für das zuschauende Publikum und spendet hier durch 5 weite Fensteröffnungen, die dem Saale nach aussen die charakteristische Erscheinung geben, reichliches Licht in den festlichen Raum. In einem Zwischengeschoss zwischen Rathskeller-Restauration und dem Festsaalboden ist das städtische Archiv II, das für die Bergung von Akten der zeitgenössischen Periode dient, untergebracht, während das in Eisen konstruirte Dachgeschoss des Festsaalbaues zur Aufnahme der Plankammer des Tiefbauamtes bestimmt ist.

Der Südbau B steht räumlich in nächstem Zusammenhange mit dem Festsaalbau und gruppirt sich um 3 Höfe, von denen der mittlere als Korridorhof nur mässige Abmessungen zeigt, während die beiden seitlichen als grössere Durchfahrtshöfe ausgebildet sind, von denen auch eine Anzahl von Amtsräumen Licht und Luft empfängt. In der Axe des Mittelhofes liegen nördlich und südlich die Haupteingänge dieses Baues mit stattlichen Treppenanlagen und mit einer geräumigen Diele als Warteraum in jedem Stock. Weitere Treppen sind in den Eckthürmen des Westhofes und am Paulsplatz angeordnet. Einen besonderen Schmuck erhält der Südbau durch die Errichtung zweier stattlicher Thürme an der Westfront (Buchgasse), von denen namentlich der grössere nördliche bestimmt ist, den von den verschiedenen Himmelsrichtungen Ankommenden den Weg zum Rathhause zu weisen.

Der praktische Wunsch, in den langen Abendstunden der Winterszeit hell erleuchtete Strassen um das Rathhaus zu haben – vielleicht auch um eine nicht zu verschmähende Rente zu erzielen – hat die Anordnung von Verkaufsläden im Erdgeschoss an der Bethmannstrasse nöthig gemacht, die denn so gut wie möglich in den Charakter des Bauwerkes eingeordnet wurden. Ueber die 17 m breite Bethmannstrasse soll sich, wie schon erwähnt, in der Höhe des II. Obergeschosses eine Brücke spannen, um hier alle Amtsräume, auch die des Nordbaues, in unmittelbare Verbindung mit einander zu setzen.

Der Nordbau C ist, seiner Bestimmung als Kassenbau entsprechend, mehr in der Art eines modernen Bankgebäudes angelegt. Der Bau hat seinen Haupteingang in der Mitte der Paulsplatz-Front und gruppirt sich um einen über dem Erdgeschoss mit Glas überdeckten Kassenhof, in welchem die Buchhaltereien und Schalterräume der Stadthauptkasse und der städtischen Sparkasse untergebracht sind. Die hochgeführten Theile des Baues enthalten im Erdgeschoss ausserdem noch drei Einzahlungsstellen, von denen jede programmässig Eingang und Ausgang an den entgegengesetzten Enden des Raumes hat.

Die neuen städtischen Amtsgebäude mit Festräumen in Frankfurt a. M.
Die neuen städtischen Amtsgebäude mit Festräumen in Frankfurt a. M.

Die Haupttreppe des Hauses, vom Haupteingang am Paulsplatz zugänglich, ist mässig in ihren Abmessungen, wird aber einen besonderen Reiz dadurch erhalten, dass sie den Abschluss für den grossen Durchblick aus der Rathsdiele über die Verbindungsbrücke weg bildet. Ein grosser Theil des Hauptgeschosses dieses Baues wird seine Ausstattung aus Dekorationsstücken erhalten, welche den abzubrechenden Bautheilen des Römers und des Gläsernhofes entnommen sind, so dass hier ein gutes Stück aus der alten Zeit mit hinübergerettet wird. – Dem Bedürfnisse, den Charakter der Altstadt Frankfurt a. M. thunlichst zu wahren, trägt der Entwurf insbesondere in seiner äusseren Erscheinung Rechnung. Um die Baugruppe des alten Römers nicht durch den wesentlich grösseren Neubau zu erdrücken, wurden für die Hauptgruppen des letzteren absichtlich verschiedene Stile gewählt, wodurch sich namentlich am Paulsplatz ein mannichfach gegliedertes Bild ergiebt. Mancherlei Einzelheiten von längst verschwundenen Bauten sind zur Anwendung gekommen. – Es ist kaum nöthig zu erwähnen, dass der Bau im Inneren mit aller Bequemlichkeit der Neuzeit, wie Zentralheizung und Lüftung, elektrischem Licht, Personenaufzügen zumtheil mit Paternosterwerk usw. ausgestattet werden soll.

Die Gesammtkosten, ohne Gelände-Erwerbung, jedoch einschl. Architekten-Honorar und Bauleitung, sind auf rd. 4 478 000 M. veranschlagt.

In der neueren Baugeschichte der alten Goethestadt am Main haben sich die Meister von Hoven und Neher ruhmvoll bewährt. Ihr Entwurf für die neuen Amtsgebäude mit Festsaalbau zeugt ebensosehr von einer scharfsinnigen Auffassung der Bedürfnisse eines modernen städtischen Verwaltungs-Gebäudes, wie von dem in hohem Grade entwickelten künstlerischen Vermögen, eine monumentale Anlage modernen Charakters von selbständiger Bedeutung einem der werthvollsten historischen Baudenkmale der Vergangenheit harmonisch anzugliedern und aus der ganzen Gruppe einen Theil eines Städtebildes von eindrucksvollem malerischen Reiz und reifer künstlerischer Vollendung zu gestalten. –

Dieser Artikel erschien zuerst am 13.10.1900 in der Deutsche Bauzeitung.