Karl Schurz

Karl Schurz

Unter den vielen Millionen Deutschen, welche seit dem Jahre 1848 nach Nordamerika ausgewandert sind und in der transatlantischen Republik eine neue Heimath gefunden haben, ist keiner zu größerer Berühmtheit gelangt, hat keiner dem deutschen Namen mehr Ehre gemacht, als Karl Schurz, dessen Bildniß wir unseren Lesern vorführen.

Geboren am 2., März 1829 zu Liblar bei Köln als Sohn eines armen Schullehrers, ward es ihm nicht an der Wiege gesungen, daß ihn ein an Thaten, Abenteuern und Wechselfällen reiches Leben schließlich bis zur höchsten Stelle führen werde, die ein nicht in Amerika Geborener überhaupt dort erreichen kann: zum Minister der Vereinigten Staaten. Allerdings trat die Thatkraft und das feurige Rechtsgefühl, denen Schurz alle seine Erfolge verdankt, schon an dem Jünglinge hervor, verwickelten ihn aber vorläufig nur in die größten Widerwärtigkeiten und machten nicht nur seiner damaligen Laufbahn ein Ende, sondern brachten auch sein Leben in Gefahr. Auf der Universität Bonn nämlich wurde Schurz ein vertrauter Freund Gottfried Kinkel’s, der – einer der eifrigsten Förderer der Bewegung von 1848 war, und dessen Freiheitsbestrebungen Schurz theilte. Als die Revolution ausbrach, nahm er an dem Sturm auf das Siegburger Zeughaus theil und begab sich dann in die Reihen der Aufständischen nach Baden, wurde aber in Rastatt gefangen genommen und wäre wohl vom Kriegsgericht zum Tode oder zu lebenslänglichem Zuchthause verurtheilt worden, wie sein Freund und Lehrer Kinkel, wenn es ihm nicht gelungen wäre, nach der Schweiz zu entfliehen, wo er sich in Sicherheit befand. Die Theilnahme an dem Aufstande war ein Jugendstreich, die wohl kaum genügend überlegte Handlung eines begeisterten Jünglings; jetzt aber, wo Alles verloren war, zeigte Schurz, aus was für Holz er geschnitzt war, und daß in seiner Brust das Herz eines Mannes schlug, der sich zu den Besten seines Volkes rechnen durfte.

Trotz der ihm selbst drohenden Gefahr verließ er seinen sicheren Zufluchtsort in der Schweiz und begab sich heimlich nach Berlin, um seinen in der Festung Spandau sitzenden Freund Kinkel zu befreien. Das kühne Unternehmen gelang auf fast wunderbare Weise, und die beiden Freunde entkamen glücklich nach England, von wo aus Schurz sich im Jahre 1852 nach Amerika begab. In Philadelphia nahm er zuerst seinen Wohnsitz, mehr bestrebt, sich gründlich mit Sprache, Sitte, Rechtsverhältnissen und politischen Einrichtungen seines neuen Heimathlandes vertraut zu machen, als Geld zu erwerben.

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Seine äußeren Verhältnisse waren daher anfangs auch recht kümmerliche. 1855 siedelte er nach Watertown im Staate Wisconsin über und fing an, sich lebhaft an dem politischen Leben zu betheiligen. Seine Thatkraft, seine Redlichkeit und seine bedeutenden Fähigkeiten führten ihn bald zu unerwarteten Erfolgen. Er wurde schnell einer der einflußreichsten Führer der republikanischen Partei, trug zum Siege derselben bei den Wahlen von 1860 sehr viel bei und wurde in Anerkennung seiner Verdienste von Lincoln zum amerikanischen Gesandten in Spanien ernannt. Beim Ausbruch des Bürgerkrieges kehrte er jedoch nach Amerika zurück, um in das Unionsheer einzutreten. Er zeichnete sich in verschiedenen Schlachten und Gefechten aus und führte als General bis zum Ende des Krieges eine Division. Dann nahm er seine politische und journalistische Thätigkeit als Herausgeber und Redakteur mehrerer einflußreicher Tageszeitungen wieder auf, und zwar war es der Kampf gegen die moralische Verderbniß der Verwaltungsorgane der Union, gegen die Bestechlichkeit, den Aemterschacher, die immer mehr um sich greifende Veruntreuung von Staatsgeldern, den er fortan hauptsächlich mit aller Energie führte. Unter seiner Führung bildete sich eine große Reformpartei, deren Kandidat Hayes im Jahre 1876 zum Präsidenten der Union gewählt wurde. Die erste Amtshandlung des neuen Präsidenten war die Ernennung Karl Schurz’ zum Minister des Innern. Auch in dieser Stellung bewährte sich die Tüchtigeit und redliche Gesinnung des wackeren Mannes sowohl durch die rasche Beendigung der Wirren in den Südstaaten, wie durch die geschickte Lösung der Indianerfrage, allein der Korruption, diesem tief sitzenden Uebel, wurde weder er noch Hayes Herr. Mit dem Präsidenten zugleich legte Schurz nach Ablauf der vierjährigen Amtsperiode 1877 bis 1881 seinen Ministerposten nieder, um als Privatmann hinfort wieder durch Wort und Schrift für die Ausbreitung seiner Ideen thätig zu sein. Als er im Jahre 1888 über den Ocean kam, um sein altes Vaterland wieder aufzusuchen, wurde er mit den größten Ehrenbezeigungen von Fürsten und Volk empfangen als der edelste und berufenste Vertreter des Deutschthums in der fernen überseeischen Republik. Karl Schurz arbeitet gegenwärtig an seinen Denkwürdigkleiten und einer Geschichte des nordamerikanischen Bürgerkrieges, beides Bücher, deren Veröffentlichung man diesseits und jenseits des Oceans mit berechtigter Spannung entgegensieht; auch hat er die Vertretung der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Aktiengesellschaft in New-York übernommen, die ihm reichliche Gelegenheit bietet, auf praktischem Gebiete sowohl im Interesse seines alten wie seines neuen Vaterlandes thätig zu sein und die Verbindung beider Völker zu fördern, die ihm stets so sehr am Herzen gelegen hat. Mögen ihm noch viele Jahre segensreicher Thätigkeit beschieden sein!

Dieser Artikel erschien zuerst in Heft 4/1890 des Das Buch für Alle.