Einiges über das Peller-Haus in Nürnberg

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Der durch das Chronostichon CVM DEO am Giebel der Fassade genau datirte Bau ist gewiss einer der schönsten der deutschen Renaissance nicht nur in Nürnberg, sondern überhaupt. Grundriss und Einiges vom Inneren gab ich in No. 49, Jhrg. 98 d. Bl., bei meinem Artikel über Vorplätze alter Nürnberger Häuser. Immerhin möchte auch etwas über die imposante Fassade des Gebäudes von Interesse für die Fachgenossen sein.

In einigen Führern von Nürnberg und Reisetaschenbüchern wird dieselbe als in italienischer Renaissance erbaut bezeichnet. Diese mir früher als ganz sinnlos erscheinende Bezeichnung hat insofern einigermaassen Berechtigung, als die Behandlung der architektonischen Einzelheiten, der Gesimse, Pilaster usw., sich wesentlich unterscheidet von der Bauernrenaissance, wie sie verschiedene gleichalte Bauten zeigen. Diese feinere Durchbildung in den Formen und die bessere Gesimsbildung scheint durch jenen Gegensatz auf die im allgemeinen inbezug auf Architektur nicht gerade sehr gefühlvollen Herausgeber der genannten Bücher doch einen Eindruck gemacht zu haben. Sie erklärten deshalb die betreffende Architektur für italienische Renaissance.

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Der Architekt des Hauses soll Jakob Wolff der Aeltere sein, den der Rath der Stadt Nürnberg wegen seiner Tüchtigkeit von Bamberg hierher berief. Wohl mag auch sein Sohn, Jakob Wolff der Jüngere, der geniale Baumeister des Niirnberger Rathhauses, mit an diesem Baue, d. h. am Entwurf desselben, beschäftigt gewesen sein.

Bei etwas genauerem Studium der Fassade findet man eine Menge wirkungsvoller Feinheiten.

Im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss sind die doppelt so weit wie im II. Obergeschoss ausladenden Bossen wulstartig behandelt, oben aber kantig. Im II. Obergeschoss ist hinter den Ballustern ein regelrechtes Maasswerk angebracht, mindestens so richtig als es viele Spätgothiker machten. Es ist dies das schöne Motiv des Behaimischen Rathhauses in die Renaissance übersetzt. Im III. Obergeschoss wird das Maasswerk hinter den Balustern schon weniger regelrecht, ist aber mit aller Absicht so behandelt. Es ist leichter als das untere und bildet so den Uebergang zur Renaissance-Flächenverzierung der Brüstungen des IV. Obergeschosses. Auch die Pilaster werden immer leichter und reicher nach oben, bis schliesslich Karyatiden bez. Hermen, eine reiche Cartouche flankirend, und darüber die Erzstatue Jupiters, den höchsten Trumpf der Fassade ausspielen.

Peller-Haus in Nürnberg
Peller-Haus in Nürnberg

Merkwürdig sind doch auch die Verhältnisse der Fassade, wobei ich unentschieden lasse, ob dieselben von unserem Meister mit Absicht oder unwillkürlich durch dessen feines Gefühl hierfür veranlasst sind. Bis zur Oberkante der Brüstung des III. Obergeschosses bildet die Fassade ein Quadrat. Dass der Architekt dieses Verhältniss wollte, oder wenigstens fühlte, zeigte die starke Betonung dieses Abschlusses nach oben, durch die beiden Löwen in Hochrelief seitlich und das Relief mit dem heiligen Martinus auf dem Pferde in der Mitte. Auch der erst hierauf und nicht wie gewöhnlich über dem Hauptgesims beginnende Giebel lässt auf die Absicht des Künstlers schliessen.

Weiter verhält sich das Erdgeschoss, bis zur oberen Kante des Gurtgesimses gerechnet, zum oberen Theil (bis Ansatz des Giebels) wie 3:5. Eben dasselbe Verhältniss hat die Höhe des Giebels zum unteren Theile der Fassade (Seite des Quadrates). Es ist dies das Verhältniss des sogenannten „Goldenen Schnittes“. Es verhält sich dabei bekanntlich der kleinere Theil zum grösseren, wie der grössere zum Ganzen, Die Bruchtheile, die bei genauer Ausrechnung der genannten Verhältnisse sich ergeben, habe ich der Einfachheit wegen weggelassen.

Ich bin nun der festen Ueberzeugung, dass diese klaren Verhältnisse den harmonischen Eindruck, den unsere Fassade macht, mitbedingen. Alle die übersprudelnden deutschen Renaissanceformen und die lustige Mischung von Gothik und Renaissance sind hierdurch derart beeinflusst, dass der Eindruck des Bauwerkes ein so wohlthuend ruhiger ist, wie er sonst nur durch Bauten des klassischen Alterthums hervorgerufen wird.

Theodor Eyrich, Architekt in Nürnberg.

Dieser Artikel erschien zuerst am 08.08.1900 in der Deutsche Bauzeitung.