Wenn wir heuer der glänzenden Reichsstadt an der Pegnitz unseren Besuch abstatten, werden wir zwar wie immer den unvergleichlichen Bauten und Kunstschätzen innerhalb ihrer Mauern unsere schuldige Verbeugung machen, aber vielleicht doch nicht so tief und ehrfurchtsvoll wie sonst und wie wir es verpflichtet wären!
Uns überschleicht dabei jenes Gefühl, das wir unwillkürlich auf uns wirken lassen, wenn wir eine anerkannte Schönheit von Mutter begrüssen, während nicht weit davon ihr aufblühendes, liebreizendes Töchterchen uns zunickt.
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Noricums Töchterlein, von bayerisch-fränkisch-schwäbischem Blute, hat uns wahrlich nicht vergebens durch die Schaar ihrer Genien gelockt, jener zwölf drolligen Apostelkinder, die seit einem halben Jahre überall mit ihren lachenden Gesichtern, komischen Beinstellungen und ingeniösen Attributen gereizt und sich gespreizt haben.
Wer nun aber glaubt, er finde nur Kindereien in der Ausstellung auf dem Maxfelde, ist ebenso angenehm überrascht, wie vielleicht jener, der von dem Berliner Steinhammer auf lauter grobschmiedmissiges, hammerrechtes und hammerechtes Zeug in Treptow geschlossen hätte. Nein! – Die bayerische Landesausstellung macht mit ganz verschwindenden Ausnahmen durchaus den Eindruck der besonnenen Tüchtigkeit und vornehmen Gediegenheit. Die Gesammtwirkung ist eine überaus glückliche und befriedigende, die eines abgerundeten, abgestimmten Kunstwerks, dem man ja beim Genuss nicht die Mühe und Arbeit des Schöpfers anmerken darf. Sicherlich war das Unternehmen der Bayern kein geringes, unserer ausstellungsmüden und trotzdem von Weltausstellung zu Weltausstellung drängenden Zeit eine Uebersicht des Könnens und Fleisses nur eines Landes zu bieten. Nur wer Gelegenheit gehabt hat, hinter die Kulissen zu blicken und die Anstrengungen, unermüdlichen Vorarbeiten, Enttäuschungen und Zweifel aller mitwirkenden Kräfte kennen zu lernen, kann aus der heutigen Ausstellung die Summe der Kraftleistung ermessen, die das Ergebniss zustande hat bringen können. Und den Ausstellungen geht es dabei wie vielen Bildern unserer Neuen und Neuesten; der Rahmen spielt die Hauptrolle! Fällt dieser gut aus, so ist der halbe Erfolg sicher. Die Flagge deckt die Waare.
Dass die Nürnberger Ausstellung einen vollen Erfolg darstellt, und dass der „Schlachtenbummler des Friedens“ nichts von allen Kulissenschiebungen merkt, verdankt sie drei Umständen; vor allem lebt und webt in dem Bayernvolk unleugbar ein unverhältnissmässig grosses Maass von Empfinden und Können auf allen Gebieten des Kunstgewerbes, ein schöpferisches Kunstgefühl, das sich sogar Felder erobert hat, die scheinbar äusserst weit ab liegen, z. B. Lokomotive, Dynamo. Dadurch ist der Durchschnitt des Gebotenen ein ungewöhnlich hoher, die züchtende Auslese infolge dessen eine leichte. Zum zweiten drängt sich dem Besucher kein verwirrendes Zuviel auf. Die Ausstellung zählt zu den kleineren, die bekanntlich ohne Uebermüdung bequem zu geniessen und durchzuackern sind. Von Ausstellungen im allgemeinen gilt sicherlich das gute alte Sprichwort: Die Hälfte ist mehr, als das Ganze. Dadurch ist eine klare Uebersichtlichkeit und ein wohl erwogener Aufbau des Ganzen erreicht worden. Zuletzt, aber nicht zum mindesten, hat das überaus günstige Gelände über alle Sorgen und Qualen der Ausstellungsschöpfer scheinbar spielend hinweg geholfen. Es liegt in der Natur der Sache, dass für uns dieser letzte Umstand zumeist in die Augen fällt und dass wir ihn hier etwas näher betrachten müssen.
