Der preisgekrönte Plan zur Auftheilung des Pleissenburg-Geländes in Leipzig

Indem wir unseren Lesern eine baugeschichtliche Studie über die alte Leipziger Pleissenburg und ein von Hrn. Baudirektor Hugo Licht gezeichnetes Bild ihres zur Erhaltung bestimmten Thurmes in seiner ursnrünrlichen Gestalt vorführen, bringen wir zugleich den durch Hrn. Architekt Paul Ehmig aufgestellten, preisgekrönten Plan zur künftigen Bebauung des Pleissenburg-Geländes zu ihrer Kenntniss.

Weilläufiger Erläuterungen zu diesem Plane, welchem übrigens der an zweiter Stelle gekrönte Entwurf des Hrn. Architekt Heinr. Tscharmann nahe verwandt ist, wird es kaum bedürfen. Der Verfasser hat gezeigt, dass er mit den neueren Studien und Bestrebungen im Städtebau sich wohl vertraut gemacht hat. Er weiss, dass die Herstellung kürzester geradliniger Verbindungen zwischen den in Verkehrs-Beziehung zu setzenden Punkten nicht mit einer alle anderen Gesichtspunkte unterdrückenden Ausschliesslichkeit inbetracht gezogen werden darf, sondern dass die ästhetische Wirkung der zu schaffenden Strassenbilder eine mindestens gleiche Berücksichtigung erheischt.

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So hat er inmitten des zu bebauenden Geländes einen kleinen, etwa 50 zu 70 m messenden Platz von regelmässiger Form und monumentaler architektonischer Wirkung angelegt, über welchen sämmtliche im Programm verlangten Verkehrs-Verbindungen zwischen der Weststrasse und der Schillerstrasse, zwischen der Dorotheenstrasse und der Schillerstrasse bezw. dem Königsplatz, zwischen der Burgstrasse und der Weststrasse bezw. dem Obstmarkt führen und auf welchem sie gleichsam einen Sammel- und Ruhepunkt finden. An diesem Platz hat das neue Rathhaus derart seine Stelle erhalten, dass es von dem durchgehenden Verkehr etwas abgerückt ist und dass der ihm angegliederte Thurm der alten Pleissenburg seine der Altstadt zugekehrte Seite, wie überhaupt die ganze Erscheinung des Platzes beherrscht. Eine später etwa erforderlich werdende Erweiterung des Rathhauses liesse sich durch Erwerbung der im Norden anstossenden Häusergruppe unschwer bewirken. Weitere Vorzüge des Planes, die auf seine Auszeichnung mit eingewirkt haben dürften, sind die Schonung der vorhandenen, das Pleissenburg-Gelände nach Westen und Süden umgebenden Promenaden-Anlagen und die Gewinnung fast durchweg gut gestalteter, zur Bebauung geeigneter Bauplätze auf den nicht für das Rathhaus inanspruch genommenen, zum Verkauf an Private bestimmten Flächen.

Der preisgekrönte Plan zur Auftheilung des Pleissenburg-Geländes in Leipzig

Dass der Plan in Einzelheiten nicht noch verbessert werden könnte, soll selbstverständlich nicht gesagt sein. Immerhin ist in ihm eine durchaus brauchbare Grundlage für die Auftheilung des fraglichen Geländes gewonnen, auf der die künftigen Schritte der städtischen Behörden nunmehr fussen können. Gelegenheit zu weiterer Ausgestaltung des Planes, insbesondere nach der künstlerischen Seite, wird sich ganz von selbst ergeben, wenn einst der endgiltige Entwurf für das neue Rathhaus aufgestellt wird, durch welchen derjenige des Rathhausplatzes ja in gewissem Grade mit bedingt wird.

Wir wollen übrigens nicht verschweigen, dass es in Leipzig an Leuten nicht fehlt, welche mit der durch den Erfolg dieses letzten Wettbewerbes herbeigeführten Entwicklung der Dinge durchaus nicht zufrieden sind und gegen dieselbe zu wühlen und zu nörgeln beginnen. Es ist namentlich die Erhaltung des alten Pleissenburgthurmes, dann aber überhaupt der ganze Gedanke einer Verlegung des Rathhauses an diese Stelle, gegen welche sich ihre Angriff richten. Sicher entspringen die letzteren aus aufrichtiger wenn auch etwas philisterhafter Ueberzeugung und seinen Ueberzeugungen Ausdruck zu geben, ist ein unveränderliches Menschenrecht, das wir keinem missgönnen. Zu der Einsicht der Leipziger städtischen Behörden aber haben wir das Vertrauen, dass sie sich durch derartige Nörgeleien von dem nunmehr zur Lösung der Rathhausfrage beschrittenen Wege nicht werden abbringen lassen.

