I.
Die Ausstellung, die in den nachfolgenden Aufsätzen in ihrer Anlage und architektonischen Entfaltung beschrieben werden soll und die in ihren baulichen Einrichtungen so weit gefördert ist, dass die in Aussicht genommene feierliche Eröffnung am 1. Mai thatsächlich stattfinden kann, hat eine der merkwürdigsten Vorgeschichten gehabt, die einer Ausstellung je vorangegangen sind.
Um das darzulegen, bedarf es eines kurzen Rückblicks auf die industrielle Entwicklung Berlins von dem Zeitpunkte an, als dasselbe infolge des politischen Umschwunges im mittleren Westeuropa zur Hauptstadt des neuen deutschen Reiches und damit zur Weltstadt geworden war und sich als solche die Berechtigung zu erkämpfen trachtete, in das weltstädtische europäische Triumvirat London, Paris und Wien nicht nur als gleichberechtigtes viertes Glied geduldet einzutreten, sondern aus der Duldung wenn möglich zur Führung überzugehen. Es kann hier nicht der Ort sein, in eingehender Weise zu untersuchen, wie sich diese Verhältnisse heute nach 25 Jahren entwickelt haben und wie weit das gesteckte Ziel erreicht worden ist. Wenn es aber gestattet ist, aus dem fortgesetzt zum Durchbruch gekommenen Bestreben, die industrielle Kraft in einer öffentlichen Veranstaltung zu zeigen, auf die wirkliche Entwicklung dieser Kraft zu schliessen, ein Rückschluss, der bei dem besonnenen, arbeitsfreudigen Charakter des deutschen Volkes und des Berliners im engeren Sinne eine Anfechtung nicht zu befürchten haben dürfte, so muss, und die Thatsachen bestätigen dies, schon bald nach dem Kriege die industrielle Entwicklung einen starken Auftrieb gezeigt haben, sodass bereits um die Wende der siebziger und achtziger Jahre, nachdem die Pforten der Berliner Gewerbe-Ausstellung des Jahres 1879 nicht geschlossen wurden, ohne dass man mit grosser Befriedigung auf das Ergebniss einer auf einen engeren Umkreis beschränkten Ausstellung hätte zurückblicken können, die Industrie der Reichshauptstadt sich in einem solchen Kraftbewusstsein gewiegt hat, dass man daran denken konnte, über die engen Grenzen einer lokalen Ausstellung hinauszuschreiten zu einer nationalen, ja zu einer internationalen Ausstellung. London, Paris und Wien hatten, zumtheil schon mehrfach, in ihren Mauern Weltausstellungen gesehen, warum sollte nicht auch Berlin einmal die befreundeten Nationen zu einem industriellen Wettkampfe in seinen Mauern einladen? Als im Jahre 1885 die Vereinigung der 79er, eine Gesellschaft, die sich zur Aufgabe gestellt hatte, den 1879 glücklich und erfolgreich verwirklichten Ausstellungs-Gedanken weiter zu pflegen und zu gelegener Stunde ein zweites Mal mit wenn möglich erweitertem Programm zur Ausführung zu bringen, den Aufruf zu einer deutsch-nationalen Ausstellung erliess, da geschah es mit dem Hintergedanken einer deutschen Weltausstellung. Dann kam die Pariser Weltausstellung des Jahres 1889; sie zeigte, dass das auf industriellem und künstlerischem Gebiete bis dahin mit Recht gefürchtete Frankreich nicht die Fortschritte gemacht hatte, die seinem früheren Prestige sowie den Fortschritten in Deutschland entsprachen. Die Folge war eine weitere Erstarkung des industriellen Gefühles in Deutschland, die nach kaum weiteren 4 Jahren in Chicago 1893 eine glänzende Bestätigung finden sollte. Nun liess sich der Weltausstellungs-Gedanke nicht mehr unterdrücken.
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Er flammte mit Heftigkeit auf. Aber zur Wirklichkeit wurde er nicht, aus verschiedenen, hier nicht zu erörternden Gründen. Aber auch die dann angestrebte nationale Ausstellung wurde nicht zur That; es blieb von dem ursprünglichen grossen Gedanken nur der einer zweiten Berliner Gewerbe-Ausstellung mit der Erstreckung der Ausstellungsberechtigung auf alle Industriellen, welche ihre Erzeugnisse in Berlin fertigen oder eine Vertretung bezw. ein Lager hier führen. Nicht einmal eine deutsch-nationale Kunstgewerbe-Ausstellung, die man als einen Glanzpunkt der Ausstellung lebhaft ins Auge gefasst hatte, konnte stattfinden.
Alle diese Enttäuschungen konnten jedoch den Muth des kleinen Häufleins der 79er nicht dämpfen. Mit bewundernswerther Thatkraft ging es vielmehr daran, für eine zweite Berliner Gewerbe-Ausstellung Stimmung zu machen. Mit welchem Erfolge, das beweist das Ergebniss der Zeichnungen zum Garantiefonds, der bald zu einer Summe von 3 Millionen M. angewachsen war.
Damit war die Ausstellung an sich gesichert, noch nicht der Platz für dieselbe. Von zahlreichen Vorschlägen standen schliesslichzwei Gelände, von welchen jedes seine Vorzüge besass, in hartem Wettbewerb. Es bildeten sich zwei Lager, welche mit oft wilder Leidenschaftlichkeit gegen einander kämpften. Das eine Lager trat für ein Gelände auf Charlottenburger Gebiet ein, den mit mannichfachen natürlichen Vorzügen ausgestatteten Witzleben’schen Park, das andere Lager kämpfte mit nicht geringerem Nachdruck und mit mehr Glück für ein der Stadt Berlin gehöriges Gelände im Osten der Stadt, den Erholungszwecken dienenden Treptower Park, ein umfangreiches Gebiet von ausgezeichneter Lage. Mit überwiegender Mehrheit sprachen sich die Aussteller für dieses Gelände aus. Auf ihm erhebt sich die Ausstellung.
Das Ausstellungsgebiet ist in seiner grössten Ausdehnung rd. 1500 m lang und 800 m breit. An diese Fläche gliedern sich noch die Ausstellung Kairo mit rd. 170 : 200 m, sowie der Vergnügungspark mit der Kolonial-Ausstellung mit etwa 260 : 380 m an. Das gesammte, nicht regelmässig begrenzte Gebiet umfasst einen Flächenraum von etwa 1 100 000 qm und übertrifft mit dieser Zahl nicht unerheblich das Gebiet der Pariser Weltausstellung von 1885, die imganzen 958 572 qm bedeckte, wie auch die Weltausstellung von Philadelphia im Jahre 1876, die ungefähr den gleichen Flächenraum einnahm, wie die Pariser Weltausstellung. Bis zu dem Flächenraum freilich, den Chicago seiner Weltausstellung widmen konnte, etwa 278 ha gegen 110 ha in Berlin und je 96 in Paris und Philadelphia, ist noch ein weiter Sprung.
Das landschaftliche Gepräge des Geländes der Berliner Gewerbe-Ausstellung ist ein unvergleichlich schönes. Ein wohlgepflegter Park von malerisch bewegter Anlage, köstliche Gruppen alten Baumbestandes, ein klarer Teich, umgeben von frischen, grünen Wiesen, im Nordosten die zu mächtiger seeartiger Breite entfaltete Spree mit ihrem regen Schiffsverkehr, die herrlichen Ausblicke auf die idyllischen Inseln und das durch einschneidende Buchten und Häusergruppen bewegte Ufer, das Ganze überfluthet von glänzendem Sonnenschein bildet ein selten schönes märkisches Landschaftsbild.
Wie die oben angegebenen Zahlen andeuten, hat das Gelinde längliche Gestalt, die im Nordosten von der Spree begrenzt wird und aus welcher in ihrem nördlichen Theile der städtische Steinlagerplatz ausgeschieden ist.
Gegen Norden wird das Gelände von der Ringbahn, gegen Westen von der Köpenicker Landstrasse, nach Süden zu durch die Parkstrasse begrenzt. Es wird in der Mitte durch die Treptower Chaussee getheilt, die jedoch für die Dauer der Ausstellung für den öffentlichen Verkehr gesperrt ist. Die Lage der Ausstellung zur Stadt ist eine günstige, ihre Fahr-Verbindung mit derselben eine ungemein mannichfaltige. Ueber sie wurde bereits in No. 16 ausführlich berichtet.
