Der in Rede stehende, beschränkte Wettbewerb, über dessen Ausgang wir bereits berichtet haben, darf nach 2 Seiten hin die Aufmerksamkeit der deutschen Fachgenossen beanspruchen. Einmal zufolge des thatsächlichen Ergebnisses, das er in Gestalt von 9, mehr oder minder bedeutsamen Entwürfen zur Lösung einer augenblicklich im Vordergrunde des allgemeinen Fachinteresses stehenden Aufgabe geliefert hat, sodann aber zufolge des bei ihm – nunmehr schon zum zweiten Male – eingeschlagenen, ungewöhnlichen Verfahrens, gegen das sich gewichtige Bedenken kaum zurück halten lassen.
Verfolgen wir zunächst in aller Kürze den Verlauf des Wettbewerbs. Derselbe ist veranstaltet von dem unter dem hohen Protektorate I. M. der Kaiserin stehenden, von S. Exz. dem Minister des Kgl. Hauses, Hrn. v. Wedell-Piesdorf, geleiteten „Evangelischen Kirchenbau-Verein“, der sich zum Zweck gesetzt hat, die auf Abhilfe der in Berlin u. a. O. bestehenden Kirchennoth gerichteten Bestrebungen I. M. der Kaiserin dadurch zu unterstützen, dass er für die Beschaffung künstlerisch gestalteter Entwürfe für die in Aussicht genommenen, von dieser geförderten Kirchenbauten sorgt. Abgesehen von der Mitwirkung bei Vorbereitung einzelner anderen Kirchen-Entwürfe (so z. B. für den Vorort Friedenau) sind es bisher namentlich die Pläne für die beiden, zum Gedächtniss I. M. der Kaiserin Augusta und S.M. des Kaisers Wilhelm I. Bestimmten Kirchenbauten gewesen, welchen die Haupt- Thätigkeit des Vereins gegolten hat.
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Inbetreff des letzteren erging im Juli d. J. an eine Anzahl von Architekten die Aufforderung, sich an einer beschränkten Wettbewerbung unter folgenden Bedingungen zu betheiligen:
„1. Die Kirche muss dem Andenken des Hohen Verblichenen entsprechend in ihrer äusseren und inneren Ausstattung würdig gehalten sein.
2. Der Bau darf die Kosten von 650.000 M. nicht überschreiten.
3. Er muss 2 Sakristeien und 2 grosse Konfirmanden-Säle und Königliche Loge mit Vorhalle enthalten.
4. Die Konkurrenz ist freiwillig und unentgeltlich, d. h. es werden den etwaigen Bewerbern für ihre eingereichten Projekte usw., mögen dieselben angenommen werden oder nicht, keine Vergütigungen in Aussicht gestellt.“
Als Schluss des Wettbewerbs war der 1. September d. J., als Bauplatz der Wittenberg-Platz in Charlottenburg genannt. An Zeichnungen wurden je eine perspektivische Aussen- bezw.
Innen-Ansicht sowie Grundriss und mindestens 2 Durchschnitte gefordert. Eine Angabe über die Grösse der Kirche bezw. über die Zahl der verlangten Sitzplätze fehlte vorläufig.
Wie viele und welche Architekten zur Theilnahme an diesem Wettbewerb aufgefordert worden sind, ist uns nicht bekannt. Entwürfe sind eingereicht worden von den Hrn. Arch. Doflein, Arch. Grisebach, Brth KylImann, Brth. F. Schulze und Brth. Schwechten in Berlin, Prof. Brth. Kühn, Reg.-Bmstr. March und Arch. Sehring in Charlottenburg sowie Stadt-Bauinsp. Jaehn in Magdeburg. Mittheilungen aus Fachkreisen, für die wir jedoch keine Bürgschaft übernehmen können, nennen noch die Hrn. Geh. Reg.-Rth. Prof. Otzen, Reg.- u. Brth. Eggert, Reg.-Bmstr. Schwartzkopf und Reg.-Binstr. Pogge als Künstler, welche eine entsprechende Aufforderung erhalten, aber abgelehnt haben sollen.
