Die Prachtausstellung im Koburger Residenzschloß

Silbervergoldetes emailliertes, mit Edelsteinen geschücktes Tafelservice. (Im Besitz der Herzoginwitwe von Sachsen-Koburg-Gotha)

Die Wohltätigkeit ist von jeher das Feld gewesen, auf dem sich fürstliche Damen zu betätigen pflegten, die darin ihr erhabenstes Vorbild in der Person unserer gütigen, allen Veranstaltungen der Nächstenliebe ihre werktätige Teilnahme entgegenbringenden Kaiserin finden.

Im Segenshaus bei Neuwied, in dem die im Vorjahr verstorbene verwitwete Fürstin Marie zu Wied unzählige Wohltaten erdacht und zugunsten jener, die auf der Schattenseite des Glücks wandeln, auszuführen verstand, wurde unseres Wissens zum erstenmal in neuerer Zeit der Gedanke angeregt, Gegenstände aus fürstlichem Besitz, zu einer Ausstellung vereinigt, öffentlicher Besichtigung zum Besten eines wohltätigen Zwecks zu überlassen.

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Es handelte sich damals allerdings um eine Schaustellung, die nur begrenztes Interesse zu erwecken bestimmt war – um eine Puppenausstellung aus dem Eigentum fürstlicher Damen – doch ihre Reichhaltigkeit, Stilechtheit und der Reichtum zarter, in Entwurf und Ausführung künstlerisch vollendeter Stickereien der darin vertretenen Nationaltrachten stempelte sie zu einem Werk von kulturhistorischer Bedeutung.

Eigenartiger und vor allem von sinnverwirrender Pracht und fabelhaftem Reichtum ist die zugunsten des Koburger Marienhauses soeben veranstaltete Schmuckausstellung der Herzoginwitwe Marie von Sachsen-Koburg-Gotha im Koburger Residenzschloß. Diese Ausstellung, die nur Schmuckstücke umfaßt, die sich im Besitz der Herzoginwitwe sowie deren vier Töchtern, der Kronprinzessin von Rumänien, der geschiedenen Großherzogin von Hessen, der Erbprinzessin zu Hohenlohe-Langenburg und der noch unvermählten Prinzessin Beatrice, befinden, gehört wohl zu dem Wunderbarsten und Reichsten, was jemals, aus Privatbesitz stammend dem Anblick weiter Kreise zugänglich gemacht wurde. Auf fünfzehn bis zwanzig Millionen wird veranschlagt, was sich da im Riesensaal des Schlosses und einer Anzahl Nebensälen an Diamanten, Perlen, Saphiren, Smaragden und Edelsteinen aller Arten dem geblendeten Auge bietet. Unsere Illustrationen geben eine kleine Blütenlese aus der Fülle dieser märchenhaften Kostbarkeiten. Zu ihnen gehört in erster Reihe der Rokokoglasschrank, der den auf ungefähr dreieinhalb Millionen bewerteten Schmuck der Herzoginwitwe birgt. Eins der kostbarsten Stücke dieser Sammlung, ein Diadem aus Diamanten und Perlen, enthält eine aus Perlen gebildete Doppelreihe, von denen jeder der neun oberen Steine einen Wert von 35 000 Mark besitzt. Brillantkreuze und Broschen, Medaillons und Armbänder, Ringe aus erbsengroßen Saphiren mit Diamanten, solche aus Rubinen von fabelhaftem Glanz und Farbe, Solitärs, die ihresgleichen suchen, Agraffen in Form von Sternen, von Halbmonden und von Blumen, kleine Maiglockensträußchen aus Diamanten mit Diamantstaub besäten Blättern, ein von einem goldenen Tau umwundener Diamantanker aus 32 völlig gleichen Steinen, vier- und sechsreihige Perlenkolliers, von denen das letztere einen Wert von einer Million repräsentiert – kurz, wohl an tausend Schmuckstücke, unter ihnen auch brillantstrahlende Orden und schwarze Perlen von seltener Schönheit, von denen eine einzige von Sachverständigen mit 50 000 Mark bewertet wurde. Aber auch Fächer fehlen in dieser eigenartigen Sammlung nicht. Fächer aus wertvollen, alten Spitzen mit goldeingelegten Perlmutterstäben sowie andere, von Meisterhand gemalte, auf brillanten besetzten Gestellen, Fächer aus edelsteinbestickter Seide, aus schleierdünnen Geweben, zahllose kostbare Exemplare, die das Entzücken der Frauenwelt hervorrufen.

Silbervergoldetes emailliertes, mit Edelsteinen geschücktes Tafelservice. (Im Besitz der Herzoginwitwe von Sachsen-Koburg-Gotha)
Silbervergoldetes emailliertes, mit Edelsteinen geschücktes Tafelservice. (Im Besitz der Herzoginwitwe von Sachsen-Koburg-Gotha)
Diademe und Schmuck der Herzoginwitwe von Sachsen-Koburg-Gotha (Im Wert von 3 ½ Millionen Mark.)
Diademe und Schmuck der Herzoginwitwe von Sachsen-Koburg-Gotha (Im Wert von 3 ½ Millionen Mark.)

