1902, von M. Buhle-Charlottenburg und G. Schimpff-Altona. Die in Deutschland gebräuchlichen Mittel der Kraftübertragung auf grössere Entfernungen beschränken sich, abgesehen von der Seil-Transmission, im Wesentlichen auf den Dampf und den elektrischen Strom, ferner auf Gas und Druckwasser. Während als ein weiteres, den übrigen ebenbürtiges Mittel, besonders in Frankreich und den Vereinigten Staaten Nordamerikas die Druckluft zu nennen ist, hat sich dieselbe bei uns bisher noch kein so ausgedehntes Arbeitsfeld erringen können.
Das ist eigentlich verwunderlich und auch nicht durch den beispiellosen Aufschwung der elektrischen Kraftübertragung zu erklären; denn in vielen Fällen ist die Druckluft zweifellos dem elektrischen Strom mindestens ebenbürtig, in manchen ihm sogar überlegen. Man kennt bei uns allgemein in der Hauptsache nur zwei Anwendungen der Druckluft: einmal zum Tunnelbau, bei welchem häufig mit dem Antrieb der Bohrmaschinen zugleich die Lüftung und Kühlung der Stollen vor Ort verbunden ist, sodann zweitens für die selbstthätigen Bremsen der schnellfahrenden Personenzüge. In Frankreich tritt uns in ausgedehnterem Maasse die Druckluft in der Pariser Kraftübertragung der Compagnie Parisienne de l’Air Comprimé entgegen. In dem bekannten Krafthause am Quai de la Gare (mit 8000 P. S.) [Zeitschr. d Ver. deutscher Ingenieure, 1889— 1893.] wird mittels Riedler’schen Dampf-Luftpumpen, von Schneider & Co. in Le Creusot, auf 5 at gespannte Druckluft erzeugt, die in einem über die ganze innere Stadt verzweigten Rohrnetz zur Vertheilung kommt und zu den verschiedensten Zwecken dient: zum Antrieb aller Arten von Motoren, zum Heben und Befördern von Lasten (besonders bei Personen-Aufzügen), zur Kälteerzeugung usw.
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Wesentlich ausgedehnter noch ist die Verwendung der Druckluft in den Vereinigten Staaten, insbesondere zum Betriebe von Werkstätten-Hebezeugen. Sowohl die kleinsten als auch die grössten Fabriken entbehren selten, selbst wenn im übrigen die elektrische Kraftübertragung vorherrschend ist, daneben einer mehr oder weniger ausgedehnten Anlage zur Druckluft-Erzeugung. Fast ausschliesslich wird Druckluft benutzt für jede Art von Bohr- und Nietarbeit sowohl in Werkstätten als auch auf Baustellen, desgl. zum Verstemmen, Dichten, Meisseln usw., [Erfreulicherweise hat in Deutschland die Grossindustrie jetzt ebenfalls begonnen, auf diesem Gebiete Nutzen zu ziehen aus den unzweifelhaft grossen Vortheilen der Druckluft-Werkzeuge. Sehr interessant, und lehrreich sind die kürzlich in der Potsdamer Eisenbahn-Hauptwerkstätte gemachten diesbezügl. Versuche. Vergl. auch Organ für Eisenbahnwesen 1901, S. 66 und Glasers Ann. 1899, S. 77 ff.] und ferner sind zu nennen die wichtigen Anwendungen für die Stellung der Weichen und Signale bei den Vorrichtungen der Union Switch and Signal Co. in Swissvale, [Vergl. der Verf. Aufsatz „Der neue Haupt-Personenbahnhof in St. Louis“, Dtsche. Bauztg. 1899“ S. 321. Ferner: Annalen für Gewerbe und Bauwesen, 1. Juli 1901, „Bostoner Süd-Bahnhof“.] und neuerdings der International Pneumatic Railroad Co. in Rochester. [Organ für Eisenbahnwesen 1900, S. 308 ff.]
Ohne weiter auf die zahlreichen weiteren Anwendungen der Druckluft, wie die Hebung und Beförderung von körnigen und staubförmigen (stückigen) Stoffen und von Flüssigkeiten, den Betrieb von Signalen und Läutewerken usw. einzugehen, sei als eigenartige Verwendung noch erwähnt, dass in den Werkstätten verschiedener Eisenbahnen (beispielsweise in denen der Manhattan-Hochbahn in New-York) zum Bewegen kalter Lokomotiven innerhalb der Werkstatt die Kessel mit Druckluft von etwa 5at Pressung gefüllt werden.
[So ist es in Amerika auch allgemein üblich, nach Festlegung der Laufräder das Triebwerk von Lokomotiven auf Ausstellungen usw. durch Druckluft in Bewegung zu setzen (Baldwin in Paris 1900), gleichwie die Lokomotiv-Modelle im South-Kensington-Museum in London durch Druckluft betrieben werden.]
Das leitet über zur Betrachtung der Druckluftverwendung zum Betriebe von Eisenbahn-Fahrzeugen, wie sie insbesondere bei Kleinbahnen in Frankreich und in den Vereinigten Staaten in grösserem Umfange zur Anwendung gelangt ist. [Vergl. auch der Verf. Aufsatz in d. Ztschrit, d. Ver. Dtsch. Ingen. 1902, No. 17: „Druckluft-Lokomotiven“.]
Bevor wir im Einzelnen auf die Bauart der verschiedenen durch Druckluft bewegten Betriebsmittel (Lokomotiven und Treibwagen) eingehen, mögen einige theoretische Erläuterungen vorangeschickt werden, welche das Verhalten der Druckluft besonders beim Betrieb von Fahrzeugen kurz zusammenfassen sollen.
Die Druckluft giebt ihre Energie in einem Motor ab, indem sie sich ausdehnt wie der Dampf im Zylinder einer Dampfmaschine. Man benutzt demnach zweckmässig als Motor eine Kolbenmaschine, in welche die Luft mit 10 bis 20at Pressung eingelassen wird. Arbeit leistend dehnt die Luft sich aus und kühlt sich dabei erheblich ab; beispielsweise beträgt die Endtemperatur, wenn sich Luft von 15° C. und 10at Spannung bis auf den äusseren atmosphärendruck ausdehnt, -2570. Da nun die Luft stets mehr oder weniger Feuchtigkeit enthält, und der Wasserdampf bei der Abkühlung eine Eisbildung in den Zylindern hervorrufen würde, die leicht zu einer Verstopfung der Kanäle usw. führen könnte, so ist man genöthigt, die Luft vor dem Eintritt in die Zylinder zu erwärmen.
Die Vorwärmung bietet zugleich um deswillen einen erheblichen Vortheil, weil die bei der Ausdehnung erzeugte Energie mit der Temperatur erheblich wächst, und zwar in weit höherem Maasse, als die für das Erwärme: der Luft verbrauchte Energie beträgt. Die obere Grenze für die Einströmungs-Temperatur ist hierbei dadurch gegeben dass das zum Schmieren des Kolbens benutzte Oel bei etwa 270° verdampft. Indem so die Anfangstemperatur so wohl wie die Endtemperatur, d. h. das Temperaturgefälle bestimmt ist, andererseits die Ausströmungs-Spannung zu Vermeidung eines hörbaren Auspuffs nicht wesentlich höher als der atmosphärendruck sein darf, so ist damit zu gleich das dem Temperatur-Unterschiede entsprechend: Druckgefälle und demnach die Einströmungs-Spannung gegeben. Will man die letztere steigern und dabei der Auspuff vermindern, so muss man zur Verbundanordnung greifen und die Luft zwischen den beiden Ausdehnungsstufen nochmals erwärmen.
Die Erwärmung der Luft im Zylinder während der Ausdehnung etwa durch ein Dampfhemd ist nicht möglich, da die Luft ein sehr schlechter Wärmeleiter ist. Allein man kann theilweise eine Nachwärmung erreichen indem man die Luft vor der Einströmung mit Wasserdampf mischt, der während der Expansion sich verdichtet und seine hierbei frei werdende Wärme an die Luft abgiebt. Die hierdurch erzielte Ausdehnung liegt etwa in der Mitte zwischen der adiabatischen und isothermischen und die für die Beimengung des Wasserdampfes erforderliche Energie ist im Verhältniss zu dem erzielten Gewinn ebenso unbedeutend wie die durch die Vorwärmung verbrauchte; ein weiterer Vortheil der Wassereinspritzung liegt darin, dass der Unterschied zwischen & Anfangs- und der Endtemperatur der Luft nicht so gross ist, man also die Temperatur der Vorwärmung ermässigen kann.
