Es ist statistisch nachgewiesen, daß in Europa der Fleischverbrauch mit der Erhöhung des Wohlstandes der großen Masse der Bevölkerung und der Zunahme der Volkszahl steigt, während die Anzahl des Schlachtviehs in den westeuropäischen, dichtbevölkerten Industrieländern sich im Verhältniß zur Einwohnerzahl stetig vermindert.
Man hat daher längst angefangen, aus überseeischen Ländern, wie schon vorher Getreide, so nun auch Fleisch einzuführen, und zwar vorzugsweise aus Amerika und Australien, da diese beiden Erdtheile noch einen im Verhältniß zur Bevölkerung außerordentlich hohen Viehstand besitzen, und die dort an Ort und Stelle sehr niedrigen Zuchtkosten eine Ausfuhr besonders lohnend machen.
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Entweder wird nun das Fleisch in gepökeltem, geräuchertem oder konservirtem Zustande versandt, oder man verarbeitet es zu Fleischextrakt; ferner führt man das Fleisch von geschlachten Thieren aus, das auf den Schiffen durch künstlich erzeugte Kälte frisch erhalten wird, und endlich wird seit 1875 auch lebendes Vieh von Nordamerika nach Europa gebracht und zwar vorzugsweise und in stetig zunehmenden Mengen nach England.
Für den Transport dieser lebenden Ladung über den Atlantischen Ocean werden große Dampfer benutzt die mit besonderen Einrichtungen dafür (siehe unsere 3 Bilder) versehen sind und in seemännischen Kreisen kurzweg „Ochsendampfer“ genannt werden. Die für die Ausfuhr bestimmten Thiere, vorwiegend Ochsen und Schafe, kommen fast sämmtlich über Chicago mit der Eisenbahn nach New York, wo ihre Verladung größtentheils auf den Quais des New-York gegenüber liegenden Städtchens Hoboken stattfindet. Die Ochsen werden vom Oberdeck mittelst einer Art Fahrstuhl, der von einer Dampfwinde auf und nieder bewegt wird, durch die Hauptluke in das Zwischendeck hinabgelassen (siehe das Hauptbild), wo sie alsdann hinter ringsum laufenden Schranken in der aus dem oberen kleinen Bilde ersichtlichen Weise für die Fahrt nebeneinander untergebracht werden. In der Mitte liegt der Heuvorrath, der zugleich den sämmtlich in lange weiße Hemden mit einem rothen Kreuz auf der Schulter gekleideten Viehtreibern, welche die Reise nach England und zurück mitmachen, als Lager- und Schlafstelle dient.
Für die Schafe und Hammel werden, nachdem die Ochsen glücklich im Zwischendeck untergebracht sind, durch Zimmerleute Verschläge auf dem Oberdeck hergerichtet, in denen 500 bis 600 Stück in der Weise, wie aus dem unteren kleinen Bilde zu ersehen, Platz finden können.
Binnen zwei Tagen ist die ganze Verladung beendet, so daß der Dampfer mit etwa 1000 Stück Vieh an Bord in See gehen kann. Natürlich muß sich ein derartiger Transport von lebendem Vieh über das Meer stets auf die möglichst sturmfreien Monate beschränken, da die Thiere bei stark bewegter See so unruhig und aufgeregt werden, daß man nicht selten die ganze Ladung über Bord werfen muß. Gewöhnlich machen diese Dampfer die Ueberfahrt nach England in 18 bis 20 Tagen, fahren dann die Themse hinauf und legen unmittelbar an der großen Londoner Central-Schlachterei Depfurth an. Hier wird das Ausladen durch bequeme Laufbrücken erleichtert und geht daher rascher von Statten, wie das Einladen.
Dieser Artikel erschien zuerst in Heft 9/1890 des Das Buch für Alle.