Eierkonsum und Konsumeier

Umhüllung eines Hammerhuhneies (Celebes)

Von H. Krohn, Hamburg. Mit 8 Aufnahmen.

Neben Fleisch und Fisch gehört das Ei in seiner Art zu den verbreitetsten Nahrungsmitteln. Kein Erdenwinkel, wo Menschen leben, ist so entlegen, daß es dort nicht vorkäme, und kein Volk steht so niedrig, daß es sich seiner nicht zu bedienen wüßte.

Die Förderung der Eierproduktion hat sich nun in neuerer Zeit geradezu zu einem Bedürfnis ausgestaltet, das aber nur die allerwenigsten europäischen Länder zu befriedigen in der Lage sind. Oesterreich-Ungarn, Rußland und Italien haben die Führung auf diesem Gebiet inne, wie sich ziffernmäßig beweisen läßt. Oesterreich-Ungarn führte bereits im Jahr 1889, das Ei zu 50 Gramm angenommen, rund 1114, Rußland 1890: 750 und Italien schon 1881: 300 Millionen Stück Eier aus, Zahlen, die sich in dem verflossenen Jahrzehnt um viele weitere Millionen erhöht haben.

Wo sind diese Millionen geblieben? Man würde umfangreicher statistischer Tabellen benötigen, um diese Frage annähernd genau zu beantworten, aber schon allein der Hinweis, daß Deutschland 1891 eine Einfuhr von 1610 Millionen und 1900 eine solche von 2363 Millionen notierte, sowie daß England seit Jahrzehnten durchschnittlich die Hälfte dieser Mengen einführt, gibt einigermaßen Auskunft darüber, welche Staaten hier vornehmlich in Frage kommen.

Ei des Albatros (Stiller Ozean)
Ei des Albatros (Stiller Ozean)
Ein des grünschäbligen Kranichs (Mandschurei)
Ein des grünschäbligen Kranichs (Mandschurei)
Hammerhuhnei (Celebes)
Hammerhuhnei (Celebes)

In früheren Zeiten, z. B. im Mittelalter, als der Geschmackssinn unzweifelhaft nicht weniger ausgebildet war als heutzutage, stand das Ei unseres braven Haushuhns durchaus nicht obenan. Damals waren es vielmehr die Eier des Reihers, die am stärksten begehrt wurden und als eine Delikatesse auf die Tafel der Vornehmen gelangten. Mit dem Verfall der damals in hoher Blüte stehenden Reiherbeize und der daraus hervorgehenden Verminderung der nach und nach weniger geschützten, vielfach sogar zerstörten Reiherstände sind inzwischen auch allmählich die Reihereier fast vollständig aus der Liste unserer Genußmittel geschwunden. Es nahm dafür die Ausbeutung der Brutplätze anderer gemeinschaftlich nistender Vögel, zumal der Möwen, einen gewaltigen Aufschwung. So sandte zum Beispiel die Insel Borkum früher alljährlich enorme Mengen von Möweneiern nach England, während verschiedene deutsche Großstädte noch gegenwärtig mit diesem Artikel durch holsteinische Gewässer und den Kunitzer See bei Liegnitz versorgt werden, der 1899 etwa 2400 und 1900 etwa 1000 Stück mehr Lachmöweneier ergab. Weniger sein Wohlgeschmack, als seine Größe, da diese zum Teil der des Hühnereies gleichkommt, sie oft sogar übertrifft, hat dem Möwenei diese Beliebtheit verschafft.

Ganz anders wird das Kiebitzei angesehen, dies Erzeugnis eines nur mittelgroßen Sumpfvogels, das kaum mehr als die Hälfte des Inhalts eines Eies vom Haushuhn darbietet und verhältnismäßig spärlich vorkommt. Daß die Eier des Kiebitzes zu allen Zeiten gesammelt wurden, ist wohl anzunehmen, wann sie aber allgemein in den Ruf einer besonders köstlichen Speise kamen, das zu sagen, ist schwer. Jakob Theodor Klein, der im Jahr 1758 ein Buch über Vogeleier veröffentlichte schrieb damals: „Wegen ihres guten Geschmacks werden sie häufig gegessen.“ Bei einem andern Schriftsteller aus der ersten Hälfte des verflossenen Jahrhunderts heißt es, daß Kiebitzeier sehr schmackhaft seien, aber nirgends so hoch im Preis ständen, wie in London, ungeachtet der großen Zahl, die aus Norfolk und Lincolnshire dorthin gebracht würde. Bei uns sind des öftern die ersten Eier mit zwanzig Mark das Stück bezahlt worden. Allerdings sinkt mit dem Vorrücken der Saison der Wert dieser Ware erheblich, selten aber so sehr, daß er nicht den des Hühnereis noch um das Fünffache überragt, mithin auf etwa fünfundzwanzig Pfennig.