Die Vorwärmung der Luft und die Beimengung von Wasserdampf geschieht auf zwei Weisen: entweder dadurch, dass der in einer Heizschlange erwärmten Luft nachträglich aus einer zweiten Heizschlange entnommener Wasserdampf zugesetzt wird, oder einfacher derart, dass die Luft durch ein Bad von heissem Wasser von etwa 2000 geleitet wird, in dem sie sich während der Erwärmung mit Wasserdampf sättigt.
Die Antriebsluft wird in Behältern auf dem Fahrzeuge mitgeführt. Um die Grösse derselben möglichst zu beschränken, ohne die Länge der Entladestrecke zu vermindern, wird die Luft in den Vorrathsflaschen der Betriebsmittel in einem Vielfachen des Arbeitsdruckes aufgespeichert und vor dem Gebrauch durch ein zwischen Behälter und Zylinder eingeschaltetes Ventil auf den Anfangs-Arbeitsdruck heruntergesetzt, was keine nennenswerthe Abkühlung zurfolge hat. Der Weg der Luft ist also für gewöhnlich: Vorraths-Behälter, Druckverminderungs-Ventil, Erwärmer, Arbeitszylinder, Auspuff.
Die Vorgänge bei der Zusammenpressung der Luft entsprechen den bei der Ausdehnung der Druckluft beschriebenen und es gelten dafür die gleichen theoretischen Erwägungen. Da es sich indessen dabei um die Herstellung des ziemlich hohen Behälterdruckes (in Frankreich 80at, in Amerika bis zu 160at) handelt, so wäre bei einmaliger Kompression der entstehende Wärmegrad zu hoch, so dass man – entsprechend den Verbund-Dampfmaschinen – eine mehrstufige Verdichtung wählt und die Luft auf jeder Stufe wieder auf den Wärmegrad der Aussenluft abkühlt. Der Wirkungsgrad der Verdichtung ist um so grösser, je niedriger die Anfangs-Temperatur ist, so dass man möglichst kalte Luft in die Luftpumpen eintreten lässt. Je grösser man die Anzahl der Stufen wählt, um so mehr kann man sich der isothermischen Kurve der Verdichtung nähern; praktisch geht man indessen bis jetzt nicht über vier Stufen hinaus. Die Kühlung erreicht man durch Wasserumspülung der Zylinder oder durch Einspritzung kalten Wassers, das während der Verdichtung der Luft verdampft und dadurch die Wärme bindet. Die wirkliche Verdichtungskurve liegt wiederum zwischen der adiabatischen und der isothermischen Linie.
Um die auf diese Weise der Luft beigemengte Feuchtigkeit wieder zu entfernen, wendet man Trockner (Abb. 1) an, in denen die bei C einströmende Luft gegen ein Rohr B trifft, an welchem sich das Wasser niederschlägt. Die Entnahme der Luft erfolgt bei D.
Ein Diagramm von einer in 4 Stufen erfolgenden Verdichtung mittels Dampfluftpumpen, sowie von der zugehörigen Ausdehnung der Druckluft im Betriebsmittel zeigt Abbildg. 2. Die Abscissen stellen die Volumina, die Ordinaten die Spannungen dar. Die einzelnen wagrechten Abschnitte der Gesammtkurvenfläche sind die entsprechenden Indikator-Diagramme der betreffenden Zylinder, und die wagrechten Absätze in der Verdichtungs- und Ausdehnungslinie entsprechen den durch die Kühlung bezw, Vorwärmung hervorgerufenen Volumenänderungen. In den Vorrathsbehältern im Kraftwerk, sowie in den Wagen, und ferner beim Füllen der letzteren aus ersteren beläuft sich der Spannungsverlust auf das in der Ausdehnungskurve gezeichnete Maass 2-3, während 4-5 den Spannungsabfall bedeutet, welcher durch das Druckverminderungsventil der Fahrzeuge bewirkt wird.
I. Lokomotiven.
Die ältesten Druckluft-Fahrzeuge waren Lokomotiven, welche sich wenig von Dampf-Lokomotiven unterschieden. [Vergl. Fussnote auf S. 207.] Man wählte diese Art von Betriebsmitteln wie seinerzeit so auch heute noch, um beim Tunnelbau die dort so störende Entwicklung von Rauch zu vermeiden. Während indessen die beim Bau der Gothardbahn benutzte meterspurige Mekarski’sche Druckluft-Lokomotive [Rapports du conseil federal Suisse aux gouvernements des Etats, qui ont participé ä la subvention de la ligne du St. Gothard, Zürich 1877.] von Schneider & Co. in Le Creuzot einen einzigen Luftbehälter besass, der 76 cbm Druckluft von 12at Höchstspannung fasste, ist für die zurzeit beim Simplon-Tunnelbau verwendete, von der Schweizerischen Lokomotiv-Fabrik in Winterthur gebaute Lokomotive (Abbildg. 3) eine Höchstspannung von 80at für die Druckluft angenommen, die infolge dessen in Flaschen von geringerem Durchmesser mitgeführt werden muss.
Die Hauptdaten der Lokomotive, [Näheres über diese interessante Maschine ist in dem in der Fussnote S. 207 angezogenen und in der Schweizerischen Bauzeitung vom 5. April 1902 veröffentlichten Aufsatz zu finden.] von der zunächst je 3 für jede Bauseite beschafft wurden, sind:
Spurtweite 800 mm
Zylinderdurchmesser 125 mm
Kolbenhub 150 mm
Raddurchmesser 620 mm
Radstand 1200 mm
Uebersetzung 1 : 3,25
Behälterdruck 70 at
Gesammtinhalt der Luftbehälter 2000 l
Arbeitsdruck 15 at
Gewicht der Lokomotiven 6200 kg
In Abbildg. 4 und 5 ist eine 1897 von Hardie in Rome (im Staate New-York) entworfene und zeitweise auf der Manhattan-Hochbahn in New-York im Betrieb gewesene Druckluft-Lokomotive dargestellt. Bei einem Dienstgewicht von 21 t besitzt sie einen aus 27 Mannesmann-Röhren für 160at Vorrathsdruck bestehenden Behälter, der im ganzen 2900 l Luft aufnehmen kann. Damit ist die Lokomotive imstande, einen Zug von 130 t (5 Wagen) mit 72 km Meistgeschwindigkeit auf 30 km Bahnlänge zu ziehen.
Wohl die bisher umfangreichste Verwendung von Druckluft-Lokomotiven auf eigenem Bahnkörper ist vorhanden in dem unlängst eröffneten Betrieb auf der Westbahn in Paris. Die 2 km lange Stadtbahnstrecke dieser Gesellschaft vom Gare des Invalides bis zum Marsfeld, (vergl. den Uebersichtsplan Abbildg. 6, in welchem auch die mit Druckluft betriebenen Strassenbahnlinien eingetragen sind), verläuft vollständig im Tunnel, es war also die Anwendung von Dampflokomotiven so gut wie ausgeschlossen. Die Strecke setzt sich in derselben Richtung in der neuerbauten direkten Linie nach Versailles fort.
In ihr befindet sich ein 5 km langer Tunnel TT, der in einer Steigung von 1:125 liegt. Andererseits sollten Ringbahnzüge zwischen dem Gare des Invalides und St. Pazare über Passy und die Gürtelbahn verkehren; auch diese Linie verläuft zum grossen Theil im Tunnel. Man wählte nun für die von den übrigen Bahnen verhältnissmässig unabhängige Linie nach Vers elektrischen Betrieb mit Lokomotiven, während für die Ringbahn, auf welcher zahlreiche Dampfzüge anderer Verwaltungen verkehren und manche Bahnhöfe mit vielen Weichenverbindungen zu durchfahren sind, Stromleitungsschienen sehr hinderlich gewesen wären. Man entschloss sich daher, hier Druckluft-Lokomotiven zur Anwendung zu bringen, die ausserdem dazu dienen sollen, die Verschub-Bewegungen auf dem theilweise überbauten Gare des Invalides auszuführen, sodass auch hier nur einige Hauptgleise mit Stromleitungsschienen ausgerüstet zu werden brauchten, Abbildg. 7 zeigt die auf dem technischen Bureau der Westbahn entworfene und von der Societe St. Leonard in Lüttich gebaute Druckluft-Lokomotive, über welche hier folgende Hauptdaten angeführt seien:
Gesammtlänge 13,46 m
Abstand der Drehgestelltzapfen 8,60 m
Radstand eines Drehgestells 2,50 m
Raddurchmesser 1,35 m
Dienstgewicht 60 t
Durchmesser des Hochdruck-Zylinders 320 mm
15at Anfangsdruck, 10at Anfahrdruck,
Durchmesser des Niederdruck-Zylinders 530 mm
7,5at Anfangsdruck, 10at Anfahrdruck,
Hub 560 mm
Höchstleistung 1300 P.-S.
