Haushaltungsbudgets

Wirtschaftliche Plauderei von Fritz Zilz. Die große Kunst alles Haushaltens ist „to make both ends meet“ wie Engländer es bezeichnend ausdrückt. Dieses Zusammentreffen und Zusammenpassen beider Enden, der Ausgaben und der Einnahmen, oder mit andern Worten das Auskommen, ist in weitaus den meisten Fallen keine leichte Sache.

Und was das übelste ist: der Haushalt eines Privatmanns befindet sich dabei prinzipiell in einer andern Lage als der des Staats. Wenn der Staatshaushalt steht, so werden erst alle notwendigen Ausgaben bestimmt, und nach ihnen richten sich dann die Einnahmen.

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Anders im Privathaushalt. Hier muß man umgekehrt mit den Ausgaben sich nach den vorhandenen Einnahmen richten. Es ist also bei jedem geregelten Privathaushalt von der Einnahme auszugehen, und ihre genaue Ermittlung ist deshalb das erste Erfordernis eines jeden Haushaltungsbudgets. Wo die Einnahmen des Haushalts lediglich in barem Geld bestehen, ist das eine leichte Sache, wo aber beispielsweise die Aufwendungen für den Haushalt teilweise aus den Erträgen der eigenen Wirtschaft bestritten werden, oder wo die Vorräte des Ladens für den eigenen Bedarf ohne genaue Kontrolle Verwendung finden, wie das mitunter in kleinen Geschäften üblich ist, da ergeben sich beträchtliche Schwierigkeiten.

Wenn das Einkommen ermittelt ist, handelt es sich darum, eine zweckmäßige Verteilung der Ausgaben zu finden. Dabei leuchtet ohne weiteres ein, daß diese Verteilung, sowohl was die absolute Höhe der einzelnen Ausgabeposten als auch ihren Anteil in Prozenten der Gesamtausgabe anbetrifft, verschieden sein wird, je nachdem tausend oder fünftausend oder zehntausend Mark zur Verfügung stehen. Wir wollen deshalb an einer Reihe von Einzelbeispielen klarlegen, wie sich die Verteilung des Einkommens je nach seiner Höhe verschieden gestaltet.

Nach einem aus 235 schlesischen Fabrikarbeiterhaushalten gewonnenen Durchschnitt gestalten sich die Ausgaben bei einem Einkommen von 805 Mark folgendermaßen:


Im DurchschnittIn Prozenten
Nahrung490 Mk.61,03
Kleidung109 Mk.15,57
Wohnung61 Mk.7,59
Feuerung57 Mk.7,10
Geräte16 Mk.1,99
Kirche und Schule7 Mk.0,87
Steuern und Versicherung15 Mk.1,87
Kranken- und Sparkassen15 Mk.1,87
Sonstige Bedürfnisse33 Mk.4,11

803 Mk.100,00

In dem Haushalt dieser 235 Arbeiterfamilien mit zusammen 1199 Personen, d. h. mehr als fünf Köpfen auf die Familie, machen also lediglich die Ausgaben für die Nahrung mehr als drei Fünftel der gesamten Ausgaben aus, und Nahrung, Kleidung, Wohnung und Feuerung beanspruchen zusammen 89,29 Prozent, d. h. rund neun Zehntel der gesamten Ausgaben.

Bei den eben mitgeteilten schlesischen Budgets sind Breslauer Arbeiter ausgeschlossen worden, die hohen Mietspreise der Großstadt können darin also ihre Wirkung auf die gesamte Lebenshaltung des Arbeiters nicht äußern. Sie kommen in einem uns aus Dresden vorliegenden Haushaltsplan in folgender Weise zum Ausdruck:


MarkProzent
Miete und Steuern215,0026,88
Nahrungsmittel390,2148,87
Heizung und Beleuchtung44,545,57
Instandhaltung des Haushalts12,401,55
Instandhaltung der Kleidung67,158,30
Instandhaltung des Schuhwerks28,103,51
Instandhaltung der Wäsche26,923,36
Ersparnisse15,681,96

800,00100,00

Also, trotzdem keine Kinder vorhanden sind, was übrigens sofort in dem für die Nahrung aufgewendeten niedrigen Prozentsatz zum Ausdruck kommt, bewirkt die hohe Miete ein Emporschnellen der Ausgaben für Wohnung, Nahrung, Kleidung und Feuerung auf über 93 Prozent der Gesamtausgaben. Der für die notwendigsten Lebensbedürfnisse zur Verwendung kommende Teil des Einkommens ist mithin trotz der Verschiedenheiten im einzelnen annähernd der gleiche.