Nachdem dieser Platz durch das Entgegenkommen der städtischen Verwaltung für die Ausstellungszwecke gewonnen war, galt es, auf diesem Gebiete die übliche grosse Axenbeziehung zu finden, ohne die Parkanlage als solche das war die Bedingung, welche die Stadt stellte – auch nur in Einzelheiten zu verändern. So wurde die heutige Anlage; sie ist in ihrer Disposition ein glückliches Werk des Architekten Karl Hoffacker und so natürlich und selbstverständlich das Werk heute erscheint, wie alle gut gelösten Werke zu scheinen pflegen, so wenig einfach ist doch in Wirklichkeit der Entwurf gewesen. Denn der heute verwirklichte Gedanke hatte einen Kampf zu bestehen besonders gegen einen anderen Gedanken, nach welchem von der Wasserseite her eine Hauptaxe ausgebildet werden sollte, welche das Gelände in seiner kurzen Ausdehnung durchschnitten haben würde. Beide Axen drehten sich um den gegebenen Mittelpunkt: die grosse Spielplatzanlage, die heute zu einem See ausgehoben ist.
Hoffacker verlegte nun das Hauptgebäude in nordwestlicher Richtung in die Längsaxe des länglichen Spielplatzes, die Hauptfront mit ihren geschwungenen Hallen von der Stadt abgekehrt und gab ihm als Gegenstück am entgegengesetzten Ende ein Gebäude, welches gleich der halbrunden Hallenarchitektur des Hauptgebäudes sich mit einer geschwungenen Säulenhalle dem halbrunden Haupte des Platzes anschloss. Eine mächtige Kaskade in der Mitte der Anlage sollte einerseits dem ausgehobenen See frisches Wasser zuführen und andererseits für den Beschauer vom Hauptgebäude aus einen Mittelpunkt bilden, der das Auge zu fesseln hätte. Das Gegenstück zum Hauptgebäude ist heute das grosse Restaurant, an welches sich in axialer Richtung das Theater Alt-Berlin anschliesst, welches schon einen Bestandtheil des ungemein reizvollen Städtebildes bildet, das sich unter der Bezeichnung „Alt-Berlin“ um das südöstliche Ufer des Karpfenteiches lagert. Von den anderen grösseren Hauptgebäuden erhielt das Gebäude für Chemie und Optik seine Lage östlich von der Treptower Chaussee, mit seiner Hauptaxe senkrecht auf diese gestellt, das Gebäude für Fischerei und Sport im Gegensätze gegen die ursprüngliche Annahme unmittelbar am Ufer der Spree. Ueber die zahlreichen mittleren und kleineren Gebäude giebt der Lageplan der Ausstellung erschöpfende Auskunft. Die Anzahl der in dem umfangreichen Parke zerstreuten kleinen vorübergehenden Bauwerke hat die Höhe von gegen 300 erreicht. Sie bringen ein lustiges Kleinleben in die grossen Massen.
Man hat nicht ohne einen Schein von Berechtigung getadelt, dass die Hauptfront des Hauptgebäudes sich von der Stadt abkehrt und so den von dieser kommenden Besucher der Ausstellung eines unmittelbar wirkenden grossen Anblickes beraubt. Angesichts des Lageplanes erhält sich dieser Schein auch; wer aber in die wirklichen Verhältnisse einzudringen geneigt ist, der wird im Grunde erkennen, dass diese Lage die einzig mögliche war und bei der Anlage der Haupteingänge doch nicht den befürchteten Uebelstand im Gefolge hat. Der Platz war zu gross, um eine Anordnung zu treffen etwa gleich der Anordnung der Ausstellungsgebäude auf dem Champs de Mars in Paris, wo dem von der Stadt, vom Pont de Jéna her, eintretenden Besucher gegenüber sich die Massen des Hauptgebäudes mit ihrem rauschenden Kuppelbau aufthürmten. In Treptow sind die Verhältnisse für eine solche Anordnung weitaus ungünstigere; schon der Bahndamm der Ringbahn macht eine solche freie Oeffnung des Ausstellungsplatzes gegen die Richtung von der Stadt zur Unmöglichkeit. Bestimmend aber war, dass sich an der Stelle des heutigen Hauptgebäudes die einzige baumfreie Fläche in einer für das Hauptgebäude genügenden Ausdehnung fand. Mit dieser war vor allen Dingen zu rechnen, denn rd. 60.000 qm Fläche, die das Hauptgebäude mit allen seinen Anbauten heute umfasst, wollen untergebracht sein. Man erhält eine ungefähre Vorstellung von der Grösse dieses Bauwerkes, wenn man erfährt, dass seine Hauptaxe eine Länge von über 400 m hat, seine grösste Queraxe eine solche von nahezu 240 m. Der Königsplatz in Berlin besitzt eine Ausdehnung von 444 zu 250 m; das Hauptgebäude würde also den Königsplatz nahezu mit seiner Fläche decken. Die Unterbringung einer solchen Fläche schafft Gründe, die zwingen.
Es hat, wie Theodor Fontane sich einmal gelegentlich in einem Briefe ausdrückte, „Pussler“ gegeben, welche die geschwungene, imposante Halle des Hauptgebäudes, deren Grundgedanken noch auf Hoffacker zurückzuführen ist, als eine Entlehnung vom Trocaderopalaste in Paris bezeichneten, eine Kritik, die vielleicht angesichts des fertigen Bauwerks noch begründeter zu sein scheint, als nach der ersten Anlage. Es wird aber dabei übersehen, dass sowohl in Paris wie in Berlin die gleichen Verhältnisse und Bedingungen die gleichen Formen geschaffen haben. In Paris war es der an sich geschwungene Trocaderohügel, der eine Bekrönung und Einrahmung verlangte, in Berlin war es das halbrunde Haupt des Spielplatzes, welches aus ästhetischen Gründen eine korrespondirende Form forderte. Dass sich aus einer so verwandten Anlage auch verwandte Formen für die Hauptmassen des Aufbaues ergeben, ist am Ende nichts Unnatürliches.
So wie die Ausstellung in ihrer Anlage heute geworden ist, darf man mit berechtigtem Stolz auf dieselbe hinblicken. Sie ist ein glänzendes Beispiel reicher Veranlagung und thatkräftiger Ausdauer. Das in der Beilage gegebene, aus der Vogelschau genommene Bild der Anlage deckt mit dem liebenswürdigen Mantel der Schönheit und der lustigen Lebendigkeit eine ungeheure Menge ernster, oft verzweifelter Arbeit und Anstrengung, ohne welche es nicht möglich gewesen wäre, das reiche Schauspiel zur That werden zu lassen, das sich heute vor unseren Augen entfaltet.
Es wird Aufgabe der folgenden Aufsätze sein, dieses Bild im Einzelnen zu schildern.
II.
Bei dem grossen Umfange, den die Ausstellung trotz ihrer Beschränkung auf eine „Berliner Gewerbe – Ausstellung“ infolge der Ausdehnung des Ausstellungsrechtes auch auf alle die Firmen, welche in Berlin nur ein Musterlager oder eine sonstige Vertretung halten, gleichwohl angenommen hat, galt es, für die Ausstellungsgruppen, die nach der bisherigen bewährten Praxis der Industrie- und Gewerbe- Ausstellungen in einem Gebäude vereinigt zu werden pflegten, nach dem Umfang der Anmeldungen ein ungewöhnlich grosses Bauwerk von, wie erwähnt, rd. 60 000 qm Grundfläche zu schaffen, das durch diesen Umstand von selbst den Charakter des Hauptgebäudes annahm und in seiner architektonischen Gestaltung eine dieser Bedeutung entsprechende Lösung finden musste.
Diese Lösung ist dem Architekten des Bauwerks, Hrn. Bruno Schmitz-Berlin, in glänzendster Weise gelungen.
Das der Anlage des Gebäudes zugrunde gelegte System ist das sogen. Fischgrätensystem, eine bei vergangenen Ausstellungen bewährte Anordnung, die eine jederzeitige zwanglose Erweiterung der Räume, die immer einzutreten pflegt und mit welcher daher zu rechnen ist, zulässt. Das System hat sich auf der letzten Wiener und Pariser Weltausstellung ausserordentlich bewährt und auf letzter in seinem Rückgrat, der galerie de trente métres, eine ungemein geschickte künstlerische Durchbildung erfahren.