Zahl der Behälter 33 zu je 700 l = 23 100 l oder 2000 kg Luft,
Grösster Behälterdruck 100 at
Inhalt der Erwärmer 2260 l Wasser (215 Grad Celsius Anfangswärme).
Eine Ladung soll ausreichen, um einen Zug von 120 t (ohne Lokomotive) auf einer 25 km langen Strecke zu befördern.
Die Energie für die mit elektrischem Strom und die mit Druckluft betriebenen Linien wird in einem grossen Kraftwerke in Issyles Moulineaux (vgl. den Plan 6) gewonnen, welches nach vollendetem Ausbau 12 000 P.-S. leisten wird. Es wird Drehstrom von 5000 Volt Spannung und 25 Perioden erzeugt, welcher 4 Unterstationen zugeführt wird. Drei derselben (auf dem Marsfeld, in Meudon und in Viroflay) von je 1600 P.-S. liefern Gleichstrom von 550 Volt für den Bahnbetrieb und Beleuchtungsstrom; die vierte auf dem Invaliden-Bahnhof dient zur Speisung der Druckluft-Lokomotiven. In der letzteren befinden sich 3 Drehstrommotoren für 5000 Volt. Ihre höchste Leistung beträgt je 500 P.-S. bei 50 Ampere Stromstärke. Sie sind unmittelbar gekuppelt mit je einer zweistufigen Luftpumpe (System Mekarski). Diese empfangen Druckluft von 6.at aus dem Rohrnetz der Compagnie parisienne de l’air comprime (Quai de la gare) und verdichten sie zunächst auf 30, dann auf 100 at.
Die Luft wird nach erfolgter Trocknung in 120 Behältern (zu je 500 l) aufgespeichert, welche in 6 Gruppen angeordnet sind und etwa das Dreifache einer Lokomotiv-Füllung als Vorrath halten, Ausserdem enthält diese vierte Unterstation auf dem Gare des Invalides eine Kesselanlage für die Erzeugung des zur Erwärmung der Heisswasser-Behälter auf den Druckluft-Lokomotiven, zur Heizung der Gebäude und des zum Anheizen der Züge im Winter erforderlichen Dampfes.
Mekarski’sche Strassenbahn-Lokomotiven werden in Paris als auch in der Umgebung der Hauptstadt in grosser Zahl benutzt. [Vgl, L’air comprime appliquéá la traction des tramways par I. A. Barbet, Paris 1806.]
Eine sehr gebräuchliche Anordnung zeigt Abbildg. 8, über welche genauere Angaben in dem in der Fussnote 6 S. 207 angezogenen Aufsatz zu finden sind.
Diese Lokomotiven sind auf der Linie Louvre-St. Cloud-Sevres-Versailles der Compagnie Generale des Omnibus, sowie auf dem Netze der Chemins de fer Nogentais und ferner für den Marktverkehr in Paris im Gebrauch [Vgl. auch Z. f. Kleinbahnen 1901 S. 120 u. f.] und können 4 Anhängewagen von zusammen 32 t Gewicht mit einer Geschwindigkeit von 20 km in der Stunde befördern.
II. Triebwagen.
Für Strassenbahnen hat eine Druckluft-Lokomotive, die nach Art der vorstehend geschilderten gebaut ist, wenig Aussicht auf dauernde Verwendung, weil der Verkehr dort meist häufige Verbindungen mit demzufolge kleinen Einheiten verlangt und weil daher eine Viertelstundenfolge von Zügen‚ die aus einer Lokomotive und 4 Anhängewagen bestehen, in einer Stadt wie Paris nicht mehr als den Anforderungen der Gegenwart entsprechend bezeichnet werden kann. Hier wird das Schwergewicht immer auf den einzelnen Triebwagen zu legen sein, und daher haben sich schon verschiedene Konstrukteure seit einiger Zeit bemüht, brauchbare Betriebsmittel dieser Art herzustellen. Die Schwierigkeiten liegen darin, dass erstens die erforderlichen Energie- bezw.
Energie-Erzeugungsmengen in verhältnissmässig beschränkten Räumen unterzubringen und dass zweitens störende Geräusche und unangenehme Gerüche fernzuhalten sind. Insbesondere soll der Auspuff unhörbar sein.
Eine ältere Gattung der Mekarskischen Triebwagen, welche in Paris im Betriebe sind, zeigt Abbildg. 9. [Vergl. Ztschr. d. V. Dtsch, Ing. 1893, S. 297 u. Org. f. Eisenb.-Wesen 1901, S. 264.] Im Gegensatz zu den oben beschriebenen Lokomotiven sind dieselben einseitig ausgebildet, sodass sie auf den Endstationen der Linien gedreht werden müssen, falls keine_Schleifen vorgesehen sind. Die Führerplattform trägt den Erwärmer E und die Handhebel; die Behälter (bei den neuen Wagen 9 an der Zahl) liegen quer unter dem Wagenkasten (Abbildg. 10). Von ihnen dienen 6 dem regelmässigen Betrieb und 3 als Rückhalt, um noch am Ende der Fahrt beim Anfahren auf der Steigung usw. genügend hohen Druck zur Verfügung zu haben.
Die Länge der Behälter beträgt 1,2 bezw. 1,9 m, ihr Durchmesser 0,6 m und sie enthalten zusammen 3000 l Luft. Die Bauart der Behälter entspricht derjenigen der Lokomotiven, und ihr Gewicht beläuft sich auf 2,5 t.
Der Erwärmer besteht bei den älteren Wagen aus einem einfachen senkrecht stehenden zylindrischen Gefäss (Abbildg. 11), an dessen oberem Ende das Druckverminderungs-Ventil befestigt ist. Bei den neueren Wagen hat man, da die Wärmemenge des nur 200 fassenden Behälters verhältnissmässig schnell verbraucht und die Nachfüllung von Dampt auf der Linie unbequem war, in den Erwärmer einen kleinen Koksofen eingebaut, in welchem ein mässiges Feuer unterhalten wird. Der Verbrauch an Brennmaterial beträgt für diesen Zweck nur 500 g auf 1 km. Die beiden Achsen des Wagens sind gekuppelt. Die Trittstufen der hinteren Plattform sind über Eck angebracht, um den Raum für den letzten Luftbehälter nicht zu verkürzen; da stets nur beim Stillstand aus dem Wagen aus- oder in denselben eingestiegen wird, so ist diese Anordnung, auch wenn ein Anhängewagen dahinter läuft, ungefährlich. Der Raddurchmesser beträgt 0,70 m, der Radstand 1,9 m, Zylinderdurchmesser 0,16 m, Kolbenhub 0,28 m. Der Wagen ist insgesammt 8m lang und wiegt voll besetzt 14,5 t. Das Gewicht vertheilt sich folgendermaassen:
Untergestell 8 t, Wagenkasten 2,5 t, also Leergewicht 10,5 t; Luft 0,2 t, Wasser 0,2 t, 50 Personen 3,6 t, demnach grösstes Gewicht 14,5 t.
Der Anfangsdruck in den Behältern beträgt 80 at, der Enddruck 10 at, Die Eintrittsspannung der Luft in den Zylindern ist für gewöhnlich auf 10 at bemessen, jedoch bis auf das Doppelte zu steigern. Mit einer Füllung kann der Wagen allein eine Strecke von 12 – 15 km, mit einem 8 bis 12 t schweren Anhängewagen 8 – 12 km zurücklegen entsprechend seinem Arbeitsvermögen von 4 800 000 kg. Die Aufladung dauert 2-3 Minuten. Solange der Wagen auf ebener Bahn fährt, ist ein Auspuff nicht zu hören; auch beim Anfahren und auf Rampen ist das Geräuch als verhältnissmässig gering zu bezeichnen.
