Mehr denn je wendet sich das Interesse aller kunstliebenden Kreise dem modernen Kunstgewerbe zu, das in kurzer Zeit einen so ungeahnten Aufschwung gewonnen hat. Die große Pariser Weltausstellung, die vor wenigen Tagen so glanzvoll eröffnet wurde, giebt zum erstenmal eine Uebersicht der Gesamtleistungen auf diesem Gebiet.
Nicht nur die Länder, in denen die ersten Werke der angewandten Kunst entstanden, wie England, Amerika und Belgien, auch die übrigen Staaten, die erst später in den Wettbewerb eingetreten sind wie Deutschland, Italien, Oesterreich, Holland u.s.w, haben in ihren eigenen Gebäuden eine Ausstellung kunstgewerblicher Meisterarbeiten veranstaltet. Jede Nation stellte naturgemäß solche Werke zusammen, die für den heimischen Kunstfleiß besonders bezeichnend sind.
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Als es galt, die holländische Abteilung auf der Pariser Weltausstellung zu beschicken, hat die Regierung ohne Zögern die sogenannten „Batiken“ dazu erwählt, d. h. Gewebe mit kunstvoller Handmalerei, die in eigenen Werkstätten in Apeldoorn bei Geldern und im Haag hergestellt werden und dem modernen holländischen Kunsthandwerk ein glänzendes Zeugnis ausstellen. Wie überall, wo sich ein neues Stilgefühl regt, ist man auch in Holland dem Bestreben gefolgt, die Kunst auf die täglichen Gebrauchsgegenstände anzuwenden, bei den verschiedenen Ausstattungsstücken unserer Wohnungen, bei den Möbeln und Tischgeräten, bei den Teppichen, Vorhängen, Gardinen, Decken u.s.w. jedem persönlichen Geschmack Rechnung zu tragen und alles Fabrikmäßige, jede hergebrachte Schablone strenge zu meiden.
Zu diesen neuen kunstgewerblichen Gegenständen, die praktischen Zwecken dienen und bestimmt sind, wesentlich zur Verschönerung unserer Wohnräume beizutragen, gehören die holländischen Batiken.
Gewebemalereien sind keine Erfindung der Neuzeit. In den indischen Kolonien verstanden die Frauen es lange, auf Baumwolle Zeichnungen mit verschiedenen Motiven darzustellen. Aber ein geläuterter Kunstgeschmack fehlte diesen einfachen Erzeugnissen morgenländischen Hausfleißes. Wegen ihres allzu primitiven Charakters und ihrer mangelhaften Ausführung blieben daher die Arbeiten lange Zeit unbeachtet, bis der Holländer John Th. Miterwyk den glücklichen Gedanken, der hier verborgen lag, aufgriff und praktisch zu verwerten wußte. Es gelang ihm, ein Verfahren zu erfinden, nach dem künstlerisch vollendete Zeichnungen auf die verschiedensten Stoffe, wie Seide, Velours, Manchester u.s.w. farbig übertragen werden.
Erste holländische Künstler, wie Thorn Prikker, Toorop, Stuber, haben sich nicht gescheut, ihre Kraft dem Unternehmen zu widmen und Zeichnungen als Vorlagen für die Gewebemalereien zu entwerfen.
Das Auffallende dieser Darstellungen besteht darin, daß sie nicht fabrikmäßig in Massen hergestellt, sondern alle mit der Hand ausgeführt werden. Wenn die Zeichnungen der Maler vorliegen, so wählt die begabte Leiterin der Werkstätte, Frau A. Wegerif – Gravestein (Portr.), mit feinem Takt die verschiedenen Farben aus, die für die Ausführung verwendet werden sollen.
Nach diesen Angaben übertragen dann die in den Ateliers beschäftigten jungen Malerinnen die Zeichnungen auf die Stoffe. So wirken alle Faktoren zusammen, damit ein in seiner Art vollendetes Werk zustande kommt: Entwürfe von bedeutenden Künstlern, warme harmonische Farben, künstlerische Ausführung und gute gediegene Stoffe. Diese Batiken, wie sie z. B. in dem Haus „Arts and Crafts“ im Haag hergestellt werden, verdienen danach die Aufmerksamkeit, die ihnen auf der Pariser Ausstellung zu teil wird.
Wie jede neue Kunstfertigkeit, so hat sich auch die holländische Gewebemalerei ihren Weg erst bahnen müssen. Es hat einige Zeit gewährt, ehe sie auf kunstgewerblichem Gebiet die Stellung errang, die sie heute einnimmt und behauptet. Namentlich in ihrer Heimat zählt sie viele Freunde. Kaum ein vornehmes holländisches Haus, das nicht mit Batiken geschmückt ist.
Die Gewebemalerei erobert sich immer neue Gebiete; nicht nur Sammet und Seide, sondern auch Gardinen, Vorhänge, Decken und selbst kleinere Gebrauchsgegenstände wie Kissen, Schreibmappen, Krawatten, Taschentücher u. s. w. werden auf diese Art hergestellt. Ein Vorzug der Batiken besteht ferner darin, daß sie wegen ihres verhältnismäßig billigen Preises auch weiteren Kreisen zugänglich sind.
Dieser Artikel erschien zuerst 1900 in Die Woche.