Wir haben in der beistehenden Grundriss-Skizze nur einen Theil der ganzen Anlage des Berliner Hauptgebäudes und zwar den Theil, auf den sich im wesentlichen die architektonische Durchbildung erstreckt, zur Darstellung gebracht. Nach dieser Skizze ist dem Gebäude eine mächtige, von Kopfaxe zu Kopfaxe nahezu 150 m im Durchmesser haltende, in 2 Viertelkreisen geschwungene dreischiffige Wandelhalle vorgelagert, deren beide Kopfenden durch kleinere Kuppelbauten ausgezeichnet sind, die in der Mitte der Viertelkreise halbrunde, durch Oberlicht beleuchtete Ausbauten hat und deren beide Viertelkreise sich in der Hauptaxe zu einem quadratischen Kuppelraum vereinigen, zu dem der Zutritt durch einen reichgeschmückten dreibogigen Eingang erfolgt, bei dessen Durchschreiten man den hohen Aufbau eines romanischen Denkmalbrunnens erblickt, der in dem ersten Kuppelraum seine Aufstellung gefunden hat. Aus der kleinen Kuppelhalle, die nach orientalischer Art durch mehrfache Zwickelbildungen aus dem Quadrat zunächst in das regelmässige Achteck und von diesem in die runde Kuppelschale übergeleitet ist, gelangt der Beschauer durch ein breites Tonnengewölbe in den grossen Kuppelraum von etwa 33 m Durchmesser und etwa 40 m Höhe, auf welchen der künstlerische Schmuck vereinigt ist und von dem aus sowohl in der Hauptaxe wie in der Queraxe 25 m breite Gallerien sich erstrecken, auf deren mittlere die einzelnen Gräte des Hallen-Systemes münden. Einzelne dieser Gräte haben durch den Bauhof und andere Anlagen eine vielgestaltige Fortsetzung gefunden.
Was das auf dieser Grundlage aufgebaute Bauwerk in seiner architektonischen Durchbildung betrifft, so waren für dessen Gestaltung einmal der ungewöhnlich grosse Maassstab und ferner das verwendete Material maassgebend. Wir haben Stimmen gehört, welche an der orientalisirenden Form des ganzen Aufbaues Anstand nahmen und an seiner Stelle lieber ein Gebäude mit nationalen Formen gesehen haben würden. Wir halten diese Vereinigung von Kritik und Wunsch für nicht ganz gerechtfertigt. Die nationalen Formen kommen an anderen Bauten des Ausstellungsgebietes in umfangreicher Weise zu ihrem Rechte und es hätte vielleicht einen eintönigen Charakter geschaffen, hätte man dieselben auch dem Hauptgebäude aufprägen wollen. Der vorüberzehende Charakter des Bauwerkes, die sommerliche Jahreszeit, das festlich heitere Gepränge der ganzen Ausstellung, die Bewältigung grosser Massen durch grosse Linien, die der gewählte Stil in so einfacher Weise vielleicht wie kein zweiter ermöglicht und endlich die Wahl der Bauausführung, bei der die Draht-Putzfläche mit ihrer weissen Farbe eine beherrschende Rolle spielt, das sind unseres Erachtens Gründe genug, die Wahl der Stilformen, die zugleich durch möglichste Sparsamkeit eingegeben war, zu rechtfertigen.
Wir geben den Aufbau des Gebäudes in einer geometrischen Skizze, die in allen wesentlichen Theilen der Ausführung entspricht, die aber in kleinen Einzelheiten noch eine Veränderung und Bereicherung erfahren hat. Ein nachfolgendes Bild nach der Natur soll das schöne Bauwerk fertig und in dem festlichen Charakter, den es in Form und Farbe angenommen hat, darstellen. Der Skizze habe wir bezüglich des Aufbaues und der Gestaltung des Aeusseren nur wenig hinzuzufügen. Der weisse Charakter der Putzfläche herrscht vor; mit ihm gehen das Roth der Dachflächen, das Silbergrau der Aluminium-Bedeckung der grossen und kleinen Kuppeln, die auf einzelne Punkte beschränkte reichere Farbengebung, wie das Gold der dreibogigen Eingangshalle, die farbigen Bordüren der kleinen Kopfkuppelbauten usw., sowie das Grün der umgebenden Landschaft in wirkungsvollster Weise zusammen. Mit Ausnahme des dreibogigen Eingangs, der von Gold strotzt, ist der farbige Schmuck zum Vortheil des Gebäudes sparsam gehalten. Wo, wie an den Gesimsen, an den Gallerien der Kuppeln und Thürme, das Holz als tektonisches Material in die Erscheinung tritt, da hat es eine braune Lasur erhalten, die sich der Farbensymphonie des Ganzen gut einfügt. Eine wirkungsvolle Belebung hat die Wandelhalle durch auf den Firstkamm aufgesetzte kugelförmige Zierbäume mit Pflanzengehängen erhalten.
Im Innern ist die Wandelhalle durchaus weiss; in ihren geschlossenen Räumen nimmt sie die Post, die Presse, Lesezimmer, Auskunfts- und Verkehrsräume usw. auf. Der kleine Kuppelraum ist gleichfalls vollkommen weiss und steigert in dieser Haltung die mächtige Wirkung des Hauptkuppelraumes. In diesem vereinigen sich Grossartigkeit der Anlage, reiche plastische Ausschmückung und eigenartige malerische Darstellung zu einem Ganzen von tiefem Eindruck. Die in wohlüberlegter Weise in der Höhenentwicklung nicht übertriebene Kuppel wird vorbereitet durch 4 Zwickelbildungen, für die der Bildhauer August Vogel den schönen plastischen Schmuck geschaffen hat. Derselbe giebt in reicher ornamentaler und figürlicher Darstellung die 4 stehenden Göttergestalten Pallas, Ceres, Vulkan und Merkur als Allegorien der Kunst, der Industrie (?), des Gewerbes und des Handels wieder. Sie haben etwa dreifache Lebensgrösse und sind von je einem Paar etwa 3,50 m grosser, liegender Figuren begleitet, welche die Hauptgestalt in der symbolischen Darstellung ergänzen. So liegen zu Seiten der Pallas-Athene Figuren mit Symbolen von Kunst- und Buchdruck, zu Seiten der Ceres Figuren mit Symbolen des Ackerbaues und der Chemie, neben dem Vulkan lagern der Maschinenbau und die Industrie, neben dem Merkur Personifikationen des Friedens- und Kriegsverkehres.. Die Zwickel entwickeln sich aus mächtigen Masken, unter welchen sich die Worte: Handel, Gewerbe, Industrie, Kunst finden; diesen Worten entsprechen oberhalb der stehenden Hauptfiguren die Worte:
Treue, Fleiss, Stärke, Friede. Reiches ornamentales Beiwerk umrahmt die Figuren; am Rande der Zwickel zieht sich bis zur Höhe des inneren Kuppelkranzes, der eine durchweg vergoldete, zierlich durchbrochene Bogenarchitektur trägt, ein bewegtes Geäst hin, das der Charakterisirung der Hauptfiguren angepasst ist. Neben der Athene rankt sich der Siegeslorbeer empor, neben der Ceres Apfel- und Weinlaub, neben dem Merkur Fichtennadeln und neben dem Vulkan Eichenlaub. In jedem Geäst hängen drei farbig behandelte Gewerkschaftswappen. Während die Begleitfiguren weiss geblieben sind und lediglich ihre Attribute eine Vergoldung erfahren haben, sind die Hauptfiguren in ausserordentlich feiner und zarter Weise polychrom behandelt worden. Den Kuppelkranz ziert in grossen, an vier Stellen durch das kaiserliche W unterbrochenen Lettern der Spruch aus Schillers Glocke:
„Arbeit ist des Bürgers Zierde, Segen ist der Mühe Preis!“
Die Kuppel wird erhellt durch die kleinen Fenster welche in die Kuppelschale einschneiden und durch das grosse Rundbogenfenster über dem Eingang, welches durch den Prof. Klein-Chevalier eine figürliche Bemalung erhalten hat. Derselbe Künstler hat auch die Kuppelschale mit einer modern symbolistischen Personifizirung der Arbeit bemalt, eine sehr beachtenswerthe, gross aufgefasste Leistung, die in ihrer dunklen Färbung der lichten Halle und ihrem goldenen Kranz einen Abschluss von bester Wirkung giebt.
So vereinigen sich in diesem Raume Architektur, Bildnerei und Malerei zu einem Ganzen, welches in seiner grossartig-monumentalen und festlich-ernsten Stimmung eine würdige Einführung für die Betrachtung der Schätze giebt, welche als ein Ergebniss regen Kunstfleisses und emsiger gewerblicher Thätigkeit hinter dem Kuppelraume um einige Stufen vertieft, aufgestellt sind! Wenn es gestattet ist, einen Vergleich zu ziehen, so darf die Kuppelhalle der Berliner Gewerbe-Ausstellung ohne Frage über den dóme central der Pariser Weltausstellung von 1889 gestellt werden.
An die Kuppelhalle schliessen sich rechts und links und geradeaus die schon genannten grossen Gallerien an. Sie haben eine zierliche, etwas in den Charakter der französischen Renaissance hinüberspielende Architektur erhalten, zu der an einzelnen auffallenden Stellen ein sparsamer malerischer Schmuck tritt. Leider geht die Raumwirkung der axialen Mittelhalle und die Wirkung der graziösen Architektur vollkommen verloren durch die unglaublich aufdringlichen und wilden Einbauten, welche einigen Berliner Grossfirmen in unverständlicher Weise gestattet worden sind. Das hatten die Pariser im Jahre 1889 besser gemacht; sie begingen keine solche Selbstverstümmelung; sie hatten aus der 30-Meter-Gallerie alles fern gehalten, was geeignet war den Maasstab und den grossen Gesammt-Eindruck zu stören. Nur dadurch ist die Erinnerung an diese unvergleichliche Halle eine so nachhaltige geblieben.