Die eingegangenen 9 Entwürfe sind zunächst einer vorläufigen Beurtheilung und Begutachtung innerhalb des Vereins-Vorstandes unterzogen worden, welchem als Architekt Hr. Geh. Ober-Reg.-Rth. Spieker angehört; als Kommissare der Hrn, Minister d. öffentl. Arb. und des Kultus waren für diesen Zweck noch die Hrn. Geh. Ober-Brth. Adler und Geh. Reg.-Rth. Prof. Ende entsendet. Hierbei wurden die 3 Arbeiten der Hrn. Schwechten, Kyllmann und Doflein als diejenigen bezeichnet, welche den gestellten Anforderungen im höchsten Maasse entsprächen. Die eigentliche Entscheidung des Wettbewerbs, d. h. die Auswahl des zur Ausführung in Aussicht zu nehmenden Entwurfs wurde – wie schon bei der voran gegangenen Wettbewerbung um die Kaiserin-Augusta-Gedächtniss-Kirche – dem allerhöchsten Ermessen I. M. d. Kaisers und der Kaiserin vorbehalten, welche sich zugunsten des Schwechten’schen Entwurfs aussprachen.
Mittlerweile hat eine öffentliche Ausstellung sämmtlicher 9 Arbeiten im Uhrsaale der Kgl. Kunst-Akademie stattgefunden, welcher sich neuerdings eine solche in der Aula der Kgl. technischen Hochschule zu Charlottenburg angeschlossen hat. Es ist dadurch weiteren Kreisen die bei jenem früheren Wettbewerbe leider nicht gestattete Gelegenheit gegeben worden, die interessanten Entwürfe in ihrer Gesammtheit kennen zu lernen, sie mit einander zu vergleichen und auch die Leistungen der unterlegenen Theilnehmer zu würdigen.
Was an derselben zunächst auffällt, ist das Ergebniss des Wettkampfes stilistischer Beziehung. Neben einem Entwurfe in Barockformen (Kyllmann), und 3 Arbeiten gothischen Stils (Grisebach, Jaehn und Sehring), treten 5 Entwürfe in romanischen Stilformen auf. Wir lassen dahin gestellt, ob dies lediglich auf den von uns schon mehrfach beobachteten, einer Wiederaufnahme dieses Stils günstigen, allgemeinen Zug der Zeit zurück zu führen ist, oder ob es als eine unmittelbare Folge der Thatsache angesehen werden kann, dass I. M. der Kaiser und die Kaiserin unter den ihnen vorgelegten Entwürfen zur Kaiserin-Augusta-Gedächtniss-Kirche einem romanischen Bauplane den Vorzug gegeben hatten: jedenfalls wird der Umstand, dass auch diesmal das Glück einem Entwurfe dieses Stils günstig war, der Ausbreitung des letzteren weiteren Vorschub leisten. – Eine andere, sofort sich aufdrängende Beobachtung ist die, dass sich die Theilnehmer an die einzige, in bestimmter Form ausgesprochene Bedingung des sogen. Programms, dass nämlich der Bau für eine Kostensumme von 650 000 M. müsse ausgeführt werden können, im allgemeinen wenig gekehrt haben. Und – leider, müssen wir vom Standpunkte einer gesunden Handhabung des Wettbewerbungs-Wesens sagen – dürfte auch dieses, durch die letzten Konkurrenzen um die Kaiser-Denkmäler auf dem Kyffhäuser und an der Porta westfalica unterstützte Beispiel zur Nachfolge reizen, da bei Beurtheilung und Entscheidung des Wettstreits auf diesen Umstand offenbar nicht das geringste Gewicht gelegt worden ist!
Doch wenden wir uns nunmehr einer Betrachtung der einzelnen Arbeiten und zwar an erster Stelle des siegreichen Plans von F. Schwechten zu, von dem wir die beiden Grundrisse sowie eine Skizze der Haupt-Vorderansicht geben. Wenn der Maassstab des Grundrisses im Vergleich zu letzterer etwas zu gross gegriffen erscheinen sollte, so sei von vornherein darauf aufmerksam gemacht, dass jener Maassstab der in u. Bl. in der Regel angewendete (1: 500) ist. Es wird hierdurch in anschaulicher Weise die absolute Grösse des Bauwerks klar, welche – wie wir bereits in unserer kurzen, vorläufigen Mittheilung erwähnt haben – über diejenige aller bisher in Berlin errichteten Gotteshäuser hinaus geht. Im übrigen glauben wir im Hinblick auf jene Mittheilung und die vorliegenden Darstellungen auf eine eigentliche Beschreibung der Anlage vollständig verzichten und uns auf eine kurze Würdigung derselben beschränken zu können.
