Die Festschrift: „Hamburg und seine Bauten“

Wie das Programm unserer Wander-Versammlungen mehr und mehr sich erweitert, so auch Umfang und Inhalt der den Mitgliedern als willkommene Gabe und dauerndes Andenken dargebotenen Festschriften, welche eine Schilderung des Versammlungs-Orts und seiner Bauwerke zum Zwecke haben und welche sich im Wechsel dieser Orte allmählich zu einer hoch bedeutsamen, wohl in keinem anderen Lande zu ermöglichenden Sammlung entwickeln werden.

Den Anfang dazu machte bekanntlich i. J. 1864 die Stadt Wien mit einer 106 Seiten starken, von 26 Holzschnitten begleiteten Schrift, der sich in den Jahren 1868 bezw. 1872 entsprechende Darstellungen über Hamburg (160 S.) und Karlsruhe (190 S.) anschlossen. Auf einen breiteren Boden stellte sich dann das gelegentlich der 1. Verbands-Versammlung, 1874, heraus gegebene rd. 800 Seiten starke Buch; „Berlin und seine Bauten“, das annähernde Vollständigkeit anstrebte, zufolge der einem solchen ersten Versuche erwachsenden Schwierigkeiten aber auch freilich erst 2 Jahre nach der Wander-Versammlung zur Vollendung gelangte. Der nächste Verbands-Vorort München – durch diese Schwierigkeiten gewarnt – war bemüht, die von ihm dargebotene, im übrigen vortreffliche Schrift über München wieder in mässigerem Umfange zu halten, welchem Beispiele 1880 Wiesbaden, 1882 Hannover, 1884 Stuttgart gefolgt sind, während Dresden i. J. 1878 mit „Berlin und seine Bauten“ gewetteifert hatte. Und letzteres Vorbild scheint nunmehr endgiltig angenommen zu sein, nachdem die Vervollkommnung des auf die unmittelbare Nachbildung von Zeichnungen mittels Zinkätzung gerichteten Verfahrens ein Mittel an die Hand gegeben hat, die bildliche Ausstattung dieser Bücher im weitestem Umfange mit wesentlich geringerem Zeit- und Kosten -Aufwande durchführen zu können. So folgten 1886 „Frankfurt a.M. und seine Bauten“ mit 628 S., 1888 „Köln und seine Bauten“ mit 806 S. und in diesem Jahre „Hamburg und seine Bauten“ mit 730 S. Text und unzähligen Abbildungen. Schon lässt sich voraus sehen, dass die Besucher einer binnen einigen Jahren wiederum in Berlin tagenden Verbands – Versammlung die (dann jedenfalls rechtzeitig fertig gewordene) Festgabe nur als Frachtgut in ihre Heimath werden befördern können. Wenn wir bei Besprechung der Ausstellung, mangels ausreichender Gelegenheit zu einem wirklichen Studium derselben, im wesentlichen auf eine Inhalts-Angabe uns einschränken mussten, so wird uns ein gleiches Verfahren hier durch den Umfang der Festschrift aufgezwungen.

Brunnen in Pöseldorf

Zur Bearbeitung der letzteren hatte der Hamburger Arch. u. Ing.-Ver. einen aus 16 Mitgliedern bestehenden Buch-Ausschuss niedergesetzt, der aus seiner Mitte einen engeren, durch die Hrn. Bargum, Kümmel, F. Andreas Meyer und Vermehren gebildeten Redaktions-Ausschuss niedersetzte. Die Bearbeiter der einzelnen Abschnitte sind mit einer einzigen Ausnahme, die sich auf den ersten, durch Hrn. Baupolizei-Inspektor Bargum geschriebenen Abschnitt bezieht, nicht genannt. Für den geschäftlichen Theil der Arbeit und die technische Herstellung des Werkes hat Hr. Buchhändler Otto Meilsner dem Ausschuss zurseite gestanden.

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Aus nahe liegenden Gründen hat sich der Verein im übrigen nicht an die politischen Grenzen des Hamburger Staatsgebiets gekehrt, sondern seine Arbeit zugleich auf die Nachbarstädte Altona und Wandsbeck mit erstreckt, deren Architekten und Ingenieure dem Vereine ja gleichfalls als Mitglieder angehören.