Von den Gruppen des etwa 23 Abtheilungen umfassenden Gesammt-Ausstellungsplanes sind im Hauptgebäude untergebracht: I. Textil-Industrie, II. Bekleidungs-Industrie, III. Bau: und Ingenieurwesen, IV. Holzindustrie, V. Porzellan und Steingut, VI. Kurz- und Galanteriewaaren, VII. Metallindustrie, VIII. graphische Künste, XII. Musikinstrumente, XIII. Maschinenbau, Schiffbau, Transportwesen, XIV. Elektrotechnik, XV. Leder und Kautschuk und XVI. Papierindustrie. Für sie stehen Hallen von 25 und 15 m Weite bei rd. 20 und 10 m Höhe zur Verfügung. Ihre Konstruktion ist wie die des ganzen Gebäudes in Eisen erstellt. Ihr einfaches Gefüge giebt keine Veranlassung zu besonderer Erwähnung.
Sie stammen im übrigen von der Antwerpener Ausstellung des Jahres 1894. Selbständige konstruktive Leistungen dagegen sind die grosse und die kleinen Kuppelhallen und die Thürme mit ihren Gründungsarbeiten. Für sie besorgte Hr. Ing. O. Leitholf die Berechnung. Wie sparsam dieselbe angestellt ist, zeigt die, der Zeitschrift des Vereins deutscher Ingenieure entlehnte Abbildung des ungemein leichten Eisenwerkes der Kuppel vor Anbringung der Architekturtheile.
Die Hauptkuppel, die einen äusseren Durchmesser von etwa 31 m hat, ruht auf 32 eisernen Stützen, welche 24 eiserne Kuppelsparren tragen. Sie erhebt sich 41 m über dem Hallenboden; in der Höhe von 21 m über dem Hallenboden zieht eine Gallerie hin, auf deren Brüstung die oben erwähnte durchbrochene Bogenarchitektur steht. Die kleine Kuppelhalle erhebt sich bis zu 15,50 m Höhe über dem Fussboden und hat 20 m Durchmesser; ihre 12 Kuppelsparren ruhen auf 8 Hauptstützen. Die von Erdgleiche bis zu einer Gesammthöhe von etwa 56 m sich erhebenden Thürme haben gleichfalls ein Eisengerüst, das auf Granitquadern in Beton ruht. Im übrigen entsprechen sämmtliche Gründungsarbeiten dem verhältnissmässig geringen Gewicht des leichten Aufbaues und sind in Beton hergestellt, der die Granitquader, welche die gusseisernen Fussplatten der Eisenständer aufnehmen, umschliesst. Die Thürme und der untere Theil des Kuppelbaues konnten ohne Rüstung aufgerichtet werden.
Eine Ausnahme hinsichtlich des Konstruktions-Materiales macht die Wandelhalle; ihr konstruktiver Theil ist in Holz erstellt, das an bedeutsamen Theilen künstlerisch zur Geltung kommt. Sämmtliche Wandflächen des Gebäudes sind aus Drahtputz erstellt; die Bedeckung der Hallen ist Dachpix.
Sowohl die Kuppelhalle mit der Quergallerie wie die Wandelhalle mit ihrer äusseren Umgebung liegen über dem ursprünglichen Gelände und zwar etwa 1,70 m. Zur Auffüllung wurde das aus dem künstlichen See ausgestochene Material, durchgehends Sand, verwendet. Durch die Höhenlage des Hauptgebäudes konnten in seiner unmittelbaren Umgebung Terrassen-Anlagen mit Freitreppen geschaffen werden, die in der Hauptaxe eine grosse Brunnen-Anlage einschliessen, deren mit figürlichem Schmuck versehene architektonische Umrahmung aus Hydrosandstein gefertigt ist. Die Brunnen-Anlage, die ihr Wasser in die Höhe sendet und es kaskadenförmig verlaufen lässt, wird nach Eintritt der Dunkelheit mit farbigem Licht beworfen. An den beiden Kopfenden der Wandelbahn bilden den Abschluss der Terrasse grosse figürliche Gruppen in Gips mit je einem laufenden Brunnen. Gärtnerische Anlagen von guter Eintheilung füllen die weiten Flächen vor der Wandelhalle.
Die Nennung der ausführenden Firmen behalten wir uns bis zum Schluss dieser Artikelreihe vor.
III.
In der Axe des Hauptgebäudes, am entgegengesetzten Ufer des mit seiner Längsaxe in die Hauptaxe des Ausstellungsgeländes fallenden sogen. Neuen Sees, liegt das Hauptrestaurant, von durch die Bedingungen der Lage eingegebener ähnlicher Gesammtanlage, wie der vordere Theil des Hauptgebäudes. Es bildet mit diesem, wie mit dem Bassin vor dem Hauptgebäude, den beiden Obelisken, welche dem nördlichen Seehaupte nahegerückt sind, mit den Balustraden, welche den See umgeben, den Zierbäumen, welche die breite Rasenzone schmücken, die den See umzieht, den Fahnen- und Schildmasten ein Ganzes von ungemein festlichem Gepräge und je nach der Beleuchtung von ausserordentlich feiner Gesammtstimmung, in welche die schönen Linien der Silhouette des Hauptgebäudes in künstlerischer Einklang mitwirken. Mag heller Sonnenschein das Ganze mit seinem glänzenden, goldenen Lichte überfluthen und sich an den weissen Mauern, den silbernen Kuppeldächern, den goldenen Eingängen brechen oder mag sich die Dämmerung auf die Anlage senken und mit ihren Schatten die Umrisse der architektonischen Gebilde auf den verbleichenden Abendhimmel zeichnen, immer bleibt das Bild ein bezauberndes.
Es könnte angesichts des noch unfertigen Inhalts der Hallen gewagt erscheinen, die Frage zu erwägen, wer an dem unzweifelhaften künstlerischen Erfolge der Ausstellung den Hauptantheil hat: die Aussteller als solche, welche unter tausend Mühen und widrigen Umständen das Werk ihres Kunstfleisses dem begehrlichen Auge des Volkes darbieten, oder die Künstler, welche für diesen kostbaren Inhalt den schützenden Raum schufen. Indessen, es sind die Arbeiten der Ausstellung nun so weit vorgeschritten, dass wenn uns seitens der Aussteller nicht noch ganz ungewöhnliche Ueberraschungen bevorstehen, unbeschadet der hohen Vorzüge des Ausstellungsgutes die Frage mit ruhigem Gewissen dahin entschieden werden kann: Den Hauptantheil an dem künstlerischen Gelingen der Ausstellung haben die Architekten und zwar nicht nur die 3 Architekten, welche sich zu gemeinsamer und doch wieder selbständiger Arbeit zusammenthaten, um die Hauptbauwerke zu schaffen, sondern auch jene Künstler, welche über die kleineren Bauten die ganze Fülle ihrer frischen Phantasie, ihrer launigen Einfälle und ihrer unversieglichen Gestaltungskraft ausgiessen durften.
Was mit immerhin begrenzten Mitteln an dekorativer Wirkung erreicht werden kann, das zeigt gerade das nach den Entwürfen des Hrn. Bruno Schmitz errichtete Haupt-Restaurant. Nach dem beigegebenen Grundriss hat dasselbe die Grundform eines Spornes, Zwei viertelkreisförmige Hallen, deren Kopfenden von Aussenkante zu Aussenkante etwa 100 m auseinander liegen und zu Musikpavillons ausgebildet sind, schliessen sich wie beim Hauptgebäude in der Mitte zu einer Kuppelhalle zusammen, welche den monumentalen Vorraum zu dem grossen, 1500 Personen fassenden Hauptsaal bildet. In der Wandelhalle wie unterhalb derselben, auf tiefer liegenden Terrassenflächen, werden den Gästen Erfrischungen gereicht. An der Wandelhalle selbst liegen kleinere Speisesäle, dahinter die Wirthschaftsräume. Ueber der Kuppelhalle erhebt sich der grosse, zugleich zu Aussichtszwecken nutzbar gemachte Wasserthurm, in dessen von Prof. Intze in Aachen konstruirtem Behälter das Wasser für die Kaskadenanlage gesammelt wird, welche sich vor der Kuppelhalle in den See hinaus lagert.. Die beigegebenen, leider nur unvollkommenen Skizzen des Aeusseren und des Längsschnittes sollen ein ungefähres Bild der Anlage geben, die spätere Vorführung besserer Abbildungen nach der Natur aber in keiner Weise beeinflussen. Die Konstruktion ist die einfachste: Drahtputzwände auf Eisen- und Holzgerüst für die Bogenhalle und den Kuppelraum und, entgegen den Annahmen der Skizze, sichtbare Holzkonstruktion für den Hauptsaal. Der künstlerische Schmuck besteht in den reichen und graziösen Ornamenten der Architektur, dem plastischen, figürlichen Schmuck des Thurmes und der Kaskaden und einer bescheidenen Bemalung. Im übrigen sind auch hier das Weiss der Architekturtheile, das Roth der Ziegeldächer, der Silberton der Aluminium-Bedachungen, das Braun der Holzgallerie und das Grün der Umgebung zur Hauptfarbenwirkung berufen. Die Kuppelhalle hat zwei Kuppelschalen, deren untere einen Schmuck in einer Nachahmung von Marmor-Inkrustation in lichten Tönen erhalten hat, während die obere vermuthlich der Malerei vorbehalten bleibt. Ein endgiltiger Gesammt-Eindruck ist zurzeit noch nicht möglich, da die Arbeiten noch nicht vollkommen beendet sind.