Ihre allgemeine Anordnung darf als eine künstlerisch wohl überlegte und trefflich gelungene bezeichnet werden. Monumentale Klarheit und Uebersichtlichkeit sowie leichte Zugänglichkeit bilden neben der mächtigen einheitlichen Erscheinung des Innenraums ihre Haupt-Vorzüge. Wenn die Raumausnutzung nicht so weit getrieben ist, wie wir dies an unsern meisten, als eine Art von Nothbauten zu betrachtenden modernen Kirchen gewöhnt sind, so entspricht dies wohl nur der verlangten „Würde“ des in mehr als gewöhnlichem Sinne zugleich als Denkmalbau anzusehenden Gotteshauses. Besonders glücklich erscheint uns in dieser Beziehung die Verwendung des Chors als Taufkapelle und die Gestaltung des mächtigen Orgel- und Sängerchors. Auch die Anordnung der unter letzterem liegenden Eingangs- und Gedenkhalle, welche als ein besonders eigenartiger Zug des Entwurfs sich geltend macht, möchten wir gegen die Angriffe vertheidigen, die von so manchem Beschauer des Entwurfs wider sie erhoben worden sind. Trotz der verhältnissmässig geringen Höhe, die ihm an dieser Stelle gegeben werden kann (7,5 m) dürfte der Raum immerhin zu mächtiger Wirkung kommen und für den Mosaik-Schmuck, der ihm vermuthlich gegeben werden soll, würde verhältnissmässig schwache Beleuchtung aus den Treppenhäusern und der Vorhalle gerade günstig sein. – Als eine Schwäche des Planes erscheint uns dagegen, dass derselbe noch allzu sehr an das Vorbild der mittelalterlichen katholischen Kirche sich anlehnt und daher die Länge des Schiffs auf Kosten der Breite desselben zu sehr betont hat.
Von den übrigen Entwürfen des Wettbewerbs wollten wir usern Lesern noch diejenigen der Hrn. Doflein, Grisearc, Dach, Kyllmann, March und Sehring in kleineren skizzenen Abbildungen vorführen. Da die bezgl. Blätter jedoch vorläufig nicht aus der Ausstellung entfernt werden durften, sind wir genöthigt, uns zunächst auf die beiden an letzter Stelle genannten, uns in Photographien zugänglich gemachten Arbeiten zu beschränken, die Ausführung jener weiter gehenden Absicht dagegen für später zu vertagen. – In der Besprechung der Entwürfe schliessen wir dem Schwechten’schen zunächst die 4 übrigen in romanischen Stil gestalteten Pläne an.
Als der hervorragendste unter den letzteren und an sich als die am reifsten durchgebildete, zu einer unmittelbaren Ausführung am ehesten geeignete Arbeit des ganzen Wettbewerbs darf diejenige von C. Doflein angesehen werden. Sie zeigt eine gewölbte Kreuzkirche mit flachen Querschiff-Flügeln; das 15,5 m breite Hauptschiff wird von schmalen Seitenschiffen begleitet, der Chor ist behufs Aufnahme der kaiserlichen und Patronats-Sitze in der Breite des Mittelschiffs durchgeführt. Seitlich des Chors sind die beiden Konfirmanden-Säle derart ausgebaut, dass zwischen diesen und dem Querschiff kleine Vorhallen für die Nebeneingänge gewonnen sind; hinter dem Chor liegt in der Axe eine selbständige Tauf- bezw. Traukapelle. An der Hauptfront befindet sich eine schmale Vorhalle in ganzer Breite des Mittelschiffs, das in der Fassade als ein von 2 Thürmen eingefasster Giebelbau in die Erscheinung tritt. Zwei kleinere Thürme liegen an der Chorwurzel, während als beherrschendes Hauptmotiv des Baues ein achtseitiger, mit einem Zeltdach abschliessender Thurm über der Vierung errichtet ist. Eine besondere Beziehung auf die Bestimmung der Kirche als Gedächtnisskirche ist nicht zu erkennen. Das Ganze, in den klassischen Formen der Blüthezeit des romanischen Stils und in trefflich abgewogenen Verhältnissen durchgebildet, spricht ausserordentlich an besonders in den Aufrissen und der Perspektive des Innern; bei der maassvollen Haltung des Baues dürfte auch die ausgesetzte Bausumme wenigstens annähernd eingehalten werden können. Was dem Entwurfe dagegen fehlt, ist der ausgesprochen individuelle Zug, welcher dem Schwechten’schen Plane eigen ist und diesem ohne Zweifel den Sieg verschafft haben dürfte.