Von Dr. Hirschberg sind für das Jahr 1896 eine Anzahl von Berliner Arbeiterbudgets aufgenommen worden, die sich zwischen 1200 und 2478 Mark bewegen. Um zu einem einigermaßen sicheren Durchschnitt zu gelangen, haben wir fünf, nämlich diejenigen von drei Vorarbeitern bei der Straßenreinigung, einem Maurer und einem Holzbildhauer ausgewählt, die sich alle um 1500 Mark herum bewegen und zusammen 23 Personen und 7626,29 Mark, das heißt im Durchschnitt vier und fünf Personen mit 1525,32 Mark Ausgaben auf die Familie umfaßten. Ihre Ausgaben verteilten sich in Prozenten folgendermaßen:


ProzenteBei 1500 Mk. Einkommen sind verfügbar
Wohnung18,37275,55 Mk.
Heizung3,8557,75 Mk.
Beleuchtung1,1817,70 Mk.
Essen und Trinken im Hause48,65729,75 Mk.
Essen und Trinken im Wirtshaus7,47112,05 Mk.
Zigarren und Tabak1,8928,35 Mk.
Arzt, Medizin, Krankheit usw.1,5523,25 Mk.
Kleidung und Wäsche9,16137,40 Mk.
Versicherung3,9058,50 Mk.
Vereine und Sammlungen0,659,75 Mk.
Steuern1,2719,05 Mk.
Andere Ausgaben2,0630,90 Mk.

100,001500,00 Mk.

Die Ausgaben für Nahrung sind entsprechend dem größeren Einkommen auf 56,12 Prozent herabgegangen, die Ausgaben für die Wohnung gemäß den Verhältnissen der Großstadt auf über 18 Prozent gestiegen. Berücksichtigt man aber wieder die Gesamtaufwendungen für Wohnung, Nahrung, Kleidung und Heizung, so ergiebt sich fast genau derselbe Anteil wie bei den schlesischen Fabrikarbeitern, nämlich 88,68 Prozent hier gegen 89,29 Prozent dort. Man kann daraus den Schluß ziehen, daß die Ausgaben für die notwendigen Lebensbedürfnisse bei den Arbeitern im allgemeinen denselben Prozentsatz ausmachen; wenn einer dieser vier Posten aus irgendeinem Grund eine Erhöhung erfährt, so muß eben der andere entsprechend erniedrigt werden, damit das notwendige Gleichgewicht nicht gestört wird, und umgekehrt. Das zeigt schlagend auch der Vergleich des Budgets eines Münchener Tischlergesellen mit dem der Berliner Handwerker und Arbeiter. Der Tischler verausgabt für seine aus vier Köpfen bestehende Familie im Jahr 1502,95 Mark. Da er für Miete nur 144 Mark, d. h. 9,6 Prozent, gebraucht, kann er für Nahrung 958,80 Mark (63,92 Prozent), für Kleidung 174 Mark und für Heizung und Beleuchtung 80 Mark verwenden.Die Ausgaben für diese unerlässlichen Bedürfnisse aber betragen zusammen 1356,80 Mark oder 90,45 Prozent. Wie verschieden auch die Höhe der einzelnen Posten sein mag, zusammengenommen erreicht ihr Anteil an den Gesamtausgaben wieder fast genau den bereits zweimal gefundenen Prozentsatz und bestätigt so die alte Erfahrung: neun Zehntel seines Einkommens muß der Arbeiter für die Befriedigung der allernotwendigsten Lebensbedürfnisse verwenden.

Wenn wir uns nunmehr von den Arbeitern zum Mittelstand wenden, so möchten wir mit zwei in Heft 29 der von Professor Bohmert in Dresden herausgegebenen „Volkswohlschriften“ enthaltenen Haushaltungsplänen den Anfang machen. Sie sind beide allerdings für einen jungen Haushalt ohne Kinder berechnet, suchen aber der späteren Vergrößerung der Ausgaben dadurch Rechnung zu tragen, daß sie einen beträchtlichen Posten als Ersparnisse einstellen. Für die hauptsächlichsten Ausgaben wollen beide Pläne von den zur Verfügung stehenden 2000 Mark folgende Prozentsätze verwenden:


Plan A.Plan B.