IV.
Abseits von der grossen Axenbeziehung der Hauptgebäude, mit seiner Längsaxe senkrecht auf die Treptower Chaussee stossend, liegt das sog. Chemie-Gebäude, welches nach den Entwürfen des Hrn. Hans Grisebach errichtet wurde und die Gegenstände der Gruppen IX, XI und XVII, Chemie, wissenschaftliche Instrumente und Photographie enthält. Es steht mit seiner Grösse an der Spitze der Gruppe von Gebäuden, welche in erster Linie ihrem Gebrauchszwecke zu dienen haben, nach dem sich die künstlerische Gestaltung zu richten hatte. Bei den bisher besprochenen Gebäuden stand zur Hervorrufung des repräsentativen Eindrucks die künstlerische Form in erster Linie, nun tritt sie naturgemäss an die zweite Stelle, ohne aber in ihrer mitwirkenden Bedeutung einzubüssen. Denn wenngleich auch die eigenartige Form des inrede stehenden Bauwerkes bei den Laien nicht durchgehends ohne Widerspruch geblieben ist, so muss der Fachmann doch anerkennen, dass, und darin liegt der besondere Werth des Bauwerkes, die künstlerische Form ein strenges und folgerichtiges Ergebniss der Bedingungen ist, welche Bestimmung, Material und Kosten des Gebäudes stellten.
Feuersicher sollte es sein, daher eine leichte, von dem Ing. Leitholf berechnete Eisenkonstruktion mit Drahtputz; übersichtlich sollte es sein, daher die langgestreckte, kirchenartige Anlage von 12 Gewölbesystemen, deren apsidenartiger Abschluss durch ein amphitheatralisches Auditorium gebildet wird, das gemeinverständlichen Vorträgen dienen soll; als Ausstellungsraum sollte ihm das Licht möglichst ungehindert zufluthen können, daher die grossen Fenster und die basilikale Anlage, die sich, gleichwie die in das Gewölbe und das Dach einschneidenden Fenster mit dem Korbbogen, sowie das möglichst nieder gehaltene Mittelgewölbe ausserdem aus den Bedingungen der Bausumme ergiebt. Man kann somit sagen, dass in dem Gebäude Form und Zweck in einem bemerkenswerthen Grade verschmolzen sind.
Das Gebäude ist so gelagert, dass, wenn der Ausdruck gestattet ist, seine durch zwei leichte, gefällige Thürme bereicherte Chorseite mit dem sich vorschiebenden Querschiff dem vom Haupteinrang zuströmenden Besucherstrom zugekehrt ist. Seine Abmessungen sind ungewöhnlich grosse. Die lichte Breite des Mittelschiffes beträgt 17 m, die der Seitenschiffe 6,5 m; die Länge des Mittelschiffes beträgt bis zum Querschiff 82 m, die der Seitenschiffe 89 m; das Querschiff ist 17 m breit und 48 m lang; zwischen ihm und dem Hörsaal liegt noch ein langgestreckter Ausstellungsraum. Die Thürme entwickeln sich zu einer Höhe von etwa 40 m, der Hörsaal hat einen Halbmesser von 15 m und fasst 350 Sitz- und 150 Stehplätze. Die Anordnung des Ausstellungsgutes in diesem Gebäude ist eine ungemein einheitliche und übersichtliche, eine Anerkennung, die man mancher anderen Abtheilung der Ausstellung versagen muss, wenngleich anerkannt werden muss, dass die rücksichtslose Willkür, mit der in früheren Ausstellungen die Aussteller das Ausstellungsgut zur Schau stellten, einer freilich nur mit eiserner Strenge und Disziplin errungenen aber ausserordentlich gut wirkenden und der richtigen Abwägung der Gegenstände sehr zu statten kommenden Einheitlichkeit gewichen ist.
Dass sie nicht ganz zu bannen war, zeigt die schon beklagte Anordnung der 25 m breiten Mittelgallerie des Hauptgebäudes, die einem Organisationsfehler insofern zur, Last fällt, als für sie nicht eine einheitliche Leitung bestellt wurde, sondern jeder Gruppe, die auf jene Gallerie stösst, das Recht zugestanden wurde, in dieser eine ihr gut dünkende Anordnung zu machen bezw. zuzulassen.
Doch zurück zu dem inrede stehenden Gebäude. Sein Inneres macht einen schlichten, in seiner maassvollen Höhenentwicklung jedoch ungemein weiträumigen Eindruck. Vielfacher Anerkennung begegnet die Korbbogenlinie des durch Gurtbögen und- die einschneidenden Fensterschilde belebten Tonnengewölbes. Der plastische und der farbige Schmuck sind sehr sparsam verwendet. Ersterer beschränkt sich auf die Archivolten der Säulenstellung, sowie auf die Anfänger der Gewölbegurtbögen, letzterer auf eine sparsame Nachahmung von Glasmalereien auf den grossen Fenstern der Kopfseite des Lang- und des Querschiffes, sowie auf einen breiten, grünen Fries aus gothisirendem Laub, der sich um das Querschiff herumzieht. Sonst ist der ganze Innenraum weiss und wirkt lediglich durch die Architektur und die ihr gegebenen Abmessungen. Auch im Aeusseren sind die Zierformen auf das geringste Maass beschränkt. In der Hauptsache beschränken sie sich auf einen breiten, lebendigen Fries von Kinderfiguren mit Laubwerk. Den Eingängen sind Portalbauten mit einfachen und doppelten Säulenstellungen vorgelegt. Die Dachbedeckung besteht aus Zink, der Fussboden aus Zementbeton. Der von dem Gebäude bedeckte Flächenraum wird auf etwa 4700 qm angegeben.
Das im Vorstehenden skizzirte Gebäude wird, dessen sind wir überzeugt, der verschiedensten Beurtheilung unterworfen sein. Wer sich bemüht, seine Form aus seiner Bestimmung und den Entstehungs-Bedingungen heraus zu begreifen, wird der richtigen Beurtheilung am nächsten kommen.
V.
Wenn die bisher besprochenen Bauten trotz ihrer vorüber gehenden Bestimmung und ihres vergänglichen Materiales in der architektonischen Formengebung mehr oder weniger den Charakter des Steinbaues tragen, so gehört das hier zunächst zu besprechende, nach den Entwürfen des Hrn. Architekten K. Hoffacker errichtete Thorgebäude und zugleich Haupteingangs-Gebäude der Ausstellung zwar gleichfalls noch in diese Gruppe, bildet aber durch die in seinem inneren Hofe angeordneten Holzgallerien gleichzeitig den Uebergang vom Steinbau zum ausgesprochenen Holzbau, der in überwiegender Weise bei den noch fernerhin zu besprechenden Bauwerken zur Anwendung gekommen ist.
Das Thorgebäude ist auf rechteckigem Grundriss aufgebaut, der sich dem Eintretenden durch einen grossen Thorbogen öffnet und durch vier Kreuzgewölbe Zutritt zum Ausstellungs-Gelände giebt.
Das Gebäude ist das Verwaltungsgebäude der Ausstellung; es enthält in zwei Geschossen Büreauräume und Sitzungssäle, die sich um einen offenen von Holzgallerien umgebenen Hof lagern und bedeckt einen Flächenraum von nahezu 600 qm. Es sollte nach der ursprünglichen Annahme auch die Kassen enthalten, wie sie im Grundriss angedeutet sind, es hat sich aber bei dem starken Besuch als zweckmässiger erwiesen, getrennte Kassenhäuschen und von diesen wieder getrennte Kontrolleingänge anzulegen.