Auch in der Grundrissbildung des Entwurfs von O. March macht ein solcher in sehr entschiedener Weise sich geltend; er stellt sich als ein durchaus selbständiger und darum hoch interessanter Versuch dar, die Kirche als einen Zentralbau – etwa im Sinne der Dresdener Frauenkirche G. Bähr’s – zu gestalten. Der Grundriss des eigentlichen Kirchenraums ist ein ungleichseitiges Achteck von 25 m gr. Durchm. i. d. Diagonale mit nischenartigen Erweiterungen in den breiten Seiten, von denen eine den Chor, die 3 anderen je eine zweigeschossige Empore enthalten; neben dem Chor sind in der Höhe des Schiffs Sakristei und Taufkapelle, darüber Orgel- und Sänger-Empore angeordnet.
An diesen Zentralbau, der von 4, das Achteck zum Quadrat ergänzenden Treppenthürmen umgeben wird und aus der Queraxe durch 2, je zu den Treppen und den in den kurzen Diagonalseiten des Schiffs liegenden Thüren führende Eingangshallen zugänglich gemacht ist, schliesst sich in der Hauptaxe ein langschiffartiger Bau an, dem sich in der Front eine breite Thurmhalle vorlegt. Der Mittelraum ist als mächtige Haupt-Eingangshalle gestaltet und enthält zugleich die Treppen zu der auf der 1. Empore, dem Chor gegenüber liegenden kaiserlichen Loge; die beiden Seitenschiffe enthalten die verlangten beiden Konfirmanden-Säle, die hier besonders stattlich entwickelt werden konnten und eine selbständige Bedeutung im Organismus des Baues behaupten. – Leider ist es dem Künstler nicht gelungen, letzteren auch im architektonischen Aufbau der Anlage zum bezeichnenden Ausdruck zu bringen. Die Erscheinung der Kirche, welche die mitgetheilte kleine Skizze wiedergiebt, trägt ein sehr stimmungsvolles, monumentales Gepräge, ist aber in zu äusserlicher Art derjenigen der geschichtlichen Denkmale des romanischen Stils angeschlossen und steht stellenweise in offenem Widerspruch mit der Gestaltung des Innern. So erleuchten die Oberfenster des scheinbar basilikal gestalteten Langhauses nur den Kirchenboden, während die grosse Treppenvorhalle im Innern, für die ganz unverhältnissmässiger Raum verschwendet ist, lediglich sekundäres Licht erhält. Auch der Aufbau über der Vierung ist in dieser Form lediglich ein monumentales Schaustück; seine kleinen Fenster-Öffnungen genügen zur Beleuchtung des inneren Kuppelraums um so weniger, als auch das vom Chor und der Queraxe einströmende Licht ein ziemlich spärliches ist. Diese Mängel schmälern jedoch nicht das Verdienst der im Grundriss enthaltenen selbständigen Gedanken. Namentlich erscheint die den Konfirmanden-Sälen gegebene Stellung als ein sehr verwendbares Motiv, wenn dieselben etwa als Seitenbauten eines der Kirche vorgelegten, von der profanen Aussenwelt zu dem Innern des Gotteshauses überleitenden Vorhofes ausgebildet würden.
Der Entwurf von B. Kühn zeigt im Grundriss ein griechisches Kreuz von 15,5 m l. Weite des von schmalen und niedrigen Seitenschiffen begleiteten Mittelschiffs mit einer durch Abschrägung der Ecken entsprechend erweiterten Vierung. Die Logen für das kaiserliche Haus und das Patronat liegen neben dem Chor, den die Sakristeien als Absiden umgeben, während für die Konfirmanden – Säle ein besonderer Rundbau hinter dem Chor vorgesehen ist. Alle 3 Stirnseiten sind mit Vorhallen ausgerüstet, von denen die des Hauptschiffs-besonders stattlich entwickelt und nach aussen durch eine mächtige Nische mit Giebel bezeichnet ist. Die Querschiffe schliessen mit Giebeln, während die beiden Thürme vor dem Langschiff durch einen Aufbau mit Querdach verbunden werden. Ueber der Vierung erhebt sich ein riesiger Achteckthurm mit Pyramiden-Dach, unten mit Giebeln besetzt, der sich aus einem vierseitigen Unterbau mit Giebeln und stumpfen Widerlagsthürmen entwickelt.