Brooksfleth mit Speicherkock O. u. G. des Freihafen-Gebiets

Seiner Haupt-Anlage nach gliedert sich das Buch in 3 grosse Abschnitte, deren erster als Einleitung die geschichtlichen und allgemeinen Mittheilungen giebt, während der zweite die Bauten für öffentliche Zwecke und der dritte die Privatbauten behandelt. Jeder derselben zerfällt selbstverständlich in eine namhafte Zahl von Unter-Abtheilungen.

Brooksbrücke (über den Zollkanal)

Zunächst wird über die Entstehung und bauliche Entwickelung Hamburgs und Altonas berichtet. Stadtpläne, die in rother und blauer Farbe auf den gegenwärtigen, blass gehaltenen Stadtplan aufgedruckt sind, veranschaulichen die Gestalt und den Umfang der Stadt sowie den Zustand von Elbe und Alster in den Jahren 1065, 1310, 1605 und 1720. Zahlreiche Abbildungen älterer, insbesondere der mittlerweile untergegangenen Gebäude geben Proben der Bauweise, welche hier ehemals herrschte; besonders interessant ist die verkleinerte Nachbildung einer in Kupfer gestochenen Stadtansicht von 1610. Mit einer durch Pläne und Ansichten erläuterten Darstellung des grossen Stadtbrandes von 1842 wird die wechselvolle ältere Geschichte der Entwickelung Hamburgs in diejenige der Neuzeit übergeführt, welche durch das schnellere Anwachsen der Bevölkerung und den Zollanschluss Umwälzungen mit sich gebracht hat, die denjenigen früherer Zeiten kaum nachstehen. Die Nachbildungen zweier grosser Stadtpläne von 1880 und 1890 geben davon ein sehr anschauliches Bild. Mit einer Anzahl von statistischen Uebersichten, die in graphischer Darstellung gegeben sind und sich auf die Bevölkerung und die Wohnungs-Verhältnisse, auf die Entwickelung der Seeschiffahrt und auf die Waaren – Ein- und Ausfuhr mittels See- und Fluss-Schiffahrt bezw. mittels der Eisenbahnen beziehen, schliesst der erste, mit 84 Abbildungen ausgestattete Abschnitt.

Abfertigungsschuppen am Zollkanal

Die Darstellung des öffentlichen Bauwesens beginnt mit den Kirchen, deren Abbildungen leider in etwas gar zu kleinem Maasstab gehalten sind und wendet sich dann zunächst dem neuen Rathhause zu. Es folgen die Gebäude für Sammlungen und wissenschaftliche Institute (Kunsthalle, Gewerbe-Museum, Naturhistorisches Museum, Seewarte, Zoologischer Garten usw.), die Schulgebäude mit Turnhallen, Waisenhaus, Taubstummen-Anstalt usw., die Theater, Gesellschaftshäuser und Panoramen, die Gebäude für Rechtspflege, Börse und Münze, Militärgebäude, Verwaltungs-Gebäude (darunter das Gebäude der Reichspost), Stifte (welche in H. bekanntlich zu einer besonders grossartigen Entwickelung gelangt sind), Volks-Kaffee- und Speise-Hallen, Bade- und Waschanstalten, (darunter die trefflichen Freibade-Anstalten in der Alster), Krankenhäuser (darunter das neue allgemeine Krankenhaus in Eppendorf und die Irrenaustalt Friedrichsberg), die Schlacht- und Viehhöfe, die Anlagen für Feuerlöschwesen, die Friedhöfe und deren Denkmäler (Zentral-Friedhof in Ohlsdorf).

Conzerthaus Hamburg, Gebr. Ludwig – Grosser Saal

Mit den Mittheilungen über die als ein Stolz Hamburgs anzusehenden öffentlichen Gartenanlagen und die Ausstattung der öffentlichen Plätze, deren bildliche Beigaben reizvolle Proben der in unserem Ausstellungs-Berichte erwähnten kleinen architektonischen Leistungen, insbesondere der eigenartigen, von F. Andreas Meyer erfundenen Kunst-Schmiedearbeiten geben, sowie über die Denkmäler wird der Uebergang zu den Werken des Ingenieurwesens gewonnen, die in einer Stadt wie Hamburg den Leistungen des Hochbaus an Bedeutung selbstverständlich voran stehen müssen.

