I. Das Aeußere der Stadt Teil 2

Handelsfirmen

Merkwürdig ist es, daß nur wenige der bedeutendsten, jetzt noch bestehenden Handelsfirmen, noch hinauf in die Zeit reichen, von der ich rede. Und wie bescheiden war der Beginn vieler neuen Firmen!

Ein eigentliches Kaufherren-Patriciat, welches sich in seinen Geschlechtern Jahrhunderte rühmen darf, besitzt Köln nicht mehr. Vor fünfzig Jahren bestand der Handels-Vorstand, seit 1803 “Handels-Kammer”, aus den Herren: Friedr. Carl Heimann, Präsident, Nic. Jos. Hamm, Johann Georg Bletscher, Joh. Jak. Strömer, Wilh. Boisserée, Hub. Feckler, Heinr. Ferd. Schöler und Joh. Stöhr; das Handelsgericht aus den Herren: Abraham Schaaffhausen, Pet. Bemberg, Pet. Jos. Cassinone, David Herstadt, als Richter, Melchior Birkenstock, D. E. Kerr und Ludwig Foveaux als Suppleanten. Und wie viele der angeführten Firmen bestehen noch?

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Frankenthurm

In der Ueberlieferung lebte es noch, daß in freistädtischer Zeit auf dem Frankenthurm die Criminal-Verbrecher gesessen, ehe sie den Gräven, dem Criminal-Gerichte überwiesen, daß hier manche Executionen Statt gefunden, wie auch die Essen des Gräven und Schöffen nach einer Ueberweisung des Angeklagten an den Gräven. Hier hatte sich der berüchtigte Fetzer durchgebrochen, noch in jüngster Zeit der Raubmörder Heckmann den alten Schließer Hittorf mit einem Sauerwasserskrug, in welchem dieser dem sich krank Stellenden Wein gebracht hatte, erschlagen, und war, sich der Schlüssel bemächtigend, entflohen. Stoff genug, um dem Thurm und seiner ganzen Umgebung für die Knaben einen schauerlichen Charakter zu verleihen.

Nur eine kleine Strecke des Ufers am Neugassenthore hat Steinwerfte, sonst ist bis zum Thürmchen nichts für den Uferbau geschehen, das ausgespülte Ufer, eine wüste Grasfläche, im Sommer immerfort mit Wäsche zum Bleichen staffirt.

Holländische Beurtschiffe

An der Neugasse selbst liegen weit in den Rhein hinaus, in stattlichen Reihen die stolzen holländischen Beurtschiffe, große Fahrzeuge mit zwei hohen schlanken Masten, rundem breitem Vordertheile, gewöhnlich mit zwei roth, weiß und blau bemalten Rosetten verziert. Holländischer Comfort und dem damaligen Kölner ungewohnter Luxus zeigen die über Deck gebauten geräumigen Cajüten, ein redender Beweis, daß damals der holländische Rheinschifferstand goldenen Boden hatte. Die Baas oder Patrone der Schiffe machen es sich bei ihrem Geschäfte möglichst gemakkelyek. Vierzehn Tage war, bei äußerst günstigem Winde, eine sehr, sehr seltene, sechs Wochen von Rotterdam nach Köln eine rasche Fahrt, zwei oder drittehalb Reisen wurden, letztere ausnahmsweise, jährlich gemacht. Die Fracht that aber auch noch 3 Franken 50, und jetzt vielleicht 50 Cents. Den Schiffen sieht man bei ihrer einladenden blendenden Reinlichkeit den Wohlstand, die scheinbar unerschütterlich zuversichtliche Behäbigkeit ihrer Eigenthümer an, wenn diese mit ihrer langen holländischen Pfeife selbstvergnügt auf dem Verdecke stehen, und wie ihre Schiffe mit einem selbstgefälligen Stolze auf die weit kleineren, bescheidenen höher liegenden oberländischen Fahrzeuge herabsehen.