Die Erscheinung des Ganzen ist eine machtvolle, wenn auch noch nicht ganz zusammen gestimmte. An dem sorgfältig durchgearbeiteten Grundriss fällt ein Nachtheil auf, den man den Kreuzkirchen neuerdings gemacht hat und der bei Bauten dieses Maassstabes in der That nicht ewig, ist. Durch die grosse Ausdehnung, welche den Querschiff-Flügeln gegeben ist, wird ein sehr namhafter Theil der im Hauptschiff Sitzenden von den Blicken der im Querschiff, auf und unter den Emporen sitzenden Kirchenbesucher, in der Flanke bezw. sogar halb von vorn gefasst, bezw. umgekehrt – eine Anordnung die der Andacht unter Umständen allerdings nicht sehr förderlich sein dürfte.
Sehlichter und skizzenhafter bearbeitet als alle übrigen Arbeiten, erweist sich der von Fr. Schulze unter Mitwirkung des Kgl. Reg.-Bmstrs. Hasak bearbeitete Entwurf bei näherer Betrachtung doch als ein beachtenswerthes Werk mit manchen eigenartigen Zügen. Eine Kreuzkirche von 14m l. Weite des Hauptschiffs und mäßig erweiterter Vierung zeigt er die kaiserliche und Patronats-Loge zur Seite des Vorchors, welchem nur eine kleine Abside angeschlossen ist. Von den 3 Traveen des Langhauses werden die beiden äusseren von einer tiefen Empore eingenommen, während jedoch nur die mittlere zum inneren Kirchenraum gezogen, die äusserste dagegen für Anlage der beiden mit Absiden nach aussen vorspringenden Konfirmanden-Säle verwendet ist. Den Abschluss in der Front bildet eine, zwischen den Konfirmanden-Sälen durchreichende Vorhalle zwischen den beiden Hauptthürmen der Kirche, deren Helme aus Giebeln sich entwickeln. Je 2 kleinere Thürme bilden die Ecken der Querschiffe, während über der Vierung ein Dachreiter sich erhebt. Das Ganze ist in den Formen sächsisch-romanischer Kirchen schlicht aber nicht ungefällig entwickelt und dürfte allenfalls auch noch annähernd für die ausgesetzte Bausumme auszuführen sein.
Von den 3 Arbeiten gothischen Stils bietet diejenige von Jaehn in Magdeburg am wenigsten Veranlassung zu näherer Erörterung, weil sie künstlerisch am wenigsten individuell gestaltet ist. Es ist eine der bekannten „korrekten“, übrigens durchaus nicht unverdienstlichen, modernen Backsteinkirchen, wie man sie bei Wettbewerbungen und auch in der Ausführung so häufig sieht. Im Grundriss, der das Motiv einer Kreuzkirche mit Westthurm zeigt, erscheint am eigenartigsten die Anlage der Nebenräume, welche den platt geschlossenen Chor als ein mit dem Vorsprung der Querschiffe fluchtender rechteckiger Bau umgeben und durch einen hinter dem Chor liegenden, kreuzgangartigen kleinen Hof in 2 Gruppen getheilt werden.