Conzerthaus Hamburg, Gebr. Ludwig – Grundriss vom I. Stock

Zunächst werden die Strassenanlagen sowie deren bauliche Behandlung und Reinigung beschrieben, wobei auch einiger, durch Strassen-Durchbrüche usw. neu geschaffener Stadtheile gedacht wird. Daran schliessen sich Mittheilungen über die Strassenbahnen (mit statistischen Angaben), über die (zum Theil einer völligen Umwälzung entgegen stehenden) Eisenbahn-Anlagen und über die Schleusen und Brücken (letztere meist gleich interessant für den Ingenieur wie für den Architekten). Dasselbe gilt nicht minder für die Speicherbauten im Freihafen-Gebiet, welche nebst den anderen Einrichtungen dieser jüngsten und grossartigsten Hamburger Schöpfungen, der Zollgrenze und den Zollgebäuden natürlich in besonders ausführlicher Weise behandelt sind. Mit letzterem Theilabschnitt stehen in unmittbarem Zusammenhange die Mittheilungen über die Hamburgischen Hafen- und Kaianlagen auf beiden Elbufern (darunter auch über den inzwischen genehmigten, für Cuxhaven neu geplanten Hafen).

Michaelisbrücke mit Scheuse

Weiter folgen die Werften und der Schiffbau (mit Abbildungen des Schwesterschiffs der „Columbia“, des Schnelldampfers „Augusta Viktoria“), das Baggerwesen, die Hafenbauten von Altona, der (hoch interessante) Ausbau des Elbstroms und die Deichbauten.

Kaiser Karl-Brunnen auf dem Fischmarkt

Am Schluss des Abschnitts werden die Wasserversorgung und Entwässerung, sowie die Beleuchtungs-Anlagen für Gas und elektrisches Licht beschrieben. – Von dem Umfange der Darstellung, die in einer dem Techniker sehr erwünschten Weise im Texte möglichst knapp gehalten ist, aber reichen Anschauungs-Stoff darbietet, mag es eine Vorstellung gewähren, dass die Zahl der dem Abschnitt beigegebenen Abbildungen 764 beträgt.

Das neue Rathaus

Nicht ganz so umfangreich ist der letzte, dem Privat-Bauwesen gewidmete Abschnitt ausgefallen, obgleich er verhältnissmässig noch reicher, nämlich mit 529 Abbildungen auf 179 Textseiten ausgestattet ist. Nach einer kurzen des alten Hamburger Kaufmannshauses werden zunächst das Familienhaus der Neuzeit, das sogen. „Etagenhaus“ (Hamburger Bezeichnung des Mieth- oder Zinshauses), der Wohnhof und das moderne Geschäftshaus nach allgemeinen Gesichtspunkten kurz geschildert, sodann aber von jeder dieser Gebäudegattungen Proben vorgeführt letzteres in der Art, dass in jeder Gattung die von einem Architekten geschaffenen Werke zusammen gefasst sind. Es folgen dann noch selbständige Mittheilungen über die Arbeiterwohnungen, über Versammlungs- und Wirthschafts-Gebäude, über die Gasthöfe und endlich über die gewerblichen Anlagen. Wie Alles, was die Fachgenossenschaft Hamburgs und Altonas gelegentlich dieser Wander-Versammlung des Verbandes geleistet hat, so steht auch dieses von ihr geschaffene Werk durchaus auf der Höhe der Ansprüche, welche auf dem bezgl. Gebiete überhaupt gestellt werden können. Wie seine Vorgänger wird es, über den unmittelbaren Zweck des Tages und die Kreise der Architekten und Ingenieure hinaus, Verbreitung finden und Nutzen stiften – eine reichhaltige Fundgrube für den Wissbegierigen und ein stolzer Ruhmestitel sowohl für die Stadt Hamburg im allgemeinen wie für ihre Techniker im besonderen.

Das Johanneum vom Spessort gesehen

Für die Mitglieder unserer Versammlung jedoch wird das Buch daneben für immer ein liebes Erinnerungs-Zeichen sein.

Sie werden es schwerlich jemals aufschlagen, ohne dabei fröhlichen und dankbaren Herzens zurück zu denken an die schönen Augusttage von 1890 – an die Tage von Hamburg!

Dieser Artikel erschien zuerst 1890 in der Deutschen Bauzeitung.