Hat sich der Schiffer glücklich und in aller Bequemlichkeit von zwanzig bis dreißig Gäulen – der Hauptbeschäftigung der Bewohner der am Rhein liegenden Dörfer, der so genannten Rheinhalfen – bis nach Köln heraufpferden lassen, kümmert er sich nicht weiter um seine Ladung, dafür hat er seine Knechte und die städtischen Bestätter, welche ihm die Frachtgelder einziehen. Die bedeutendsten Beurtschiffer trieben auch Eigenhandel, sie brachten häufig für eigene Rechnung ganze Ladungen von Colonial-Waaren und so genanntem holländischem oder Vent-Gut: Fische, Käse und Spirituosen herauf.

Rhingroller

Unterhalb des Trankgassen-Thores, auch eine riesige Burgveste, liegen die ruhr’schen Kohlennachen, bilden die Schiffszieher und die Kohlenträger der Werfte stehende Staffage. Unter denselben führt eine, in ganz Köln bekannte Persönlichkeit, der “Schüller’s Kobes”, ein allgefürchteter Raufbold und Schmuggler, das Regiment, nach welchem neben ihm ein Esser mit der gespaltenen Wange und ein Denz geizen, die Volkstribunen der “Rheinroller”, Rhingrolle, wie man den Rheinarbeiter bezeichnet.

Ein Ehrgeiz, der nicht selten zu blutigen Köpfen, zerschnittenen Gesichtern und ähnlichen Verletzungen, und dann ins Arresthaus führt; denn, nach der Sitte der holländischen und ruhr’schen Schiffsknechte, regiert hier das in der Seitentasche der Hosen getragene Messer, auch wohl der zwischen die Finger geklemmte scharfe Stüber, mit dem geschnitten wird. Esser starb durch das Messer seines Neffen. Die uralte Ueberlieferung, selbst der von dem gewöhnlichen kölnischen Dialekte unterschiedene barsche Sprachton und ein gesunder, kerniger, wenn auch derber Mutterwitz, hat sich in dieser Classe erhalten. Einen durchaus originellen Typus, selbst in der Gesichtsbildung, verräth die Race, wenn sie eben nicht schön ist.

Kohlenhandel

Das hier betriebene Kohlengeschäft war früher Monopol in den Händen von vier Familien. Ueberfüllt konnte der Markt nicht werden; denn sie schafften so viel Brandgerieß und Kohlen von der Ruhr herauf, als eben der Bedarf erheischte, und bestimmten die Preise. Das neue Regiment hat mit Einem Schlage allen Monopolen ein Ende gemacht, aber noch lange blieb man bei der alten Gewohnheit. Der urherkömmliche Schlendrian übte in Köln noch lange in vielen Dingen einen magischen Zauber.

Weckschnapp

Nach dem Thürmchen wird das Ufer mit jedem Schritte öder und trauriger. Drohend erhebt sich hier zum Schluß der Stadt der Unterbau des Ryle oder Cunibertsthurmes mit seinen malerischen Umbauten, und dem Vorsprung oder Grundbau der alten “Ark”, deren niedergerissener Thurm von der blutigen Sage als die “Weckschnapp” bezeichnet wird, wo, nach ihren Erzählungen, so manches Opfer der heimlichen Gerichte sein Ende im Rheine fand, wenn der Unglückliche, durch Hunger gezwungen, nach einem an der Decke seines Kerkers hängenden Laib Brod sprang, und dann spurlos in die Tiefe versank. Besonders gegen ungerathene Söhne der vornehmen Familien wurde, wie die Sage wissen wollte, diese furchtbare Strafe angewandt, und nur Ein Junker, der bei seinem leichtfertigen, ausschweifenden Leben die Andacht zur Mutter Gottes treu beibehalten, wird gerettet, fällt durch die Messer, mit denen die Sage den, in die Tiefe des hier sich im Wirbel kreisenden Stromes führenden Thurm ausstattet, ohne sich zu verletzen, und rettet sich durch Schwimmen. Als Richtstätte des heimlichen Gerichtes bezeichnet die Sage auch den Klapperhof.

