1904 – Im Schutz seiner Lage abseits von dem Getriebe der großen Verkehrsstraßen hat sich das uralte Städtchen Zons am Rhein als ein köstliches Beispiel einer mittelalterlichen befestigten Stadt erhalten.
Einst war das alte Sontium, eins der vielen linksrheinischen Römerkastelle, an der großen Heerstraße am Ufer des Rheins gelegen, heute fristet es weltvergessen sein Dasein, fast eine Stunde von der Bahnstation Dormagen der Linie Köln-Neuß entfernt. Selbst der Rhein hat sich von der ursprünglich an seinem Ufer begründeten Stadt zurückgezogen, mächtige Anschwemmungen auf dem linken Ufer haben sein Bett wesentlich verändert. So liegt der Ort in weltvergessenem Schlummer. Fleißige Malersleute, die, angezogen von den reizvollen Silhouetten und Konturen der alten Stadtmauern und Baulichkeiten, hier originelle Motive und Anregungen suchen, stören den stillen Zauber der Stadt kaum, und nur am Sonntag, wenn die Scharen der Ausflügler kommen und die ruhigen Straßen von ihrer lärmenden Fröhlichkeit widerhallen, scheint die Harmonie des Bildes gestört zu sein.
Die moderne Staffage will so gar nicht zu dem altfränkischen Untergrund des Stadtbildes passen.
Wer dem merkwürdigen Städtchen einen halben Tag gönnen will, tut gut, die Bahn von Düsseldorf nach Benrath zu benutzen. An dem von Nicolaus de Pigage erbauten Lustschloß des Kurfürsten Karl Theodor von der Pfalz vorbei führt der Weg durch den Schloßpark an den Rhein.
Bei dem Dorf Urdenbach liegt dann die Rheinfähre, die den Wanderer an das andere Ufer führt. Freundlich winken die alten Türme und Zinnen der erzbischöflichen Feste herüber, überragt von den wuchtigen Formen des viereckigen Zollturms. In einer Viertelstunde gelangt man an die Mauern von Zons, die in ihrer ganzen Ausdehnung erhalten sind. Die Stadt war einer der festesten Plätze des Kurfürstentums Köln. Erzbischof Sigfrid Graf von Westerburg hatte bereits im Jahr 1275 in Zons eine Burg zum Schutz gegen die Grafen von Berg errichtet. Diese wurde 1288 von den Kölnern vollständig zerstört und erst 1370 mit dem Wiederaufbau begonnen. Obschon die Feste im Lauf der Jahrhunderte mehrfach von feindlichen Truppen berannt wurde, dreimal verheerende Feuersbrünste sowie Ueberschwemmungen des Rheins zu erdulden hatte, ist ihr im wesentlichen das Aussehen vom Ende des vierzehnten Jahrhunderts bewahrt worden. Nach dem Urteil der Fachleute bietet Zons weitaus das besterhaltene Beispiel mittelalterlicher Befestigung in den Rheinlanden.
Die in der Form eines Rechtecks angelegte Stadtbefestigung ist an der Umfassungsmauer durch zahlreiche Wachthäuser und Türme unterbrochen. An der Südostecke befindet sich die Ruine des erzbischöflichen Schlosses, das als Muster eines gotischen Profanbaues gelten kann.
An den andern Ecken erheben sich der Zoll, der Krötschen- und der Mühlenturm, der letztere trägt jetzt eine Windmühle. Wo früher die erzbischöflichen Reisige Wacht hielten, grasen heute friedliche Ackergäule, die verwundert den Kopf über die Mauern stecken und den neugierigen Eindringling anwiehern. Der Helm des Indenturms an der Nordostecke ist kürzlich erneuert worden, ebenso entstammt die gotische Kirche dem Ende des neunzehnten Jahrhunderts.
Dieser Text von Willy Gansle erschien zuerst 1904 in Die Woche. Die Bilder wurden nachcoloriert.