In Afrika liefert oder lieferte hauptsächlich der Strauß die neben denen des Hausgeflügels in Betracht kommenden Eier. Allerdings ist zurzeit der Strauß von der Küste hinweg weit ins Innere hineingedrängt und das Aufsuchen seiner Nester inzwischen höchst beschwerlich und unlohnend geworden. Früher galten seine Eier den Eingeborenen als geschätztes Nahrungsmittel, um so mehr, als der Inhalt eines einzigen dem von 20 bis 24 Hühnereiern entspricht. Eine ganze, zahlreiche Familie kann mit einem einzigen Ei der großen Straußenart gesättigt werden.

Kibitzeier aus Jever
Kibitzeier aus Jever
Lummen-, Lund- und Torkalkenei (Grönland)
Lummen-, Lund- und Torkalkenei (Grönland)

Während wir vom Ei als erste Bedingung verlangen, daß es frisch sei, pflegt der Chinese Eier in die Erde zu graben und sie erst zu genießen, wenn sie in Fäulnis übergegangen sind. Der Geschmack ist eben verschieden!

Auf Celebes lebt eine Großfußhuhnart, das Hammerhuhn, das Höhlen in den Boden gräbt und in diesen, spannenweit voneinander entfernt, seine hübsch lichtbraunrot gefärbten, zehn bis zwölf Zentimeter langen und fünf bis sechs Zentimeter breiten Eier zum Erbrüten durch die Bodenwärme unterbringt. Die Hammerhuhneier sind, da sie, etwa wie bei uns die Kiebitzeier, als eine Delikatesse gelten, nicht allein nicht der freien Ausbeutung preisgegeben, sondern sogar der Obhut eigener Wächter unterstellt, da die Radschas das Ausnutzungsrecht in diesen Bezirken ausschließlich für sich selbst in Anspruch nehmen. Seinem Wert entsprechend wird das Ei auch sehr sorgfältig behandelt und seitens der Eingeborenen in kunstvoller Weise mit Palmblattgeflecht umschlossen.

Ei des afrikanischen umd amerikanischen Strausses, verglichen mit dem Hühnerei (1-3 der natürlichen Größe)
Ei des afrikanischen umd amerikanischen Strausses, verglichen mit dem Hühnerei (1-3 der natürlichen Größe)
Umhüllung eines Hammerhuhneies (Celebes)
Umhüllung eines Hammerhuhneies (Celebes)
Silber-, Sturm- und Lachmövenei (Schleswig-Holstein)
Silber-, Sturm- und Lachmövenei (Schleswig-Holstein)

Nicht unwichtig als Eiersammelstelle ist Laysan. Es ist eine kleine, etwa drei Kilometer breite und reichlich so lange Guanoinsel im Stillen Ozean, die, nachdem eine Gesellschaft neuerdings den sie bedeckenden Dungstoff abgebaut hat, seit einer Reihe von Jahren ein Brutplatz der großen Albatros (Diomedea exulans) ist. Dieser riesige Vogel legt ein einziges, an Größe nur von dem des Straußes übertroffenes Ei und kommt hier in solcher Menge vor, daß die Gesellschaft seine Eier sammeln und auf einer Feldbahn an die Küste transportieren läßt, um sie nach den Hawaiiinseln zu verschiffen, wo sie, zum Teil unter dem Einfluß der etwa tausend Kilometer langen Reise, in einem dem Europäer zwar bedenklichen, den Eingeborenen aber keineswegs beanstandenswerten Zustand eintreffen.

Den Hauptbestand der arktischen Vogelfelsbewohner bilden Lummen, Lunde und Tordalken. Tausende und Abertausende dieser Vögel beleben zur Brutzeit die steilen Wände über der Brandung, fast nur von dem Menschen belästigt, der, vielfach unter Einsetzung seines Lebens, ihre in Reihen auf den oft kaum handbreiten Absätzen der Felsen liegenden Eier sammelt. Ganzen Völkerschaften sind diese oft fast die alleinige Nahrung, und erst neuerdings haben sie aufgehört, einen Teil der Verproviantierung der Schiffe zu bilden, namentlich jener der dänischen Handelsmarine.

Es steht indessen zu befürchten, daß in allen Erdteilen die großen natürlichen Fundstätten allmählich versiegen. Was uns in Europa aber am meisten not tut, das ist, zumal in unserm eigenen Vaterland, eine energische Weiterentwicklung der rationellen Hühnerzucht, die zwar während der letztverflossenen zehn Jahre eine ganz außerordentliche Hebung erfuhr, aber längst noch nicht das leistet, was man von ihr fordern darf: die ausreichende Versorgung des eigenen Landes.

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 44/1903.