Im Aufbau ist dem malerischen Prinzip nach Möglichkeit Rechnung getragen. Dasselbe ist in wirkungsvoller Weise erreicht durch die schräg ansteigenden Treppenläufe an der Vorderseite, durch die lebhaft bewegte Silhouette und durch den Gegensatz der energischen figürlichen und ornamentalen Bemalung von der geschickten Hand des Malers Hrn. Max Seliger zu dem Weiss der grossen Flächen. In bescheidenerem Maasse ist die Malerei an dem zweiten der in diesem Aufsatze zu besprechenden Gebäude, dem Gebäude für Unterricht und Wohlfahrt, gleichfalls nach den Entwürfen des Hrn. Arch. Karl Hoffacker errichtet, zur Anwendung gekommen. Das Bauwerk ist, mit Ausnahme des Mitteltheiles der Hauptfassade, der als Putzbau erstellt ist, durchweg in Holz errichtet und in seiner Grundriss-Anlage zweitheilig. Jeder der beiden Theile, die durch die von einer Gallerie überbauten elektrischen Rundbahn der Ausstellung getrennt, jedoch unter einem Dache vereinigt sind, hat die Form des griechischen Kreuzes und annähernd gleichen Flächenraum. Der vordere Theil ist der Schulausstellung, der hintere Theil der Ausstellung der Wohlfahrts-Einrichtungen gewidmet. Das ganze Innere des Gebäudes ist von einer Gallerie umzogen. Der bedeckte Grund-Flächenraum beträgt etwa 3300 qm. Das Holzwerk des Aeusseren wie das des Inneren, welches den offenen Dachstuhl zeigt, ist einfach lasirt, der farbige Schmuck auf das bescheidenste Maass beschränkt.
Das Bauwerk erhebt nur den Anspruch auf einen mit bescheidenen Mitteln errichteten Magazinbau, dem es aber doch gelungen ist, einen künstlerischen Charakter aufzuprägen. Das ist hauptsächlich erreicht durch die Ausbildung der Vorderfassade mit dem vor ihr stehenden Ausschnitt einer Umfassungsmauer mitgeschmiedeten Thoren.
Den Flächen der grossen, mit Leinwand gedeckten Dächern ist durch zwei thurmartige Aufbauten an der Vorderfassade ein Gegengewicht zu geben versucht. Auch durch ihre Mitwirkung erhält der Nutzbau einen Anflug von Zierbau. Das Innere wird, wie die Skizze es zeigt, durch grosse Fensterflächen erhellt, die im allgemeinen weiss geblieben sind, von denen aber einzelne einen Schmuck aus wiederhergestellten, grossen alten Fenstern in Glasmalerei, die der kgl. Anstalt für Glasmalerei zur Ausbesserung übertragen waren, erhalten haben. Die Fenster sind aber nicht berufen, in der dekorativen Wirkung des Innern zur Geltung zu kommen, da sie nur an einzelnen Stellen eingesetzt sind und ihre Umrisslinie wesentlich von den Fensterflächen des Gebäudes abweicht.
VI.
Das im Nachstehenden zu besprechende Gebäude für Fischerei und Nahrungsmittel, nach den Entwürfen des Hrn. Arch. Karl Hoffacker errichtet, zeigt von allen Ausstellungs-Gebäuden die vielgestaltigste Grundriss-Anlage. Diese ist nicht ein zufälliges Ergebniss. In der Verfolgung eines bestimmten Gedankens ist der Versuch unternommen, verschiedenen Zwecken dienende Räume zu einer künstlerisch einheitlichen Baugruppe zusammenzulegen, in der gleichwohl jeder Raum für sich in seiner Bedeutung in die Erscheinung tritt. Wir dürfen es als ein bemerkenswerthes Zeichen parlamentarischen Geschickes betrachten, dass es dem Architekten gelungen ist, ihrer Natur nach widersprechende Interessen der verschiedenen Gewerbezweige und Widersprüche, die nun einmal in der menschlichen Charakteranlage liegen, in dem Maasse zum Schweigen zu bringen und zu besiegen, dass die sich jetzt vor unseren Augen erhebende glücklich gruppirte Anlage möglich wurde. Ein Blick auf den Grundriss erleichtert das Verständniss hierfür. Die Ausstellung des Deutschen Seefischerei-Vereines und die mit ihr verbundene Ausstellung lebender See- und Flussfische war die Ursache, dass das Fischereigebäude, wie es von nun ab der Kürze halber genannt sein mag, möglichst nahe an den Rand der Spree gerückt wurde, von der aus zwei Kanäle ein mittleres Wasserbecken füllen, um welches sich die ganze Anlage derart gruppirt, dass um das rechteckige Becken, das gegen die Spree hin durch eine Wandelbahn abgeschlossen ist, an drei Seiten ein Gang sich hinzieht, hinter dem, dunkel gehalten, ein zweiter Gang liegt, in welchen die Besucher zur Besichtigung der von oben beleuchteten Aquarien mit den lebenden Fischen und anderen Wasserthieren eintreten. An die linke Seite dieses Kreuzganges, wenn man will, legt sich das Gebäude für Fischerei und Sport, eine dreischiffige Anlage aus Holz, deren Seitenschiffe sich auch um das Querschiff ziehen und geräumige Gallerien enthalten. Das Prinzip des maassvoll durch Schnitzerei und Farbe geschmückten offenen Dachstuhles als Abdeckung des Raumes ist wie bei allen den Hallenbauten Hoffacker’s auch bei diesem Bau durchgeführt. Die Abschlusswand gegen die Spree hat eine wirkungsvolle ornamentale Malerei erhalten, die sich in ihrer Stilbildung an die nordischen Schlingornamente anlehnt; Friese von Georg Koch umziehen die Sportabtheilung. Im übrigen schmücken den stattlichen Raum grosse Netze, deren leichtes, durchsichtiges und verschleierndes Knüpfwerk in die Raumwirkung eine eigenartige, sympathische Weichheit bringt, die in ihrem feinen grauen Ton mit dem Holzwerk und den aufgestellten farbigen Darstellungen vorzüglich zusammengeht, sodass dieses Gebäude mit seinem doch immerhin recht heterogenen Inhalt einen durchaus einheitlichen Eindruck bietet.
An der rechten Seite des Kreuzganges liegt das Gebäude für Nahrungs- und Genussmittel. Hier haben die Wurst-, Liqueur-, Brod-, Chokoladen- und andere Fabrikanten, die Bierbrauereien und Fabrikanten für künstlische Mineralwasser, kurzum die ungeheure Zahl aller der Fabrikationszweige, deren Erzeugnisse dazu bestimmt sind, in den menschlichen Magen zu gelangen, ihre Stände aufgeschlagen. Die Bedürfnisse und Ansprüche hierfür waren auch hier so verschiedenartig wie möglich. Und wenn es gelungen ist, auch die Schwarmgeister dieser Gruppe zu zügeln und sämmtliche Aussteller so unter eine Einheitlichkeit zu zwingen, wie sie sich in so ansprechender Weise darbietet, so kann auch an dieser Thatsache die vorhin gegebene Charakterisirung des Künstlers gemessen werden. Was den Raum an und für sich anbelangt, so macht er einen ähnlichen Eindruck, wenn auch nicht so imposant, wie der des Gebäudes für Sport und Fischerei. Seine Gestaltung beruht auf den gleichen künstlerischen Grundzügen.
Von dem Aeusseren giebt die Abtheilung S. 320 ein skizzenhaftes Bild; es bleibt vorbehalten, dasselbe durch eine Aufnahme nach der Natur zu ergänzen. Aus der Skizze ist die reiche, malerische Gruppirung zu erkennen, die ihre Motive in freier Weise und gern bei den norwegischen Stabkirchen sucht und die Romantik ihrer vielgestaltigen schützenden Dachformen, die den Niederschlägen eines strengen Klimas stand zu halten haben, in einer gewissen verwandten Regung und mit Erfolg in unser wenn auch etwas milderes Klima herüberzunehmen trachtet. Eine verhältnissmässig reiche Ausbildung durch Schnitzwerk (durch G. Riegelmann, der auch die anderen Schnitzarbeiten dieses Gebäudes in technisch tüchtiger Art lieferte) und farbige Mittel hat die Schauseite gegen die Spree erhalten. Mit dem blendenden Weiss der Sockeltheile des Gebäudes gehen das satte Braun des Holzwerkes, die sparsame Farbe einschl. Vergoldung und das Grün der grossen Dachflächen aus Leinewand vorzüglich zusammen.
