Der Rathhaus-Neubau der Stadt Freiburg im Breisgau

Hauptansicht am Franziskaner-Platz nach dem Umbau

Architekt: Stadtbaumeister Rudolf Thoma in Freiburg.
Mit der Fertigstellung des grossen Sitzungssaales für den Stadtrath ist eine künstlerisch bedeutsame Schöpfung vollendet worden, die eine Würdigung an dieser Stelle wohl verdient. In Gegenwart des Stadtrathes, der Stadtverordneten und der Vertreter der staatlichen Behörden ist das neue Rathhaus in Freiburg am 14. Oktober d. J. in feierlicher Weise seiner Bestimmung übergeben worden.

Im Auftrage des Stadtrathes wurde zu diesem Anlass eine von den Hrn. Arch. Fr. Kempf und Archivar Dr. Pet. Albert verfasste reich illustrirte Festschrift herausgegeben, welche sich ausführlich über die Baugeschichte, Baubeschreibung usw. des neuen Hauses verbreitet (Gedruckt von der C. A. Wagner’schen Universitätsdruckerei in Freiburg. 77 Seiten Text.).

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In Wirklichkeit stellt sich das neue Rathhaus nicht als ein vollständiger Neubau dar, vielmehr als ein Um- und Erweiterungsbau der neben dem alten Rathhause gelegenen „Alten Universität“.

Unbeschriftet
Im Originaltext unbeschriftetes Fensterbild des Mönches Bertold Schwarz, der in Freiburg lebte und das Schwarzpulver erfand.
Unbeschriftet
Im Originaltext unbeschriftetes Bild.
Erker vom neuen Rathhause in Freiburg
Erker vom neuen Rathhause in Freiburg

Die Vorgeschichte des Baues fusst in den seit Jahren unhaltbar gewordenen Zuständen der Räumlichkeiten des alten Rathhauses. Die Stadt erfreut sich eines beständig wachsenden Aufblühens in wirthschaftlicher und sozialer Hinsicht, womit naturgemäss auch die Vermehrung des Geschäftsverkehrs der städtischen Verwaltung Hand in Hand geht. Es mangelte dermaassen an Raum, dass verschiedene Zweige der Verwaltung in anderen, ausserhalb des Rathhauses gelegenen Orten untergebracht werden mussten. Gegenüber solchen Zuständen konnte nur eine Erweiterung des Rathhauses Abhilfe schaffen. Die Möglichkeit zu einer solchen eröffnete sich, als die akademischen Institute, welche in der „Alten Universität“ sich befanden, in Neubauten übergesiedelt waren, wodurch erstere frei wurde. Der Stadtrath meldete sich als Käufer und erwarb das historisch und architektonisch interessante Gebäude um die Summe von 140 000 M. Dabei war es ihm hauptsächlich darum zu thun, das Aeussere des Gebäudes in seinem Gesammteindruck möglichst zu erhalten, andererseits den Bau für seinen Zweck so zu gestalten und nutzbar zu machen, dass er als ein wesentlicher Bestandtheil des alten Rathhauses erscheine.

Grundrisse
Grundrisse

Die „Alte Universität“ kann auf eine lange, wechselvolle Geschichte zurückblicken. Ursprünglich standen an ihrer Stelle zwei Bürgerhäuser, genannt zum „Rechen“ und zum „Phönix“. Nachdem das Haus „Zum Rechen“ um 1540 durch den Bürger Dr. Joachim Schiller von Herdern zu einem Patrizierhaus umgebaut war, sind beide um das Jahr 1580 zu einem Hause für die Universität vereinigt worden, deren Zwecken dieses bis zum Jahre 1894 diente.

Die ersten Entwürfe für den Umbau der „Alten Universität“ brachte das städtische Hochbauamt im Februar 1892 dem Stadtrath zur Vorlage. Es waren folgende Programm-Bestimmungen zu berücksichtigen: 1. Herstellung einer geeigneten Verbindung der „Alten Universität“ mit dem alten Rathhause; 2. Schaffung eines Verbindungsbaues zwischen den beiden Flügeln der „Alten Universität“; 3. Herstellung eines repräsentativen Stadtrathsaales; 4. Errichtung eines Thurmes durch Ausbau des bestehenden Treppenthurmes und 5. Herstellung einer entsprechenden Abortanlage.

Ansicht des alten Zustandes
Ansicht des alten Zustandes

Der Entwurf wurde zunächst einem Ausschusse zur Prüfung und Begutachtung vorgelegt, welcher ihn, einige Wünsche ausgenommen, im Allgemeinen als gelungen bezeichnete. Nachdem das Bauamt noch einen Ergänzungsentwurf geliefert hatte, beschäftigten sich mit den Vorlagen auf Ersuchen auch die Hrn. Baudir. Meckel in Freiburg und Ober-Baudir. Durm in Karlsruhe, welche verschiedene Abänderungs-Vorschläge machten, die theilweise eine werthvolle Verbesserung des Entwurfes bildeten.