-F.-

Von der Leipziger Pleissenburg.

„Manchen Ort hab’ ich betreten den Geschichte rühmend nennt,
Manche Stätte, die in späten Tagen noch der Enkel kennt.
Als die trefflichste von allen geh’ ich sie im Geiste durch,
Hat am schönsten mir gefallen Leipzigs alte Pleissenburg.“

So sang noch im Jahre 1866 ein junger preussischer Soldat in der Deutschen Allgemeinen Zeitung. Dennoch hatte schon damals der ehrwürdige Bau des Hieronymus Lotter durch den Abbruch seines „Trotzers“ und Hinzufügung von modernen An- und Aufbauten Vieles von seiner charaktervollen Erscheinung eingebüsst, welche seitdem durch die Erbauung von zwei Mehlthürmen, eines Exerzierhauses usw. noch mehr verwischt worden ist.

Der Thurm der Pleissenburg – Nach einem Wiederherstellungs-Entwurf H. Licht’s gez. v. M. Bischof

Wenn nun jetzt die Tage des Bestehens der ehemaligen Veste gezählt sind, welche in dem Augenblicke der Uebernahme der auf der denkwürdigen Flur von Möckern im Bau begriffenen neuen Kasernen durch den sächsischen Staat – (voraussichtlich Ostern 1897) in den Besitz der Stadtgemeinde übergeht und damit dem Abbruche verfallen ist, so können wir nach dem Vorhergesagten ein tiefes Bedauern deshalb kaum aussprechen. Wir halten es zudem für einen ungemein glücklichen Gedanken des Rathes der Stadt Leipzig, auf dem inrede stehenden bedeutsamen Boden u. a. ein neues monumentales Rathhaus erbauen zu wollen, welches sich dem zu erhaltenden Thurme der Pleissenburg derart angliedern soll, dass letzterer an bevorzugter Stelle künstlerisch verwerthet, kommenden Geschlechtern künde, wo einst Leipzigs berühmte Pleissenburg gestanden hat. Dieser schöne Gedanke der Erhaltung und Verwerthung des letzten Zeugen eines Jahrhunderte umfassenden Kapitels der sächsischen, der deutschen und der Stadtgeschichte lag bereits dem Preis-Ausschreiben für die Auftheilung des Pleissenburg-Areals zugrunde.

Durch die Ausführung des beregten Gedankens würde der Name des Baumeisters, der für die deutsche Renaissance in Kursachsen, speziell für Leipzig bedingungsweise von ähnlicher Bedeutung ist, wie etwa Elias Holl für Augsburg oder Heinrich Schiekhardt für Stuttgart – der Name des Bürgermeisters Hieronymus Lotter, (Dr. Gustay Wustmann. Der Leipziger Baumeister Hieronymus Lotter 1497 – 1580.) Baumeisters des alten Leipziger Rathhauses nunmehr auch mit dem zu errichtenden Neubau eines solchen eng verbunden werden.

In der frühesten Erwähnung von 1015 wird Leipzig bereits als urbs, also als ein Ort mit Ringmauern und Graben bezeichnet. Die Geschichte der ersten Befestigung reicht aber bis zum Jahre 928 zurück, in welchem Kaiser Heinrich der Sachse, der Finkler, zur Niederhaltung der unterworfenen Wenden in der Ebene zwischen Pleisse und Parthe und zwar an der Stelle, die heut noch „die alte Burg“ heisst, ein Kastell errichtete, welches mehrfach, u. a. auch von Otto dem Reichen 1171 verstärkt und erweitert, bis zum Jahre 1210 bestand. Als aber Kaiser Otto IV. in seinem Kampfe gegen den Markgrafen Dietrich in dem eben genannten Jahre die Stadt Leipzig belagerte, einnahm und die Mauern schleifte, wurde auch diese Burg zerstört.

Erst durch Kaiser Friedrich II. erhielt Markgraf Dietrich im Jahre 1217 die Stadt Leipzig zurück. Von den 3 Schlössern die er nunmehr hier erbaute, lag das eine ungefähr an der Stelle der jetzigen Pleissenburg, jedoch dem Ausgange der Burggasse näher. Dieses Schloss, nicht das heute noch vorhandene, wie viele glauben, war das Lokal der berühmten öffentlichen neuntägigen Disputation zwischen Luther, Carlstadt und Dr. Eck, welche 1519 in der grossen Hofstube daselbst – im Trotzer – stattfand.