Das Gebäude bedeckt einen gesammten Flächenraum von etwa 7500 qm; es hat eine grösste Längenausdehnung von etwa 130 m und eine grösste Tiefe von etwa 95 m. Mit seiner Beschreibung möge die Schilderung der Haupt-Ausstellungsgeblüude abgeschlossen und im Weiteren eine übersichtliche Aufzählung derjenigen unter den ungemein zahlreichen kleinen Bauwerken, die über den ganzen Ausstellungspark zerstreut sind, versucht sein, welche sich durch besondere künstlerische Gestaltung auszeichnen oder sich in ihrer Form doch wenigstens etwas über das triviale sonst übliche Ausstellungsmittel hinausheben. Die Namen der Künstler nennen wir dabei, soweit sie uns auf unsere Bemühungen hin, dieselben zu erfahren, bekannt geworden sind. Für die Reihenfolge der Aufzählung sei die Reihenfolge maassgebend, in welcher sich die Bauwerke auf einem Rundgange durch die Ausstellung darbieten.
Wer vom Bahnhof Treptow die Chaussee benützt, um zum Haupteingang der Ausstellung zu gelangen, der gewahrt zur Rechten das bewegt gruppirte, mit lustigen Dächern gedeckte Schankhaus der Brauerei von Oswald Berliner, von den Architekten Cremer & Wolffenstein errichtet und im Innern mit einem ausgezeichneten Glasmalerei-Fenster von A. Lüthi in Frankfurt a. M. sowie guten, eigenartigen Dekorationsmalereien versehen. Hinter der Maschinenhalle taucht sodann das Haus der Fabrik für Mühlen-Einrichtungen der Firma Petzold & Comp. Ld. in Berlin, Inowrazlaw und London auf, das eine wirkungsvoll bemalte Vorderfassade besitzt, deren ausgeschnittene Bretter-Architektur stilisirte Pflanzenformen hat, die sich auf das Gewerbe, dem der Inhalt des Hauses dient, beziehen: hier Aehrenbüschel usw. Unverdientermaassen versteckt hinter dem Hauptgebäude, gegen die Köpenicker Landstrasse zu, liegt das Weberhaus von Th. Zimmermann in Gnadenfrei und Hausdorf, das nach den Entwürfen des Arch. Bruno Möhring mit der nachdrücklichen Absicht der Hervorrufung einer Art Volkskunst in Form und Farbe errichtet ist und in gefälliger Weise Gegenstände des handwerklichen Betriebes der Weberei als schmückende Motive verwendet. Von dem gleichen Künstler ist der Pavillon für das Prachtwerk Berlin, dem gegenüber ein ansprechender Pavillon im maurischen Stil die Freunde des internationalen Liqueurhauses aufnimmt. Die, wie wir glauben aussichtsreiche Kunst der stilisirten bemalten Blumen in der Kleinarchitektur, namentlich im Holzbau, ihre schlichte, ja naive Auffassung findet sich an dem Haus der Honigkuchenfabrik Fielitz von H. A. Krause, einem frischen, ursprünglichen Künstler, der in dem Verkaufsstand der Firma Carl Martienzen, in dem die Grenzen des Kleinbaues weit überschreitenden, mit einem gewissen Prunk auftretenden, zweithürmigen, in Gold, Silber und Farbe prangenden Tabak-Museum der Firma Loeser & Wolff, in der chinesischen Theebude von Carl Joh. Hoelting und an anderen Stellen der Ausstellung Proben einer eigenartigen selbständigen Auffassung und Erfindung der architektonischen Formen gegeben hat. Schlicht und anmuthig liegt das Weinhäusl da, im Achteck, an altchristlichen Aufbau erinnernd, erhebt sich der Edison-Pavillon und maurisch wiederum ist der Pavillon Zuntz. Wieder schlicht und gefällig, ohne aufdringliche Mittel, jedoch mit der zurückhaltenden Eigenart, die den Künstlern eigen ist, ist das Haus des Berliner Vereins für Volksbäder von Solf & Wichards errichtet. An den norwegischen Stabbau erinnert der Holzbau von Desca Reichel, das gerade Gegentheil zu seiner aufsteigenden Gestalt ist der breit gelagerte Blockbau des Münchener Bürgerbräu, das in seiner köstlichen Nachahmung eines oberbayerischen Dorfbierausschankes eine viel besuchte Erholungsstätte ist. Die liebenswürdige Nachbildung aller, auch der kleinsten Zufälligkeiten verrathen, namentlich auch in der echten Malerei, eine scharfe Beobachtung bei grossem künstlerischem Feingefühl. Das Innere entspricht in seiner Ausbildung durchaus der breiten Behaglichkeit des Aeusseren. Von ähnlichem Eindruck ist das nach den Entwürfen Hoffackers errichtete Spreewalddorf, in welchem der Berliner Verein zur Erhaltung der Volkstrachten eine kleine Ausstellung eingerichtet hat und zu dem man gelangt, wenn man an dem nach den Entwürfen des Hrn. Brth. A. Tiede in persischem Stil errichteten stattlichen Pavillon der Firma Sarotti vorübergekommen ist.
Im Vergnügungspark sind es das Automatische Restaurant (Arch. H. A. Krause), der gefällige kleine Fachwerksbau der Münchener Malzbierbrauerei von Christoph Groterjan, mit vortrefflichen Malereien geschmückt (Arch. Ernst Jacob), sowie der Thurmbau nach Entwürfen des Hrn. Bruno Möhring, welche die Aufmerksamkeit auf sich lenken. Beim Verlassen des Vergnügungsparkes begegnen wir zuerst dem Theater Alt-Berlin (Arch. Bernh. Sehring), einem feuersicheren Bau mit Eintags-Charakter, auf dessen Bühne das Berliner historische Schauspiel der neuesten Dichter – Generation sowie das historische Ausstattungsstück aus der Berliner Vergangenheit eine Stätte gefunden haben, dann dem in Ziegelfugenbau in romanischen Formen errichteten Haus des Vereins für Feuerbestattung und gelangen noch zu dem diesseits der Treptower Chaussee gelegenen Tucherbräu (von Hoffacker), der als deutscher Fachwerksbau errichteten Weinlaube der Berliner Weinhändler (Hoffacker) und dem Haus von Siemens & Halske, sowie zu dem in den Formen der französischen Renaissance der abgetragenen Tuilerienbauten gehaltenen Pavillon „Fürstenbrunn“.
Jenseits der Treptower Chaussee liegen das Gebäude der Stadt Berlin, entworfen auf dem städt. Hochbauamte und zu der Abtheilung der Berliner Schulen einen reizvollen Portaleinbau enthaltend, das ausserordentlich geschickt und echt komponirte Alpenpanorama (Arch. Hochgürtel), der thorburgartige Ausschank des Bürgerlichen Bräuhauses Pilsen und die romanische Sektklause von Kloss & Foerster in Freyburg a. U., mit guten Malereien von der geschickten Künstlerhand Max Seligers. Es ist eine grosse Fülle launiger und witziger Einfälle, die über die vielfach frischen Gestaltungen dieser kleinen Bauten ausgegossen ist.
VII.
Unabhängig von der Gewerbe-Ausstellung an sich, wenn auch örtlich mit ihr zusammenhängend, sind zwei private Unternehmungen entstanden, von welchen keine für sich den Anspruch auf Verwirklichung eines neuen Gedankens erheben darf; denn sowohl Kairo wie die vorübergehende Darstellung eines bereits verschwundenen historisch bemerkenswerthen Theiles der Stadt, in welcher sich zufällig eine Ausstellung befindet, im vorliegenden Falle die Vorführung eines Theiles des alten Berlin, ist schon mehrfach und, wenigstens was Kairo betrifft, mit besserem künstlerischen Erfolge zur Ausführung gelangt; es sei in letzterer Beziehung nur an die Bauten der Firma Schmoranz & Machytka auf der Weltausstellung des Jahres 1873 in Wien und an die rue du Cáire der Pariser Weltausstellung des Jahres 1889 erinnert. Alt-Antwerpen, Alt-Bremen auf den bez. Ausstellungen, die vorübergehende Wiederherstellung der Bastille und des sich um sie gruppirenden Stadttheiles auf der Pariser Ausstellung von 1889 sind die künstlerisch vorzüglich dargestellt gewesenen Vorläufer von Alt-Berlin. Und doch hat die Vorführung von Alt-Berlin vor jenen Darstellungen insofern etwas voraus, als es der in ungewöhnlichem Verhältniss unter schneller Beseitigung der alten Ueberreste gewachsenen jungen Weltstadt einen besonderen Reiz gewähren muss, sich in ihrer heutigen Ausdehnung an ihren früheren bescheidenen Anfängen messen zu können. Dieser Milderungsgrund – man darf angesichts der erwähnten mehrfachen früheren Verwirklichungen desselben Gedankens und gegenüber der in Berlin zweifellos bekundeten Ideenarmuth inbezug auf einen neuen Gedanken wohl von einem solchen sprechen – fällt für Kairo fort. Es ist nicht einmal mit gleicher Einheitlichkeit wie Alt-Berlin durchgeführt, wenn es auch ein Stück orientalischen Lebens ist, das auf eine grosse Menge eine starke Anziehungskraft ausübt. Das, der Gelderwerb, war die Hauptsache bei Aufstellung des Planes, das künstlerische Moment war nur gelegentliches Mittel zum Zweck.