MarkProzentMarkProzent
Wohnung4002048024,-
Heizung und Beleuchtung603783,90
Kleidung3001532516,25
Nahrung7003572036,-

146073160380,15

Der in Plan B für die Wohnung eingestellte Satz will uns verhältnismäßig hoch erscheinen; im übrigen aber herrscht zwischen beiden Aufstellungen eine ziemlich genaue Uebereinstimmung. Plan A verwendet dann ferner 3 ½ Prozent für Steuern, je ebensoviel für Gesundheitspflege und geistige und leibliche Erholung, 9 Prozent für Selbsthilfe und Wohlthätigkeit, 5 Prozent für Geschenke und Löhne und vermag darum nur 4 ½ Prozent, d. h. 90 Mark, als Ersparnis zu verzeichnen. In Plan B werden dagegen außer den Steuern nur 1,8 Prozent für die Unfallkasse, 1/10 Prozent für die Feuerversicherung und etwa ½ Prozent für die Zeitung verwandt, so daß am Jahresschluß 275,12 Mark oder 13,76 Prozent der Einnahmen erspart worden sind. Plan A hat augenscheinlich eine Familie des Beamtenstandes im Auge, der Stand und Bildung gewisse Ausgaben auferlegen, während Plan B für eine bessergestellte Arbeiter- oder Handwerkerfamilie berechnet zu sein scheint. Die Gegenüberstellung beider Pläne zeigt demnach auf interessante Weise, wie die Verteilung der Ausgaben nicht allein durch die Höhe des Einnahmen beeinflußt wird, sondern auch durch Rücksichten auf die soziale Schicht, der die Familie zugehört.

Als Beispiel für die Verteilung der Ausgaben bei einem Einkommen von etwa 3000 Mark möchten wir die Haushaltung eines Rentiers (früheren Kaufmanns) in Halle anführen Die Familie besteht aus Mann, Frau, zwei Söhnen von 18 und 10 Jahren, sowie einer Tochter von 13 Jahren. Durch diese Zusammensetzung werden die hohen Ausgaben für Erziehung bedingt. Die nachstehend aufgeführte Ausgaben sind der Auszug aus einem seit Jahren geführten Haushaltungsbuch.


MarkProzent
Nahrung und Getränke1246,-40,9
Kleidung314,0410,3
Wohnung552,8518,1
Heizung und Beleuchtung91,703,01
Gesundheitspflege30,-1,0
Reinigung75,-2,5
Versicherung10,-0,3
Geistespflege (Schulgeld u. s. w. )318,8210,4
Oeffentliche Sicherheit (Steuern u. s. w.)70,562,3
Persönliche Dienstleistungen73,-2,4
Vergnügen (Reisen, Konzerte u. s. w.)190,506,2
Diverses (Porto, Droschken u. s. w.)73,682,59

3045,15100

Eine Vergleichung dieses Haushaltungsplanes mit den obigen Arbeiterbudgets ist von hohem Interesse. Die Ausgaben für die vier notwendigsten Lebensbedürfnisse sind auf 72,31 Prozent, d. h. weniger als drei Viertel der Gesamtsumme, zurückgegangen. Speziell für die Nahrung werden weniger als fünf Zwölftel der Ausgaben verwendet gegen drei Fünftel bei den Arbeitern. Die Wohnung aber erfordert noch fast genau den aus den Berliner Arbeiterbudgets ermittelten Durchschnitt, was sich aus den gesellschaftlichen Rücksichten erklärt, die der frühere Kaufmann und jetzige Rentier zu nehmen genötigt ist. Mit großer Schärfe tritt in dem vor liegenden Budget auch die Last zu Tage, die die Erziehung der Kinder gerade dem Mittelstand auferlegt.

