Teuerdank

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In das Märchenland des deutschen Waldes, in die Sagenwelt der deutschen Gaue, in die heilige Legende vergangener Wunderzeiten führen uns die Zeichnungen, die der „Teuerdank“ (Verlag Fischer & Franke, Berlin) in einzelnen Heften von je 10 bis 12 Blättern veröffentlicht.

In Zeiten wie den unsigren, in denen der Ernst der harten Arbeit alle Sinne so stark gefangen nimmt, greift man besonders gern in die Wundertage zurück, wo die Engel mit den Bauernkindern im Sandhaufen spielten und die Prinessin dem Schäfer Jakob die Nase putzte. Denn dieser Märchen Sinn ist ewig; sie raten gut, und ihre Worte passen zu jeder Zeit. Wir lieben nicht mehr die moralischen Reflexionen und Predigen über bestimmte Texte mit 2a und 3b. Aber wenn die Kräfte der Seele in jungen und alten Geistern, im Rauschen des Tanns und im duftenden Jasmin Körper gewinnen, mit großen, offenen, heißen Augen vor uns treten und so schön und gut zu uns herüberleuchten, dann lauschen wir dieser Botschaft nur zu gern. Die ewigen Tatsachen, Gegensätze, Verheißungen und Enttäuschungen, Wonnen und Schmerzen des Lebens bekommen hier ihren Mund und singen ihr starkes und schwermütiges Lied mit lauter Stimme herüber.

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An den Federzeichnungen des „Teuerdank“ sind Künstler der verschiedensten Richtungen beteiligt. Ich nenne Ernst Liebermann, Georg Barlösius, Franz Stassen, Franz Müller-Munster, Ernst Würtenberger, Georg Zahn, Herm. Hitgzel, Hans von Volkmann, Hans Hesse, Horst Schulze. Es sind bereits über 20 Hefte erschienen. Waren die Themata der ersten Hefte allgemeiner („Stimmungen“, „Allerlei Wetter“ usw.), so sind nach und nach abgegrenztere Stoffe gewählt worden, wie Alt-München, Alt Berlin, Rügen, der Page, Roß und Reiter, die Landraße. Ganz besonders Eindruck auf mich gemacht hat Müller-Münchens Heft; „Roß und Reiter in Sage und Legende“; die Auffassung ist bedeutend und oft ergreifend, der Vortrag ruhig und groß; manche Blätter wie das des Heiligen Georg wirken geradezu monumental.

Teuerdank - Die grauen Weiber
Teuerdank – Die grauen Weiber

Franz Stassen nimmt unter diesen Künstlern eine Sonderstellung ein. Sein Gebiet ist das Pathetische, Tiefsinnige, die Emphase. Das bewies er schon in der ersten Folge „Götter“. Nun ist ein zweites Heft von ihm erschienen; „12 Zeichnungen zum zweiten Teil des Faust“, aus dem wir „die grauen Weiber“ abbilden. Diese Weiber sind der Mangel, die Schuld, die Sorge, die Not, die im 5. Akt (nach Lynkeus Türmerlied) an Faust herantreten; sie sind die Boten der Enterbten, des Leidens, der stummen Seufzer und des lauten Elends, das von Fausts Weltverbesserungsträumen nicht erreicht wird. Der Mächtige, dem Unendliches gelang, steht erschüttert vor diesen Mächten, die er nicht bannen kann Frau Sorge naht und haucht ihn an – er erblindet. Zu den Palästen, den Kanälen und Schiffen, den Gärten mit Marmnorbildern, den Terrassen mit Marmorstufen leuchtet das kleine Feuer, das die Hütte der armen, alten Philemon und Baucis zerstört, wie eine schwere Klage und Anklage herüber. – Von den andern Blättern seien vor allem der „Peneios“ mit Chiron („Rege dich, du Schilfgeflüster“) aus der klassischen Walpurgisnacht, „Die drei Gewaltigen“ Raufebold, Habebald, Haltefest (nach Jesaias Kap. 8 und II. Samuel. 23,8) und das Schlußblatt: „Das Ewigweibliche zieht uns hinan“ hervorgehoben.

Dieser Artikel erschien zuerst in Die Woche 47/1903, er war gekennzeichnet mit „S.“