Die Vorplätze der alten Nürnberger Häuser

Für die schönen Vorplätze, welche gewiss den langen, meistens finsteren Gängen vieler Häuser vorzuziehen sind, bieten die alten Nürnberger Häuser gute Beispiele.

Dass sich ein Vorplatz (Tenne, Flur, der alte nürnberger Söller, hall) mit wenigen Mitteln zu einem behaglichen Raume gestalten lässt und dass bei richtiger Grundrissanlage keine Raumverschwendung stattfindet, auch wenn der Vorplatz gross ist, brauche ich in einem Fachblatte kaum zu erwähnen. Kann doch der Vorplatz geheizt und so auch im Winter als Wohnraum mitbenützt werden. Der lange schmale Gang dagegen ist kaum zur Aufstellung von Schränken benützbar, für wohnliche Zwecke ist er untauglich.

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Im alten Nürnberg wurde der Gang als Eintrittsraum (heute mit dem üblichen Glasverschluss versehen) vollständig vermieden. War er zur Verbindung mit den Räumen des Hinterhauses nöthig, so wurde er als gegen den Hof offener Raum, mit den für den Hof so malerisch wirkenden Stein- oder Holzarkaden angelegt. So konnte er auch den wirthschaftlichen Zwecken dienen, ja er war vielfach, und ist es auch noch, zeitweise der Aufenthalt des Theiles der Familie, welcher mehr Licht und Luft haben wollte, als die Zimmer in einer grösseren Stadt bieten. Hauptsächlich die liebe Jugend hält sich häufig und gern in diesen Gängen auf. Die nebenstehenden 4 Grundrisse und die abgebildeten 3 Vorplatz-Ansichten können die Vorzüge der aus zweckdienlichen und künstlerischen Gründen geschaffenen Räume genügend erklären; es werden sich gewiss viele Leser mit diesen Vorplätzen befreunden.

Abbildg. 7 – Topler-Haus, Paniersplatz
Abbildg. 6 – Heerdegen-Haus, Karolinenstrasse
Abbildg. 5 – Fembo-Haus, Burgstrasse
Abbildg. 4 – Pellero-Haus, Egydienplatz

Von den gegebenen Beispielen ist das Pellerhaus das bekannteste und kunstgeschichtlich das bedeutendste. Von einer Wendeltreppe aus tritt man in den geräumigen Vorplatz, um den sich die 4 Zimmer gruppiren (Abb.4). Der grosse Hof, in den man vom Vorplatz einen so herrlichen Blick hat, beleuchtet letzteren ungemein günstig. Der Hof selbst ist von Gallerien umzogen, welche eine helle Verbindung mit den übrigen Räumen der Wohnung herstellen. Den Einblick in den Vorplatz mit seinem monumental gehaltenen Kamin haben wir in Abbildung 1. Etwas später (2. Hälfte des 17. Jahrhunderts) ist der Vorplatz des Fembohauses, von welchem den Grundriss Abb. 5, die Ansicht Abbildg. 2 zeigt. Hier sind die Fenster des Vorplatzes ausnahmsweise nach der Strasse gerichtet immerhin ein Beweis dafür, dass man denselben nicht wie in unseren Tagen als einen Nebenraum betrachtete, nicht als einen Raum, auf dessen Kosten man alles für die Zimmer thun darf. Die Treppe ist in diesem Falle nur für den oberen Stock eine Wendeltreppe, von unten herauf führt eine bequeme schöne Treppe zum Vorplatz. Dem 18. Jhrh. gehört der Vorplatz des Heerdegenschen-Hauses an. Dieser Vorplatz weist eine malerisch-reizvolle Lösung auf. Abb. 6 zeigt seinen Grundriss, Abb. 3 den Einblick in den Raum. Der schönen geräumigen Küche gegenüber befindet sich die Prunkspeise, die mit dem schöneren Geschirr und auch wohl mit essbaren Gegenständen, welche das Licht nicht scheuen dürfen, sich gewissermaassen von selbst dekorirt. Welch herrliches Motiv ist für das Haus eines reicheren Bürgers diese Vorplatzanordnung. Ist es nicht so behaglicher, als wenn man beim Eintreten in einen finsteren Gang blos über den Regenschirm stolpert und, nachdem man sich an die Dunkelheit etwas gewöhnt hat, einen Spiegel über einer Bürstensammlung erblickt, der aber nur ein sehr dunkles Bild unseres Seins wiedergiebt?

Abbildg. 2 – Vorplatz im Fembohause
Abbildg. 3 – Vorplatz im Heerdegen’schen Hause, Karolinenstrasse
Abbildg. 1 – Vorplatz im Pellerhause

Der Grundriss Abbildg. 7 giebt den Vorplatz des Topler’schen Hauses, der klar zeigt, dass man auch bei kleinen Abmessungen einen Vorplatz anlegen kann, der zweckentsprechend und mit Licht und Luft beglückt ist.

Nürnberg. Theodor Eyrich, Architekt.

Dieser Artikel erschien zuerst am 18.06.1898 in der Deutschen Bauzeitung.