Hohes Interesse erregt dagegen der von H. Grisebach unter Mitwirkung von G. Dinklage bearbeitete Entwurf. Im Grundriss ein griechisches Kreuz von 16,5 m Weite zwischen den Aussenmauern, ist sie zwar mit Emporen-Einbauten versehen: jedoch sind die 8 Stützen, welche diese und zugleich das Flachkuppel-Gewölbe der Vierung tragen, so schlank gebildet, dass der ganze, schön überwölbte Raum durchaus einheitlich wirken würde. Die in ihrer Lage zur Kanzel nicht sehr günstig angeordnete kaiserliche Loge sowie der zweigeschossige Bau für die Konfirmanden-Säle liegen einseitig neben dem Chor. Vor das Hauptschiff legt sich ein mächtiger, sechsseitiger Thurm, dessen unterer Theil – ähnlich wie bei dem Flügge-Nordmann’schen Entwurf für die Gedächtnisskirche in Speyer – zu einer nach 3 Seiten offenen, durch Freitreppen von aussen zugänglichen Gedenkhalle geöffnet ist, deren monumentale Malereien allerdings zu hoch angeordnet erscheinen, um aus dem Inneren des Raums gesehen zu werden, aber offenbar auf die Wirkung von aussen berechnet sind. Der Hauptreiz der Arbeit liegt jedoch in der architektonischen Ausgestaltung des Baues, die unter Verwendung des Rundbogens, aber durchaus mit den Formen und im Geiste der Spätgothik bewirkt ist; namentlich der Hauptthurm, dessen Steinhelm am Fusse von offenen Lauben umgeben wird, ist ein mit hoher künstlerischer Kraft durchgeführtes Werk geistvoller Erfindung. Die Querschiffe schliessen mit Giebeln; über der Vierung erhebt sich ein Dachreiter.
Die eigenartigste künstlerische Leistung ist der Entwurf von B. Sehring. Er kann in gewissem Sinne – d. h. bezgl. seiner Grundgedanken und der künstlerischen Kraft, mit der letztere zum Ausdruck gebracht worden sind – vielleicht sogar als die bedeutendste That des Wettbewerbs bezeichnet werden, wenn sich der phantasievolle Architekt auch dadurch geschadet hat, dass er seiner Neigung zu malerischer Behandlung der Baukunst weiter nachgegeben hat, als mit den z. Z. In Deutschland herrschenden Anschauungen verträglich ist.
Ausgehend von der Ansicht, dass eine Gedächtnisskirche für Kaiser Wilhelm einerseits ein schlichtes Gepräge tragen, andererseits einen möglichst mächtigen und grossartigen Eindruck machen müsse und in richtiger Würdigung der Beschränkung, welche ihm die zur Verfügung gestellte Bausumme auferlegte, hat Hr. Sehring auf eine reiche, vielgestaltige Gliederung seines Bauwerks von vorne herein verzichtet und die Wirkung des Aeusseren wie des Inneren im wesentlichen je auf ein einziges, dafür aber um so gewaltigeres Motiv gestellt. Das Innere ist in der Hauptsache als ein von schmalen Seitenschiffen begleiteter Saal von 20m l. Breite gestaltet, der bei den verfügbaren Baumitteln allerdings nur mit einer durch spitzbogige, mit Zugstangen verankerte Binder getragenen Holzdecke geschlossen werden konnte. In einem etwas eingezogenen Zwischenbau führt eine stattliche Freitreppe zu dem 15 m weiten, durch mächtige Fenster von hellster Lichtfülle durchflutheten Chor hinauf, unter dem (zufolge der für den vorderen Theil des Bauwerks beabsichtigten Anhebung), die beiden Konfirmanden-Säle Platz finden sollen. Welcher Eindruck dabei erzielt werden kann, zeigt die mitgetheilte Perspektive.
Dabei entspricht die Anlage, abgesehen von den minderwerthigen Plätzen in jenem Zwischenbau, und der wenig günstigen Lage der kaiserl. Loge, durchaus den Zwecken des protestantischen Gottesdienstes, sobald der Altar aus dem, besser als Tauf- und Traukirche bezw. für besondere Abendmahl-Feiern zu verwendenden, Chor auf das Podest der zum Chor führenden Freitreppe vorgerückt würde. Nicht minder gewaltig und dabei in besonders glücklicher Weise dem als Baumaterial in Aussicht genommenen vaterländischen Backstein angepasst, ist der Eindruck des Aeusseren, das unter bewusster Zusammenhaltung der Massen im wesentlichen als ein einfaches, mit 4 Eckthürmen ausgestattetes Langhaus angeordnet ist, an dessen hinteren Giebel die Chorkapelle sich anlehnt. Hätte der Künstler für die Formen der vaterländischen Backstein-Gothik sich entschieden, anstatt zu den, malerisch ja ohne Frage sehr wirksamen, aber doch stellenweise zu profan anmuthenden, spätgothischen Bildungen Nürnberger bezw. Heideloff’scher Herkunft zu greifen, so wäre sein Erfolg vielleicht ein unbestrittener. Er ist trotzdem noch gross genug, so seltsam auch die Urtheile lauteten, die man während der Ausstellung zuweilen über ihn hören konnte.