Vor Leipzig und diesem seinem Castell lag im Schmalkaldischen Kriege das Heer Kurfürst Johann Friedrich des Grossmüthigen und es wurde das Schloss in der Belagerung, die vom 6. bis zum 27. Januar 1547 währte, vollständig zerschossen, ohne dass es dem Feinde – den Schmalkaldenern – gelungen wäre, dasselbe und die Stadt zu erobern.

Sofort nach Beendigung des Krieges nahm der nunmehrige Kurfürst Moritz die Fortifikationspläne wieder auf, mit denen er sich seit 1545 als seine politischen Pläne zu reifen begannen, inbezug auf Leipzig getragen hatte, die aber durch den grosse Entscheidungskampf unterbrochen worden waren.

Unter der Leitung des Hieronymus Lotter begann 1549 der Neubau der jetzigen Pleissenburg, der 1551 soweit vollendet war, dass sie als sturmfrei gelten konnte. Der innere Ausbau wurde erst 1557 unter Moritz Nachfolger und Bruder, Kurfürst Augus vollendet, der Thurm erst 1567 bis 1568 erbaut.

Als erster Feind vor den Mauern der neuen Pleissenburg erschien 1631 Tilly, der sie eroberte. Nach den. Schlacht von Breitenfeld 17. Sept. 1631 ging sie wieder in die Hände der Kursächsischen Truppen über. 1632 nahm sie Holk, der aber 1633 vergeblich vor Stadt und Festung lag; ebenso erfolglos war die Belagerung durch Baniers Schweden 1637, welche sie aber 1642 unter Torstensohn und Königsmark durch Kapitulation einnahmen und bis 1650 in Besitz hatten. Innerhalb der Mauern der Pleissenburg starb 1633 Pappenheim, der tödtlich verwundet vom Lützener Schlachfelde heimgebracht, hier die Worte sprach:

„Saget Friedland, ich sterbe gern, da ich weiss, dass der erbittertste Feind unserer heiligen Religion (Gustav Adolf) den Tod gefunden.“

Zu Anfang vorigen Jahrhunderts hatten Leipzig und seine Pleissenburg thatsächlich aufgehört Festung zu sein. Im nordischen Kriege 1706 rückten die Schweden widerstandslos ein, nachdem man vorher die hier gefangen gehaltenen Söhne Johann Sobieski’s, die Prinzen Konstantin und Jakob nach dem Königstein überführt hatte. Im zweiten Schlesischen Kriege nahm die Burg 1745 ohne Schwertstreich der alte Dessauer ein. Ebenso unblutig erfolgte 1756 die Uebergabe derselben an die Preussen, mit denen Ewald Christian von Kleist, der Sänger des Frühlings einzog, welcher hier Vorsteher eines Lazareths war und gewaltige Ansprüche auf „Douceurs“ erhob. Durch den Berliner Juden Ephraim Lewy liess hier Friedrich II die verrufenen minderwerthigen Acht- und Viergroschenstücke mit sächsisch-polnischen Wappen schlagen, von denen später 4888 Zentner wieder eingeschmolzen werden mussten. Schliesslich waren die Kasematten der Pleissenburg das Gefängniss der Leipziger Rathsherren und Kaufleute, die der vorgenannte König hier harten Entbehrungen unterwarf, um von ihnen eine neue Auflage von 300 000 Thlr. zu erpressen, Nach dem Frieden 1764 wurde in dem westlichen Flügel dem Vorbilde der Dresdener Kunstschule entsprechend eine Malerakademie begründet; deren erster Direktor bis zu einen 1799 erfolgtem Tode Friedrich Adam Oeser war, als dessen eifrigen Schüler wir Goethe kennen.(Wahrheit und Dichtung. Anfang des 8, Buches.) Nach Oeser folgte Veithans Schnorr von Karolsfeld bis 1841, während man auf dem Thurme von 1787-90 eine Sternwarte errichtet hatte. Nachdem die Pleissenburg noch die bewegte Zeit der Napoleonischen Kriege bezw. die Leipziger Völkerschlacht gesehen, diente sie schliesslich, mehrfach erweitert und umgebaut seit Ausgang der dreissiger Jahre dieses Jahrhunderts bis heute in der Hauptsache als Kaserne.

Aus den vorstehenden kurzen Notizen ist ersichtlich, dass die Stellung, welche die Pleissenburg in der allgemeinen Geschichte einnimmt, keine unbedeutende ist. Betrachten wir sie nun von rein baulichem Gesichtspunkte aus.