Junkere Kirchhof

Ein ähnlicher Strafort für die Söhne der Patricier war der Junker-Kirchhof am Elend, eine Richtstätte, wo, der Sage nach, die ausgearteten Junker bei nächtlicher Weile hingerichtet wurden. Noch wühlte dort in den Quatertemper-Nächten ein großer, schwarzer, zottiger Hund mit glühenden Augen die Gräber auf. Orte der Schauer und des Grausens für die Jugend und manchen alten ehrsamen Bürger, deren Glauben, trotz aller französischen Philosophie und Freigeisterei, noch ein rein kindlicher; hatten die Franzosen auch schon angefangen, unter den Gespenstern und Spukereien weidlich aufzuräumen. Da der Thurm der Ark verschwunden, deutete man auch das zinnenbekrönte zierliche Thürmchen auf der Bastion als die “Weckschnapp”.

Wo jetzt die Kirche zum “Elend”, lag früher ein Lazareth für fremde Pilger, welche den Namen die “Elenden oder Elendigen” führten, daher der Name der von Groote’schen Familienkirche, und das Entstehen der Brüderschaft der “Elendsbrüder”, deren Anzug auch der der büßenden Pilger, weiße Bußhemden, mit der spanischen Capuchon, der spitz zulaufenden Mütze, die den ganzen Kopf bedeckt und nur Oeffnungen für die Augen hat, wie man sie noch bei vielen Brüderschaften in Spanien und in Italien findet, den Pilgerhut auf dem Rücken.

Köln, das thurmreiche

Noch einmal wendest Du den Blick nach der Stadt, und fühlst Dich überrascht durch ihre monumentale Bauherrlichkeit, durch die malerischen Gruppirungen ihrer zahlreichen Thürme: ein Charakter ihres Aeußeren, welcher ihr den Namen “die Thurmreiche” gab, und sie vor allen Städten des deutschen Vaterlandes am Schlusse des Mittelalters auszeichnete. Ruft doch Aeneas Silvius Piccolomini, Friedrich’s III. Geheimschreiber, Papst unter dem Namen Pius II. (1458 -1464), mit staunender Bewunderung aus: “Wo findest Du in ganz Europa eine prachtvollere Stadt, als das von Nero’s Mutter, Agrippina erbaute und durch die heiligen drei Könige verschönerte Köln, mit seinen glänzenden Kirchen, Rathhäusern, Thürmen und mit Blei gedeckten Häusern, seinen reichen Einwohnern, seinem schönen Strome und seinen fruchtbaren Gefilden!” Man erbaue sich an den Abbildungen der Stadt, die uns am Anfang des 16. Jahrhunderts Antonius von Worms von Köln und später Hollar geliefert hat.

Vergl. “Ueber des Anton von Worms Abbildung der Stadt Köln, von J. D. F. Sotzmann.” Köln, bei DuMont-Schauberg 1819. 8. – Der Lithograph Levy Elkan hat uns eine diplomatisch genaue Nachbildung des großen Holzschnittes des Anton von Worms gegeben, dessen Original äußerst selten; nicht einmal das städtische Archiv besaß ein Exemplar.

Domainen-Verkäufe

Sind auch mit dem Jahre 1802 sämmtliche geistliche Corporationen aufgelös’t, ihre Stifte, Kirchen und Klöster dem Staate zugefallen, so trägt doch die Stadt noch in ihrer Ansicht die malerische, ernst imposante Majestät ihres mittelalterlichen Charakters. Noch hat die Nivellirungswuth erst begonnen, die Domainen-Verkäufe sind noch nicht recht im Zuge, denn viele Bürger trauten lange nicht dem Zustande der Dinge, oder kauften kein geistliches Gut aus Pietät, aus Gewissensscrupel, während die Wenigen, die kauften, um Spottpreise – Meierhöfe, die jetzt für 150,000 Thaler nicht feil, vielleicht für 18- bis 20,000 Franken, kaufte doch der Kaufmann Laurenz Fürth die Jesuiten-Kirche mit ihrer Ausstattung für 5- oder 6000 Franken, um dieselbe der Stadt als Pfarrkirche zu schenken – und legten so den Grund zu ihrem Reichthume, wurden die Matadoren der Stadt.