Eine besondere Stellung nimmt der allein noch zu erwähnende Entwurf von Kyllmann ein; einerseits dadurch, dass er der einzige in Renaissance-Formen durchgeführte ist, andererseits dadurch, dass er die Bedeutung des Bauwerks als Denkmalkirche stärker als alle übrigen betont – stärker sogar, als im Interesse der Benutzung der Kirche für gottesdienstliche Zwecke erwünscht sein möchte. Das Innere des Baues zeigt ein lateinisches Krenz, die mit einer Flachkuppel überdeckte Vierung als ungleichseitiges Achteck von 21m Durchm. gebildet, die Seitenschiffe in 2 Geschossen auf so kräftigen Pfeilern überwölbt, dass eine nicht geringe Anzahl der Plätze im Querschiff und den Seitenschiffen den Blick auf die Kanzel verliert. Durch Ausfüllung der vorspringenden Ecken des Kreuzes mit diagonal gestellten Treppen ist eine quadratische, auf den Ecken mit Widerlags-Thürmen besetzte Baumasse von 36 m Seite hergestellt, aus deren Mitte über der inneren Flachkuppel eine hohe, in der Kaiserkrone endigende steinerne Schutzkuppel sich erhebt. Dem Hauptschiff ist eine Vorhalle mit 2 Glockenthürmen angefügt, der – wie an den Querschiffen – noch ein als Giebelbau gestalteter hoher Portalbau sich vorlegt. Die Konfirmandensäle bilden Anbauten am Chor. Das Ganze, in wirkungsvollen, an die klassischen Dresdener Kirchenbauten sich anlehnenden Barockformen durchgeführt, bildet eine wohl abgewogene Baugruppe, giebt jedoch für den Maassstab der Anlage vielleicht zu viel.
So flüchtig unsere Würdigung der eingegangenen 9 Entwürfe war, so dürfte sie doch genügt haben, um den in Rede stehenden beschränkten Wettbewerb in der That als einen ungewöhnlich bedeutsamen erscheinen zu lassen. Zur Entstehung derartiger Arbeiten Veranlassung gegeben zu haben, kann immerhin als ein Verdienst des „ev. Kirchenbau-Vereins“ in Anspruch genommen werden, so stark auch die Bedenken sind, die man vom Fachstandpunkte aus gegen sein Vorgehen geltend machen kann.
Das letztere hat von vielen Seiten her die härteste Beurtheilung gefunden. Man hat es als eine Dreistigkeit seltener Art bezeichnet, dass der Verein von den zur Betheiligung an seinen Wettbewerbungen aufgeforderten Architekten unentgeltliche Arbeit verlangt, und erblickt darin nicht viel Anderes als einen organisirten Versuch zur Ausbeutung derselben. Man ereifert sich wider die Art und Weise, in der die Auswahl der zur Betheiligung aufgeforderten Persönlichkeiten erfolgt und befürchtet daraus, sowie aus dem geheimen Verfahren der Beurtheilung der eingegangenen Arbeiten die Einbürgerung einer Günstlings- und Vettern-Wirthschaft, durch welche alle Erfolge, welche wir in der Angelegenheit des Wettbewerb-Wesens mühsam errungen haben, wieder infrage gestellt werden könnten. Und man beklagt sich insbesondere über die Fachgenossen, welche eine derartige Einladung annehmen oder sich wohl gar um eine solche bewerben, während sie nach Ansicht der Urtheilenden schon die Zumuthung einer Betheiligung an einem so „ungeheuerlichen“ Verfahren mit Entrüstung zurück weisen müssten.