Bekanntlich wurde als Platz das nordöstlich vor der Stadt sich ausdehnende Maxfeld gewählt, dessen vorderer ‘Theil bereits seit mehren Jahren (wenn ich nicht irre, seit der früheren Ausstellung) in einen schönen öffentlichen Garten und Park verwandelt ist. Das Haupt-Ausstellungsgebäude wurde nun von Direktor v. Kramer der Art entworfen, dass es den nordöstlichen Abschluss dieses Parkes bildet (s. Lageplan). Die unregelmässige und schiefwinklige Nordostgrenze des verfügbaren Raumes gab dabei Veranlassung, das Gebäude in zwei ungleich grosse Theile zu zerlegen und zwar so, dass der grössere nördliche Theil um etwa 120 m gegen den kleineren südlichen Theil nach rückwärts verschoben ist. Die weitere Folge war, dass die vordere Parkfront in Form eines Z angelegt wurde, dessen drei Seiten imganzen etwa 500 m lang sind. Auf diese dreigetheilte Front ist ein reicher Aufwand von Dekorationsmitteln vereinigt, sodass sie als elegante, heiter wirkende Palastkulisse in den Formen des klassischen Baroccos erscheint. Die Vorderseite des südlichen Abschnitts – der die Maschinenhallen und die des Verkehrswesens enthält – ist dabei lediglich als Blendfassade behandelt, allerdings durch Vorsprünge und Portalbauten interessant genug gegliedert. Der Seitenfront dieses Theils und der Vorderfront des eigentlichen Haupt-Industriegebäudes dagegen ist eine mächtige Säulenhalle vorgelegt, belebt durch Eckpavillons, vorspringende Ecken inform von Viertelkreisen und vor allem durch das hochstrebende, zierlich aufgelöste Mittelportal mit seiner achteckigen Gitterkuppel.
Durch diese Anordnung ist jede Einförmigkeit vermieden; der Aufwand der Mittel ist ungemein konzentrirt und wirklich „im kleinsten Punkt das Grösste“ geschaffen. Ein weiterer Vorzug dieser Vorderfronten ist – paradox zu sagen – der Umstand, dass sie von keinem Punkte aus in ihrer ganzen Ausdehnung überblickt werden können – ein Fesselballon ist nicht vorhanden! Ja, selbst jede der drei Seiten des Z ist imganzen nur in sehr verkürzten Linien zu überschauen, während man nur für einzelne Theile gute Standpunkte gewinnen kann. Alle Gesammtbilder werden durch die dicht bis an das Gebäude heranreichenden Parkanlagen und Baumgruppen weggeschnitten. Hierdurch ist zweierlei erreicht worden: der Eindruck des Leeren, Einförmigen und Zulanggestreckten (eingeschossige Fassaden von 500 m Länge können nicht gut wirken) ist überall vermieden.
Dagegen wirkt jedes Bild bei aller Vornehmheit und Eleganz intim, anheimelnd, wie ein schöner Vers aus einem Gedicht. Jedes Stück spricht uns wie einer jener reizenden Parkbauten des vorigen Jahrhunderts traulich an und bildet so eine glückliche Ueberleitung von dem Grün der schönen Gartenanlagen, die wir oben durchwandert haben, zu dem Grau der Erzeugnisse mühevoller Arbeit, die unserer Betrachtung hinter den weiss schimmernden Hallenbauten harren. Es ist vielleicht dass grösste Lob, das ich augenblicklich für die Fronten finden kann, wenn ich gestehe, dass sie in Natur bei weitem schöner, vornehmer und wärmer wirken, wie auf den bekannten Reklamebildern und wie auf den Photographien. Der Fehler der meisten Ausstellungsgebäude ist in der That der, dass sie von einem Standpunkte aus in ihrer ganzen Ausdehnung überblickt werden können – Paris ist hierfür das Prototyp. Ist die Ausstellung sehr gross, so werden wir unwillkürlich verzagt, dass wir uns durch diese Riesenhaufen durchwinden sollen und gehen gewissermaassen schon mit etwas geknicktem Muthe an die Arbeit. Ist sie klein, so tritt uns gleich von vornherein die Unzulänglichkeit der Mittel vor Augen, die für die Einheitlichkeit der Gesammtwirkung in der Regel nicht vorhanden sind. Dieser Gefahr ist Nürnberg glücklich entronnen und daher für spätere Ausstellungen vorbildlich. Wie sagt Voltaire? Das Geheimniss des Langweiligen ist, Alles zu sagen.
