In der zweiten Hälfte des Oktobers dieses Jahres wird das neue Reichshaus seiner vorläufigen Vollendung zugeführt und bezogen werden. Damit hört für den Königsplatz, an welchem dasselbe liegt, die Zeit auf, während welcher derselbe als eine Platzanlage an und für sich betrachtet werden konnte.
Derselbe tritt nunmehr in Beziehung zu dem bedeutendsten Gebäude des Reiches, eine Beziehung, die nicht ohne Rückwirkung auf die heutige Gestaltung der Platzanlage bleiben kann.
Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.
Dieselbe stellt sich als ein nahezu regelmässiges Rechteck dar, das sich in seiner grössten Ausdehnung von 444,40 m in der Haupt-Axe des Reichshauses entwickelt und in seiner kleineren Ausdehnung etwa 250 m misst. Das Rechteck wird im Norden vom Alsenplatz und von den Häusergruppen der Roon- und Moltke-Strasse, im Westen durch das Gebäude und die Anlagen des Etablissements Kroll, im Süden von den geschlossenen Baumanlagen des Thiergartens begrenzt.
Hier mündet auch die Siegesallee des Thiergartens ein, deren Axe den Platz in zwei gleiche Hälften theilt und in deren Schnittpunkt mit der Hauptaxe des Königsplatzes die Siegessäule steht. Um dieselbe zieht sich ein grosses Rondell von etwa 180 m Durchmesser, von Diagonalwegen für Fussgänger durchschnitten und mit über mannshohen Gebüschen und Bäumen besetzt. Rechts und links von diesem Rondell lagern sich vor das Reichshaus bezw, vor das Etablissement Kroll je eine elliptische Anlage von etwa 140 m in der Längsaxe und 85 m in der Queraxe, die sich um einen Springbrunnen gruppiren und im übrigen gärtnerisch in der gleichen Weise behandelt sind, wie das Mittel-Rondell. Kleinere, zwickelförmige Anlagen füllen die übrige Fläche aus. Dem Verkehr ist bei dieser Anlage sehr wenig Rechnung getragen, denn Wagen und Fussgänger, die von einem Punkte des Platzes zu einem korrespondirenden gelangen wollen, sind in den meisten Fällen genöthigt, weite Ausbiegungen zu machen. Dieses Schicksal theilt der Königsplatz allerdings mit einer Reihe anderer Platzanlagen in Berlin, bei denen z, B. die zweckmüssige Anlage von Diagonal- und anderen Wegen, um auf dem kürzesten Wege von einem Punkte zum anderen zu gelangen, durch Verlegung eines Rondells oder irgend eines anderen Hindernisses in diese Wege, das umgangen werden muss, vollständig aufgehoben wird.
Es sind eine Reihe der schwerwiegendsten Gründe, die lebhaft für eine Umgestaltung des Königsplatzes sprechen. Und für alle lassen sich praktische Erfahrungen anführen, die bei ähnlichen Verhältnissen schon an anderen Platzanlagen gemacht wurden. Zum ersten muss danach getrachtet werden, die aussergewöhnlichen Grössenverhältnisse des Platzes zu beherrschen, damit einmal die Platzanlage als solche eine Uebersichtlichkeit erhält, die sie jetzt nicht hat und damit sie zweitens in ein harmonisches Verhältniss zu den an ihr liegenden Gebäuden tritt. Klassische Vorbilder hierfür sind der Petersplatz in Rom, die Place de la Concorde in Paris, und wenn man will, die Platzanlage zwischen dem Hofmuseum und der Hofburg in Wien nach Semper, sowie die Platzanlage, die der gleiche Künstler im Anschluss an die Zwinger-Anlagen in Dresden geplant