Landhaus des Dr. phil. Georg Freund in Berlin-Halensee

Architekt: Reg.-Bmstr, Wilhelm Walther. Wie das in No. 36, Jahrg. 93 d. Bl. veröffentlichte städtische Wohnhaus des Hrn. Dr. Freund, so interessirt auch das hier mitgetheilte Landhaus, das sich derselbe wenige Jahre später durch den gleichen Architekten hat erbauen lassen, vor allem durch die Eigenart des Programms. Denn es dürfte nicht allzu häufig vorkommen, dass eine Wohnungs-Anlage dieses Maasstabes von vornherein ausschliesslich den Bedürfnissen eines Hagestolzen angepasst wird.

Das Grundstück, auf dem die inrede stehende Anlage errichtet worden ist, liegt in dem ehemals zur Feldmark Wilmersdorf gehörigen. diesseits der Ringbahn befindlichen Theile Halensee der Kolonie Grunewald und umfasst die No.7-11 der Georg-Wilhelm-Strasse. Es ist gross genug, um das Grepräge eines Landsitzes bewahren zu können, auch wenn die Nachbargrenzen theilweise mit Brandmauern besetzt werden sollten, zumal es hinter den im beistehenden Grundriss dargestellten Gebäuden noch zu beträchtlicher Tiefe sich erstreckt und hier Raum für Treibhäuser usw. gewährt. Durch eine gegenüber der Front sich öffnende, bis zum Ringbahn-Einschnitt führende Querstrasse ist zugleich dafür gesorgt, dass dem Hause die Fernsicht auf den Grunewald niemals ganz entzogen werden kann.

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Die einzelnen Bauten selbst sind nicht aus einem Gusse sondern in zwei Abschnitten entstanden. Zunächst wurde i. d. J. 1892-94 das mittlere Haus aufgeführt, das über einem zu Wirthschaftsräumen, Dienerwohnungen usw. verwendeten, durch einen unterirdischen Gang mit den Treibhäusern in Verbindung stehenden Sockelgeschoss im Hauptgeschoss die eigentlichen Wohnräume des Besitzers enthält, Links liegen – als ein einheitlicher Raum behandelt und nur durch eine Brücke getrennt – das mit einem kleinen Gewächshause verbundene Speisezimmer und ein Salon; es folgen ein Empfangszimmer, Bad und Schlafzimmer und endlich im rechten Eckthurm das durch die vorgelegten Räume ausgiebigst isolirte Arbeitszimmer. Im Ober- und Dachgeschoss sind neben einer grösseren Bibliothek eine Reihe von Gastwohnungen bezw. Gastzimmern untergebracht; zugänglich sind dieselben durch die im hinteren Rundthurm liegende Treppe und einen von ihr umschlossenen hydraulischen Aufzug. Das oberste Geschoss dieses Thurms enthält eine Aussichtshalle, dasjenige des vorderen Eckthurms ist für eine Sternwarte bestimmt.

Landhaus des Dr. phil. Georg Freund in Berlin-Halensee – Grundriss

Unmittelbar nach Fertigstellung dieses Baues begann i. J. 1894 die i. J. 1896 vollendete Erweiterung der Anlage zu ihrem gegenwärtigen Umfange. Mittels eines Verbindungsflügels wurde dem Wohnhause ein Saalbau angefügt, in den man aus dem Hauptgeschosse des ersteren unmittelbar hinabsteigen kann, während demselben auf der entgegengesetzten Seite ein eigener Eingang von der Strasse her gegeben ist. Der letztere, mit einer besonderen Kleiderablage für Damen und Herren versehen, wird ausschliesslich bei festlichen Gelegenheiten benutzt; mit Rücksicht auf solche ist auch der vorderste der drei zusammenhängenden Säle, der von niedrigeren Nebenräumen eingeschlossene und basilikal beleuchtete Musiksaal mit einer Orgel von Sauer in Frankfurt a. O. ausgerüstet worden. Im übrigen hat dieser ganze Saalbau im wesentlichen nur den Zweck, die werthvolle Gemälde-Gallerie des Besitzers aufzunehmen; er ist in allen seinen Räumen, mit Ausnahme des vertieft liegenden Pflanzenhauses auf der Gartenseite des Musiksaals mit Bildern besetzt. An den Ecken der Strassenfront des Grundstücks wurden 2 mit Thürmen ausgestattete Nebengebäude errichtet, die zur Hauptsache Wohnungen für die Dienerschaft enthalten; doch befindet sich in dem rechts gelegenen auch ein Billardsaal. An das letztere schliessen längs der seitlichen Grenze bedeckte Gänge, Gartenhallen usw. sich an, welche die Umrahmung. des Gartens vollenden. Links folgen als Abschluss des dort befindlichen Stallhofs Stallungen für 3 Pferde und eine Wagenremise für 6 Wagen.

Alles in allem umfasst die Anlage etwa 40 Zimmer und 6 grössere Säle für die Benutzung des Besitzers und seiner Gäste, sowie Einzelwohnungen für den Pförtner, 3 Gärtner, 2 Diener, den Kutscher und den Küchenchef.

Landhaus des Dr. phil. Georg Freund in Berlin-Halensee

Gegenüber diesem Luxus des Raumes ist inbezug au die künstlerische Ausgestaltung der Bauten eine offenbar beabsichtigte Zurückhaltung beobachtet worden, Sowohl in der Aussenarchitektur, die beim Wohnhause Gliederungen von gelbem Sandstein und rothe Ziegelverblendung der Flächen, bei den später hinzugefügten Gebinden dagegen Gliederungen von rothem Sandstein und gelbe Ziegelverblendung zeigt, wie auch im Innern ist grösserer Wert auf die Gesammtwirkung gelegt worden, als auf feine Durchführung der Einzelheiten und eine reiche dekorative Ausbildung. Vielleicht, dass hierbei die eilige Herstellung der Bauten nicht ganz ohne Einfluss gewesen ist. In erste Linie aber dürfte namentlich die in etwas an das vor einigen Jahrzehnten Uebliche anklingende Einfachheit der inneren Ausstattung wohl darauf zurückzuführen sein dass dem. Hause von vorn herein ein reicher Schmuck durch eine Fülle selbständiger Schöpfungen der Malerei und Plastik zugedacht war und dass man den Eindruck de letzteren durch einen Wettbewerb der architektonischen Dekoration nicht stören wollte. Ein Standpunkt, dem seine Berechtigung gewiss nicht abzusprechen ist, wenn auch die heutige Richtung ihm abhold ist. – Im übrigen fehlt es den Innenräumen durchaus nicht ganz an Schmuckwerk. Zu erwähnen sind vor allem kostbare Marmorarbeiten an Fussbodenbelägen, Kaminen usw., Glasmalereien aus den Berliner Kgl. Institut, amerikanische Verglasungen usw. Figürliche Wand- bezw. Deckenmalereien enthalten insbesondere der Salon, das Speisezimmer und der Eingangsraum.

Unstreitig aber leuchtet aus dem Ganzen eine Gesinnung des Bauherrn hervor, die wohl auch diejeniger Architekten sympathisch berühren wird, welche mit der formalen Lösung der Aufgabe nicht durchweg einverstanden sind: eine aus innerem Bedürfniss entspringende Freude am Bauen!

Dieser Artikel erschien zuerst am 06.11.1897 in der Deutsche Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „-F.-“.