Vom majestätischen Bayenthurme bis zum Rylenthurme war der weite Bering der Stadt, mit seinen Thorvesten, seinen Halbthürmen der Ringmauer gefestigt, von 241 Thürmen und Thürmchen überragt, von denen 203 der Kirchen himmelanstrebende Zierde, 34 die Patricier-Wohnungen, die Höfe der auswärtigen Stifte und die Edelsitze schmückten. Welch’ einen gewaltigen Eindruck muß es gemacht haben, verkündeten die Hunderte von Glocken in feierlich ernster Harmonie der Stadt und Umgegend einen Festtag?

Vor 1802 zählte Köln mit dem Domstifte eilf Stifter und eilf Stiftstirchen mit 21 Thürmen; 2 Abteikirchen mit 8 Thürmen; 2 Comthureikirchen mit 2; 156 Mannskloster mit 16, 34 Frauenlklöster mit 36; 17 Pfarrkirchen mit 21; 86 Capellen mit 36; 32 kleinere Capellen oder Oratorien mit 32 Thürmchen, im Ganzen, ohne die Privat-Capellen 149 Gotteshauser mit 171 Thürmen.

Münz / Mummis’-Gut

Ausgedehnte Weinberg–Anlagen nehmen noch theilweise am Nordende die ganze Strecke bis zur Eigelsteinpforte ein, sind aber schon abgesteckt und ausgegraben zum Baue des Sicherheitshafens 18). Unterhalb des späteren Hafens sehen wir ein paar Häuser am Ufer, einen wahren Prachtbau für uns, das jetzige “Munim’sche Gut” mit seinem weiten Garten eine Weinschenke, ein Sonntags-Vergnügungsort für die Bürger, die einen Spazirgang nach der “Münz” machten.

Mit dem Bau des Sicherheitshafens ward 1810 der Anfang gemacht, der Grund und Boden, früher nur Weingärten, expropriirt. Zu den Baukosten schoß die französische Regierung 300,000 Franken vor, und die Stadt mußte ebenfalls 126,820 Franken Vorschuß leisten. Unter Leitung eines Capitäns des Geniecorps, M. Mosse, begann der Bau 1810, am 10. November 1812 ward der erste Stein zur Mündung gelegt, und bereits 1813 konnten sich Schiffe im neuen Sicherheitshafen bergen. Als die Alliirten Köln 1814 im Januar in Besitz genommen, machten sich kölnische Patrioten, nachdem man die französischen Zollwachtstuben, alle Schreibstuben am Rheine vernichtet und geplündert, die französischen Wappen und Schilder heraberissen hatte, ein Vergnügen daraus, auch den Grundstein zum Hafen mit der napoleonischen Inschrift herauszuwühlen, und auf einem Dreckarren nach dem Schindanger zu führen. – Napoleon I. hatte ein großes Bassin in der Stadt projectirt, vom Markmannsgassen-Thor bis zum Kaufhaus Gürzenich als Hauptentrepot. Solch eine Anlage überstieg aber alle Begriffe; schon die Erbauung des Hafens wurde wie ein achtes Wunderwerk der Welt bestaunt!!

Dies ist ein Auschnitt aus dem Buch Köln 1812, mehr Infos dazu hier. Das Inhaltsverzeichnis zum Buch, in dem die online verfügbaren Abschnitte verlinkt sind, ist hier zu finden.