hatte. Eine zweite Nothwendigkeit ist die Umwandlung in gärtnerischer Beziehung und zwar mit Rücksicht auf ein festes Zusammenschliessen des Platzes in sich und mit Rücksicht auf die freie Durchsicht zu den Bau- und Bildwerken. Dass in dieser Beziehung etwas geschehen muss, wird sogar von gärtnerischer Seite anerkannt; denn der Verein deutscher Gartenkünstler, der seinen Sitz in Berlin hat, hat auf seiner VII. Hauptversammlung, die im Juni in Magdeburg stattfand, für die Preisaufgabe des Jahres 1894/95 das Thema beschlossen: „Die gärtnerische Umgestaltung des Königsplatzes zu Berlin in Beziehung zu dem neuen Reichstagsgebäude.“ Dass etwas geschehen muss, lehren ferner die lebhaften Erörterungen, die sich vor einigen Jahren an eine Platzanlage knüpften, die Ähnliche gärtnerische Verhältnisse zeigt, wie der Königsplatz und deren Umgestaltung eine im Prinzip beschlossene Sache ist. Es ist der Rathausplatz in Wien, der als Rechteck nach seiner kleineren Axe zwischen dem Rathhaus und dem neuen Hofburg-Theater, nach seiner grösseren Axe zwischen dem Parlamentsgebäude und der Universität liegt. – Eine dritte Nothwendigkeit bildet die Schaffung besserer Verkehrs-Verhältnisse. Ein klassisches Vorbild hierfür bildet wiederum die Place de la Concorde in Paris. – Es sei gestattet, auf die einzelnen Punkte näher einzugehen.
Zunächst auf die Grössenverhältnisse. Die Zahlenangaben hierfür sind bereits oben angegeben: 444,40 m für die Längsentwicklung, 250 m für die Entwicklung nach der Breite. Das sind Grössenverhältnisse, zu deren Bewustsein man erst gelangt, wenn man z. B. erwägt, dass die Grösse des Lustgartens zu Berlin, gemessen in der geraden Entternung Schloss-Altes Museum nur 230 m beträgt, dass die Entfernung der östlichen Ecke des Zeughauses bis zum neuen Dom etwa dieselbe Zahl aufweist und dass die Entfernung von der östlichen Ecke der Kommandantur bis zur gegenüberliegenden Flucht der Börse auch nur etwa 365 m beträgt. Die Grösse des Gensdarmen-Marktes in Berlin als einer der grössten Platzanlagen Berlins beträgt einschliesslich der den Platz umgebenden Strassen 306 m in der Länge und 155 m in der Breite, in beiden Fällen gemessen von Häuserflucht zu Häuserflucht. Der Augustusplatz in Leipzig hat Verhältnisse von etwa 180 zu 230 m, der Rathhausplatz in Wien hat eine Länge von 400 m bei einer Breite von 195-200 m von Rathhaus- bis Burgtheater-Vorhalle gemessen. Die Platzanlage, die Semper in Wien zwischen den neuen Flügeln der Hofburg über die Ringstrasse hinweg bis zu den neuen Hofmuseen und den Hofstallungen geplant hat, besitzt eine grösste Längenausdehnung von der alten Hofburg bis zu den Stallgebäuden von 570 m, eine Breitenausdehnung von etwa 150 m zwischen den Hofmuseen und den vortretenden Eckbauten der Hofburgflügel, eine Breite, die sich in den tiefsten Punkten der nach aussen geschwungenen Flügelbauten auf 220 m erhöht. Die grosse Platzanlage, die Semper in Dresden im Anschluss an den Zwingerhof vor Errichtung der heutigen Bildergallerie geplant hatte, sollte eine grösste Längen-Entwicklung bis zu der unmittelbar an die Elbe vorgeschobenen Hauptwache von etwa 335 m erhalten, bei einer Breite von 195 m als grösster