Während die Strassenbahn-Gesellschaften in der Umgegend von Paris, soweit sie Druckluft-Betriebsmittel benutzen. diese allmählich durch elektrischen Antrieb mittels Oberleitung ersetzen, wird der Druckluft-Betrieb seitens der Compagnie Generale des Omnibus, da für die in das Innere der Stadt führenden Linien der Oberleitungs-Betrieb ausgeschlossen ist, weiter beibehalten und als Ersatz für andere mechan. Betriebsweisen neu eingerichtet.
Im Sommer 1900 waren folgende, in nachsteh. Tabelle angegebenen Linien im Betriebe (Lageplan, Abb. 6.)
Der Betrieb der Linie 1 erfolgt so, dass alle 15 Min. ein Zug mit 3-4 Wagen vom Louvre bis Point du Jour geht, dort wird er getheilt. Die Lokomotive fährt mit einem Wagen nach St. Cloud weiter, eine andere befördert 2-3 Wagen nach Sevres und fährt von dort alle Stunden mit 1 oder 2 Wagen nach Versailles.
Umgekehrt erfolgt die Vereinigung. Linie 4 ist eine Zweiglinie zu 1. Die Wagen laufen theilweise bis zum Louvre durch. Für den Betrieb dienen 148 Wagen und 53 Lokomotiven.
Lfde. No. | Linie | Betriebslänge in km | Antriebsmittel, L = Lokomot., T = Triebwg. | Zeitfolge der Züge in Minuten |
1 | Louvre – Point du Jour – St. Cloud – Sévres – Versailles | 10,18 11,15 bis S. 18,80 bis Vers. | L L L | 15 15 bis S. 60 bis Vers. |
2 | Passy-Hotel de Ville | 6,43 | T | 16 – 9 3/4 |
3 | Mouette – Rue Taitbout | 6,15 | T | 12 – 7 |
4 | Auteuil – Boulogne | 2,69 | T | 25 – 15 |
5 | Montrouge – Gare de l’Est | 6,32 | T | 6 – 3 1/4 |
6 | Auteuil – Madeleine | 7,41 | T | 15 – 10 |
Zusammen 59 km (davon 7 km, Louvre-Point du Jour, doppelt gerechnet).
Die Kraftstation, welche die Druckluft für alle diese Linien liefert, befindet sich zu Billancourt (vergl. Abb. 12), gegenüber dem Westbahn-Kraftwerk am rechten Seineufer. Ihre Leistungsfähigkeit beträgt im gegenwärtigem Ausbau 5000 – 7000 P.-S. Sie liefert stündlich 16 t Luft von 80 – 100 kg Spannung. Die Kohlenzufuhr geschieht auf dem Wasserwege, und das Speisewasser wird der Seine entnommen. Zur Dampferzeugung diesen 16 Babcock-Wilcox-Kessel von je 210 qm Heizfläche. Es sind 7 liegende Verbund-Dampf-Maschinen vorhanden, deren jede 700 – 1000 P.S. leistet.
Die Luftpumpen arbeiten in 3 Stufen. Der erste Zylinder ist liegend, die beiden anderen sind stehend angeordnet und zwar sind letztere doppelt. Der grosse Luftzylinder und und der Niederdruck-Dampfzylinder sind miteinander verbunden und die beiden anderen Dampfzylinder unter sich in Tandem-Anordnung. Die stehenden Luftzylinder sind so angeordnet, dass je ein Mittel- und ein Hochdruckzylinder nach Tandemart verbunden sind. Die Verdichtungsstufen liegen auf 4,25 und 80 kg Pressung. Die Kühlung der Luft erfolgt während des Zusammendrückens durch Wasserumlauf um jeden Zylinder, durch Wasser-Einspritzung in den Niederdruck- ylinder und durch Kühlung in besonderen Behältern nach jeder Verdichtungsstufe. Zum Abscheiden des überflüssigen Wassers sind zwei Trockner vorgesehen.
Zum Aufspeichern der Luft dienen 280 Behälter, welche in einem besonderen Gebäude untergebracht und in 28 Gruppen zu je 10 geordnet sind. Die einzelnen Behälter haben 462 mm inneren bei 504 mm äusseren Durchmesser und sind 3,17 m hoch. Der Gesammtinhalt aller Behälter beträgt 140 cbm Luft. Vom Behälterhause gehen zwei Rohrleitungen nach den Ladestationen. An der einen liegen diejenigen von Point du Jour, Auteuil, Mozart, Pont d’Alma, die andere führt nach der Station Porte d’Orlèans.
Am Point du Jour werden die Lokomotiven der Linie 1 geladen, in Auteuil die Wagen für 4 und 6, in der Rue Mozart diejenigen für 2 und 3, an der Porte d’Orleans die für Linie 5. Die Ladestation am Pont d’Alma dient zur Aushilfe, besonders, wenn Triebwagen mit Anhängewagen auf den Linien 1 – 4 verkehren.
Das Laden erfolgt zumtheil auf der Strasse, zumtheil am Ende der Linie auf dem Betriebs-Bahnhofe. Den Ladevorgang auf der Strasse veranschaulicht Abbildg. 13.
Der Umstand, dass der Mekarski-Wagen stets nur nach einer Richtung laufen kann, erschwert naturgemäss den Betrieb. Beide Endplattformen mit Erwärmern und Regelungsvorrichtungen auszurüsten, verbot sich bei der üblichen Wagenform, bei welcher die hintere Plattform zum Ein- und Aussteigen benutzt wird. Will man den Wagen zweiseitig benutzen, so lässt sich das nur so erreichen, dass Erwärmer und Regelungs- Vorrichtungen unter dem Wagenkasten angebracht und von beiden Plattformen aus mittelbar bethätigt werden. Von diesen Erwägungen ausgehend, entwarfen Popp und Conti einen für die Strassenbahn in St. Quentin bestimmten Wagen, welcher in seiner äusseren Erscheinung einem gewöhnlichen Strassenbahnwagen völlig gleicht. Die 8 Behälter R liegen zu je 4 unter den beiden Plattformen (Abbildg. 14); sie enthalten zusammen 1000 l Luft von 20 – 25 at Spannung.
Der Energievorrath ist also verhältnissmässig gering. Der Erwärmer G liegt quer unter dem Wagen und stellt einen Ofen dar, in welchem ein von der Luft durchströmtes Schlangenrohr liegt. Das Druckverminderungs-Ventil ist nicht regelbar. Zwischen ihm und den Zylindern strömt die Luft durch die Vertheilungshähne D.
Die nach dem Verbundsystem gebaute Maschine wirkt nach Art eines elektrischen Motors mit einer Uebersetzung von etwa 1:2,4 auf eine der Achsen und ist am Untergestell federnd aufgehängt. Die andere Achse ist mit der Triebachse gekuppelt. Auf dem Wege vom kleinen zum grossen Zylinder durchläuft die Luft nochmals in einem zweiten Schlangenrohr den Erwärmer, sodass die Anfangstemperatur in beiden Zylindern 120° beträgt bei einem Arbeitsdruck von 8 bezw. 4 at. Die Regelung der Zylinderfüllung geschieht durch einen Schieber, der mittels Rad und Kette vom Hebel V aus bewegt wird. Die Steuerung wird mittels Luftdruckes vom Führerstand aus umgelegt.
Ein weiterer Hebel W stellt die Verbindung mit den Vertheilungshähnen D her, welche dazu dienen, die Luft einmal in dem kleinen Zylinder oder in beide Zylinder (beim Anfahren auf der Steigung) oder in die Bremsen strömen zu lassen. Durch einfache Drehung des Hebels W lassen sich diese drei Stellungen erreichen. Die Abmessungen des Wagens sind folgende: Gesammtlänge 7,4 m, Radstand 1,5 m, Raddurchmesser 0,8 ,, Gewicht leer 7 t, Gewicht des vollen Wagens (20 Sitzplätze) 9 t.
