Die Kriegsunruhen, die Natal augenblicklich unheilvoll heimsuchen, sind auch bis in die stillen Mauern des Trappistenklosters Mariannhill gedrungen; denn eine beträchtliche Anzahl von Flüchtlingen aus Transvaal, Zululand und dem nördlichen Natal haben hier Schutz gefunden.
Die große Menge der Fliehenden konnte schließlich in den Städten kein Unterkommen mehr finden; deshalb fragte die Regierung bei dem Kloster an, ob es gegen Vergütung der Selbstkosten Obdachlosen Schutz gewähren wolle. Auf diese Weise sind 10l weiße Flüchtige dort untergebracht. Schlafsäle sind ihnen eingeräumt worden, und ein Schuppen hat es sich gefallen lassen müssen, in eine Art von Wohnraum, so gut es ging, verwandelt zu werden. Einundneunzig dieser Klostergäste sind Protestanten, nur zehn sind Katholiken; außerdem gehören sie den verschiedensten Nationalitäten an: Engländer, Irländer, Franzosen, Deutsche, Italiener, Buren! Nicht auf Veranlassung der Regierung, sondern aus freien Stücken sind 36 Schwarze an das Klosterthor gekommen, haben Einlaß begehrt und erhalten; für sie wird dem Kloster natürlich keine Vergütung gezahlt.
Dies ist ein historischer Text, welcher nicht geändert wurde, um seine Authentizität nicht zu gefährden. Bitte beachten Sie, dass z. B. technische, wissenschaftliche oder juristische Aussagen überholt sein können. Farbige Bilder sind i. d. R. Beispielbilder oder nachcolorierte Bilder, welche ursprünglich in schwarz/weiß vorlagen. Bei diesen Bildern kann nicht von einer historisch korrekten Farbechtheit ausgegangen werden. Darüber hinaus gibt der Artikel die Sprache seiner Zeit wieder, unabhängig davon, ob diese heute als politisch oder inhaltlich korrekt eingestuft würde. Lokalgeschichte.de gibt die Texte (zu denen i. d. R. auch die Bildunterschriften gehören) unverändert wieder. Das bedeutet jedoch nicht, dass die darin erklärten Aussagen oder Ausdruckweisen von Lokalgeschichte.de inhaltlich geteilt werden.
Landeinwärts, von der Hafenstadt Natals aus, etwa zwölf englische Meilen entfernt, liegt das kleine Städtchen Pinetown. Die nächste Umgebung dieses Orts in englischem Land ist ziemlich ausschließlich von Deutschen bewohnt. Einerseits sind es Farmer, die sich hier niedergelassen haben; ursprünglich kamen sie hierher, um Baumwolle zu pflanzen; aber dies Unternehmen erwies sich als erfolglos. Daher gaben sie ihren ersten Plan auf, wandten sich der Gemüse- und Blumenzucht zu und fanden auf dem Markt in Durban guten Absatz für ihre Ware. New-Germany (Neu-Deutschland) hat man diese Ansiedlungen benannt.
Auf der andern Seite von Pinetown erstreckt sich ein 2000 Acker zählender Landbesitz, der das Eigentum des in ihm gelegen Trappistenklosters Mariannhill ist. Vor sechzehn Jahren wurde in bescheidenster Weise der Grund zu der großen katholischen Mission gelegt, und der unerschöpflichen Energie und Schaffenslust des ersten Abtes Klosters, Pater Franziskus, verdankt das segensreiche Unternehmen sein großartiges Gelingen.
War es zuerst nur eine kleine Wellblechhütte, die weder vor den Regengüssen des Winters noch von der unbarmherzigen Hitze des Sommers genügenden Schutz gewährte, in der die kleine Anzahl von Mönchen, die im Dienst der Million von Deutschland aus nach Natal gekommen waren, hauste und unterrichtete, so steht heutzutage Mariannhill mit seinen stattlichen Kirchen, Klostergebäuden, Werkstätten, Weinbergen und Schulen wie eine kleine Stadt da. Auf keinen Besucher wird das südafrikanische große Trappistenkloster seinen Eindruck verfehlen. Lautlose Stille überall, denn die Regel seines Ordens legt dem Mönch Schweigen auf; regste Thätigkeit und emsiges Schaffen in allen Arbeitssälen, bei den Schuhmachern wie Tischlern, bei den Gerbern wie Buchdruckern, bei den Müllern wie Wäschern. Es ist staunenswert, wie viel Arbeit gethan werden kann, ohne daß „gute Reden sie begleiten“.
Dasselbe Bild wie in dem Mönchskloster wiederholt sich bei dem Besuch des Nonnenklosters, in dem man auch Gelegenheit hat, die Geschicklichkeit der schwarzen Missionsschülerinnen im Nähen, Sticken und Klöppeln zu bewundern.
Ein ganz hervorragender Zug des Klosters Mariannhill ist seine in Wahrheit unbegrenzte Gastfreundschaft, die sich, ohne nach der Konfession oder Nation zu fragen, auf alle seine Besucher erstreckt und dank deren es Reisenden ermöglicht wird, einen Einblick in die Organisation dieses eigenartigen, für sich abgeschlossenen Staates zu erhalten.
War der erste Abt, der Gründer dieses Klosters, ein organisatorisches Talent, ein Mann, von dessen Fähigkeiten die Welt jedenfalls mehr wissen würde, hätte er sie nicht in den Dienst seines Glaubens gestellt, so ist sein Nachfolger im Amt seines großen Vorgängers würdig; er führt das begonnene Werk im Sinn des Gründers und mit größter Umsicht weiter.
Pater Amandus, der Abt des Klosters, war vor seinem Eintritt in den Trappistenorden viele Jahre lang Chorherr im Stift Klosterneuburg bei Wien. Zugleich war er Professor der orientalischen Sprachen und auch außerhalb des Klosters als Beichtvater allgemein beliebt. Seit 1889 gehört er dem Trappistenkloster an; schon nach wenigen Jahren wurde er zum Abt ernannt.
Näher einzugehen auf die ausgebreitete Thätigkeit der in Mariannhill lebenden etwa 600 Trappisten und ungefähr 200 Nonnen, ist hier nicht Zweck der Sache. Erwähnt sei aber noch die schöne Lage beider Klöster und ihre herrliche Umgebung, von der unser obenstehendes Bild eine Anschauung giebt, und – die vorzügliche Verpflegung in dem Nonnenkloster.
Besonders segensreich wirkt das Trappistenkloster Mariannhill im fernen Erdteil durch seine Missionsschulen, in denen Kaffernknaben und Mädchen unterrichtet und erzogen werden. Besser als ausführliche Beschreibungen veranschaulichen unsere Bilder das tägliche Leben und Treiben dieser jungen Missionsschüler und Schülerinnen. Wie manche zärtliche Freundschaft ist hier gewiß angeknüpft, die mit einem Bund fürs Leben schloß! Unser Bild führt ein solches Brautpaar vor, das sich in Mariannhill zusammenfand.
Guido von Horrnhoff
Dieser Artikel erschien zuerst 1900 in Die Woche.