So gelangte schliesslich, wenn auch nicht in schnellem Flusse, ein vollkommen geläuterter, nach allen Seiten genügend vorbereiteter Entwurf unter Festhaltung der wesentlichsten Grundsätze des ursprünglichen Bauprogrammes zum Abschluss. Die bezügliche Stadtrathsvorlage fand am 15. März 1895 mit Einstimmigkeit die Zustimmung des Bürgerausschusses, welcher die Mittel zur Ausführung bewilligte. Das Stadtbauamt machte sich nun sogleich an die Bearbeitung der Ausführungs-Zeichnungen, welche unter dem 22. April 1896 vom Stadtrath gutgeheissen wurden.

Hauptansicht am Franziskaner-Platz nach dem Umbau
Hauptansicht am Franziskaner-Platz nach dem Umbau

Zunächst begann man mit dem Flügelbau längs der Eisenbahnstrasse, der im Verlaufe des Jahres 1896 im Rohbau beendigt wurde. Etwa 1/3 dieses Flügels musste, weil er sich in einem sehr baufälligen Zustande befand, abgetragen und neu aufgeführt werden. Im Winter 1896 97 wurden die Abbrucharbeiten der Verbindungsmauer am Franziskanerplatz und des Flügels an der Thurmstrasse begonnen. Auch hier zeigte sich, dass der ganze Flügel wegen Baufälligkeit neu hergestellt werden musste. Der Beginn des Neubaues erfolgte im Frühling 1897. Die brauchbaren Architekturtheile vom abgetragenen Bau kamen dabei in pietätvollster Schonung zur Wiederverwendung. So insbesondere das frühere Eingangsportal, welches an der rückwärtigen Front des Hofes eingesetzt wurde. Im weiteren Verlaufe der Ausführung nahm man sodann auch den Verbindungsbau in Angriff, nachdem die Pläne hierzu in ihren Einzelheiten nochmals umgearbeitet und nach mehrfachen Begutachtungen der Hrn. Baudir. Meckel und Ob.-Brth. Schäfer in Karlsruhe endgiltig festgestellt worden waren. Der Thurmbau wurde nachträglich fallen gelassen.

Was die Gesammtanordnung des Baues anlangt, so ist aus dem Grundriss zu ersehen, dass das an zwei Strassen und einen Platz angrenzende Gebäude in zwei Seiten- und zwei Querbauten gegliedert ist. Die Länge des nördlichen Flügels beträgt 55,5 m, die des südlichen 52 m. Der innere westliche Verbindungsbau, welcher die Abortanlagen enthält, hat eine Breite von 10,5 m, der äussere mit dem Sitzungssaal eine solche von 12,3 m. Die gegen den Franziskanerplatz gerichtete Hauptfassade einschliesslich der Giebel misst 28,2 m. Der von diesen Bauten umschlossene Hofraum hat bei 28 m Länge eine mittlere Breite von 10 m. Der Hauptzutritt zu dem aus einem Erdgeschoss und zwei Obergeschossen bestehenden Gebäude erfolgt vom Franziskanerplatz durch die dreitheilige offene Vorhalle. Von dieser gelangt man zunächst in ein nach vorn und hinten geöffnetes, von Säulen getragenes, mit Sterngewölben überdecktes Vestibül und von hier in den Hof.

Hofansicht nach dem Franziskaner-Platz
Hofansicht nach dem Franziskaner-Platz

Die vom alten Bau erhaltene, an der südöstlichen Ecke des Hofes gelegene, 3,15 m weite, um 4 Spindeln laufende Wendeltreppe vermittelt vorzugsweise den Verkehr nach den oberen Stockwerken. Ein zweiarmiger, architektonisch reich gestalteter Treppenaufgang befindet sich im Nordflügel. Ferner ist noch eine Nebentreppe in der nordwestlichen Ecke des Hofes vorhanden. Ausserdem kann der Zugang zum Hause vom alten Rathhause über eine Verbindungsbrücke im ersten Obergeschosse genommen werden.

Sämmtliche Räume entsprechen, wie die Erfahrung gezeigt, inbezug auf Grösse, Lage, Beleuchtung und Verkehr allen Anforderungen. Imganzen weist der Erweiterungsbau eine bebaute Grundfläche von rd. 1500 qm und einen umbauten Raum von rd. 18 000 cbm auf.