Einen guten Theil der befriedigenden Wirkung dieser Kulisse schreibe ich ausserdem dem guten Gipsmaterial zu, aus dem sie erbaut ist. Nach mehr als halbjährigem Bestehen war nicht eine vergängliche Stelle zu bemerken: überall die blendend weissen Wände und die tadellosen Architekturlinien und Ornamente, als ob eben erst die Baugerüste entfernt wären. Das Ergebniss ist erzielt worden durch Verwendung von Gipsdielen bei allen glatten Flächen und Einlage von Rohrgeflecht oder Rapper bei den Baugliedern, Säulen usw. Wie traurig blickte mich dagegen bei manchen anderen Ausstellungen, die ich zu durchackern das Vergnügen oder den Kummer hatte, das Holz, die Leinwand, der Farbenanstrich an, die den Abbruch viel zu früh herbeisehnten!
So werden wir nach der kurzen Parkwanderung beim Anblick der festlichen Fronten ungemein warm angeheimelt und betreten mit einer gewissen heiteren Freudigkeit die Hallen. Auch bei der weiteren künstlerischen Ausschmückung des Innern ist dieselbe glückliche Hand des Geschicks thätig gewesen. Sehr weise ist auch hier nur an einem Punkte etwas gethan. die Raum schaffende Dachkonstruktion durch Zierformen dem Auge geniessbarer zu gestalten. Dies ist die grosse, etwa 200 m lange, 20 m breite Mittelhalle des Industriegebäudes, die sich an einen reichen, vornehm wirkenden Kuppelraum des Mittelportals anschliesst. Naturgemäss sind alle Innenräume durch Hänge- und Sprengewerke in Holz überdeckt, wobei an Material nur das Nothwendigste angewandt ist, um den Abschluss zu bilden und das nöthige Licht hereinfliessen zu lassen. Obgleich diese Konstruktionen manche geschickte Lösungen zeigen, bieten sie doch im allgemeinen nicht so Ungewöhnliches, um besonders hervorgehoben zu werden: sie sind eben Nützlichkeitsbauten für vorübergehende Zwecke. Im Industriegebäude ist das bekannte Wiener – Fischgrätensystem angewandt, dass für solche kleinere Ausstellungen entschieden günstig zu nennen ist, da es die Eintheilung (hier die bekannten acht bayerischen Kreise) klar gegliedert giebt und die Uebersichtlichkeit erleichtert.
Dabei ist die oben erwähnte Mittelhalle – das Rückgrat des Systems – als Wandelbahn, Verbindungsraum, Ruhepause gedacht, in der der Beschauer einmal zu Athem kommen kann, ehe er sich von einem Kreise zum anderen begiebt. In dieser Halle befinden sich nur einzelne Prunk-Ausstellungsstücke, Aufbauten grössten Stils, so namentlich der mächtige mittelfränkische Triumphbogen, der sie gewissermaassen in zwei Abschnitte theilt. Im übrigen ist sie mit lebenden Pflanzen und Blumen geschmückt. Ihr Dachhängewerk ist sichtbar gelassen, aber mit mächtigen Blattgehängen dekorirt, die ihm eine ungemein flotte festliche Wirkung ohne viele Mühe und Arbeit verleihen.
Den Hauptschmuck der Halle bilden aber die Portalbauten, die zu beiden Seiten in die einzelnen Kreisausstellungen hineinführen. Auch hierbei ist wieder derselbe Grundsatz der Ausschmückung eines Punktes festgehalten: Jeder Kreis brauchte baute gewissermaassen nur für sein Portal – oder seine Portale, wenn er mehr als eine Fischgräte in Anspruch nahm – zu sorgen; alles Uebrige war den einzelnen Ausstellern überlassen. Nur einige Abschlusswände der Querbauten haben noch eine künstlerische Ausbildung erhalten.