Die beiden amerikanischen Strassenbahn-Wagen-Systeme, das von Hoadley-Knight und das von Hardie gehen gleichfalls von der Benutzung für beide Fahrrichtungen aus.
Den Anlass zur Erbauung und Inbetriebnahme von Druckluftfahrzeugen gab der Umstand, dass die Stadtverwaltungen von New-York, Washington und Chicago die Anwendung von elektrischer Oberleitung für das Stadtinnere nicht zuliessen. Nachdem bereits in fast allen anderen amerikanischen Städten der elektrische Betrieb der Strassenbahnen durchgeführt war, hatten sich für die Bauart der Räder, Achsen, Untergestelle und Wagenkasten von Strassenbahnwagen gewisse Formen als marktgängig ausgebildet, und so gingen Hoadley und Knight davon aus, diese Formen für die Druckluftwagen möglichst ungeändert zu verwenden. Sie gelangten infolgedessen zu einer Ausbildung, welche dem Popp-Conti’schen Wagen sehr ähnlich war (Abbildg. 15 – 24). Jede Achse wird für sich von einem zweizylindrigen Motor mit 1:2,27 Uebersetzung angetrieben, dessen Triebwerk zur Fernhaltung des Staubes vollständig in einem halb mit Oel gefüllten Gusseisengehäuse mit abnehmbarem Deckel eingeschlossen ist, Die beiden Gehäuse sind durch einen besonderen Rahmen verbunden und ruhen ungefedert auf den Achsen.
Es wurde zunächst der eine Motor mit zwei Hochdruck-Zylindern von 200 mm Durchmesser, der andere mit zwei Niederdruck-Zylindern von 200 mm Durchmesser und 150 mm Kolbenhub ausgerüstet. Die Behälter liegen, wie bei elektrischen Akkumulatorwagen, unter den Sitzen und bestehen aus 6 Mannesmann-Flaschen von 6,55 m Länge, 217 mm innerem und 235 mm äusserem Durchmesser; ihr Gewicht beträgt leer 1,9 t, der Inhalt 1500 l. Für die Anordnung des Erwärmers war die Erwägung maassgebend, dass beim Durchleiten der Luft durch das heisse Wasser einmal, wenn der Druck im Erwärmer grösser als der der Luft ist, zuviel Wasserdampf mit letzterer in die Zylinder tritt, sodass der Auspuffdampf zu sehen ist; andererseits, wenn der Druck im Erwärmer zu gering geworden ist, überhaupt kein Wasserdampf absorbirt, und dass ferner bei Vergrösserung des Arbeitsdruckes leicht Wasser mitgerissen wird. Die Konstrukteure zogen deshalb vor, eine trockene Erwärmung der Luft anzunehmen, d. h. dieselbe durch ein Schlangenrohr zu führen, welches sich in dem Wasserbehälter befindet, und vor der Erwärmung eine bestimmte Menge Wasserdampf in die Luft einzuspritzen.
Abbildg. 23 zeigt den Injektor zum Beimengen des Wasserdampfes. Bei a tritt die trockene Luft, bei b der Dampf ein, welcher aus dem Behälter des Erhitzers kommt; bei c tritt die dampfgesättigte Luft aus. Das Schlabberrohr führt die überflüssige Feuchtigkeit dem Erhitzer wieder zu. Die Temperatur des Dampfes im Erhitzer beträgt 200 Grad, der Behälterdruck 150 at, der Arbeits-Anfangsdruck im kleinen Zylinder 22 at.
Der Erhitzer liegt zwischen den beiden Motoren in der Mitte und ist auf dem Rahmen gelagert. Der Druck in ihm beträgt 15 at, sein Inhalt 170 l. Die Luft wird in einem 25 mm weıten Rohr aus den Behältern zunächst geradlinig durch den Erhitzer geführt, um sie etwas anzuwärmen, und gelangt dann nach dem Druckverminderungs-Ventil. Der Weg der Luft ist in Abbildg. 24 schematisch gekennzeichnet. A ist der Anschlusstutzen, B und C bedeuten Ein- und Austritt der Behälter und D das DruckverminderungsVentil. Von D gelangt die Luft auf getheiltem Wege nach einem der Ventile E (das in der Fahrrichtung hinten befindliche bleibt geschlossen), welche zur Regelung des Arbeitsdruckes dienen, und von hier durch den Injektor F in das Schlangenrohr des Erwärmers. Die Luft geht nun nach den Zylindern und durchläuft auf dem Wege von dem Hochdruck- nach dem Niederdruck-Zylinder (G – H) zum dritten Mal den Erwärmer in einem Schlangenrohr, um wieder auf 200 Grad gebracht zu werden.
Die Regelung der Motoren geschieht durch zwei wagrecht geführte Handhebel H, welche über einander an dem Führerstande angebracht sind. Der eine bethätigt, wie in Abbildg. 24 zu erkennen ist, das zunächst gelegene Ventil E (das 2. Ventil E bleibt geschlossen), der andere durch das mit R bezeichnete Gestänge die Steuerung.
Diese Art der Kraftübertragung ist wesentlich einfacher als bei den entsprechenden französischen Betriebsmitteln, Die Steuerung (Veränderung der Füllung und der Fahrrichtung) geschieht durch eine Steuerscheibe (Excenter), welche auf einer Geradführung verschiebbar angeordnet ist. Der Steuerhebel ist auf 25, 33 u. 60 % Füllung einstellbar nach Art der Lokomotiv-Steuerungen, so zwar, dass der grösste Ausschlag der grössten Füllung entspricht, sodass der Hebel von der mittleren Ruhestellung aus zuerst in die äusserste Lage gebracht und dann allmählich zurückgestellt wird. Da auch für die Bremse in der üblichen Weise ein besonderer Hebel vorgesehen ist, so sind die vom Führer während der Fahrt zu bedienenden Handgriffe sehr zahlreich und geeignet, seine Aufmerksamkeit vom Strassenverkehr abzulenken. Am Ende der Fahrt werden wie beim elektrischen Wagen alle Handhebel auf der einen Plattform abgenommen und danach auf der anderen aufgesetzt.
Von der Anordnung eines Hochdruck- und eines Niederdruck-Motors versprach man sich einen gleichmässigen Gang des Wagens; wenn beim Anfahren die Hochdruck-Achse schleudern würde, so dachte man, dass die dadurch dem Niederdruck-Motor zugeführte grössere Luftmenge einen stärkeren Antrieb bewirken müsste.
Diese Erwartungen hat der Betrieb nicht erfüllt; man konnte vielmehr bemerken, dass häufig beim Anfahren die eine Achse eine ganze Reihe von Umdrehungen machte, ehe die Wagen in Gang kamen. Das bewirkte natürlich, abgesehen von der Abnutzung, ein ruckweises Anfahren. Zur Behebung dieses Uebelstandes erhielt nun versuchsweise jeder Motor einen Hoch- und einen Niederdruck-Zylinder, und zwar arbeiteten dabei stets die Zylinder einer Langseite hintereinander, wodurch die Zahl der Rohrleitungen und der etwaigen undichten Stellen erheblich vergrössert wurde, Im Betriebe trat in den Wagen ein starker Geruch nach verbranntem Oel auf, das Arbeiten der Maschinen und der Auspuff waren stark hörbar, und häufig erklang ein durchdringendes Geräusch wie von einer in Schwingung versetzten Stahlplatte. Offenbar war die Wahl zweier Motoren und das Fehlen der Achsenkuppelung für den Druckluftbetrieb ein Fehler. Auch musste der Umstand, dass auf der Strasse eine Oelspur das Gleis begleitet, als nicht gerade angenehm bezeichnet werden. Trotz dieser Unannehmlichkeiten war das System auf der Querlinie der 28. und 29. Strasse in New-York mit 20 Wagen von 1897 bis 1900 im Betriebe.
Als Hauptzahlen der Wagen seien angeführt: Gesammtlänge 9,40 m, Radstand 2,44 m, Raddurchmesser 762 mm, Höhe der Plattform über Schienenoberkante 705 mm, Anzahl der Sitzplätze 20, Gewicht des Wagenkastens 2,7 t, des Untergestells 2 t, der Luftbehälter 1,9 t, der übrigen Ausrüstung 1,6 t, Leergewicht also 8,2 t.