Breiten-Entwicklung des Zwingerhofes, von 115 m zwischen den Flügelbauten des Zwingers, von etwa 80 m zwischen dem geplanten Orangeriegebäude und der für ihre frühere Lage geplanten Gemäldegallerie und von 50 m von dem vorspringenden Halbrund des abgebrannten Hoftheaters bis zur gegenüber liegenden Abgrenzung des Platzes. Der Petersplatz in Rom hat von der Vorhalle des Carlo Maderna bis zur äusseren Ellipse eine Länge von nur 268 m, bei einer Breite von 192 m innerhalb der tiefsten Ausbauchungen der elliptischen Kolonnaden. Die Place de la Concorde in Paris endlich hat für die eigentliche Platzanlage und ohne die umgebenden Strassen eine Längen-Entwicklung von 266 m bei einer Breiten-Entwicklung von 209 m; bei Hinzurechnung der Strassen bis an die Anlagen des Tuileriengartens und die Champs-Elysees einerseits und bis an das Marine-Ministeriuam und das Seinequai andererseits steigern sich diese Zahlen auf 365 bezw. 280 m. Die gerade Entfernung vom Marine-Ministerium über den Platz und das Seinebett hinweg bis zu dem Frontispice des gegenüber liegenden Palais Bourbon beträgt 597 m. Aus diesen Zahlenangaben wird man ein ungefähres Bild über die Grössenverhältnisse des Königsplatzes erhalten, das noch an Anschaulichkeit gewinnt, wenn man weiss, dass die Fläche des St. Petersplatzes in Rom sich etwa 3 mal in seine Fläche legen lässt.
Es bleibe nun dahingestellt, ob und in wie weit es sich nicht schon bei der ursprünglichen Platzbestimmung für das Reichshaus empfohlen haben würde, Erwägungen über die Grössenverhältnisse des Königsplatzes anzustellen. Das Eine wenigstens steht heute fest, dass es nach der Ansicht des Architekten der Zusammenwirkung von Platz und Gebäuden nur genützt haben würde, wenn man das Reichshaus um etwa 50-60 m vor seine jetzige Flucht gegen die Siegessäule zu vorgeschoben haben würde, Es wäre dadurch ein mehrfacher Vortheil erreicht worden: einmal wäre die geschlossene Masse des Reichstagsgebäudes in viel eindringlicherer Weise zur Geltung gekommen als jetzt, wo nur die in die Höhe gezogenen Eckpavillons des Gebäudes diesem ein Gegengewicht gegen die ungewöhnlichen Grössenverhältnisse des Platzes verleihen.
Man vergleiche z. B. die Verhältnisse des oben mit Zahlen belegten Augustus-Platzes in Leipzig, eine Platzanlage, die an und für sich und in ihren harmonischen Beziehungen zu den sie umgebenden Gebäuden (Museum, Theater, Universität usw.) hervorgehoben zu werden verdient und deren Harmonie so eindringlich vor Augen geführt wird, wenn man sieht, wie dieselbe durch den unglücklichen Hausriesen, das Flinsch’sche Geschäftshaus an der Seite zum Grimma’schen Steinweg zerstört worden ist. Die Verhältnisszahlen des Augustus-Platzes sind 18:23, oder wenn man die Länge auf 240 m abrundet, was unbeschadet der Wirkung geschehen kann, 18:24, oder 3:4. Würde man die Abmessungen des Königsplatzes auf ein ähnliches Verhältniss gebracht haben, so hätte sich für die als feststehend zu betrachtende Breite von 250 m eine Länge von etwa 335 m ergeben und diese Zahl hätte dem Gefühl des Architekten entsprochen, der die Platzanlage zugunsten der Wirkung der Gebäude in ihrer Längen-Entwicklung um 100-120 m eingeschränkt sehen wollte.
