Architekt: Georg Weidenbach in Leipzig. Der untenstehend abgebildete Entwurf, der zuerst i. J. 1894 auf der gelegentlich des ersten Kongresses für den Kirchenbau des Protestantismus in Berlin veranstalteten Ausstellung zur Kenntniss der Fachgenossen gelangte, ist schon damals in diesem Blatte kurz besprochen und gewürdigt worden.
(Vergl. Jhrg. 94, S. 374). Ist er auch mittlerweile hinfällig geworden, da die Lösung der betreffenden Aufgabe dem mit dem Neubau der anstossenden Universitäts-Gebäude beauftragten Architekten übertragen worden ist, so bietet er an sich doch künstlerisches Interesse genug, um seine Veröffentlichung trotzdem zu rechtfertigen.
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Die Leipziger Universitäts-Kirche ist, nach Beseitigung des s. Z. durch seine mittelalterlichen Wandmalereien bekannt gewordenen gewölbten Verbindungs-Ganges und der alten Bibliothek, der einzige Rest des ehemaligen, um die Mitte des 13. Jahrhunderts erbauten Pauliner-Klosters, der auf unsere Tage überkommen ist. Freilich nur in verstümmeltem Zustande. Denn die 3 – übrigens erst zu Anfang des 16. Jahrh. erbauten – Apsiden der Chorseite, die einst über die Stadtmauer hervor ragten, sind schon i. .J. 1546 auf Befehl des Herzogs Moritz von Sachsen abgebrochen worden. Man hatte die Ostseite der Kirche damals in roher Weise mit einer von 2 Strebepfeilern gestützten Wand abgeschlossen, welcher Wand dann – als nach Beseitigung der Festungswerke auf der Aussenseite jenes Stadttheils der Augustus-Platz angelegt worden war – die durch das Kopfbild der „Ilustrirten Zeitung“ weltbekannt gewordene, in Putzgliederung hergestellte Dekoration in den schwächlichen Formen der zu Anfang dieses Jahrhunderts üblichen Theatergothik zutheil geworden war.
Dass dieser Zustand nicht dauernd erhalten bleiben könne, stand für alle künstlerisch Empfindenden wohl längst ausser Frage, auch ehe der glänzende Aufschwung der Leipziger Universität zu einer Erneuerung der übrigen, auf dem alten Stammsitz der letzteren befindlichen Gebäude nach einheitlichem Plane gedrängt hatte. Die seit dem Jahre 1893 im Gange befindliche Ausführung dieser Neubauten, neben denen jene charakterlose Putzfront eine geradezu unwürdige Rolle gespielt haben würde, hat die Entwicklung der Dinge nur in günstiger Weise beschleunigt.
Und so dürfte binnen kurzem auch die alte Kirche der Universität dem Besucher Leipzigs in einer Erscheinung sich darstellen, die dem geschichtlichen Range des Bauwerks und seiner Lage an dem vornehmsten und schönsten Platze der Stadt entspricht. Rücksichten der Pietät stehen einer derartigen Umgestaltung desselben nicht entgegen, da der von ihr berührte Theil der Kirche, wie oben dargelegt: wurde, mit deren Organismus in keiner Weise zusammenhängt, sondern lediglich ein ihr aufgedrängtes Flickwerk ist. Es gilt im übrigen nicht allein, die betreffende Front der Kirche in ein angemessenes architektonisches Gewand zu kleiden, sondern es liegt auch zugleich die Nothwendigkeit vor, auf dieser – unter den gegenwärtigen Verhältnissen am leichtesten zugänglichen – Seite einen neuen Eingang in das Innere des Gotteshauses zu schaffen.
Wie sich der Verfasser des vorliegenden Entwurfs die Lösung der Aufgabe gedacht hat, geht aus den mitgetheilten Abbildungen so deutlich hervor, dass es einer näheren Erläuterung wohl kaum bedarf. Indem er die östliche Abschlusswand des Kirchenraumes um eine Jochweite nach innen verschob, ermöglichte er es, als Hauptmotiv der Fassade eine tiefe offene Vorhalle in der Breite des Mittelschiffs anordnen zu können, die für das der Aussenwand fehlende Relief genügenden Ersatz bietet; in den Seitenräumen jenes Jochs gewann er zwei Windfänge, aus denen Thüren in die Seitenschiffe der Kirche führen.
Nicht minder glücklich wie dieser Grundgedanke erscheinen uns die Gesammt-Anordnung und die Verhältnisse der Architektur, deren Einzelformen freilich mit denen der alten Pauliner-Kirche ausser jedem unmittelbaren Zusammenhange stehen. Vielleicht glückt es dem mit der Aufstellung des zur Ausführung zu bringenden Planes beschäftigten Architekten auch den in dieser Beziehung sich aufdrängenden Wünschen zu entsprechen, ohne sonst hinter dem hier Erreichten zurück zu bleiben.
Dieser Artikel erschien zuerst am 21.11.1896 in der Deutsche Bauzeitung.