Für den Betrieb dieser Linie, den man als einen Versuch in grossem Maasstab bezeichnen muss, hat die Metropolitan-Strassenbahn-Gesellschaft an der Ecke der 24. Strasse und 13. Avenue (Lageplan Abb. 25) ein Kraftwerk mit Behälterraum, Wagenschuppen, Ladestation und Reparaturwerkstatt angelegt. Es sind vier Kessel von Babcock & Wilcox vorgesehen, welche den Dampf liefern für eine von E. P. Allis-Milwaukee gebaute, stehende Verbundmaschine von 1000 PS. mit darunter liegender 4stufiger Luftpumpe (Abb. 26). Der Vorliebe der Amerikaner für grosse Einheiten entsprechend hat man hier sogar auf jegliche Reserve verzichtet.
Die Zylinderdurchmesser betragen 762 bezw. 1727 mm bei 1524 mm Kolbenhub. Das Schwungrad besitzt einen Durchmesser von 6706 mm.
Die vier Zylinder der Luftpumpen sind einfach wirkende und zu je zwei in Tandem-Anordnung mit einem Dampfzylinder verbunden. Ihre Durchmesser betragen 1168, 610, 356 und 152 mm, die entsprechenden Endspannungen 2,8; 12,6; 56 und 196 at. Die Luftzylinder haben äussere Wasserkühlung; die Zwischenkühler der beiden ersten Stufen bestehen aus senkrechten Rohren zwischen den Zylindern, die anderen beiden aus Schlangenrohren, welche durch wassergefüllte Behälter geführt sind. Das Kühlwasser wird dem nahen North-River entnommen. Die Maschinen-Anlage wird durch den gegenwärtigen Betrieb nur zu etwa ein Drittel ausgenutzt. Die Behälter zum Aufspeichern der Druckluft liegen in einem besonderen Raum neben der Maschinenstation und bestehen aus einer an Zahl von Mannesmann-Flaschen, die auf 350 at, d. h. etwa das Doppelte des Betriebsdruckes geprüft sind.
Infolge der geschilderten wenig angenehmen Eigenschaften der Hoadley-Wagen und ihres verhältnissmässig grossen Energie-Verbrauches sind dieselben neuerdings durch Wagen nach dem System Hardie ersetzt worden, das sich bereits im Betriebe bewährt hatte. [Vergl. auch Organ für Eisenbahnwesen 1901S. 115 u. 118]
Der ältere Hardie-Wagen (Abbildgn. 27 bis 31), der in Chicago und auf den Strassenbahnen in Rome (N.-Y.) im Betriebe ist, entspricht im Prinzip im allgemeinen der früher geschilderten Hochbahn-Lokomotive. Die Achsen sind gekuppelt und werden durch ausserhalb des Rahmens liegende Motoren angetrieben. Dadurch wird der Raum zwischen den Rädern für die Anbringung der Behälter frei. Es sind im ganzen 16 Behälter vorhanden mit verschiedenen Längen; ihr innerer Durchmesser beträgt 200 mm, Zwei Behälter F von der Länge des Wagenkastens liegen unter den Sitzen, die übrigen unter dem Wagenboden, und zwar E in der Wagenmitte, B, C und D je doppelt an den Wagenenden unter den Plattformen.
Der Gesammtinhalt der Behälter beläuft sich auf 1500 l und ihr Leergewicht auf 2 t. Der Erwärmer A (Abbilden. 27 u. 29) liegt der Länge nach unter dem Wagenkasten. Er ist 2134 mm lang und besitzt einen inneren Durchmesser von 457 mm; sein Inhalt ist also 350 l. Er ist zur Hälfte mit heissem Wasser gefüllt. Die kalte Luft tritt von unten ein, durchströmt das Wasser und sammelt sich im oberen Theile des Gefässes. Von dort wird sie aus einem Rohr mit durchbrochenen Wandungen entnommen. Zwei senkrechte Flachbleche (Paltschbleche) schützen gegen das Emporspritzen des Wassers beim Schwanken des Wagens; hierdurch soll das Mitreissen von Wasser vermieden werden. Die Wasserwärme beträgt anfänglıch 180 – 150 Grad, gegen Ende der Fahrt noch 90 – 70 Grad.
Das Druckverminderungs-Ventil, welches die Spannung der Luft von 170 auf 10,5 at ermässigt, ist in Abbildg. 30 dargestellt. Die Luft strömt von links bei B ein; in der Kammer C und der damit in Verbindung stehenden Kammer D herrscht der Zylinder-Einströmungsdruck. Derselbe wirkt auf die Membran E, und diesem Druck hält die Feder F das Gleichgewicht. Je nachdem der Druck in D oder der Federdruck überwiegt, wird das Ventil geschlossen oder geöffnet.
Der Durchmesser der Zylinder beträgt 178 mm, der Kolbenhub, welcher nicht wie bei Hoadley durch die Bauart des Wagens beschränkt ist, 356 mm. [Es ist erwünscht, den Kolbenhub möglichst gross zu machen, um den schädlichen Raum im Verhältniss zu verringern und die Dehnung möglichst weit, d.h. bis zum Atmosphärendruck bringen zu können Beide Rücksichten tragen zu einem sparsamen Energieverbrauch erheblich bei.]
Die Einströmungsdauer (Füllung) ist nur zwischen den Grenzen 10 % und 17 % veränderlich; der letztere Werth ist nämlich ungefähr die Grenze, bei welcher sich bei dem gewählten Arbeitsdruck von 10,5 at noch eine volle Expansion (bis zur atmosphäre) erreichen lässt, die zur Vermeidung eines hörbaren Auspuffs durchaus erwünscht ist. Nun ist es ohne weiteres nicht möglich. unter diesen Umständen bei allen Kolbenstellungen anzufahren. Um das zu ermöglichen, sind besondere Rohre nach den beiden Zylinderenden geführt, durch welche man Luft unabhängig von der Schieberstellung hinter den Kolben treten lassen kann.
Ausser diesem „Anfahrventil“ tritt beim Anfahren noch ein weiteres Ventil in Thätigkeit, welches die Arbeits-Anfangsspannung, (die sonst durch das Druckverminderungs-Ventil konstant gehalten wird) um 40 %, zu erhöhen gestattet. Es folgt daraus, dass beim Anfahren ein hörbarer Auspuff unvermeidlich ist. Dieses Beschleunigungsventil befindet sich am oberen Ende des Druckverminderungs-Ventils (bei A, Abbildg. 30) und wird vom Führerstande aus mittelbar bethätigt. Wird nämlich der Druck in dem nach A vom Führerstande laufenden Rohre vermindert, so wird auch der Druck auf die Fläche des Ventils A ermässigt, wodurch die Spindel des Druckverminderungs-Ventils durch die Kraft der Feder F in die Höhe geht und dieses weiter öffnet.
Die Steuerung ist eine Doppelschieber-Steuerung mit 3 Excentern, welche so angeordnet ist, dass der weitesten Umlegung des Steuerungshebels die kleinste Füllung entspricht, sodass der Hebel wie der eines elektrischen Fahrschalters beim Anfahren allmählich weiter umgelegt wird.
Anfahr-, Beschleunigungs- und Absperrventil sind mit dem Bremshebel verbunden, sodass ausser der Steuerung nur dieser eine Hebel zu bewegen ist. Ferner ist auf dem Führerstande noch ein Haupt-Absperrventil vorhanden, welches die Luft von allen Apparaten abschliesst und während der Betriebspause des Wagens geschlossen bleibt.
Der Zylinder der Luftdruckbremse ist in Abbildg. 31 dargestellt. Zum Bremsen wird Luft in den ringförmigen Raum R eingelassen, worauf der Kolben die gezeichnete Stellung einnimmt. Um die Bremse zu lösen, lässt man die Luft von T aus durch V auf die andere Seite des Kolbens strömen. Durch die Bohrung S strömt die Luft in die hohle Kolbenstange und von dort durch die Oeffnungen W nahezu ohne Geräusch ins Freie.
Es ist ein besonderer Vorzug der Druckluftwagen, dass man eine gut und zuverlässig wirkende mechanische Bremse anwenden kann und dabei das wenig angenehme Geräusch vermeidet, welches die Pumpe einer Luftdruckbremse bei elektrischen Wagen verursacht. [Es ist das wohl einer der vornehmsten Gründe, weshalb man vielfach bei elektrischen Wagen unter Verzichtleistung auf die Pumpe einen besonderen (oder mehrere) Vorrathsluftbehälter für die Bremsen vorgesehen hat, der auf End- oder Haupt-Zwischenstationen in gewissen Zeitabschnitten gefüllt wird, z, B. bei der Schwebebahn in Elberfeld.]