Während der bisher besprochene Theil der Ausstellungsbauten von Direktor von Kramer zusammen mit O. Seegy für die Dekoration und F. Küfner für die Konstruktion herrühren, die Hauptkuppel von Dir. Prof. C. Hammer entworfen ist, kamen bei den einzelnen Portalbauten auch die übrigen bayerischen Künstler zu Worte: für Oberbayern Prof. E. Seidl, Niederbayern Historienmaler Ferd. Wagner, Pfalz Bauamtmann L. Stempel und Kunstmaler E. Sack, Oberpfalz Brth. M. Schultze, Oberfranken F. Küfner, Mittelfranken C. Hammer (nach einem Triumphbogen von 1612), Unterfranken Fr. Gaab, und für Schwaben Bauassessor F. Schildhauer. Zu unserer Beschämung und zu seiner eigenen Ehre sei es gesagt, dass den Vogel bei diesen Portalbauten – wie überhaupt bei der künstlerischen Innen-Ausschmückung – wohl ohne Frage der Maler Ferd. Wagner abgeschossen hat. Er hat urwüchsiger und gesunder Weise inmitten des allgemeinen Klingklangs und Singsangs des in allen Ton- und Abarten schillernden Baroccos ein däftiges und kräftiges frühgothisches Portal und eine ebenso charaktervolle Nebenthür hineingesetzt, die ihre ganz eigene stimmungsvolle Sprache reden und unmittelbar zum Herzen sprechen. Auch der ganze erste Innenraum der niederbayerischen Ausstellung wirkt in ihrer Mittelschiff-Architektur einer Basilika und mit dem riesigen Christophoros an der Rückwand bedeutend und einheitlich. Daraus strömt uns wirkliche bayerische Waldluft und Duft entgegen. Nächst dieser Leistung möchte ich noch den Seidl’schen Portalbau hervorheben, in dem bezeichnender Weise ein Versuch in Neo-Classique gemacht ist: sollte das Vorspuk der Zukunftsmode nach der Louis-seize-Uebersättigung sein?! –
So schön der Triumphbogen des Kaisers Matthias auch ist, mir schien er an jener Stelle der Wandelhalle eine Cäsur im falschen Versfuss zu sein, ein Athemholen inmitten einer Kadenz.
Aeusserst behaglich und glücklich im Raum wirkte in der Abtheilung der Oberpfalz der Abschlussbau des Regensburger Rathhauses mit seinem humoristischen spätgothischen Portal und dem zierlichen Erker des Kaisersaales. Ueberhaupt war jene ganze Ecke sehr stimmungsvoll, links die romanische Kapelle des geistlichen Rathes Dengler, rechts die liturgische Ausstellung im Obergeschosse.
Heimliche und gemüthliche, künstlerisch herauskristallisirte Winkel bildeten auch die kleinen Gärten, die an den Seiten des Industriegebäudes von einigen Kreisen als Kollektiv-Ausstellung oder nur als Dekorations-Abschluss angelegt waren. Dort war das ganze Raffinement der Panoramen zu Hilfe genommen, um den winzigen Räumen etwas Freies, Weites zu geben und eine Täuschung von Berg und Wald hervorzuzaubern. Sie bildeten nebenbei die in jeder Ausstellung manchmal sehnlichst herbeigewünschten Kneip- und Erfrischungs-Ecken, die ungemein „zu Griff“ lagen.
So verlockend es ist, muss ich es mir doch bei dem knappen, mir zur Verfügung stehenden Raum leider versagen, auf die Ausstellungs-Gegenstände näher einzugehen. Der Gesammteindruck war wie gesagt durchweg der des Gediegenen, Leistungsfähigen; der Durchschnitt ein ungewöhnlich hoher. Den bedeutendsten Eindruck hat in dieser Beziehung bei mir die Maschinen- und Wagenhalle hinterlassen; sie beherbergt eine vornehme Elite-Ausstellung, wie es bei Namen wie Schuckert, Maschinenfabrik Augsburg, Krauss, Maffei nicht anders zu erwarten war. Im Industriegebäude hatten sich besonders die Bräuer hervorgethan – wie könnte es auch anders sein? -, so z. B. die Schlossbrauerei Friedenfels, Jesuitenbrauerei Regensburg, Ledereibrauerei Nürnberg usw. Es darf mir als mittelalterlichem Kunstjünger nicht verdacht werden, dass diese kleinen Kabinetstückchen mir am meisten in die Augen fielen. Dass die kunstgewerblichen Bildungsanstalten mustergiltig vertreten waren, brauche ich nicht besonders hervorzuheben. München und Nürnberg machten dabei, wie mir schien, ein todtes Rennen. Von architektonischen Plänen darf ich den Thiersch’schen Justizpalast und den Seidl’schen Museumsbau erwähnen, die beide in künstlerischer Darstellung vorgeführt waren.
Aber einen Abschiedsgruss muss ich noch den köstlichen, allerliebsten und reizenden Kinderfiguren zuwerten, mit denen der Nürnberger Prof. Schwabe so manchen Ausstellungsaufbau künstlerisch belebt, geziert, veredelt hat. Diese drallen, bunten, bis in die Fusspitzen pulsirenden Figürchen bildeten eine besondere Ausstellung ihres begabten Schöpfers für sich!