Lageplan der Pleissenburg in Leipzig – gegenwärtiger Zustand

Auf das fast tragisch zu nennende Geschick ihres ausführenden Baumeisters, des Leipziger Bürgermeisters Hieronymus Lotter näher einzugehen, ist hier nicht der Ort; wir verweisen den Leser, der sich hierfür interessirt, auf Wustmanns werthvolles Buch. In letzterem, welches dem Bau der Pleissenburg einen besonderen Abschnitt widmet, ist aber die Frage, ob Hieronymuss Lotter auch als der geistige Urheber der Plananlage des inrede stehenden Kastells zu betrachten sei, nicht erörtert. Solange nicht aus Dresdener Archiven andere Ergebnisse gewonnen werden, verneinen wir diese Frage und halten dafür, dass als solcher des Kurfürsten Moritz oberster Zeug- und Baumeister Caspar Voigt von Wierandt angesehen werden muss, dem seit 1546 die Gesammtleitung aller Befestigungsbauten von Leipzig und Dresden übertragen war, unbeschadet der urkundlich feststehenden Behauptung Lotters, „dass ihn Churfürst Moritz zu einem Baumeister allhier zu Leipzig über das Schloss Pleissenburg gemacht habe“. Aber der Grundriss weist so sehr auf italienische Befestigungsart hin, dass ihn nur ein auf der Höhe der damaligen Militärbaukunst stehender Ingenieur oder Festungsbaumeister entworfen haben kann und ein solcher war der Leipziger Kaufherr und Bürgermeister schwerlich, obschon er „ein in der Baukunst und Architektur wohl erfahrener Mann“ genannt wird.

Ausser dieser unserer Anschauung über den italienischen Ursprung des Planes, wird der Schluss gezogen werden können, dass somit an der alten immer wieder abgeschriebenen Mähre, dass Kurfürst Moritz die Leipziger Pleissenburg nach dem Muster des Mailänder Kastells gebaut habe (Davidi Peifferli Lipsia: „imitatione arcem Mediolanensem simulaturus“), doch etwas Wahres sein muss. Aber das Mailänder Kastell war im Jahre 1549, als der Bau der Pleissenburg begann, fortifikatorisch bereits veraltet (Viollet-le-due. Dic. Rais. de l’Arch. Francaise Tomo I architecture pag 431), worauf zurückzugreifen zumal nach den Erfahrungen der eben stattgehabten schmalkaldischen Beschiessung, sicher keine Veranlassung vorlag. Es kann vielmehr nicht bezweifelt werden, dass der Architekt sich an die beste und neueste Befestigungsweise angelehnt haben wird, die derzeitig ausgeführt war. Als deren glänzendste Beispiele mussten im Jahre 1549 die Bastionen di Spagna, S. Zenone, di San Bernardino und delle Maddelene in Verona, die Sanmicheli wenige Jahre vorher, von 1525-1530 den Mauern der Scaliger vorgelegt, mussten die Befestigungsbauten gelten, die der grosse italienische Meister in Padua, Legnano und den Städten der venetianischen Besitzungen in der Levante aufgeführt hatte („Son questi l primi originali dell’arte e ne fu Sanmicheli primo inventore.“ Ronzali e Luciolli: Le Fabbriche-di Michele Sanmicheli.), Demgemäss nehmen wir keinen Anstand, zu behaupten – wie überdiess eine Vergleichung der bezüglichen Grundrisse zeigt – dass die Leipziger Pleissenburg, soweit sie auf Caspar Voigt von Wierandt beziehentlich auf Kurfürst Moritz zurückgeführt werden kann, eine unmittelbare Studie nach den vorgenannten Bauten des Sanmicheli ist.