Als Beispiel für einen Haushalt mit etwas reichlicheren Mitteln mögen die Ausgaben eines Berliner Privatbeamten mit Vermögen dienen, dessen Familie einen Sohn von achtzehn und zwei Töchter von siebzehn und zwanzig Jahren umfaßt. Dessen Budget gestaltete sich folgendermaßen:


MarkProzent
Haushalt102023,5
Kleidung und Wäsche4269,8
Schuhmacher1022,4
Wohnungsmiete43210,0
Wirtschaftsgeräte491,1
Heizung und Beleuchtung1002,3
Musikalien, Bücher, Instrumente15314,0
Schul- und Stundengeld454
Steuern1593,6
Pensionskasse, Versicherung2044,7
Doktor und Apotheker541,2
Kleine Ausgaben83018,2
Geschekne, Weihnachten u. s. w.3549,2

4337100,0

Dies Budget zeigt außerordentlich niedrige Aufwendungen für Nahrung und Wohnung, sehr bedeutende dagegen für die Ausbildung der Kinder, auf deren Konto übrigens auch wohl noch ein beträchtlicher Teil der sehr hohen „kleinen Ausgaben“ entfallen dürfte. Die Beeinflussung des Haushaltungsplans durch die Zahl der vorhandenen Kinder tritt auch in den nachstehenden Aufzeichnungen eines Litteraten aus den Reichslanden hervor, der vier Kinder von vierzehn bis zwanzig Jahren besitzt und einen Dienstboten hält. Seine Ausgaben setzen sich wie folgt zusammen:


MarkProzent
Miete93514,6
Haushalt264041,3
Feuerung1883,0
Kleidung und Wäsche77912,2
Unterhalt der Möbel und Zimmer1502,3
Lebens- und Feuerversicherung3124,9
Schulgeld und Bücher3255,0
Musikunterricht2754,3
Vereine und Wohltätigkeit901,4
Lohn1903,0
Steuern831,3
Arzt und Apotheker981,5
Diverses3355,2

6400100,0

Den Beschluß unserer Aufstellungen möge der kurze Hinweis auf das Budget eines Bankiers mit 51 000 Mark und eines hohen Staatsbeamten mit 75 000 Mark machen. In ihnen wurden verwendet für Nahrung 14,02 (18,02) Prozent, für Kleidung 8 (16) Prozent, für Wohnung 10,5 (8) Prozent, für Heizung und Beleuchtung 3,1 (2,9) Prozent – insgesamt 35,8 (44,92) Prozent. Es verblieb also in beiden Fällen sowohl absolut wie relativ eine hohe Summe zur Befriedigung der andern Bedürfnisse, so daß z. B. der Bankier für Reisen 2 500 Mark (14,7 Prozent) und für Pferde und Equipagen 2000 Mark (11,8 Prozent), der Staatsbeamte sogar 6 500 Mark (26,0 Prozent) bezw. 3 500 Mark (14,0 Prozent) ausgeben konnte.

Wir müssen es uns versagen, auf die wirtschaftlichen Gesetze näher einzugehen, die sich aus der Vergleichung einer größeren Zahl von Haushaltbudgets ableiten lassen. Nur auf die eine Thatsache möchten wir hinweisen, daß im allgemeinen die Ausgaben für die notwendigsten Lebensbedürfnisse eine um so geringere Quote des Einkommens beanspruchen, je größer dieses überhaupt ist. Um so größer wird umgekehrt mit steigendem Einkommen der (bei den Arbeitern meist noch nicht einmal 10 Prozent betragende) Teil, der zu beliebigen Verwendung übrigbleibt. Mit der mit den steigenden Einkommen zunehmenden Größe dieser Quote wächst auch die Möglichkeit seiner verschiedenartigen Verwendung. Die Höhe der Lebensmittel- und Wohnungspreise, die Ansprüche, die Stand und Lebensstellung an das äußere Auftreten stellen, das Fehlen oder das Vorhandensein von Kindern, die größeren oder geringeren Opfer, die man sich für deren Erziehung aufzuerlegen geneigt ist, die Gewöhnung an ein geselliges oder zurückgezogenes Leben: alles das läßt selbst bei absolut gleicher Höhe des Einkommens eine so mannigfache Gestaltung des Haushaltungsplanes zu, daß ein Normalbudget sich für eine bestimmte Höhe des Einkommens nicht entwerfen läßt.

Das zu versuchen, war denn auch nicht Zweck dieser Arbeit. Wohl aber möchte sie Anregung geben zunächst einmal das eigene Budget klar festzustellen soweit es nicht bisher schon geschehn ist, und es sodann mit demjenigen der obigen Beispiele vergleichen, das ihm in Bezug auf die Gesamthöhe am nächsten steht.

Dieser Artikel erschien zuerst am 29.04.1901 in Die Woche.