Denn man übersehe nicht: die Entfernung der vorspringenden Säulenhalle des Reichshauses vom Mittelrisalit des Etablissements Kroll beträgt rd. 440 m, dabei sind die Säulen der genannten Säulenhalle etwa 16 m hoch. Die Höhe vom Boden bis Gebälkoberkante beträgt 24 m, die Höhe der Spitze der Laterne über dem Boden 70 m; dagegen ist z. B. die Entfernung von der Säulenstellung der Peterskirche bis zur Schlusslinie der äussern Ellipse des Petersplatzes in Rom nur 268 m, die Höhe der Säulen beträgt etwa 29,60 m, die der Vorderfassade über dem Erdboden etwa 44 m, die Spitze der Kuppel liegt etwa 130 m über dem Pflaster des St. Petersplatzes. Das sind doch ungleich andere Verhältnisse, auf die man noch besonders hingeleitet wird, wenn man erfährt, dass die Höhe der Säulen der Berninischen Kolonnaden etwa der Höhe der Säulen des Reichshauses entspricht. Also bei einer nahezu um die Hälfte geringeren Entfernung beinahe um die Hälfte grössere Verhältnisse! Da begreift man, woher die überwältigende Wirkung der St. Peterskirche in Rom kommt, und dass es sich als eine künstlerische Nothwendigkeit herausstellt, den Königsplatz umzuwandeln, um die Verhältnisse so günstig zu gestalten, als sie sich unter den gegebenen Umständen gestalten lassen.
Ein zweiter künstlerischer Vortheil von erheblicher Bedeutung wäre, dass der Königsplatz die Uebersichtlichkeit erhalten würde, die er jetzt entbehrt und so lange entbehrt, als nicht eine von sorgfältig erwogenen Gesichtspunkten getroffene Umgestaltung erfolgt.
Ein dritter Vortheil mehr materieller Natur wäre der gewesen, dass bei einer Vorrückung des Reichshauses um 50-60 m unter Umständen dem Platze auf der Seite gegen Kroll hätte ein monumentaler Abschluss gegeben werden können, ohne dass man genöthigt gewesen wäre, das Etablissement Kroll um grosse Summen anzukaufen. Denn darüber darf man sich keinem Zweifel hingeben, wie auch die Stimmung der leitenden Kreise heute sein mag: der monumentale Abschluss des Königsplatzes gegen Westen ist eine künstlerische Nothwendigkeit, er muss kommen und er wird kommen. Der Platz heisst nicht umsonst Königsplatz, er muss ein Platz werden, der in der künstlerischen Erscheinung eine königliche Würde zur Schau trägt; eine Würde und Erscheinung, die das Volk, das ihn betritt, daran mahnt, dass es Grosses, dass es Ueberwältigendes, dass es das Höchste in der ruhmvollen Geschichte eines Volkes ist, das ihn geschaffen. Die sichtbare Erinnerung an die Grossthaten müssen einen solchen Eindruck auf das Volk machen, dass sie ihm allzeit vor Augen und im Herzen stehen und es erziehen zu der Einfalt, zu der Verehrung und zu der Grösse der Empfindung, deren ein siegendes grosses Volk fähig sein muss. In der Mitte die Siegessäule, deren Viktoria umgeschmolzen werden müsste, als das Erinnerungszeichen an heisse, grosse und glänzende Siege; zur Rechten das Reichshaus als eine monumentale Verkörperung der Reichsverfassung; vor ihm das gigantische Standbild des Geistesriesen, der Deutschland aus politischer Ohnmacht emporgehoben hat zur Macht und zur leitenden Stellung im europäischen Staatengefüge; zur Linken als Abschluss gegen Westen ein Denkmal der Kontinuität und historischen Entwicklung des Reichsgedankens, wie er seit karl dem Grossen wie ein goldner Faden durch die bewegte deutsche Geschichte läuft, am Anfang des 19. Jahrhunderts der Form nach verschwindet, um in den Herzen weiter zu leben und um dann 1870 in um so glänzenderer Weise wieder aufzuerstehen! Fürwahr, wo in der Welt wäre ein zweiter Platz, auf dem eine solche Geschichte eines Volkes in solcher Weise verzeichnet ist? –