In diesen Vorwürfen ist manches Berechtigte mit vielem Unberechtigten oder doch Uebertriebenem gemischt. Wir wollen nicht geltend machen, dass es bei der ganzen Angelegenheit formell nur um eine Privatsache sich handelt; denn allerdings sollte ein Kirchenbau, für den öffentliche Mittel mit zur Verwendung gelangen, stets als Öffentliche Angelegenheit betrachtet werden. Aber man sollte nicht vergessen, dass es thatsächlichder Zweck des ev. Kirchenbau-Vereins ist, seinen Einfluss dahin zu verwenden, dass Aufgaben, welche sonst einfach als „Aktennummer“ vergeben werden würden, überhaupt im Wege des Wettbewerbs zur künstlerischen Lösung gestellt werden. Dieses Ziel verdient an sich gewiss seitens der Mehrheit der Fachgenossen keinen Tadel, um so weniger als das Ergebniss der beiden, seitens des Vereins veranstalteten Wettbewerbe das gewesen ist, dass thatsächlich einer der Betheiligten mit der Ausführung des Baues beauftragt worden ist. – Ob die Aussicht auf einen solchen Erfolg einem Fachgenossen so viel werth ist, um seine Kraft dem Verein zunächst unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, sollte man billigerweise der Entscheidung jedes Einzelnen überlassen. Auch die Befürchtung, dass die Zulassung zu den Wettbewerbungen lediglich nach Gunst gewährt werde, ist insofern eine irrige, als es ja jedem Architekten unbenommen ist, selbst Mitglied des Vereins zu werden und sich dadurch ein Anrecht auf Berücksichtigung zu sichern. Dass unfähige. nur durch persönliche Gunst getragene Persönlichkeiten sich vorschieben oder gar einen Erfolg erreichen könnten, ist ausgeschlossen, wenn das Ergebniss der Wettbewerbung – wie diesmal durch die Ausstellung der Entwürfe bereits geschehen ist – der Kontrolle der Oeffentlichkeit unterbreitet wird.
Allerdings muss im Interesse unseres Wettbewerb-Wesens gefordert werden, dass nicht nur eine solche öffentliche Ausstellung der eingegangenen Arbeiten von vorn herein in Aussicht genommen bezw. zugesichert wird, sondern dass auch inbetreff der Beurtheilung der Entwürfe schon beim Erlass des Preisausschreibens bestimmte Festsetzungen getroffen – dass überhaupt das Verfahren bei dem eigentlichen Wettbewerbe möglichst demjenigen angeschlossen werde, das die deutschen Architekten als das den sachlichen Zwecken eines Wettbewerbs, wie ihren Berufs-Interessen am meisten entsprechende anerkannt und in den bekannten „Grundsätzen“ des Verbandes d. A.- u. L.-V. dargelegt haben.
Gegen diese Grundsätze ist bei den bisherigen Wettbewerbungen des „ev. Kirchenbau-Vereins“ schwer verstossen worden, aber – wie wir glauben müssen – weniger aus bösem Willen, als aus Unkenntniss und Missverständniss. Es bedarf keines weiteren Beweises für das geringe Sachverständniss, mit dem der Wettbewerb um die Kaiser Wilhelm-Gedächtnisskirche eingeleitet worden ist, als des von uns mitgetheilten Programms, in welchem über die wichtigste Grundlage des zu liefernden Entwurfs, die Zahl der zu beschaffenden Kirchenplätze, eine Angabe einfach – vergessen war.
Hr. Geh. Ober-Reg.-Rtb. Spieker theilt uns aufgrund jener früheren Angaben mit, dass er an der Vorstands-Sitzung des Vereins, in welcher die Einleitung des bezgl. Wettbewerbs beschlossen worden ist, zufälliger Weise nicht theilgenommen bat und von letzterem erst mehre Wochen später, bei Rückkehr von einem Urlaube, etwas erfahren hat. Zugleich berichtigt er unsere Angaben bezgl. der fachmännischen Beurtheilung der eingegangenen Entwürfe, an welcher neben den Hrn. Adler, Ende und Spieker noch die Hrn. Ober-Baudir. Endell und Reg.- u. Brtb. Emmerich theilgenommen haben – die beiden ersten übrigens nicht als Ministerial-Kommissare, sondern alle 5 auf Ersuchen des Vereins-Vorstandes. Der letztere hatte diese fachmännische Beurtheilung der Entwürfe zunächst seinem Mitgliede, Hrn. Spieker, allein übertragen wollen, sich auf dessen Vorschlag jedoch zur Berufung jenes weiteren Ausschusses entschlossen.
Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass der ev. Kirchenbau-Verein Vorstellungen, die von zuständiger Seite in dieser Beziehung an ihn gerichtet werden, sich zugänglich erweisen wird und dass etwaige weitere Wettbewerbungen, die er veranstaltet, auch in der Form zu Klagen keine Veranlassung mehr geben werden.
Dieser Artikel erschien zuerst 1890 in der Deutschen Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit “-F.-“.