Im Zusammenhange damit zeigt die Grundform der Leipziger Festung ein gleichschenkliges, fast rechtwinkeliges Dreieck, deren ehemals mit einem mächtigen viergeschossigen Mittelgebäude – dem Trotzer – und zwei denselben flankirenden niedrigen Seitengebäuden besetzte Hypothenuse der Stadt zugekehrt ist. Im Durchschneidungspunkte der mit den Seitengebäuden des Trotzers gleich hoch bebauten Katheten steht der gewaltige runde Schlossthurm, vor dem nach Aussen eine zur Flankenbestreichung dienende Bastion vorgelegt ist, während nach dem Hofe ein dreieckiger, drei Geschoss hoher Bau – das ehemalige kurfürstliche Wohnhaus – vorspringt. Wenn nun auch von dem Trotzer nur das Buckelmauerwerk des Erdgeschosses und ein ebenfalls rustizirter Erker – verwandt mit dem an Lotte Hause an der Ecke von Katharinenstrasse und Brühl befindlichen – vorhanden ist und anstelle der abgebrochenen Theile, sowie auf dem Erdgeschoss der einen Kathete und der vorgelegten Bastion moderne Kasemenbauten errichtet worden sind, so reichen die erhaltenen Reste doch hin, um eine Vorstellung von dem wuchtigen Charakter der ganzen Festungsanlage zu geben, deren Erdgeschoss überall als Kasemattenbau mit gewaltigen Wandstärken und Wölbungen auftritt. Es ist dieser Charakter durchweg deutsch; das Detail ist von fast übertriebener Derbheit und beschränkt sich auf einen Wulst über dem Erdgeschoss, auf von da aus aufgehende lisenenartige Streifen und auf die Umrahmung einzelner Eingänge, die in Stein ausgeführt, Zimmerkonstruktionen von Rundhölzern nachahmen. Eine einzige rundbogige Thüröffnung ist feiner behandelt; ihre kannellirten Pilaster tragen ein Gebälk mit Giebeldreieck, unter dem sich ein Rankenfries hinzieht. Sie dürfte ein Werk des Leipziger Steinmetzen Paul Widemann sein, der mehrfach, z. B. beim Bau der Augustusburg mit Lotter zusammen arbeitete. Diese Thürumrahmung ist in Sandstein ausgeführt, während für die sonstigen Einzelheiten die rosenrothe Lava des Rochlitzer Berges zur Verwendung gekommen ist. Die Mauern sind, abgesehen von dem vorgenannten Unterbau des Trotzers aus allen möglichen Materialien, Ziegeln von abgebrochenen Bauten, verschiedenen Sandsteinen und Dioritbruchsteinen ausgeführt und verputzt. Die technische Ausführung ist keine sehr sorgfältige. Eine Ausnahme hiervon macht der Wendelstein und der Thurmzylinder, welcher letzterer im wesentlichen im Verbande ausgeführt, den dünnen Mörtelüberzug gleichzeitiger Leipziger Bauten zeigt. Das einfache von Konsolen getragene Kranzgesims desselben ist von schöner Wirkung; im Fries darunter steinerne Kugeln.

Wenn wir vorher inbezug auf die Plan- Anlage der Pleissenburg auf Sanmicheli und dessen Bastionen hingewiesen haben, so möchten wir jetzt bezüglich des Thurmes einen anderen, den nachstehenden Gedanken zur Erwägung geben: Hieronymus Lotter war in Nürnberg Ende 1497 oder Anfang 1498 geboren; kurz vor 1525 kam er von Annaberg im sächsischen Erzgebirge nach Leipzig, wo er 1567 und 1568 den Thurm der Pleissenburg baute. Als Leipziger Kaufherr hatte er bei dem regen Handelsverkehr beider Städte zweifellos enge Verbindungen mit Nürnberg, ganz abgesehen von Familienbeziehungen. Sollten da auf ihn, den Baumeister der Pleissenburg, nicht die gewaltigen vier Rundthürme, mit denen Nürnberg kurz vorher und gleichzeitig, von 1555 bis 1568 dem Markgrafen Albrecht Alcibiades zum Trotz durch Peter Unger nach Zeichnungen Albrecht Dürers seine Thore verstärkt hatte, ohne Einfluss geblieben sein? Schwerlich! Eine berufenere Feder wie die unsrige mag versuchen, zu anderen Ergebnissen zu gelangen, wir aber halten vorläufig an der Anschauung fest, dass der Thurm der Leipziger Pleissenburg, der in seinen Abmessungen und in seiner ursprünglichen Erscheinung mit den besagten süddeutschen Bauten eng verwandt ist und bald nach ihnen vollendet wurde, als eine Studie Lotters nach den Nürnberger Thorthürmen betrachtet werden muss, (Lotter erwähnt ausdrücklich der „normburgischen Thurm“ und ihrer Bauart in einem Briefe an Kurfürst August vom Jahre 1568.) während die gesammte Plan-Anlage der Pleissenburg auf Caspar Voigt von Wierandt zurückgeführt werden möchte.

Damit sind wir am Schlusse unser über Gebühr lang gewordenen Auslassung, Wenn aber in der Zukunft neben dem Thurme Lotters und auf historischer Stätte ein neues Leipziger Rathhaus sich erheben sollte, so können wir uns für dasselbe keinen besseren und schöneren Namen denken als den der neuen Pleissenburg.

Leipzig im November 1895.

Diese beiden Artikel erschienen zuerst am 14.12.1895 in der Deutsche Bauzeitung.