Die obenstehende Abbildung zeigt zwei Reihen Schmuckgegenstände, die sich im Besitz der geschiedenen Großherzogin von Hessen befinden.

Außerordentlich zahlreich vertreten sind die der Großherzogin gehörigen Diademe aus Diamanten, Perlen und Saphiren, für welche diese Fürstin ebenso wie für Türkise eine Vorliebe zu haben scheint.

Silbernes Tafelservice (11 Zentner schwer). Geschenk des verstorbenen Zaren Alexander II. an seine Tochter Herzoginwitwe Marie
Silbernes Tafelservice (11 Zentner schwer). Geschenk des verstorbenen Zaren Alexander II. an seine Tochter Herzoginwitwe Marie
Schmuck der geschiedenen Herzogin von Hessen
Schmuck der geschiedenen Herzogin von Hessen

Besonders wirkungsvoll hebt sich aus all dem Gefunkel unzähliger Boutons, Ringe, Brasselette, Nadeln und Smaragden- und perlengeschmückter goldener Ketten an Diadem hervor, auf dessen Höhe ein Diamantenflügelpaar schwebt. Ebenfalls von eigenartiger Schönheit ist eins der der Erbprinzessin Hohenlohe gehörigen Diademe in Schleifenform verziert, ferner eine Diamantenrivière von außerordentlichem Feuer und einzelne á jour gefaßte, große Brillanten als „Zitternadeln“.

Perlen- und Diamantenschmuck der Herzoginwitwe von Sachsen-Koburg-Gotha
Perlen- und Diamantenschmuck der Herzoginwitwe von Sachsen-Koburg-Gotha
Goldene Schmucktruhe mit Diamanten, Album usw. Im Besitz der Herzoginwitwe Marie von Sachsen-Koburg-Gotha
Goldene Schmucktruhe mit Diamanten, Album usw. Im Besitz der Herzoginwitwe Marie von Sachsen-Koburg-Gotha

Ein Teetisch von reichster, wahrhaft fürstlicher Pracht lenkt vor allem die Aufmerksamkeit der Kenner russischer Juwelier- und Goldschmiedekunst auf sich. Der auf Silber vergoldete Samowar sowie die Teetassen, Kannen usw. gleichen Materials, alles dem Besitz der Herzoginwitwe entstammend, weisen kunstvollste Emaille auf, die Smaragde, Amethyste, Topase und Saphire in wunderbarster Ausschmückung bedecken. In der Mitte des Riesensaals prangt auf einer gedeckten Galatafel das Hochzeitsgeschenk Kaiser Alexanders II. an seine Tochter, die Herzogin. Diese aus 28 Gegenständen bestehende Hochzeitsgabe in Gestalt von Girandolen, Fruchtaufsätzen, Blumen- und Konfektschalen usw. aus künstlerisch verarbeitetem Silber repräsentiert ein Gewicht von elf Zentnern, von denen allein an fast 120 Pfund auf das prachtvolle Mittelstück, eine Jardinière in Höhe von über einem Meter, entfallen. Von den wertvollen, dem Herzogspaar anläßlich seiner 1874 erfolgten Vermählung überreichten und hier ausgestellten Gegenständen verdienen noch das herrliche Geschenk des russischen Adels, eine 45 Pfund schwere, goldene, mit Diamanten verzierte Schmucktruhe und ein Album mit Ansichten Petersburgs besondere Erwähnung. Kunstgegenstände, Nippes von hohem künstlerischem Wert, kostbare Porzellane aus den Manufakturen von Meißen und Berlin, eine seltene Schiffssammlung aus dem Nachlaß Herzog Alfreds (57 Miniaturschiffe aus getriebenem Silber), goldgestickte Courroben der fürstlichen Damen – in überwältigender Fülle findet sich im Koburger Residenzschloß in dieser Ausstellung alles vereinigt, was die Phantasie an Schönem und Wertvollem zu ersinnen vermag. Selbst der gegenwärtig in Koburg als Gast weilende Großfürst Kyrill, ein Neffe der Herzoginwitwe, beteiligte sich insofern an der Vermehrung der ausgestellten Gegenstände, als er außer seinem großen, für acht Personen berechneten, silbernen Automobilnecessaire, das alle für Trink-, Speise- und Toilettezwecke notwendigen und überflüssigen Dinge enthält, auch mehrere Dutzend edelsteingeschmückter Krawattennadeln, Ringe, Manschettenknöpfe, goldene Zigarettenetuis usw. beisteuerte. Er tat noch ein übriges, indem er sich für 35 000 Franken ein Automobil aus Paris verschrieb, in dem man für eine Mark dreimal um den Schloßplatz zu fahren berechtigt war. Das Ergebnis dieser Fahrten betrug am ersten Tag 5l Mark. … Wenn auch der Ertrag dieser Ausstellung in keinem Verhältnis zu dem Wert auch nur einer der hier ausgestellten Kostbarkeiten steht, so ist diese Veranstaltung doch insofern von außerordentlichem Interesse, als sie einen Einblick in den an künstlerischer Bedeutung wie Geldwert gleich hervorragenden Besitz des Sachsen-Koburgschen Hauses gewährt.

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 46/1903, er war gekennzeichnet mit „von Lehdenburg“.