Auf einem Flächenraume, der für die geschlossene und echte Wirkung des Ganzen und für die grössere Treue des orientalischen Charakters um etwa ein Drittel hätte kleiner sein können, baut sich Kairo auf mit einer Anzahl von aegyptischen Tempel- und Haustypen, welche zumtheil treue Nachahmungen bestehender Bauwerke sind, zumtheil der freien Phantasie des Architekten ihren Ursprung verdanken, nicht immer ohne Reiz, manchmal sogar künstlerisches Interesse herausfordernd. Angenehm wirkt es zu sehen und es ist der beste Theil der ganzen Anlage, wie das Innere der kleinen Bauwerke zu Läden, Bazaren, Schankstätten usw. eingerichtet ist, die mit orientalischen Menschentypen belebt sind und in denen der morgenländische Charakter der ganzen Veranstaltung wenigstens zu einigem Ausdruck kommt. In dem lebhaften Bilde, das sich hier entfaltet, wirken auch die ausgebreiteten Waaren, namentlich die Metallarbeiten und Gewebe mit, die wegen ihres theueren Preises zweifellos in Berlin entstanden sind; denn der Orient liefert sie billiger. Daran ändert auch die mit orientalischer Lebhaftigkeit und Beredtsamkeit betheuerte Echtheit nichts. Und wie die Waaren, so auch die Bauwerke; man wird ihnen am meisten gerecht, wenn man ihnen den Zweck leichter Volksbelustigung zuschreibt.
Anspruch auf strengere und zugleich künstlerische Beurtheilung erhebt Alt-Berlin. Es ist mit Bewusstsein und Folgerichtigkeit einheitlich und mit liebevoller Hingabe an die bescheidene und naive Baukunst jener Tage, die wir heute, nach der Uebersättigung mit fremden Formen, so sehr zurückwünschen, entworfen. Der Fachwerksbau mit seinen unendlichen Abwechslungen und Gestaltungen, der Backsteingiebel mit seinen einfachen und doch so wirkungsvollen Formen, der geputzte Giebel mit seiner lebhaft bewegten Silhouette, hier eine Laube, dort eine Halle, an dieser Strassenecke ein rechtwinkliger Einbau, an jener ein thurmartiger Ausbau, ein Erker bald mitten in der Fassade, bald rücksichtslos, dem Bedürfnisse entsprechend, auf die Seite gerückt, bald keck an einer Ecke klebend, hier ein kleines Thürmchen, dort ein zierlicher Dachreiter, alles das vereinigt sich mit den kostümirten Besitzern der Läden und Schänken und ihren Gehilfen zu einem anmuthigen, lebhaften und malerisch bewegten, dabei so echten, wie es der Eintags-Charakter der ganzen Veranstaltung nur irgendwie zulässt, Städtebild der vergangenen Zeit, in welcher Berlin noch mehr jenes still beschauliche Dasein führte, in welches nur die freilich oft hereingebrochenen Kriegszeiten eine Abwechslung brachten. Seine Hauptbestimmung liegt in der künstlichen und künstlerischen Zurückversetzung des Besuchers in Zeiten, in welchen im Vergleich zu heute das Leben des Einzelnen dahinfloss wie ein ruhiger Strom, dessen Rauschen dem Nachbar kaum bemerkbar war und der selten die ihm gezogenen Ufer durchbrach. Das ist heute anders, und in diesem bei dem Besuche Alt-Berlins zum Bewusstsein kommenden Gegensatze liegt die Anziehungskraft dieser Veranstaltung.
Als sich die Gesellschaft mit beschränkter „Alt-Berlin“ mit ihrem Direktor Handelsrichter Julius Kaufmann an der Spitze an den Architekten Karl Hoffacker wendete, um sich dessen künstlerische Mitwirkung für die Gestaltung des Gedankens zu sichern, da war man nicht so sehr von dem Bestreben erfüllt, ein mit peinlicher historischer Treue ausgeführtes Abbild des alten Berlin etwa um 1650, als es noch kurfürstliche Residenz war, zu geben: das war schon aus äusserlichen Gründen nicht möglich. Das in alten Plänen und Abbildungen überlieferte Anschauungsmaterial, die in Urkunden, Chroniken und anderen schriftlichen Denkmälern überlieferten Nachrichten über die damaligen Zustände sind so spärlich, dass sich aus ihnen ein getreues Bild nicht gestalten liess. Man überliess daher der Phantasie, was die Ueberlieferung versagte und so ist durch Ergänzung des Fehlenden durch baukünstlerische Erscheinungen jener Tage aus dem ganzen Gebiete der Mark ein Werk zustande gekommen, welches seinem Namen nicht sowohl mit logischer Strenge entspricht, aber, soweit wir es beurtheilen können, die Stimmung jener Zeit in ihren allgemeinen Zügen vortrefflich zum Ausdruck bringt. In historischer Beziehung ist der Anlage in mancher Hinsicht eine Ergänzung gegeben durch eine Sonderausstellung von Berolinensien, welche der Verein für die Geschichte Berlins in der Heiligen Geistkirche in Alt-Berlin zum grössten Theil aus dem eigenen Bestande an Plänen, Ansichten, Schriftwerken usw. veranstaltet hat. Ein von dem Hauptschriftwart, Dr. Hans Brendicke, verfasster Führer belehrt darüber in so ausführlicher Weise, wie sie uns hier nicht zu beobachten möglich ist.
Das Gebiet von Alt-Berlin, einen Flächenraum von ungefähr 25 000 qm einnehmend, liegt am Karpfenteich und gewährt von der Wasserseite her die in der Abbildung S. 369 gegebene Ansicht. Es wird über eine Brücke betreten durch das Spandauer Thor, an welchem links ein mächtiger Rundthurm liegt, der Zutritt zu der Strasse „Am Spandauer Thor“ giebt, an deren rechter Seite die Heilige Geist-Kirche sich erhebt. Südlich von derselben liegt die Strasse „Am Heiligen Geist-Kirchhof“ , in ihrer Verlängerung der Wursthof. Nahezu parallel mit der genannten Strasse läuft die Bolingsgasse, welche zum Kohlmarkt führt. Von der Ecke des Kohlmarktes führ eine Strasse in nordöstlicher Richtung nach dem Georgenthore. Im Süden von Alt-Berlin liegt die Heilig-Geiststr., sie führt südlich nach der Langen Brücke, östlich nach dem Rathhausplatze. An diesem liegen das Rathhaus und die Gerichtslaube. Am nördlichen Ende des Kohlmarktes zweigt die Heidereutergasse ab. Es ist kein umfangreiches Gebiet, welches hier in geschickt täuschender Anordnuug von wenigen Strassen mit noch weniger grösseren und kleineren Plätzen durchzogen wird; aber die Anlage der Strassen, ihre zwanglosen Krümmungen, die Unregelmässigkeit der Plätze, das Vor- und Zurücktreten der einzelnen Baulichkeiten und ihrer Theile, die Andeutung des verschiedenartigen Materiales, alles das giebt ein so reiches und mannichfaltiges Bild, dass die Thätigkeit der in vergangene Zeiten zurückversetzten Phantasie nicht beengt und durch keine Stelle der schönen Anlage unterbrochen wird. Es würde zu weit führen, auf einzelne Gebäude einzugehen. Im Verlag des „Kleinen Journal“ ist aus der Feder von Maximilian Rapsilber ein Führer durch Alt-Berlin erschienen, der mit ausgezeichneten Illustrationen von der Hand der Maler Herwarth und Weimar und des Architekten Hoffacker versehen, eine ansprechende Schilderung der Zeit und der ihr entnommenen Anlage bis ins Einzelne giebt. Auf sie sei für das Studium der Einzelheiten verwiesen.
Von den Firmen, die an der Errichtung Alt-Berlins theilgenommen haben, sind zu nennen: die Firma H. Görisch für die Maurer- und Zimmerarbeiten, G. Heydrich für die Herstellung der Loth’schen Patentholzlättchen-Gewebe an Wänden, Decken und Gewölben, F. Butzke & Co. für die Beleuchtung, Karl Berg, Heintze und andere für Dekorationsmalereien, Hugo Baruch &Co. für Kostüme usw.
Diese Artikelreihe erschien zuerst 1896 in der Deutsche Bauzeitung, sie war gekennzeichnet mit „-H.-„