Ueberhaupt dürften die vollkommensten Luftdruckbremsen den besten elektrischen Bremsen wohl noch überlegen sein.
Die neueren Hardie-Wagen haben eine in Abbildung 32 dargestellte Steuerung erhalten. Es ist eine Doppelschieber-Steuerung. Der Grundschieber wird durch eine Stephenson’sche Kulisse mit gekreuzten Excenterstangen bewegt. An der Aussenseite derselben befindet sich ein zweiarmiger Hebel a, mit welchem unten der Hebel f, oben der Grundschieber gelenkig verbunden sind. Das obere Auge des Hebels f erhält eine der Kreuzkopf-Bewegung entgegengesetzte Bewegung durch die Stange l bezw. durch den doppelarmigen Hebel g, welcher in dem am Rahmen befestigten Lager p schwingt. Der Punkt m des Hebels f ist durch die Stange h mit dem Expansionsschieber verbunden. Eine Anzahl im Betriebe an den Wagenmaschinen aufgenommener Diagramme zeigt Abbildg. 33.
Wenn diese Versuche mit Druckluftwagen ein zufriedenstellendes Ergebniss zeitigen, so gedenkt die Metropolitan-Strassenbahn-Gesellschaft, in deren Hand jetzt alle Strassenbahnen im eigentlichen New-York (Manhattan-Insel) vereinigt sind, die grösste Zahl der zurzeit meist noch mit Pferden betriebenen Querlinien, welche vom North-River nach dem East River laufen (vgl. Abbildg. 25) und beiderseits je an eine der zahlreichen Fähren anschliessen, mittels Druckluft zu betreiben. Für die von Süden nach Norden in der Längsrichtung der Insel laufenden Linien wird die unterirdische Stromzuführung durchgeführt, wobei zumtheil die Kanäle der früheren Kabelbahnen benutzt werden. Für die Querlinien erschien dieses System deshalb nicht durchführbar, weil die grosse Zahl der Kanalisations-, Wasser-, Gas- und elektrischen Leitungen die Stadt der Länge nach durchziehen und bei dem meist felsigen Untergrund so hoch liegen, dass sie beim Bau der Stromleitungs-Kanäle vielfach verlegt werden müssten. Ferner liegen die Hafenstrassen, welche von den Querlinien berührt werden, zumtheil so tief, dass bei Sturmfluthen die Strassen überschwemmt werden, wobei das Salzwasser in die Stromleitungskanäle eindringen und Kurzschluss verursachen würde. Neben der Druckluft kommt daher nur noch Betrieb mit elektrischen Akkumulatoren infrage. Für beide Systeme liegen die Verhältnisse insofern günstig, als die Linien kurz sind und die Wagen an den Endpunkten ohne Schwierigkeit neu geladen werden können.
Wesentlich anders als in New-York ist die Anwendung der Druckluft-Strassenbahnwagen (System Hardie) in Chicago. Hier ist für die in die innere Stadt hineinführenden Linien noch die Kabelbahn in Gebrauch,und diese ist für den Nachtbetrieb mit einzelnen wenigen Wagen wirthschaftlich sehr ungünstig. Man lässt daher Nachts den Kabelbetrieb ruhen und betreibt eine der Linien (in der Nord-Clark-Strasse) von 1 – 5 Uhr mit Druckluftwagen. Zwei solcher „Eulenwagen“ (zu deutsch „Lumpensammler“) sind im Betriebe und unterhalten auf der 11 km langen Strecke einen 30 Minuten-Verkehr, ein dritter steht in Reserve. Die ersten Nachtfahrten werden häufig mit einem oder auch zwei Anhängewagen gemacht.
Die Luftpumpen-Anlage (Abb. 34) liegt in der Mitte der Linie in dem Kabelkrafthause an der Elm-Strasse. Dort sind ausser zwei kleinen Maschinen von je 60 P.-S., von denen immer nur eine in Thätigkeit ist, Luftbehälter mit einem Gesammtinhalte von 5500 l aufgestellt. Die in den mit Oel gefeuerten Kesseln nach Schluss des Kabelbetriebes vorhandene Dampfmenge genügt für den Betrieb der Luftpumpen, sodass die Erzeugung dieser Energieform sich sehr billig stellt. Da der Wagenschuppen am äussersten Ende der Linie liegt, so müssen die Wagen die erste Fahrt mit der Luftfüllung vom vorherigen Tage beginnen, nur der Erwärmer wird vorher gefüllt. Das Laden geschieht vor dem Kraftwerke auf der Strasse und dauert etwa 2 Minuten. Der Druck in den Luftbehältern und Zylindern ist derselbe wie bei den New-Yorker Wagen.
Die maassgebenden Zahlen des Hardie-Wagens sind folgende: Gesammtlänge 8500 mm, Radstand 2350 mm, Raddurchmesser 660 mm, Höhe des Fussbodens über S.-O. 864 um, Zahl der Sitzplätze 20, Gesammt-Leergewicht 8165 kg.
Infolge ihrer Eigenschaft, eine Steigerung der Motorenleistung durch Erhöhung des Zylinderdruckes im Bedarfsfalle leicht zu ermöglichen haben sich diese Druckluftwagen den an sie gestellten erhöhten Ansprüchen bei wiederholten schweren Schneefällen sowohl in New-York als auch in Chicago aufs glänzendste gewachsen gezeigt.
Diese Schneefälle traten in Amerika mit einer Heftigkeit auf, von der man sich bei uns kaum einen Begriff machen kann. In den meisten Fällen mussten die Pferdebahnen wie auch die elektrisch betriebenen Hochbahnen [Hauptsächlich wegen Vereisens der Stromleitungsschienen.] den Verkehr völlig einstellen, während die elektrischen Strassenbahnen den Verkehr nur mit grosser Mühe und sehr unvollkommen aufrecht erhalten konnten, [In New-York war der Betrieb der Strassenbahnen bis zu 17 Stunden während des Schneesturmes vom Februar 1898 unterbrochen.] wenn überhaupt die Kraftwerke den erhöhten Arbeitsaufwand der Wagen, zu welchem noch der der Schneepflüge kam, zu leisten vermochten. Die Pressluftwagen haben dagegen ungehindert verkehrt und wurden häufig dazu benutzt, bewegungsunfähige, im übrigen elektrisch oder durch Pferde betriebene Wagen mit fortzubewegen. Wenn trotzdem der Druckluft-Betrieb in Amerika bisher noch keine grossen Fortschritte gemacht hat, so mögen da wohl theilweise Einflüsse im Spiele sein, welche sich der Kenntniss von Fernerstehenden entziehen.
Einen sonderbaren, immerhin aber erwähnenswerthen Vorschlag zu einem „elektrischen Druckluft-Strassenbahnwagen“ machte Merrick [Street Railway Review, Okt. 1899.]. Er verspricht sich von dem Antrieb des Wagens mittels Druckluft so bedeutende Vortheile, namentlich bezüglich einer schnellwirkenden kraftsammelnden Bremsung, dass er ein Fahrzeug mit einem elektrischen Motor ausrüsten will, welcher von einer Oberleitung (ständig) Strom erhält und eine Luftpumpe antreibt; diese füllt einen Luftbehälter mit Druckluft von 7 at Spannung, welche ihrerseits zum Antrieb der auf die Wagenachsen wirkenden Luftmotoren dient. Vielleicht könnte man den Grundgedanken des Systems für einen gemischten Oberleitungs- und Druckluft-Betrieb anwenden.
Man hat auch in Amerika den Anlauf dazu genommen, Druckluftwagen für Vollbahnen zu konstruiren. Abbildg. 35 zeigt das dreiachsige Drehgestell eines von den Rome-Lokomotiv-Werken erbauten Wagens. Die Maschine ist 2/3 gekuppelt; die Steuerung ist die oben beschriebene von Hardie erdachte. Die Luftbehälter und Erwärmer sind am Drehgestell befestigt, da der Wagenkasten mit seinen Quersitzen dafür keinen Raum bietet. Der Wagenkasten ist der eines normalen amerikanischen Personenwagens von 18 m Länge. Die Triebräder haben 965 mm Durchmesser, der Radstand beträgt 2830 mm, der Zylinder-Durchmesser 305 mm, der Kolbenweg 457 mm. Ein grosser Luftvorrath ist bei dieser Anordnung nicht vorhanden, sodass ein Befahren einigermaassen bedeutender Strecken ohne Nachladen ausgeschlossen erscheint.