Und nun zur Umgestaltung des Platzes zurück. Wir haben bereits betont, dass dieselbe aus künstlerischen und praktischen Gründen erfolgen muss. Die künstlerischen Gründe sind die bedeutenderen. In der That, wo wir uns unter den Plätzen umsehen, die ähnliche Verhältnisse und ähnliche Abmessungen zeigen, wie der Königsplatz, da finden wir dieselben künstlerisch geordnet, und wo die Abmessungen hinter den Abmessungen des Königsplatzes zurückbleiben, zeigen sie zum überwiegenden Theil glückliche Verhältnisse. So der Augustusplatz in Leipzig, der Lustgarten in Berlin; der Grössenverhältnisse des Gensdarmenmarktes in Berlin wird der Beschauer nicht so sehr bewusst, weil er durch Monumentalbauten getheilt wird. Bei der Platzanlage im Anschluss an den Zwinger in Dresden durfte Semper bei bescheidener Breitenentwickelung eine so bedeutende Längenentwickelung schaffen, weil er in dem zunehmenden Vortreten der einzelnen Gebäude gegen die Hauptwache gesehen oder bei dem zunehmenden Zurücktreten gegen den Zwingerhof eines der bedeutendsten künstlerischen Mittel in der Hand hatte, die perspektivische Wirkung zu einer solchen zu machen, dass sie über die Längen-Entwicklung hinwegtäuschte. Bei der Anlage des Burgplatzes in Wien durch denselben Künstler ist ein ähnliches Bestreben wenn auch nicht in gleichem Umfange zu erkennen, und es tritt ausserdem das Moment hinzu, dass die Baumasse des Burgthores in einer Weise den Platz theilt und so Rechenschaft über die Grösse giebt, wie es bei der Siegessäule des Königsplatzes nicht der Fall ist. Denn Semper wollte trotz dieses trennenden Momentes die Platzanlage als eine geschlossene, ganze, zusammengefasst wissen, das beweisen die von ihm für die Ringstrasse geplanten, die Hofmuseen mit den neuen Hofburgflügeln verbindenden Triumphthore. – Die Angelegenheiten des Rathhausplatzes in Wien bilden eine interessante Vorgeschichte für die künstlerische Umgestaltung des Königsplatzes. Seine Grössenverhältnisse und seine heutige gärtnerische Anlage haben in der Art, wie sie zu den umgebenden Gebäuden in Beziehung treten, schon seit Jahren die leitenden künstlerischen Kreise zu lebhaften Erörterungen darüber veranlasst, auf welche Art die Platzanlage einer künstlerischen Umgestaltung unterworfen werden könne. Die bedeutendsten Wiener Künstler haben Entwürfe dafür angefertigt und wenn die Neu-Anlage bis heute nicht durchgeführt wurde, so liegt es nicht an dem Mangel von Gewicht der künstlerischen Gründe. – Es verbleibt nunmehr noch die einzige der bekannteren Platzanlagen, die mit dem Königsplatze in Bezieliung gebracht werden kann: die Place de la Concorde in Paris. Auch bei ihr waren die ungewöhnlichen Grössenverhältnisse der Grund einer künstlerischen Umgestaltung. Dieselbe hat nach den Plänen des aus Köln gebürtigen Architekten Hittorf stattgefunden.
Der Architekt des Reichshauses, Brth. Paul Wallot hat nun einen Plan für die Umgestaltung des Königsplatzes entworfen, der in dem Lageplan und der beigegebenen Bildbeilage zur Darstellung gebracht ist. Der springende Punkt desselben ist, dass der Künstler, um die ungewöhnlichen Grössenverhältnisse zu beherrschen, in den grossen, maasslosen Platz einen kleineren Platz von leicht zu übersehenden Abmessungen legte, sodass der kleine Platz einen Maasstab für den grossen bildet.