Das übrige Gartengelände war in gemüthlich-zwangloser Weise von den kleineren Ausstellungsbauten und den nothwendigen und wünschenswerthen Nebengebäuden eingenommen, die für des Leibes Wohlbefinden atzender Weise zu sorgen hatten, gleichwie die alte Hauptrestauration des Parkes. „Jahrmarktströdel“ war sozusagen gar nicht vorhanden, denn selbst dem Panorama und dem Edison’schen Theatrograph (welcher Sprachforscher hat dieses Wort gebaut?) war ein wisssenschaftlich-künstlerischer Beigeschmack nicht abzuleugnen. Sehr nett, bescheiden und zierlich wirkte die Kunsthalle (von Küfner entworfen): vom Wege aus war eigentlich nur der offene Rundbau des Eingangs sichtbar, ein einladendes, freundliches Motiv. Auch das Armeemuseum (von v. Kramer) war in seiner geschickten Gruppirung trotz des kleinen Maasstabes wirkungsvoll. Sein Inhalt allerdings noch winziger als das Gebäude selbst. Man wäre versucht zu sagen: Bavaria non militat! wenn man nicht die Oberbayern aus eigener sonn- und feiertäglichen Anschauung kennte!
Und nun noch schnell zu den Trinkhallen! Dass Bayern uns darin etwas Reizvolles bieten würde, war bei der aussergewöhnlichen Beanlagung und Tradition vorauszusehen. Aber trotzdem überrascht das Gebotene: man kann lange reisen, ehe man eine solche Perle wie die Weinstube von Josef Schmitz wiederfindet, Ein echtes weinfröhliches, geistseliges Gerumpel und Geraffel, mit verfallenem Kreuzgang, Thurm, Erkern, Stiegenhaus, Rosenfenster, Hofbrunnen und all’ dem Krimskrams, das dazu gehört, uns in die Jahre um 1500 herum zurück zu versetzen, in denen Leben noch Zechen hiess und der beste deutsche Mann ein sesshafter und trunkfester war. Die Kneipe soll in einer folgenden Nummer zur Darstellung gelangen. Das malerische Nest wäre werth, erhalten zu bleiben, zum Schmuck des Parkes und zur Erinnerung an A. D. 1896. Die Materialien schienen mir „echt“ genug dafür zu sein.
Doch mit diesem Lobe will ich den übrigen „nassen“ Gehäusen nicht zu nahe getreten sein, dem Rothenburger Erkerstübl von Küfner und seiner Kulmbacher Bierhalle, der Nürnberger von Hans Pylipp und der Münchener des Emanuel Seidl.
Diese drei letzten wirkten in ihrer gemüthlichen Einträchtigkeit sehr behaglich und anheimelnd und haben sicherlich durch ihre pikante Bauart allein manches „Maass“ auf dem Gewissen. Nicht minder erfüllte in dieser Beziehung das vornehme Cafe von Direktor v. Kramer seinen Beruf, das im Charakter der lauschigen „Schäferpavillons“ des vorigen Jahrhunderts gehalten war.
Dies ist das Bild, in flüchtigen Strichen hingeworfen, wie es sich auf der Nürnberger Ausstellung besonders dem Auge des Bauverständigen entrollte: im grossen und ganzen ein befriedigendes, freundliches, ja glänzendes, das dem Lande wie der Stadt bei uns einen neuen Stein ins Brett verschafft hat. Leider war ja der Sommer wieder einmal im Banne der Minima, sodass man nicht zum Schirmschliessen kam. Sicherlich haben sich durch diese Ungunst viele Fachgenossen abhalten lassen, der alten Reichsstadt ihren Besuch abzustatten. Jetzt, wo wir alle auf einen freundlich-milden Herbst hoffen, tragen vielleicht diese Zeilen dazu bei, in, der Seele manches Nachzüglers den Entschluss zu reifen, doch noch hinzugehen. Ich denke, er wird mich dann nicht Lügen strafen können, sondern mit mir sagen, dass die Ausstellung einen ungetrübten Eindruck hinterlässt und in der Kette ihrer Schwestern ein glänzendes Glied bleiben wird.
‚S wor halt wieder emol a boyrischer Schlager!. –
Dieser Artikel von F. W. Rauschenberg erschien in zwei Teilen am 19. & 26.09.1896 in der Deutsche Bauzeitung.