Die Ausführung des Hauses lag in den Händen des städtischen Hochbauamtes, an dessen Spitze der Stdtbmstr. Rud. Thoma steht. Es war erfreulich zu hören, wie der Oberbürgermeister bei dem Festakt anlässlich der Eröffnung des neuen Rathhauses die Verdienste der Künstler mit ungewöhnlicher Wärme hervorhob. Dank verdienen auch die Mitarbeiter des Stadtbaumeisters, und zwar in hervorragendem Maasse die Architekten A. Dauber, P. Meissner, beide ehemalige Schüler von Ob.-Brth. Schäfer in Karlsruhe, und Hr. Arch. M. Stamnitz. Es waren mit der örtlichen Leitung betraut Hr. Arch. F. Hömann, und Hr. Ing. Scharschmidt für die Heizungs- und Beleuchtungs-Anlagen. Als die Urheber des künstlerischen Schmuckes nennen wir: Prof. Geiges in Freiburg, die Bildhauer Prof. F. Dietsche-Karlsruhe, Haid und Seitz, Hofmöbelfabrikant Dietler. Die Abbruchs-, Erd-, Maurer und die äusseren Verputzarbeiten waren dem Bauunternehmer M. Reiher übertragen; die Steinhauerarbeiten sind von einem Konsortium aus den Meistern A. Kiesel, M. Rebmann & J. Kenngott von Freiburg und B. Rombach in Heimbach, geliefert worden. Die Zimmerarbeiten fertigte R. Stumpf, die Schreinerarbeiten sind von E. Gehrig, F. Gerteis, B. & J. Hegner Söhne, Müller, Ph. Stadler und Fr. Zopf ausgeführt. Die inneren Verputzarbeiten besorgte J. G. Rösch, die Blechner- und Kupferarbeiten rühren von A. Beierle her. Die Glaserarbeiten sind von F. Lust gefertigt. Die Malerarbeiten hat die Firma A. Sibler & J. Hellwig übernommen. Die Heizungs- und Lüftungs-Anlage ist von F. Brombach ausgeführt. In die Schlosser- und Kunstschmiedearbeiten theilten sich A. Bockenheimer, A. Ehlert, J. Gerber, J. Heck, B. Heidinger, J. Oberacker, Th. Stiansen und A. Väsin. Die Holzbildhauerarbeiten sind von H. Amann, Ph. Balser und A. Häring gefertigt worden. Die Dachziegel und die nach alten Mustern gefertigten Bodenplatten sind von den Vereinigten Freiburger Ziegelwerken geliefert, während die übrigen Plättchenböden von Brenzinger & Cie. gelegt wurden. Die Pflasterungen im Hofe und auf den Gehwegen vor dem Hause haben Fr. Billmayer und F. Nerwein ausgeführt. Die Kachelöfen sind theils von J. Krauss geliefert und gesetzt, theils auch, wie insbesondere die Heizkörper-Verkleidungen, von O. Dreyer.

Grosser Sitzungssaal
Grosser Sitzungssaal

Die inneren Einrichtungs-Gegenstände sind von A. Dietler, W. Freirich, E. Gehrig, Fr. Zopf u. a. nach Zeichnungen des Bauamtes angefertigt worden. Die Installations- und Kanalisations-Anlagen besorgte J. N. Dorfmeister, während die Gas- und Wasserleitungen vom städtischen Gas- und Wasserwerk eingerichtet sind. Die elektrischen Beleuchtungskörper lieferten P. Stotz & Cie. in Stuttgart; die Installation dazu haben Siemens & Halske in Berlin ausgeführt. Die elektrischen Uhren sind von Th. Wagner in Wiesbaden geliefert worden. –

Das neue Gebäude ist, mit dem alten Rathhause in äusserst glücklicher Weise zu einer einheitlichen schönen und harmonischen Rathhausgruppe vereinigt, ein werthvoller Besitz der Stadt, um den sie manch grösseren Städte beneiden dürften.

Der grösste Antheil an der Entwicklung, des ganzen Unternehmens ist dem Stadtoberhaupte, Hrn. Oberbürgermeister Dr. Winterer, zuzuschreiben. Seiner persönlichen Eigenart, seinem starken Willen und seinem kunstsinnigen Verständniss ist es vorab zu verdanken, dass die Rathhaus-Baufrage in so glücklicher Weise gelöst worden ist. Ihm gebührt auch das wesentlichste Verdienst an der baulichen Entwicklung der Stadt überhaupt. Dank seiner Fürsorge, Umsicht und unermüdlichen Schaffenskraft sind in jüngster Zeit bedeutende Werke in der Stadt erstanden. So sehen wir das Martins- und Schwabenthor (durch Schäfer) künstlerisch wiederhergestellt, und das städtische Elektrizitätswerk und die elektrische Strassenbahn (Siemens & Halske) wurden zu gleicher Zeit wie das Rathhaus ihren Bestimmungen übergeben. Auch an die mit Denkmälern geschmückten Brückenbauten sei hier erinnert. Sieben neue Brücken werden in naher Zeit insgesammt den Verkehr über die Dreisam vermitteln, mit welchen Ausführungen die Stadt bewiesen hat, dass sie nicht nur praktisch, sondern auch schön zu bauen versteht.

Dieser Artikel erschien zuerst am 23.11. & 04.12.1901 in der deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „X.“.