Anlage- und Betriebs-Kosten.
Die Anlagekosten der Druckluft-Kraftwerke unterscheiden sich nicht wesentlich von denen der elektrischen Krafthäuser. Für die Rohrleitungen, welche zur Vertheilung der Druckluft dienen, wird man einen höheren Betrag einzusetzen haben, als für elektrische Speiseleitungen, dagegen entfallen die Kosten für die Arbeitsleitungen. Die Beschaffungskosten für eine Mekarski-Strassenbahn-Lokomotive werden zu 28 000 M., für einen Triebwagen mit Verdeck zu 18 000 bis 20 000 M. angegeben. Ueber die amerikanischen Wagen liegen Preisangaben nicht vor.
Die Krafterzeugungskosten in den Kraftwerken sind etwas geringer als bei elektrischen Bahn-Zentralen, da die Belastung eine gleichmässige ist und die Maschinen stets mit dem höchsten Wirkungsgrade laufen können.
Um 1 kg Luft auf 150 at zu verdichten, sind erfahrungsgemäss 0,25 bezw. 0,21 P.S.-Stunden erforderlich. Der Wirkungsgrad der Kraftübertragung von der Luftpumpe bis zum Motor möge im Mittel zu 50 % angenommen werden; diese Zahl enthält die Verluste in den Rohrleitungen beim Füllen, sowie bei der Ausdehnung vom Behälterdruck zur Anfangs-Arbeitsspannung.
Der Verbrauch der Betriebsmittel an Luft wird wie folgt angegeben: Decksitz-Triebwagen von Mekarski im Mittel 12 kg für den Wagen-Kilometer (ebene Strecke, ohne Anhängewagen); Triebwagen von Hoadley im Mittel 10 kg, Triebwagen von Hardie (ältere Form) im Mittel 9 kg.
Nimmt man die Kosten für die Erzeugung einer indizirten P.S.-Stunde zu 1,5 Pf. an, so betragen die Kosten für 10 kg Luft rd. 7,5 Pf. Rechnet man hierzu 0,5 Pf. für die Erwärmung der Luft, so betragen die Kosten für die Zugkraft für einen 2-achsigen Triebwagen von 40 Plätzen etwa 8 Pf. f. d. Wagen-Kilometer. Nach amerikanischen Angaben soll es möglich sein, diese Kosten bei grossen Anlagen auf etwa 4 Pf. zu vermindern.
Einen Vergleich der Anlage- und Betriebskosten zwischen Druckluft-Betrieb und elektrischem Betrieb mit unterirdischer Stromzuführung nach dem Stande der Technik im Jahre 1897 zeigen folgende Zahlen [Engineering News 7. Okt. 1897]; es handelt sich um Bau und Ausrüstung einer Strecke von 41 km Gleislänge in Washington mit 80 Triebwagen [Da die Linie bisher mittels Kabel betrieben waren, fielen die Kosten für die Herstellung des Stromleitungskanales grösstentheils fort.]
Baukosten | Jährliche Betriebskosten M. | Zinsen M. | Zusammen M. | |
Anschlag der Americam Air Power Co. (System Hardie) | 2 786 000 | 1 915 000 | 195 000 | 2 110 000 |
Anschlag der Compressed Air Co. (System Hoadley) | 2 505 000 | 1 915 000 | 175 000 | 2 090 000 |
Electric Co. (Unterird. Stromzuführung) | 7 612 000 | 1 257 000 | 429 000 | 1 686 000 |
Der Betrieb in der 28. und 29. Strasse in New-York hat folgende Ergebnisse: Es sind 28 mit je 20 Sitzplätzen ausgerüstete Wagen vorhanden, die in Abständen bis herab zu 2,5 Minuten verkehren und im Durchschnitt 30.000 Personen täglich befördern, Die Ausgaben für den Wagen km betrugen 46,16 Pf. Bei elektrischem Betriebe mit unterirdischer Stromzuführung und Wagen von 28 Sitzplätzen betrugen die Ausgaben für den Wagen km 34,87 Pf. Beim Vergleich dieser Zahlen ist zu bemerken, dass 1. das Luftdruck-Krafthaus auf den Betrieb mit 100 Wagen berechnet ist; bei voller Ausnutzung würden daher die auf den Wagen km entfallenden Kosten des Kraftwerkes sich erheblich verringern; 2. die Verzinsung des Anlagekapitals in den Betriebszahlen nicht enthalten ist. Das Anlagekapital ist bei elektrischen Bahnen mit unterirdischer Stromzuführung, wie wir gesehen haben, etwa das dreifache wie bei Druckluftbetrieb, Die Kosten für die unterirdische Stromzuführung allein haben in New-York etwa 500 000 M. für den km doppelgleisiger Bahnstrecke betragen.
Das Feld für die Anwendung von Druckluft-Betriebsmitteln wird bei der grossen Ausdehnung des elektrischen Betriebes auf Strassenbahnen bei uns stets ein beschränktes bleiben. Mit elektrischem Oberleitungs-Betriebe wird die Druckluft nicht in Wettbewerb treten; vielleicht auch nicht überall mit dem der unterirdischen Stromzuführung.
Wo aber beide Stromleitungsarten aus besonderen Gründen ausgeschlossen oder die letztere besonders kostspielig in der Herstellung ist, kann Druckluft infrage kommen.
Daneben wird man sie vielleicht nach dem Chicagoer Muster als Betriebsmittel für den Nachtdienst ins Auge fassen können, sobald bei der wachsenden Ausdehnung der Stadt und der Bedeutung der Strassenbahnen für einen nächtlichen Güterverkehr auch bei uns ein Betrieb zur Nachtzeit nothwendig wird. Sobald man den neueren Bestrebungen entsprechend sehr grosse Einheiten zur Krafterzeugung anwendet, und zumal, wenn ein Drehstrom-Kraftwerk mit Unterstationen benutzt wird, ist ein Nachtbetrieb mit einzelnen wenigen Wagen unwirthschaftlich. Auch will man meist gerne die Oberleitungen für Reparaturen usw. auf einige Stunden ausser Betrieb setzen, Die Druckluft-Behälter einer Station kann man zu beliebiger Zeit laden und kann dazu auch, wie erwähnt, den Rest der Kesselenergie am Abend benutzen. Dass für Bahnen, welche häufig von starken Schneefällen heimgesucht werden, einige Druckluftwagen von Nutzen sein können, lehren die amerikanischen Verhältnisse.
Bei der wachsenden Bedeutung der Selbstfahrer kommt die Druckluft als ein Antriebsmittel infrage, welches von den beiden wesentlichsten Mängeln der bisher gebräuchlichen Mittel – dem grossen Gewicht und üblen Geruch – frei ist. Ein Nachtheil liegt scheinbar in der Nothwendigkeit des häufigen Aufladens. Allein bei dem geringen Kraftbedarf derartiger leichter Wagen (ein amerikanischer Selbstfahrer für 2 Personen verbraucht 1 cbm atmosphärischer Luft für den km) werden die mit einer Ladung zurückgelegten Strecken immerhin ziemlich beträchtliche sein können.
Zum Schluss sei es uns an dieser Stelle gestattet, dem ehemaligen [Leider kürzlich verstorben.] Präsidenten der Pintsch-Gas- Gesellschaft, Hrn. Arthur W. Soper-New-York, dem Obering.
der Westbahn, Hrn. Sauvage-Paris, sowie den Hrn. Oberingenieur Hardie-Rome und Ingenieur Pataud-Paris, als endlich der Schweizerischen Lokomotiv-Fabrik in Winterthur für die freundliche Unterstützung bei unseren Studien unseren verbindlichsten Dank auszusprechen.
Dieser Artikel erschien zuerst 1902 in der Deutschen Bauzeitung, er war gekennzeichnet mit „Buhle. Schimpff.“