„Der kleinere Platz in dem vorliegenden Entwurf – der Platz im Platz – umfasst,“
wie wir den Ausführungen des Künstlers über seinen Entwurf entnehmen,
„die Siegessäule mit den beiden Springbrunnen. Er ist durch Bildwerke, welche durch Balustraden unter sich verbunden sind, vom übrigen Platz abgeschlossen, ohne aufzuhören, einen Theil desselben zu bilden… . Die Springbrunnen sind in Form massiger Aufbauten der Sieges-Säule näher gerückt. Denn es ist nicht gut, dass diese Säule allein stehe und die Blicke ausschliesslich auf sich lenke.“
Die den Entwurf begleitende Erläuterung gedenkt auch der ungünstigen Wirkung der gärtnerischen Anlagen.
„… diese Gebüsche, welche immerhin eine Höhe von 2-3 m erreichen können, und welche die Gärtner mit Vorliebe zur Anwendung bringen, zerstören die „Platzwirkung“ vollständig. Sie machen jeden Durchblick in erheblicherem Maasse unmöglich, als dies selbst Bäume zu thun imstande sein würden. Sie verhindern im Sommer den Durchzug frischer Luft, ohne Schatten zu spenden.“
Wie schon erwähnt, bilden sie auch beim Rathhausplatz in Wien den Gegenstand einer Hauptklage. Dem Künstler schwebt nun eine gärtnerische Behandlung des Platzes vor, ähnlich wie sie der Platz vor den Propyläen in München aufweist, ohne Baum und Strauch. Die äusserste Grenze wäre eine gärtnerische Behandlung, wie sie etwa der Pariser Platz oder der Mitteltheil des Schlossplatzes in Karlsruhe im Sommer zeigen, Beispiele, bei welchen die Flächen durch Blumenanlagen, niedere, pyramidenförmige Nadelholzbäume, die nie über eine gewisse Höhe hinausgehen, und im höchsten Falle durch dünnstämmige Kübelbäume mit kleinen Kronen belebt werden. Die Wirkung des etwa 80 m breiten und 300 m langen Durchsicht auf das Karlsruher Schloss ist inbezug auf die künstlerische Erscheinung dieses Bauwerks eine nicht zu unterschätzende. Was den Verkehr anbelangt, so ist demselben volle Rechnung getragen worden.
„Auf vorliegendem Entwurfe sind alle vorhandenen Fahrstrassen, auch über den Platz hinweg, durchgeführt, und ebenso sind die Springbrunnen nicht in die Fahrstrasse, sondern neben dieselbe gesetzt …. Als Umschliessung des Gesammtplatzes ist eine mehrfache Baumreihe gedacht, deren Stämme durch lebende Hecken verdeckt sind, um dem Platze und vielleicht auch Statuen usw., wie sie im Laufe der Jahre aufgestellt werden können, einen ruhigen Hintergrund zu gewähren. Ausschliesslich die grossen, 25 m breiten Wege vor diesen Baumwänden und die Plätze um die Springbrunnen sollen dem Wagenverkehr unzugänglich sein.“
Der Entwuf schliesst nicht aus, dass an der Einmündung der Sieges-Allee auf den Königsplatz und am korrespondirenden Punkte der gegenüberliegenden Seite architektonische Bildungen von grösserer Massenentfaltung aufgerichtet werden können, welche als beherrschende Punkte in der Platzumfassung und zugleich als Gegengewicht zu der Masse der Siegessäule in der Queraxe des Königsplatzes gelten können. Soweit der Entwurf von Paul Wallot, den in den Punkten, in welchen derselbe in den vorstehenden Ausführungen noch nicht berührt sein sollte, die beigegebenen Abbildungen erläutern werden. Mit seiner Ausführung, die im künstlerischen Interesse auf das lebhafteste gewünscht werden muss, und mit der Ergänzung der künstlerischen Ausstattung des Königsplatzes durch ein Bauwerk, das mit dem Reichshause korrespondirt und der Platzanlage würdig ist, wäre in der deutschen Reichshauptstadt ein deutsches Forum geschaffen, wie die Welt kein zweites besitzt.
Albert Hofmann.
Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutsche Bauzeitung.