Der Ausstellungs-Pavillon für das deutsche Kunstgewerbe auf der Columbischen Weltausstellung in Chicago 1893

Um die Leistungen des deutschen Kunstgewerbes auf der vorjährigen Weltausstellung in Chicago zu gebührender Geltung zu bringen, hatte sich die Reichskommission entschlossen, eine Auswahl hervorragender Arbeiten dieses Gebietes mit einigen erlesenen Werken der Kleinkunst in einem künstlerisch reich durchgebildeten Pavillon zu einem harmonisch wirkenden – Gesammtbilde zu vereinigen. Den Auftrag zur Herstellung dieses Pavillons erhielt Prof. Gabriel Seidl in München.

Unter seiner Leitung hat eine Anzahl der hervorragendsten dortigen Kunstgewerbetreibenden Gelegenheit gefunden, an den hierfür erforderlichen Arbeiten ihr Können in glänzender Weise zu entfalten.

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Das kleine Bauwerk, von dem hier der Grundriss und die Innenansicht des Hauptraumes mitgetheilt werden und das seinen Platz an einer bevorzugten Stelle der deutschen Abtheilung erhalten hatte, umfasste einen grösseren, an der Vorderseite loggienartig durchbrochenen Mittelsaal, zu dem von aussen eine Treppe von 5 Stufen emporführte und zwei von jenem zugängliche Kabinette. Eine Beschreibung aller Einzelheiten des Baues, geschweige denn eine Aufzählung der in ihm vereinigt gewesenen, zumtheil im Grundriss angedeuteten Gegenstände dürfte an dieser Stelle und zu dem gegenwärtigen Zeitpunkte keinen Zweck mehr haben. Es wird vielmehr genügen, wenn in Kürze auf die wesentlichsten Theile des zur Darstellung gebrachten Raumes eingegangen und dabei auch die farbige Haltung desselben erwähnt wird.

Grundriss

Ueber die hier zur Schau gestellten Marmor-Arbeiten des Marmorwerkes Kiefer in Kiefersfelden – umfassend das Gewände der dem Haupteingang gegenüber liegenden (von der Firma H. Rathgeber in Nussbaumholz mit eingelegter Arbeit hergestellten) Thür, sowie die beiden vom Mittelsaal nach dem braunen Sammt-Kabinet führenden Thüren und den zwischen diesen angebrachten Kamin ist auf S. 376, Jahrg. 1893 d. Bl. bereits einiges mitgetheilt worden. Zur Hauptsache ist bei denselben Untersberger Marmor mit farbigen ornamentalen Einlagen aus Onyx und anderen edlen südländischen Steinarten zur Verwendung gelangt; daneben der als „grün Tropf“ bekannte, prächtig geflammte Adneter Marmor, dessen natürliche Zeichnung von Korallenbildungen herrührt. Die Technik steht hinter der älteren italienischen, von der die „Steinzimmer“ der Münchener Residenz ein so glänzendes Beispiel geben, kaum zurück.

Der rothe Brokatellstoff zur Bekleidung der Wände, ein gleichfalls mit den alten Mustern wetteiferndes Meisterwerk der Kunstweberei, ist – wie alle sonstigen im Pavillon verwendeten Seidenstoffe – aus der Münchener Kunst-Seidenweberei von Ebner & Co. hervorgegangen,

Abbildung 1

Die tonnenförmig gewölbte, durch reich verzierte Gurte in Felder getheilte Decke, sowie der künstlerische Schmuck der beiden, je durch ein ovales Fenster durchbrochenen Schildwände und der aus dem Mittelsaal nach dem Blauen Kabinet führenden Thür ist durch die Firma Conrad Barth & Co. in jener durch Unverwüstlichkeit und Schönheit der Oberfläche ausgezeichneten, künstlichen Steinmasse hergestellt worden, die für derartige Arbeiten schon bei den Italienern des cinque cento (unter dem Namen „paste“) beliebt war, und in deren Herstellung und Verwendung jene Firma die höchste Vollendung sich erworben hat. Auch hier gelangten diese, in Goldtönen behandelten Arbeiten, deren Formen an die Werke der süddeutschen Hochrenaissance aus der Zeit des Kurfürsten Maximilian I. von Bayern sich anschliessen, zur prächtigsten Wirkung. Die in den Feldern der Decke angeordneten, meistens von tietblauem Grunde sich abhebenden Bilder – Darstellungen der 4 Elemente – sind unter Mitwirkung der Maler Prof. Fr. v. Lenbach, Prof. Rud. Seitz und H. Kellner ausgeführt worden.

Dass die ganze Schöpfung, die nicht nur den betheiligten Künstlern und Kunstgewerbetreibenden, sondern auch der deutschen Kunst überhaupt zu hoher Ehre gereichte, das Ihrige dazu beigetragen hat, um unserem Vaterlande die von ihm auf der Columbischen Weltausstellung behauptete Stellung zu gewinnen, ist bekannt.

Dieser Artikel erschien zuerst 1894 in der Deutschen Bauzeitung.